Bundesgerichtshof Urteil, 29. Jan. 2019 - VI ZR 113/17

bei uns veröffentlicht am29.01.2019
vorgehend
Landgericht Frankfurt am Main, 14 O 72/12, 26.03.2015
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 10 U 79/15, 20.02.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 113/17 Verkündet am:
29. Januar 2019
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO findet Anwendung, soweit es um
die Frage geht, ob eine haftungsbegründende Primärverletzung weitere vom
Kläger geltend gemachte Gesundheitsbeeinträchtigungen zur Folge hatte (haftungsausfüllende
Kausalität). Werden unabhängig davon aus der zugrundeliegenden
Verletzungshandlung weitere unfallursächliche Primärverletzungen geltend
gemacht, unterfallen diese dem Beweismaß des § 286 ZPO (haftungsbegründende
Kausalität) (Abgrenzung zum Senatsbeschluss vom 14. Oktober
2008 - VI ZR 7/08, VersR 2009, 69 Rn. 7).
BGH, Urteil vom 29. Januar 2019 - VI ZR 113/17 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
ECLI:DE:BGH:2019:290119UVIZR113.17.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2019 durch die Richterin von Pentz als Vorsitzende, den Richter Wellner und die Richterinnen Dr. Oehler, Dr. Roloff und Müller
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Februar 2017 wird zurückgewiesen. Auf die Anschlussrevision der Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges - an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 728,67 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 17. März 2017 zu zahlen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger macht materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend.
2
Der Kläger betreibt als Selbstständiger einen Limousinen-Service. Er befuhr am 8. Oktober 2010 mit seinem Pkw einen vorfahrtsberechtigten Kreisverkehr , als der Fahrer eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw in den Kreisverkehr einfuhr und mit dem Fahrzeug des Klägers seitlich kollidierte. Die vollumfängliche Einstandspflicht der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig. Bei dem Verkehrsunfall entstand am Fahrzeug des Klägers ein Streif- schaden in Höhe von 18.635,36 €, den die Beklagte regulierte.Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger bei dem Unfall verletzt wurde.
3
Am 13. Oktober 2010 begab sich der Kläger in die Allgemeinarztpraxis M./P. Dort wurden eine HWS-Distorsion sowie ein Kniegelenkserguss, eine Außenmeniskusläsion und eine vordere Kreuzbandläsion am linken Kniegelenk diagnostiziert. Am 15. Oktober 2010 suchte der Kläger den Orthopäden Dr. S. auf. Dieser röntgte die Halswirbelsäule und diagnostizierte eine HWS-Distorsion bei deutlicher Steilstellung der Halswirbelsäule und einen eingeklemmten Innen - und Außenmeniskus. Wegen des Verdachts auf eine Innen- und Außenmeniskusläsion ließ der Kläger in der radiologischen Praxis des Dr. M. ein MRT des linken Knies durchführen. Der Befund ergab degenerative Veränderungen und eine deutliche laterale Gonarthrose. Dr. M. stellte zudem eine ausgeprägte Schädigung des Hinterhorns und von Teilen der Pars Intermedia des Außenmeniskus , einen kleinen Knochen-Knorpel-Defekt und einen leichten Kniegelenkserguss fest. Er führte in seinem Bericht vom 27. Oktober 2010 aus, dass wegen des fehlenden Weichteilödems eine sichere Differenzierung zwischen alten und frischen Schädigungen nicht möglich sei. Ferner enthält der Bericht Feststellungen über degenerative Knorpelschäden retropatellar sowie im femoralen Gleitlager. Die Allgemeinarztpraxis M./P. bescheinigte dem Kläger schließlich unter dem 10. Dezember 2010 eine vollumfängliche Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum vom 8. Oktober 2010 bis zum 6. Dezember 2010.
4
Der Kläger hat behauptet, er habe durch den Verkehrsunfall nicht nur eine HWS-Distorsion sondern auch eine Verletzung des linken Knies erlitten, weil sich sein linker Fuß unter dem Gaspedal verklemmt und er sich dadurch das linke Knie verdreht habe. Dadurch, dass er mit dem verletzten Bein als Fahrer keine Aufträge mehr habe erledigen können, sei ihm ein Verdienstausfallschaden in Höhe eines Nettoverdienstes von 1.203,37 € täglich und für die 40 Tage seiner Arbeitsunfähigkeit in Höhe von insgesamt 48.134,80 € entstanden. Die Firma T. habe Fahrten für ihn übernommen und ihm dafür insgesamt Kosten von 22.627,97 € in Rechnung gestellt. Aufgrund seiner Verletzungen sei ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von rund 3.000 € gerechtfertigt.
5
Mit seiner Klage hat der Kläger zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen , ihm ein angemessenes Schmerzensgeld sowie Verdienstausfall in Höhe von 48.134,80 €, jeweils nebst Zinsen, zu zahlen, weiter festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm sämtliche Steuern zu erstatten, die er auf denzu ersetzenden Verdienstausfallschaden an das Finanzamt als Einkommensteuer abzuführen habe, und schließlich, ihm vorprozessuale Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen zu ersetzen.
6
Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger ein Schmer- zensgeld von 600 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, soweit das Berufungsgericht zu seinem Nachteil erkannt hat. Mit ihrer Anschlussrevision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage und Erstat- tung der von ihr aufgrund des Berufungsurteils an den Kläger geleisteten Zahlungen.

Entscheidungsgründe:

I.

7
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte, die für die Folgen des Verkehrsunfalls vollumfänglich einzustehen habe, wegen der erlittenen HWS-Beschleunigungsverletzung lediglich ein Schmerzensgeld in Höhe von 600 € gemäß §§ 7, 11 Satz 2 StVG, § 115 Abs. 1 VVG zu. Nach Würdigung aller Umstände stehe zur Überzeugung des Gerichts im Sinne von § 286 ZPO fest, dass der Kläger unfallbedingt eine leichtgradige HWS-Distorsion als Primärverletzung erlitten habe. Hinreichende Anhaltspunkte hierfür ergäben sich insbesondere aus den Unterlagen und den Befunden der den Kläger nach dem Unfall behandelnden Ärzte. Auch der Gerichtssachverständige habe in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten unter Bezugnahme auf den Befundbericht des Dr. S. den Eintritt einer leichtgradigen HWS-Verletzung überzeugend für möglich gehalten. Zwar habe er eine solche Verletzung für nicht typisch erachtet, weil es sich vorliegend um eine streifende, seitliche Kollision gehandelt habe. Allerdings habe der Sachverständige plausibel und nachvollziehbar angemerkt, dass HWS-Beschleunigungsverletzungen prinzipiell auch bei Frontal-, Seit- oder Mischkollisionen möglich seien. Hierfür spreche im vorliegenden Fall, dass es sich um einen vergleichsweise heftigen Seitenaufprall gehandelt habe, was sich aus dem Schadensbild ergebe und wovon der hohe Sachschaden von über 18.000 € zeuge. Der Sach- verständige habe im Hinblick auf den Bericht des Orthopäden Dr. S. den unfallbedingten Eintritt einer leichtgradigen HWS-Beschleunigungsverletzung aus sachverständiger Sicht nachvollziehbar als "möglich" erachtet, sofern - so der Sachverständige - ein technischer Unfallsachverständiger überhaupt eine Relevanz des Unfallereignisses annehmen würde. Die Einholung eines oder weiterer Sachverständigengutachten, insbesondere zur kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung , bedürfe es im vorliegenden Fall jedoch nicht, da das Gericht bereits aufgrund der oben angeführten Umstände davon überzeugt sei, dass sich der Kläger durch den Unfall eine leichtgradige HWSBeschleunigungsverletzung zugezogen habe.
8
Dass sich der Kläger durch den Unfall darüber hinaus auch eine Verletzung des Kniegelenkes sowie eine Außenmeniskusläsion und eine Kreuzbandläsion , jeweils links, zugezogen habe, stehe nach durchgeführter Beweisaufnahme dagegen nicht mit der zur vollen Überzeugung des Gerichts erforderlichen Gewissheit im Sinne von § 286 ZPO fest. Nach den Feststellungen des Gerichtssachverständigen seien die im Röntgenbefund und im MRT-Befund festgestellten krankhaften Veränderungen des linken Kniegelenks auf unfallfremde Ursachen, insbesondere auf degenerative Veränderungen, zurückzuführen. Aus den Diagnosen und Befunden der den Kläger nach dem Unfall behandelnden Ärzte ergäben sich - so der Gerichtssachverständige - vor dem Hintergrund der vom Kläger eingeräumten, indes aber nicht spezifizierten Vorschädigung des bereits arthroskopierten linken Kniegelenks keine ausreichend aussagekräftigen und unfallspezifischen Befunde. Insoweit sei es Sache des Klägers gewesen - falls vorhanden - etwaige weitere aussagekräftige Unterlagen betreffend eine unfallbedingt eingetretene Knieschädigung und die unstreitig vorhandene Vorschädigung des Kniegelenks vor dem Unfall beizubringen, wozu er vom Landgericht vergeblich aufgefordert worden sei.

II.

9
Das angegriffene Urteil hält den Angriffen der Revision des Klägers stand. Die Anschlussrevision der Beklagten hat dagegen Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit das Berufungsgericht dem Kläger ein Schmerzensgeld wegen einer HWS-Verletzung nebst Zinsen zuerkannt hat. A. Revision
10
1. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß §§ 7, 11 Satz 2 StVG, § 115 Abs. 1 VVG wegen einer unfallursächlichen Knieschädigung verneint, weil es sich aufgrund der Beweisaufnahme keine Überzeugung im Sinne des § 286 ZPO hat bilden können, dass sich der Kläger durch den Unfall auch eine Verletzung des Kniegelenkes sowie eine Außenmeniskusläsion und eine Kreuzbandläsion zugezogen hat.
11
Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht seiner Beweiswürdigung kein falsches Beweismaß zugrunde gelegt, indem es trotz des von ihm festgestellten Primärschadens in Form einer HWS-Distorsion im Hinblick auf die behauptete zusätzliche Knieschädigung das strenge Beweismaß des § 286 ZPO statt des erleichterten Beweismaßes des § 287 ZPO zugrunde gelegt hat.
12
a) Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs ist zwischen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität zu unterscheiden. Die haftungsbegründende Kausalität betrifft den Kausalzusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und der Rechtsgutsverletzung, d. h. dem ersten Verletzungserfolg (Primärverletzung). Insoweit gilt das strenge Beweismaß des § 286 ZPO, das die volle Überzeugung des Gerichts erfordert. Hingegen be- zieht sich die haftungsausfüllende Kausalität auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen der primären Rechtsgutsverletzung und - hieraus resultierenden - weiteren Gesundheitsschäden des Verletzten (Sekundärschäden). Nur hierfür gilt das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO, d. h. zur Überzeugungsbildung kann eine hinreichende bzw. überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen (vgl. Senatsurteile vom 27. Februar 1973 - VI ZR 27/72, NJW 1973, 1413, 1414; vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85, VersR 1986, 1121, 1122 f.; vom 21. Juli 1998 - VI ZR 15/98, VersR 1998, 1153, 1154; vom 16. November 2004 - VI ZR 328/03, VersR 2005, 228, 230 und vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06, VersR 2008, 644 Rn. 10, 13).
13
b) Allerdings hat der Senat im Beschluss vom 14. Oktober 2008 (VI ZR 7/08, VersR 2009, 69 Rn. 7) - insoweit die Entscheidung nicht tragend - ausgeführt , die Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO sei nicht auf Folgeschäden einer Verletzung beschränkt, sondern umfasse neben einer festgestellten oder unstreitigen Verletzung des Körpers im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB entstehende weitere Körperschäden "aus derselben Schädigungsursache", was zumindest zu Missverständnissen Veranlassung geben kann. Soweit dem zu entnehmen sein sollte, dass eine festgestellte unfallursächliche Primärverletzung ausreiche, um alle darüber hinaus behaupteten Verletzungen unabhängig von ihrem Verhältnis zu dieser Primärverletzung in den Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität zu verlagern und damit dem Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO zu unterstellen, wird hieran nicht festgehalten.
14
c) Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus den im vorgenannten Beschluss vom 14. Oktober 2008 (VI ZR 7/08, VersR 2009, 69 Rn. 7) zitierten Senatsentscheidungen , in denen ebenfalls zwischen haftungsbegründender Kausalität einerseits und haftungsausfüllender Kausalität als Folge der jeweiligen Primärverletzung andererseits differenziert wird:
15
(1) Nach dem Senatsurteil vom 11. Januar 1972 (VI ZR 46/71, BGHZ 58, 48, 55 f.) genügt ein mit Gesundheitsschäden geborenes Kind seiner Pflicht, zunächst einen konkreten Haftungsgrund, nämlich die Verletzung seiner "Gesundheit" , gemäß § 286 ZPO nachzuweisen, schon durch den Nachweis, dass es bei einem Unfall seiner Mutter als Leibesfrucht in Mitleidenschaft gezogen worden war. Ist ihm dieser Beweis gelungen, so geht es bei der Frage, ob die Misshandlung der Leibesfrucht zu der angeborenen Hirnschädigung geführt hat, nur noch darum, ob die Hirnschädigung ein Folgeschaden der Verletzung der Leibesfrucht gewesen ist. Dies hatte das dortige Berufungsgericht mit Recht nach § 287 ZPO geprüft und bejaht.
16
(2) Im Senatsurteil vom 30. Januar 1973 (VI ZR 14/72, BGHZ 60, 177, 183 f.) stand fest, dass der nach einem selbst verschuldeten Verkehrsunfall auf der Fahrbahn einer Bundesautobahn liegende, schwer verletzte Geschädigte von einem Bus überrollt und dadurch zusätzlich verletzt worden war. Deshalb beurteilte sich die Auswirkung der zusätzlichen Verletzung, nämlich zumindest deren Mitursächlichkeit für den Tod des Geschädigten, grundsätzlich nach § 287 ZPO.
17
(3) Im Fall, der dem Senatsurteil vom 21. Oktober 1986 (VI ZR 15/85, VersR 1987, 310) zugrunde lag, hatte das Auffahren des Beklagten auf den Pkw des Klägers unstreitig zu einer Körperverletzung des Klägers, nämlich einem HWS-Schleudertrauma, geführt. Damit stand der Haftungsgrund fest. Ob diese Verletzung auch eine Hirnschädigung des Klägers zur Folge hatte, war nach § 287 ZPO zu beurteilen. Nach den dortigen Ausführungen des Sachverständigen bestand nämlich eine - allerdings seltene - Entstehungsmöglichkeit einer Hirnkontusion durch das erst vom Heckaufprall des Beklagten ausgelöste HWS-Schleudertrauma.
18
(4) In dem Senatsurteil vom 2. Dezember 1975 (VI ZR 79/74, VersR 1976, 435, 437) ging es um die Anwendung von § 287 ZPO in einer Fallgestaltung , in der sich der Tatrichter bezüglich der bei einem insgesamt zu ermittelnden Kausalverlauf möglichen Zwischenursachen eine Überzeugung bilden muss, also wiederum um die Frage, ob eine bestimmte feststehende Verletzung (durch den Sturz eines Säuglings) über eine Hirnschädigung als Zwischenursache zu einer Epilepsie geführt hatte. In dem dort in Bezug genommenen Senatsurteil vom 27. Februar 1973 (VI ZR 27/72 - VersR 1973, 619, 619 f.) ging es um die Frage, ob eine haftungsbegründende Körperverletzung in Form einer Brustkorbprellung und einer fraglichen Knorpelfraktur am linken Rippenbogen im weiteren Verlauf zu einer Lungenembolie und dadurch zum Tod des Geschädigten geführt hatte, was der haftungsausfüllenden Kausalität im Sinne des § 287 ZPO zugeordnet worden ist.
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(5) Gegenstand des Senatsurteils vom 28. Januar 2003 (VI ZR 139/02, VersR 2003, 474, 476) war die Frage, ob eine nach dem Beweismaß des § 286 ZPO vom Berufungsgericht festgestellte HWS-Distorsion als Primärverletzung für weitere Beschwerden des Klägers (Schmerzen im Nacken-, Schulter- und Kopfbereich sowie Schwindel und Übelkeit, Tinnitus und eine Verschlechterung des Sehvermögens) ursächlich war, was als eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität nach dem Haftungsmaß des § 287 ZPO beurteilt worden ist.
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(6) Im Senatsurteil vom 4. November 2003 (VI ZR 28/03, VersR 2004, 118, 119 f.) hatte die dortige Klägerin nicht zur vollen Überzeugung des Berufungsgerichts im Sinne des § 286 ZPO bewiesen, dass sie als Primärverletzung eine (traumatische) Handgelenksverletzung erlitten hatte, die der Sachverständige als Voraussetzung für eine zeitlich nach dem Unfall aufgetretene Erkrankung (Morbus Sudeck) bezeichnet hatte.
21
(7) Im Senatsurteil vom 12. Februar 2008 (VI ZR 221/06, VersR 2008, 644 Rn. 13) stand dagegen die durch den Behandlungsfehler im Sinne haftungsbegründender Kausalität hervorgerufene primäre Körperverletzung, nämlich die durch die unterbliebene Ruhigstellung und damit unsachgemäße Behandlung einer Fraktur eingetretene Störung der gesundheitlichen Befindlichkeit (Fortdauer eines pathologischen Zustandes) fest. Welche weiteren Schäden sich hieraus entwickelt hatten, war eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität im Sinne des § 287 ZPO. Da der Morbus Sudeck nach dem Klagevortrag nicht durch den der Behandlung vorangegangenen Unfall, sondern durch die infolge der ärztlichen Fehlbehandlung hervorgerufene Gesundheitsbeeinträchtigung eingetreten sein sollte, behauptete der Kläger insoweit einen Sekundär /Folgeschaden.
22
(8) Den vorgenannten Entscheidungen ist gemeinsam, dass die Anwendbarkeit des § 287 ZPO nur insoweit bejaht wurde, als es um die Frage ging, ob eine haftungsbegründende Primärverletzung - wie vom Kläger jeweils geltend gemacht - weitere Gesundheitsbeeinträchtigungen zur Folge hatte. Dies steht im Streitfall jedoch nicht in Rede. Ob der Kläger im Streitfall durch den genannten Verkehrsunfall neben einer vom Berufungsgericht festgestellten HWS-Distorsion eine Verletzung des linken Knies erlitten hat, ist - entgegen der Auffassung der Revision - keine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, sondern betrifft die Frage, ob der Kläger durch den Unfall eine weitere Primärverletzung in Form einer Knieschädigung erlitten hat. Dies unterfällt - wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat - dem Beweismaß des § 286 ZPO. Die Revision zeigt keinen in der Instanz übergangenen Sachvortrag auf, wonach der Kläger geltend gemacht hat, die behauptete Knieschädigung sei Folge der HWS-Distorsion.
23
2. Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie hilfsweise rügt, das Berufungsgericht habe auch nach dem Beweismaß des § 286 ZPO die Knieverletzung verfahrensfehlerhaft nicht für erwiesen erachtet.
24
a) Die Würdigung der Beweise ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten , an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr. vgl. z.B. Senatsurteile vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96, VersR 1997, 362, 364; vom 8. Juli 2008 - VI ZR 274/07, VersR 2008, 1126 Rn. 7 und vom 16. April 2013 - VI ZR 44/12, VersR 2013, 1045 Rn. 13). Einen solchen Fehler zeigt die Revision nicht auf.
25
b) Das Berufungsgericht hat sich - ebenso wie das Landgericht - auf Grundlage der Ausführungen des Gerichtssachverständigen in tatrichterlicher Würdigung keine Überzeugung bilden können, dass die im Röntgenbefund und im MRT-Befund festgestellten krankhaften Veränderungen des linken (vorarthroskopierten ) Kniegelenks auf eine unfallbedingte Verletzung zurückzuführen sind. Das Berufungsgericht hat damit die Klageabweisung entgegen der Auffassung der Revision nicht darauf gestützt, dass am Knie kein Schaden bestehe, sondern darauf, dass der Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Schaden nicht bewiesen sei, weil der Schaden am Knie auf unfallfremde Ursachen, insbesondere auf degenerative Veränderungen, zurückzuführen sein könne. Da der Sachverständige erhebliche degenerative Vorschäden am Knie (insbesondere Gonarthrose und Knorpelschäden) festgestellt hat, waren die von der Revision zitierten Behandlungsunterlagen, soweit sie lediglich den Nachweis der Beeinträchtigung des Knies betrafen, aus der rechtsfehlerfreien Sicht des Beru- fungsgerichts unerheblich. Ob aus den vorhandenen Behandlungsunterlagen Rückschlüsse auf die Unfallursächlichkeit gezogen werden konnten oder nicht, ist sowohl in dem Sachverständigengutachten als auch in den Urteilsgründen der Vorinstanzen erörtert worden. Entgegen der Auffassung der Revision war das Berufungsgericht auch nicht verpflichtet, von Amts wegen zu ermitteln, ob und gegebenenfalls wo weitere Behandlungsunterlagen existierten, aus denen als Vergleichsmaßstab Rückschlüsse auf den Zustand des Knies vor dem Unfall hätten gezogen werden können. Einen Antrag nach § 428 ZPO zu konkret bezeichneten Behandlungsunterlagen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2014 - XI ZR 264/13, NJW 2014, 3312 Rn. 28) hat der Kläger nicht gestellt. Eines Hinweises nach § 139 ZPO bedurfte es entgegen der Auffassung der Revision nicht, da dem Kläger aufgrund des erstinstanzlichen Sachverständigengutachtens klar sein musste, dass nach dem Stand der Dinge der Nachweis eines unfallursächlichen Knieschadens nicht geführt war. Im Übrigen legt die Revision nicht dar, was der Kläger nach einem entsprechenden Hinweis konkret vorgetragen hätte und welche Folgen dies für den weiteren Prozessverlauf zu seinen Gunsten gehabt hätte.
26
c) Die weiteren Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (vgl. § 564 Abs. 1 ZPO).
27
B. Anschlussrevision
28
Die Anschlussrevision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe unfallbedingt eine leichtgradige HWSDistorsion als Primärverletzung erlitten. Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern (§ 286 ZPO).
29
1. Die Beweiswürdigung ist zwar - wie oben bereits ausgeführt - grundsätzlich Sache des Tatrichters. Revisionsrechtlich ist jedoch zu überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Einer solchen Überprüfung hält das Berufungsurteil nicht stand. Die Anschlussrevision rügt mit Recht, dass die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts weder in dem Gutachten des Gerichtssachverständigen noch in den sonstigen Feststellungen eine Grundlage findet und das Berufungsgericht den Prozessstoff nicht hinreichend geklärt hat.
30
a) Der (medizinische) Gerichtssachverständige hat seine vom Berufungsgericht als für seine Überzeugungsbildung maßgeblich erachtete Aussage , ein HWS-Beschleunigungstrauma sei "möglich", vom Ergebnis eines noch einzuholenden unfallanalytischen Gutachtens abhängig gemacht. Nach dem vorgelegten Bericht des Dr. S. sei eine Verletzungsfolge im Sinne einer leichtgradigen HWS-Beschleunigungsverletzung (HWS-Distorsion) aus sachverständiger Sicht "möglich", sofern vom technischen Unfallsachverständigen überhaupt eine Relevanz des Unfallereignisses angenommen werde. Der medizinische Sachverständige hat mithin eine HWS-Distorsion nur deshalb als "möglich" angesehen, weil die für eine abschließende medizinische Begutachtung erforderliche technische Sachaufklärung aus seiner Sicht noch nicht abgeschlossen war. Da das Berufungsgericht kein unfallanalytisches Sachverständigengutachten eingeholt hat, war die Frage, ob der Kläger durch den Unfall eine entsprechende Verletzung erlitten hat, nach dem Ergebnis des medizinischen Sachverständigengutachtens offen.
31
b) Das Berufungsgericht durfte von der Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens mit anschließender Ergänzung des medizi- nischen Sachverständigengutachtens auch nicht deshalb absehen, weil das Berufungsgericht meint, dass es aufgrund anderer Umstände vom Eintritt einer leichtgradigen HWS-Distorsion überzeugt sei.
32
aa) Die Feststellung, es habe sich um einen "vergleichsweise heftigen Seitenaufprall" gehandelt, machte die Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens nicht entbehrlich. Der Tatrichter darf, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag. Zudem muss der Tatrichter, wenn er bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 9. Januar 2018 - VI ZR 106/17, VersR 2018, 1147 Rn. 16 mwN). Die Anschlussrevision macht mit Recht geltend, dass das Berufungsgericht eigene Sachkunde, die es ihm erlaubt hätte, aus den Lichtbildern auf die kinetische Energie zu schließen, die auf die Halswirbelsäule des Klägers gewirkt haben könnte, nicht dargelegt hat. Allein aus den Lichtbildern vom Schaden am Fahrzeug des Klägers lassen sich für einen Laien keine entsprechenden Rückschlüsse ziehen. Sie zeigen lediglich, dass das Fahrzeug des Klägers durch einen Streifschaden über die gesamte Seite beschädigt worden ist, was zwar die Höhe des materiellen Schadens erklären kann, jedoch keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die Krafteinwirkung auf den Fahrer zulässt. Der Gerichtssachverständige hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, es habe sich um eine streifende seitliche Kollision und damit nicht um den Mechanismus gehandelt , bei dem typischerweise HWS-Beschleunigungsverletzungen auftreten könnten.
33
bb) Die Beurteilung des Berufungsgerichts lässt sich auch nicht allein auf die Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte stützen. Nach dem Senatsurteil vom 3. Juni 2008 (VI ZR 235/07, VersR 2008, 1133) haben entsprechende Ergebnisse als Indizien lediglich einen eingeschränkten Beweiswert und ersetzen deshalb grundsätzlich nicht die von den Parteien beantragte Einholung eines fachmedizinischen Sachverständigengutachtens durch das Gericht. Da der Arzt, der einen Unfallgeschädigten untersucht und behandelt, diesen nicht aus der Sicht eines Gutachters betrachtet, sondern ihn als Therapeut behandelt, steht für ihn die Notwendigkeit einer Therapie im Mittelpunkt, während die Benennung der Diagnose als solche für ihn zunächst von untergeordneter Bedeutung ist. Eine ausschlaggebende Bedeutung wird solchen Diagnosen im Allgemeinen jedenfalls nicht beizumessen sein. Der Gerichtssachverständige hat im Streitfall hierzu ausgeführt, die vorliegenden Befunde seien zwar prinzipiell mit einer leichtgradigen HWS-Beschleunigungsverletzung vereinbar , jedoch dafür nicht pathognomonisch (charakteristisch).
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cc) Letztlich beanstandet die Anschlussrevision mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die Verabreichung eines Schmerzmittels als Indiz für eine HWSDistorsion angesehen hat ohne die Feststellung zu treffen, ob dies wegen der behaupteten HWS-Distorsion erfolgte oder wegen der behaupteten Schmerzen am linken Knie.
35
2. Nach alledem war das Berufungsurteil auf die Anschlussrevision der Beklagten teilweise aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen nachholen kann.
36
Infolge der Aufhebung kann die Beklagte nach § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO vom Kläger die Erstattung der von ihr aufgrund des Berufungsurteils geleisteten Zahlungen verlangen. Auf Grund des Berufungsurteils hat die Beklagte (unwidersprochen ) am 14. März 2017 an den Kläger einen Betrag von insgesamt 728,67 € (600,00 € auf die titulierte Hauptforderung zuzüglich 128,67 € Zinsen) gezahlt, dessen Rückzahlung sie mit ihrem vorliegenden Zahlungsantrag begehrt. Der Zinsanspruch folgt aus § 717 Abs. 3 Satz 3 und 4 ZPO i.V.m. §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. von Pentz Wellner Oehler Roloff Müller
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 26.03.2015 - 2-14 O 72/12 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 20.02.2017 - 10 U 79/15 -

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 7 Haftung des Halters, Schwarzfahrt


(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. (2) D

Zivilprozessordnung - ZPO | § 559 Beschränkte Nachprüfung tatsächlicher Feststellungen


(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt

Zivilprozessordnung - ZPO | § 564 Keine Begründung der Entscheidung bei Rügen von Verfahrensmängeln


Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 115 Direktanspruch


(1) Der Dritte kann seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen, 1. wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt oder2.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 717 Wirkungen eines aufhebenden oder abändernden Urteils


(1) Die vorläufige Vollstreckbarkeit tritt mit der Verkündung eines Urteils, das die Entscheidung in der Hauptsache oder die Vollstreckbarkeitserklärung aufhebt oder abändert, insoweit außer Kraft, als die Aufhebung oder Abänderung ergeht. (2) Wi

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 11 Umfang der Ersatzpflicht bei Körperverletzung


Im Fall der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit ist der Schadensersatz durch Ersatz der Kosten der Heilung sowie des Vermögensnachteils zu leisten, den der Verletzte dadurch erleidet, dass infolge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Er

Zivilprozessordnung - ZPO | § 428 Vorlegung durch Dritte; Beweisantritt


Befindet sich die Urkunde nach der Behauptung des Beweisführers im Besitz eines Dritten, so wird der Beweis durch den Antrag angetreten, zur Herbeischaffung der Urkunde eine Frist zu bestimmen oder eine Anordnung nach § 142 zu erlassen.

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(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.

(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.

Im Fall der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit ist der Schadensersatz durch Ersatz der Kosten der Heilung sowie des Vermögensnachteils zu leisten, den der Verletzte dadurch erleidet, dass infolge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert oder eine Vermehrung seiner Bedürfnisse eingetreten ist. Wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann auch eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Der Dritte kann seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen,

1.
wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt oder
2.
wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist oder
3.
wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist.
Der Anspruch besteht im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis und, soweit eine Leistungspflicht nicht besteht, im Rahmen des § 117 Abs. 1 bis 4. Der Versicherer hat den Schadensersatz in Geld zu leisten. Der Versicherer und der ersatzpflichtige Versicherungsnehmer haften als Gesamtschuldner.

(2) Der Anspruch nach Absatz 1 unterliegt der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer beginnt; sie endet jedoch spätestens nach zehn Jahren von dem Eintritt des Schadens an. Ist der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht. Die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung des Anspruchs gegen den Versicherer wirken auch gegenüber dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer und umgekehrt.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.

(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.

Im Fall der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit ist der Schadensersatz durch Ersatz der Kosten der Heilung sowie des Vermögensnachteils zu leisten, den der Verletzte dadurch erleidet, dass infolge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert oder eine Vermehrung seiner Bedürfnisse eingetreten ist. Wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann auch eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Der Dritte kann seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen,

1.
wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt oder
2.
wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist oder
3.
wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist.
Der Anspruch besteht im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis und, soweit eine Leistungspflicht nicht besteht, im Rahmen des § 117 Abs. 1 bis 4. Der Versicherer hat den Schadensersatz in Geld zu leisten. Der Versicherer und der ersatzpflichtige Versicherungsnehmer haften als Gesamtschuldner.

(2) Der Anspruch nach Absatz 1 unterliegt der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer beginnt; sie endet jedoch spätestens nach zehn Jahren von dem Eintritt des Schadens an. Ist der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht. Die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung des Anspruchs gegen den Versicherer wirken auch gegenüber dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer und umgekehrt.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 328/03 Verkündet am:
16. November 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Verletzung der Pflicht des behandelnden Arztes zur therapeutischen Aufklärung
(Sicherungsaufklärung), die als grober Behandlungsfehler zu werten ist, führt regelmäßig
zu einer Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang
zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden, wenn sie
geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen; eine Wahrscheinlichkeit für
ein Ergebnis einer Kontrolluntersuchung ist in einem solchen Fall nicht erforderlich
(Fortführung von BGH, Urteil vom 27. April 2004 - VI ZR 34/03 - VersR 2004, 909,
zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
BGH, Urteil vom 16. November 2004 - VI ZR 328/03 - OLG Braunschweig
LG Braunschweig
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. November 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 16. Oktober 2003 aufgehoben und das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 10. Oktober 2002 abgeändert. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und Ersatz des bezifferten materiellen Schadens des Klägers ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden nach Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht aus der unterlassenen therapeutischen Aufklärung bei der Behandlung vom 6. Januar 2000 entstandenen und künftig entstehenden materiellen Schaden zu ersetzen, soweit der Ersatzanspruch nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren aus der unterlassenen therapeutischen Aufklärung bei der Behandlung vom 6. Januar 2000 künftig entstehenden immateriellen Schäden zu ersetzen.
Zur Entscheidung über den Betrag des Zahlungsanspruchs wird der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger, der am 6. Januar 2000 abends Lichtblitze in seinem linken Auge bemerkt hatte, begab sich noch am selben Tag in den augenärztlichen Bereitschaftsdienst, den die Beklagte wahrnahm. Gesichtsfeldmessungen und Messungen des Augeninnendrucks ergaben keinen auffälligen Befund. Auch bei einer Untersuchung des Augenhintergrundes nach Erweiterung der Pupille stellte die Beklagte keine pathologischen Veränderungen fest. Am 11. Januar 2000 trat beim Kläger eine massive Ablösung der Netzhaut im linken Auge auf. Trotz zweier Operationen in der Universitätsklinik, bei denen die Netzhaut angelegt und stabilisiert wurde, ist die Sehfähigkeit des Klägers beeinträchtigt. Der Kläger hält die Untersuchung durch die Beklagte für fehlerhaft; auch habe sie ihn nicht in gehöriger Weise darauf hingewiesen, daß er alsbald Kontrolluntersuchungen durchführen lassen müsse. Er begehrt Schmerzensgeld, Ersatz materiellen Schadens sowie die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm sämtliche nach Schluß der mündlichen Verhandlung aus dem Behandlungsfehler der Beklagten vom 6. Januar 2000 entstehenden materiellen
und immateriellen Schäden zu ersetzen. Seine Klage hatte in beiden Tatsacheninstanzen keinen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht im wesentlichen ausgeführt, es sei an die Feststellungen des Landgerichts gebunden, die Beklagte habe den Kläger nicht auf die Gefährdung der Netzhaut durch eine fortschreitende Glaskörper-Abhebung hingewiesen und ihn auch nicht aufgefordert , diesen Vorgang unbedingt weiter überwachen zu lassen. Da beim Kläger eine beginnende Glaskörper-Abhebung vorgelegen und die Beklagte das auch erkannt habe, habe sie den Kläger über diese mögliche Diagnose und das dabei bestehende vergleichsweise geringe Risiko einer Netzhautablösung unterrichten müssen. Sie habe den Kläger auffordern müssen, sich auch ohne Zunahme der Symptome zu einer Kontrolluntersuchung beim Augenarzt vorzustellen. Diese Unterlassungen seien als "einfache" Behandlungsfehler zu werten. Daß die Beklagte den Kläger nicht zusätzlich darauf hingewiesen habe, er müsse bei Fortschreiten der Symptome sofort einen Augenarzt aufsuchen, sei als ein grober Behandlungsfehler zu werten. Der Ursachenzusammenhang zwischen diesem groben Behandlungsfehler und dem Körperschaden des Klägers sei zwar nicht schon deshalb ausgeschlossen , weil der Kläger nach eigenen Angaben keine sich ausweitende oder verschlimmernde Symptomatik bemerkt habe. Es sei nämlich nicht ausgeschlossen , daß der Kläger bei zutreffender Information auch ohne Verschlech-
terung seines Zustandes zu einer augenärztlichen Kontrolle gegangen wäre und ein Augenarzt dann Anzeichen für eine beginnende Netzhautablösung festgestellt hätte. Möglicherweise hätte dann erfolgreich Vorsorge gegen die spätere Netzhautablösung getroffen werden können. Ein Ursachenzusammenhang könne jedoch nicht festgestellt werden. Es sei zwar davon auszugehen, daß der Kläger nach ordnungsgemäßer Beratung durch die Beklagte innerhalb von zwei oder drei Tagen zu einer Kontrolluntersuchung gegangen wäre. Es sei aber vorstellbar, daß die Glaskörper-Abhebung, die der Netzhautablösung vorangehe , sehr plötzlich und sehr massiv eingesetzt und dann sehr schnell eine erst am 11. Januar 2000 erkennbare Netzhautablösung nach sich gezogen habe. Daher sei völlig offen, ob es zuvor Anzeichen für eine solche Ablösung gegeben habe, die bei einer Kontrolluntersuchung erkennbar gewesen wären. Dem Kläger sei keine Beweislastumkehr für den Ursachenzusammenhang zuzubilligen. Es fehle an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit dafür, daß bei einer augenärztlichen Kontrolle Anzeichen für die Netzhautablösung erkennbar gewesen wären. Daß eine solche Kontrolle Aufschluß darüber gegeben hätte, ob sich zu jenem Zeitpunkt Anzeichen für eine Netzhautablösung gezeigt hätten , sei keine ausreichende Grundlage für eine Beweislastumkehr. Zwar liege es nicht fern, das Gesamtverhalten der Beklagten ohne Differenzierung zu den einzelnen Unterlassungen als grob fehlerhaft anzusehen. Selbst dann aber sei es nicht gerechtfertigt, dem Kläger ohne jede Wahrscheinlichkeit in die eine oder die andere Richtung eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Auftretens von Gefährdungsanzeichen bei der hypothetischen Kontrolluntersuchung zuzubilligen.

II.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. Das Berufungsgericht wertet im Anschluß an die Ausführungen des Sachverständigen und im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats als grob fehlerhaft, daß die Beklagte den Kläger nach Abschluß der Notfalluntersuchung nicht darauf hingewiesen hat, er müsse bei Fortschreiten der Symptome sofort einen Augenarzt aufsuchen (vgl. dazu Senatsurteile vom 29. Mai 2001 - VI ZR 120/00 - VersR 2001, 1030; vom 3. Juli 2001 - VI ZR 418/99 - VersR 2001, 1116, 1117; vom 28. Mai 2002 - VI ZR 42/01 - VersR 2002, 1026 - jeweils m.w.N.). Die Revision nimmt dies als ihr günstig hin; auch die Revisionserwiderung erhebt insoweit keine Beanstandungen. Beim Kläger lag eine beginnende Glaskörper-Abhebung als Vorstufe einer Netzhautablösung nahe und die Beklagte hatte dies erkannt. Sie war infolgedessen verpflichtet, dem Kläger ihre Erkenntnisse ebenso wie ihren Verdacht bekannt zu geben (Diagnoseaufklärung; vgl. Senatsurteil BGHZ 29, 176, 183 f.; OLG Nürnberg AHRS 3130/108). Dementsprechend hatte sie den Kläger im Rahmen der ihr obliegenden therapeutischen Aufklärungspflicht darauf hinzuweisen , er müsse bei fortschreitenden Symptomen sofort einen Augenarzt einschalten und im übrigen alsbald den Befund überprüfen lassen, damit der Kläger mögliche Heilungschancen wahrnehmen konnte. Das hat die Beklagte versäumt. Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht in dieser unterlassenen therapeutischen Aufklärung einen Behandlungsfehler gesehen (vgl. Senatsurteil vom 27. Juni 1995 - VI ZR 32/94 - VersR 1995, 1099, 1100) und ihn als grob bewertet.
2. Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht auch darin, daß der Ursachenzusammenhang zwischen diesem groben Behandlungsfehler und dem entstandenen Körperschaden des Klägers nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil der Kläger keine sich ausweitende oder verschlechternde Symptomatik bemerkt hat. Das Oberlandesgericht stellt ohne Rechtsfehler fest, daß nicht auszuschließen ist, ein zur Kontrolluntersuchung eingeschalteter Augenarzt hätte vom Kläger selbst noch nicht bemerkte, aber für den Facharzt erkennbare Anzeichen einer beginnenden Netzhautablösung entdecken und daraufhin eine erfolgreiche Therapie durchführen können. 3. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht jedoch eine Umkehr der Beweislast für den Ursachenzusammenhang zwischen der unterlassenen Aufklärung und dem Schaden des Klägers, weil eine solche Beweislastumkehr dem Kläger nicht "ohne jede Wahrscheinlichkeit in die eine oder andere Richtung" zugebilligt werden könne. Damit zieht das Berufungsgericht nicht die gebotenen Folgerungen aus dem Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers.
a) Wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat, führt ein grober Behandlungsfehler grundsätzlich zu einer Umkehr der objektiven Beweislast für den Ursachenzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden. aa) Eine Umkehr der Beweislast ist schon dann anzunehmen, wenn der grobe Behandlungsfehler geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen ; nahelegen oder wahrscheinlich machen muß der Fehler den Schaden dagegen nicht (vgl. Senatsurteile BGHZ 85, 212, 216 f.; vom 24. September 1996 - VI ZR 303/95 - VersR 1996, 1535, 1537; vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 363; vom 27. April 2004 - VI ZR 34/03 - VersR 2004, 909, 911).
Eine Verlagerung der Beweislast auf die Behandlungsseite ist nur ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn ein haftungsbegründender Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 129, 6, 12; 138, 1, 8; vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - aaO; vom 27. April 2004 - VI ZR 34/03 - aaO). Gleiches gilt, wenn sich nicht das Risiko verwirklicht hat, dessen Nichtbeachtung den Fehler als grob erscheinen läßt (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 1981 - VI ZR 38/80 - VersR 1981, 954, 955), oder wenn der Patient durch sein Verhalten eine selbständige Komponente für den Heilungserfolg vereitelt hat und dadurch in gleicher Weise wie der grobe Behandlungsfehler des Arztes dazu beigetragen hat, daß der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann (vgl. Senatsurteile vom 28. Mai 2002 - VI ZR 42/01 - VersR 2002, 1026, 1028; vom 27. April 2004 - VI ZR 34/03 - aaO; KG VersR 1991, 928 mit Nichtannahmebeschluß des Senats vom 19. Februar 1991 - VI ZR 224/90; OLG Braunschweig VersR 1998, 459, 461 mit Nichtannahmebeschluß des Senats vom 20. Januar 1998 - VI ZR 161/97). Das Vorliegen einer solchen Ausnahme hat allerdings die Behandlungsseite zu beweisen (vgl. Senatsurteil vom 27. April 2004 - VI ZR 34/03 - aaO). bb) Hiernach war es Sache der Beklagten darzulegen und zu beweisen, daß ein ordnungsgemäßer Hinweis an den Kläger, er solle bei Befundverschlechterung umgehend eine Kontrolluntersuchung durchführen lassen, eine Netzhautablösung mit den eingetretenen Folgen weder verhindert noch abgemildert hätte. Wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, war ein solcher Hinweis geeignet, den Kläger zu einer kurzfristigen Kontrolluntersuchung zu veranlassen; eine solche wäre geeignet gewesen, Anzeichen einer beginnenden Netzhautablösung erkennbar zu machen und frühzeitiger Behandlungsmaßnahmen durchzuführen, die ihrerseits die später eingetretene Netzhautablösung verhindern oder feststellbar hätten vermindern können.
cc) Daß ein haftungsbegründender Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich wäre, hat das Berufungsgericht nicht feststellen können. Solches ergibt sich nicht aus den gutachtlichen Äußerungen d es Sachverständigen ; das wird auch von der Revisionserwiderung nicht geltend gemacht. Soweit diese darauf abstellt, das Berufungsgericht habe keine Wahrscheinlichkeit für Anzeichen einer beginnenden Netzhautablösung feststellen können, ist das nicht gleichbedeutend damit, daß ein Ursachenzusammenhang zwischen der unterlassenen Aufklärung des Patienten und der Netzhautablösung äußerst unwahrscheinlich war. dd) Einer Umkehr der Beweislast steht auch nicht entgegen, daß der Kläger weitergehende Anzeichen als die bis dahin aufgetretenen Lichtblitze nicht bemerkt hat. Die Beklagte hätte den Kläger durch einen Hinweis auf die Gefahr einer Netzhautablösung, die infolge der Glaskörperabhebung drohte, zu einer baldigen Kontrolle des Augenhintergrundes veranlassen müssen, um das eingetretene Risiko möglichst gering zu halten. Das hat sie versäumt. Die Netzhautablösung ist eingetreten und hat zu einer Verringerung des Sehvermögens auf dem Auge geführt. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Kläger auch ohne Fortschreiten der Symptome alsbald eine Kontrolluntersuchung hätte durchführen lassen, wäre er ordnungsgemäß über die Diagnose und die Gefahr für sein Sehvermögen aufgeklärt und auf die Notwendigkeit einer sofortigen Kontrolluntersuchung bei Verschlechterung hingewiesen worden. Das hätte, wie bereits ausgeführt, zur Vermeidung des Gesundheitsschadens führen können. Ohnehin ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Aufspaltung in eine "einfache" und eine "grobe" Pflichtwidrigkeit verfehlt, weil insoweit eine Gesamtbetrachtung der geschuldeten therapeutischen Aufklärung geboten ist, die sich als insgesamt grob fehlerhaft erweist, ohne daß es hierzu weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf.

b) Das Berufungsgericht hat den Ursachenverlauf in seine einzelnen Bestandteile aufgespalten und dann Anzeichen für eine Netzhautablösung vor dem 11. Januar 2000 sowie für den Erfolg einer vorbeugenden Behandlung vermißt. Eine Umkehr der Beweislast zugunsten des Klägers hat es verneint, weil zu den genannten Umständen auch keine Wahrscheinlichkeiten feststellbar seien. Das widerspricht den Grundsätzen des erkennenden Senats zu den Rechtsfolgen eines groben Behandlungsfehlers. aa) Eine Unterteilung des Ursachenzusammenhangs in unmittelbare und mittelbare Ursachen ist dem Haftungsrecht fremd (vgl. Senatsurteile vom 11. November 1997 - VI ZR 146/96 - VersR 1998, 200 f.; vom 26. Januar 1999 - VI ZR 374/97 - VersR 1999, 862; vom 27. Juni 2000 – VI ZR 201/99 – VersR 2000, 1282, 1283). Beim groben Behandlungsfehler umfaßt die in Betracht stehende Umkehr der Beweislast den Beweis der Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für den haftungsbegründenden Primärschaden, der ohne die Beweislastumkehr dem Patienten nach § 286 ZPO obläge. Auf die haftungsausfüllende Kausalität, d.h. den Kausalzusammenhang zwischen körperlicher oder gesundheitlicher Primärschädigung und weiteren Gesundheitsschäden des Patienten wird die Beweislastumkehr nicht ausgedehnt, es sei denn, der sekundäre Gesundheitsschaden wäre typisch mit dem Primärschaden verbunden und die als grob zu bewertende Mißachtung der ärztlichen Verhaltensregel sollte gerade auch solcherart Schädigungen vorbeugen (vgl. Senatsurteile vom 21. Oktober 1969 - VI ZR 82/68 - VersR 1969, 1148, 1149; vom 9. Mai 1978 - VI ZR 81/77 - VersR 1978, 764, 765). Eine Zerlegung des Kausalzusammenhangs in seine einzelnen logischen Bestandteile im übrigen kommt nicht in Betracht. bb) Nach diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht hier eine Umkehr der Beweislast nicht verneinen. Die Parteien streiten nicht um einen Sekundärschaden des Klägers. Vielmehr beruht die Schädigung des Sehvermö-
gens auf dem Primärschaden der Netzhautablösung, die der Kläger als Schädigung geltend macht (vgl. zur Abgrenzung zwischen Primär- und Sekundärschaden Senatsurteile vom 28. Juni 1988 - VI ZR 210/87 - VersR 1989, 145; vom 21. Juli 1998 - VI ZR 15/98 - VersR 1998, 1153, 1154). 4. Nach allem ist die Klage zum Zahlungsanspruch dem Grunde nach gerechtfertigt (§§ 823 Abs. 1, 847 BGB a.F.; 304 Abs. 1, 555 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Feststellungsklage hat im Rahmen des gestellten Antrags ebenfalls Erfolg. Sie ist zulässig. Die Beklagte hat ihre haftungsrechtliche Verantwortlichkeit in Abrede gestellt und Verjährung droht; die Möglichkeit eines weiteren Schadenseintritts kann nicht verneint werden, das erforderliche Feststellungsinteresse ist daher gegeben (vgl. Senatsurteil vom 16. Januar 2001 - VI ZR 381/99 - VersR 2001, 874). Der Feststellungsantrag ist auch begründet, denn Gegenstand der Feststellungsklage ist ein befürchteter Folgeschaden aus der Verletzung eines deliktsrechtlich geschützten absoluten Rechtsguts (vgl. Senatsurteil vom 16. Januar 2001 - VI ZR 381/99 - aaO). Auch der Vorbehalt hinsichtlich künftiger noch ungewisser und bei der Ausurteilung der Zahlungsklage auf Schmerzensgeld noch nicht berücksichtigungsfähiger immaterieller Schäden ist zulässig (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 2004 - VI ZR 70/03 - NJW 2004, 1243, 1244).
Zum Betrag der Zahlungsklage ist die Sache nicht entscheidungsreif. Insoweit ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
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Vorliegend hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei die Fehlbehandlung des Klägers und damit die haftungsbegründende Kausalität festgestellt. Primärschaden des Klägers, d.h. die durch den Behandlungsfehler im Sinne haftungsbegründender Kausalität hervorgerufene Körperverletzung, ist die durch die unterbliebene Ruhigstellung und damit unsachgemäße Behandlung der Fraktur eingetretene gesundheitliche Befindlichkeit. Welche weiteren Schäden sich hieraus entwickelt haben, ist eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität. Da der Morbus Sudeck nach dem Klagevortrag nicht durch den Unfall, sondern durch die ärztliche Fehlbehandlung und die damit hervorgerufene Gesundheitsbeeinträchtigung eingetreten ist, behauptet der Kläger insoweit mithin einen Sekundär-/Folgeschaden (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03 - VersR 2004, 118, 119; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1999, 176, 177). In dieser Hinsicht unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem dem Senatsurteil vom 4. November 2003 (VI ZR 28/03 - VersR 2004, 118) zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem der nach dem Unfall aufgetretene Morbus Sudeck als Primärschaden geltend gemacht wurde, weil es an einer vorausgegangenen Körperverletzung fehlte.
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2. Das Berufungsgericht wird in der neu eröffneten Instanz die weiteren Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde und insbesondere zu berücksichtigen haben, dass im vorliegenden Fall Verletzungen des Klägers infolge des Unfalls (mehrfache Brüche, aber auch Prellungen beider Schultern) zwischen den Parteien unstreitig sind. Damit aber sind Primärverletzungen, für welche die haftungsbegründende Kausalität nach § 286 ZPO festzustellen ist, vorhanden. Der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und den Rupturen der Rotatorenmanschetten kann auch dann nach dem Maßstab des § 287 Abs. 1 ZPO festzustellen sein, wenn sich der Tatrichter bezüglich der bei einem insgesamt zu ermittelnden Kausalverlauf möglichen Folgen eine Überzeugung bilden muss. Nur der Nachweis des Haftungsgrunds (die haftungsbegründende Kausalität ) unterliegt den strengen Anforderungen des § 286 ZPO. Die Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO ist nicht auf Folgeschäden einer einzelnen Verletzung (hier: der Schultern) beschränkt, sondern umfasst auch die neben der feststehenden Körperverletzung (hier: "Überwurf" des P. u.a. mit Becken- und Rippenbruch ) im Sinn des § 823 Abs. 1 BGB entstehenden weiteren Schäden aus derselben Schädigungsursache (vgl. Senat, BGHZ 58, 48, 55 f.; 60, 177, 183 f.; Urteile vom 2. Dezember 1975 - VI ZR 79/74 - VersR 1976, 435, 437; vom 21. Oktober 1986 - VI ZR 15/85 - VersR 1987, 310; vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - VersR 2003, 474, 475; vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03 - VersR 2004, 118; vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06 - VersR 2008, 644; vgl. OLG Saarbrücken, HVBG-Info 2006, 473 = juris Rn. 44).

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

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2. Das Berufungsgericht wird in der neu eröffneten Instanz die weiteren Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde und insbesondere zu berücksichtigen haben, dass im vorliegenden Fall Verletzungen des Klägers infolge des Unfalls (mehrfache Brüche, aber auch Prellungen beider Schultern) zwischen den Parteien unstreitig sind. Damit aber sind Primärverletzungen, für welche die haftungsbegründende Kausalität nach § 286 ZPO festzustellen ist, vorhanden. Der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und den Rupturen der Rotatorenmanschetten kann auch dann nach dem Maßstab des § 287 Abs. 1 ZPO festzustellen sein, wenn sich der Tatrichter bezüglich der bei einem insgesamt zu ermittelnden Kausalverlauf möglichen Folgen eine Überzeugung bilden muss. Nur der Nachweis des Haftungsgrunds (die haftungsbegründende Kausalität ) unterliegt den strengen Anforderungen des § 286 ZPO. Die Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO ist nicht auf Folgeschäden einer einzelnen Verletzung (hier: der Schultern) beschränkt, sondern umfasst auch die neben der feststehenden Körperverletzung (hier: "Überwurf" des P. u.a. mit Becken- und Rippenbruch ) im Sinn des § 823 Abs. 1 BGB entstehenden weiteren Schäden aus derselben Schädigungsursache (vgl. Senat, BGHZ 58, 48, 55 f.; 60, 177, 183 f.; Urteile vom 2. Dezember 1975 - VI ZR 79/74 - VersR 1976, 435, 437; vom 21. Oktober 1986 - VI ZR 15/85 - VersR 1987, 310; vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - VersR 2003, 474, 475; vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03 - VersR 2004, 118; vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06 - VersR 2008, 644; vgl. OLG Saarbrücken, HVBG-Info 2006, 473 = juris Rn. 44).

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 139/02 Verkündet am:
28. Januar 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Allein der Umstand, daß sich ein Unfall mit einer geringen kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung
("Harmlosigkeitsgrenze") ereignet hat, schließt die tatrichterliche
Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO von seiner Ursächlichkeit für eine HWSVerletzung
nicht aus.
BGH, Urteil vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Januar 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. März 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend. Am 25. März 1992 fuhr der Beklagte zu 1 gegen 9.30 Uhr mit einem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw auf den von dem Kläger geführten , in einem Kreuzungsbereich verkehrsbedingt haltenden Pkw auf. Die volle Haftung der Beklagten ist außer Streit. Der Kläger begab sich am Nachmittag des Unfalltages in ärztliche Behandlung. Der Facharzt für Chirurgie Dr. S. diagnostizierte ein HWS-Schleudertrauma. Er legte eine Cervicalstütze an und verordnete Spasmolytika. Die Weiterbehandlung erfolgte durch Dr. R., der eine sogenannte Schanz’sche Krawatte anpaßte und schmerzlindernde Medikamente verordnete. In der Folgezeit litt der Kläger zunehmend unter einer Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule sowie unter vegetativen Symptomen wie häufig auftretendem Schwindel, Sehstörungen in Form von Schleiersehen und plötzlichem Auftreten von Übelkeit. Am 6. Dezember 1993 erlitt er
einen weiteren Verkehrsunfall, bei dem er mit seinem Pkw frontal mit einem vor ihm ins Schleudern geratenen Fahrzeug kollidierte. Eine wegen anhaltender Beschwerden vorgenommene klinische und radiologische Untersuchung in der Orthopädischen Rehabilitationsklinik S. ergab den Verdacht einer Ruptur der Ligamenta alaria im Bereich des Segments C1/C2. Dieser Verdacht wurde von dem Facharzt für Orthopädie Prof. Dr. H. des Rehabilitationskrankenhauses K.-L. aufgrund einer am 4. Mai 1994 durchgeführten Untersuchung einschließlich Computer- und Kernspintomographie der Halswirbelsäule bestätigt. Aufgrund dieser Diagnose wurde am 13. Juni 1995 in der Orthopädischen Rehabilitationsklinik S. eine dorsale Probefusion des Segments C1/C2 vorgenommen, die laut Behandlungsbericht zu einer Besserung der Beschwerden führte. Im Hinblick darauf erfolgte am 8. Mai 1996 im Rehabilitationskrankenhaus K.-L. die endgültige operative Fusion. Der Kläger hat vorgetragen, aufgrund des Unfalls vom 25. März 1992 habe er nach wie vor Beschwerden, u.a. dauernde Spannungsschmerzen im Bereich von Nacken und Schulter, Kopfschmerzen, Mißempfindungen am linken Arm und Taubheitsgefühle am linken Oberschenkel. Zeitweilig trete ein Zittern auf. Die Sehkraft seines linken Auges habe nachgelassen. Darüber hinaus leide er unter Konzentrationsschwierigkeiten. Der Kläger hat – über den vorgerichtlich erhaltenen Betrag von 4.300 DM hinaus - ein angemessenes Schmerzensgeld (Vorstellung: weitere 30.000 DM) sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle materiellen und immateriellen Schäden begehrt. Das Landgericht hat ihm ein weiteres Schmerzensgeld von 3.700 DM zugesprochen und die Klage im übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht dem Feststellungsbegehren entsprochen und die Beklagten verurteilt, an den Kläger über den bereits gezahlten Betrag von !" # $% '& (*),+%-. 0/'12 3 4 57698 : 2 3 ; 2.198,56
DM) zu zahlen. Dagegen wenden die Beklagten sich mit der zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht geht davon aus, der Kläger habe bei dem Unfall am 25. März 1992 eine HWS-Distorsion nach Erdmann I erlitten. Zwar sei nicht bewiesen, daß hierbei das Ligamentum alare links gerissen sei, doch seien die durch diese Diagnose veranlaßte Probefusion und die endgültige Fusion der Segmente C1/C2 gleichwohl eine adäquate Folge des Unfalls. Der Kläger leide aufgrund des Unfalls und der Fusion der Segmente C1/C2 unter Einschränkungen der Beweglichkeit sowie einer Fehlhaltung und dadurch bedingten häufigen Schmerzen im Nacken-, Schulter- und Kopfbereich sowie unter gelegentlichem Schwindel und Übelkeit, Tinnitus und einer Verschlechterung des Sehvermögens. Die Bewegungseinschränkungen seien gutachterlich festgestellt, die – nicht meßbaren – Schmerzen sowie Schwindel und Übelkeit habe keiner der Sachverständigen in Zweifel gezogen. Die Beeinträchtigungen seien nur aufgrund des Unfalls vom 25. März 1992 erklärbar, da Vorerkrankungen nicht festgestellt seien und der Unfall vom 6. Dezember 1993 nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. K. nur zu einer vorübergehenden Verschlechterung geführt habe. Auch habe der Kläger glaubhaft angegeben, daß alle Beeinträchtigungen in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall vom 25. März 1992 und der Fusion am 8. Mai 1996 entstanden seien. Ebenso wie die Sachverständigen habe das Gericht den Eindruck, daß der Kläger sich um eine wahrheitsgemäße Schilderung der Abläufe und Beeinträchtigungen bemüht habe und nicht etwa eine vorzeitige Versorgung ohne Arbeit erstrebe. Die Revision
sei zuzulassen, weil die Weiterentwicklung der Rechtsprechung zu § 287 ZPO grundsätzliche Bedeutung habe.

II.

Die Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. 1. Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger habe bei dem Unfall vom 25. März 1992 eine HWS-Distorsion "nach Erdmann I" erlitten, läßt entgegen der Auffassung der Revision einen Rechtsfehler nicht erkennen. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß die Frage, ob sich der Kläger bei dem Unfall überhaupt eine Verletzung zugezogen hat, die haftungsbegründende Kausalität betrifft. Es hat, ohne § 286 ZPO in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu erwähnen, erkennbar den Regelungsgehalt dieser Vorschrift berücksichtigt , wonach der Nachweis des Haftungsgrundes den strengen Anforderungen des Vollbeweises unterliegt (st. Rspr., vgl. BGHZ 4, 192, 196; Senatsurteile vom 11. Juni 1968 – VI ZR 116/67 – VersR 1968, 850, 851; vom 20. Februar 1975 – VI ZR 129/73 – VersR 1975, 540, 541 und vom 21. Oktober 1986 – VI ZR 15/85 – VersR 1987, 310, jeweils m.w.N.). Danach hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewißheit und auch keine "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" , sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewißheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (st. Rspr., vgl. BGHZ 53, 245, 256; BGH, Urteil vom 18. April 1977 – VIII 286/75 – VersR 1977, 721 und Se-
natsurteil vom 9. Mai 1989 – VI ZR 268/88 – VersR 1989, 758, 759). Diese Überzeugung hat das Berufungsgericht hier - ebenso wie schon das Landgericht - auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. K. gewonnen. Dessen Beurteilung gründet sich u.a. auf den Befund des erstbehandelnden Arztes Dr. S., der den Kläger am Unfalltag untersucht und dabei u.a. Röntgenaufnahmen und Funktionsaufnahmen der Halswirbelsäule vorgenommen hat. Dr. S. hat ausweislich seines Berichtes eine äußerlich unauffällige, frei bewegliche endgradig schmerzhafte Halswirbelsäule sowie einen leichten Stauchungsschmerz diagnostiziert und darüber hinaus angegeben, der 6. und 7. Halswirbelkörper seien deutlich druckschmerzhaft. Wie der Sachverständige Dr. K. in seinem Gutachten ausgeführt hat, sind ähnliche Befunde in der Folgezeit auch von anderen Ärzten erhoben worden. Sie werden entgegen der Auffassung der Revision in ihrem Kern auch nicht durch die Ausführungen des Orthopäden Dr. P. in Frage gestellt, der in seinem für die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft erstellten Gutachten vom 13. April 1993 einerseits zwar ein „echtes Schleudertrauma“ verneint, andererseits aber ebenso wie Dr. K. eine HWS-Distorsion Grad I bejaht hat. Aus revisionsrechtlicher Sicht bestehen keine Bedenken dagegen, daß das Berufungsgericht im Rahmen der ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen hat, daß die Angaben des Klägers insgesamt glaubhaft erscheinen, zumal die von ihm geklagten Beschwerden von keinem der Sachverständigen letztlich in Zweifel gezogen worden sind. Bei dieser Sachlage konnte es nach freier Überzeugung zu dem Ergebnis kommen, daß der Verkehrsunfall vom 25. März 1992 bei dem Kläger eine HWSDistorsion im Sinne einer Körperverletzung ausgelöst hat. Insbesondere war das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision unter den gegebenen Umständen nicht verpflichtet, hinsichtlich des Umfangs der Beschädigun-
gen der beteiligten Fahrzeuge und der sich daraus ergebenden kollisionsbe- dingten Geschwindigkeitsänderung ein Sachverständigengutachten einzuholen und sodann mittels eines biomechanischen Gutachtens der Frage nachzugehen , ob der Unfall geeignet war, eine HWS-Distorsion hervorzurufen. Bei der Prüfung, ob ein Unfall eine Halswirbelsäulenverletzung verursacht hat, sind stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (OLG Hamm, NZV 2001, 468, 469; OLG Celle, OLG-Report 2002, 81; OLG Frankfurt, NZV 2002, 120). Die von der Revision herangezogene Auffassung, wonach bei Heckunfällen mit einer bestimmten, im Niedriggeschwindigkeitsbereich liegenden kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung, die im Bereich zwischen 4 und 10 km/h anzusetzen sei ("Harmlosigkeitsgrenze"), eine Verletzung der Halswirbelsäule generell auszuschließen sei (vgl. OLG Hamm, NJW 2000, 878, 879, OLG Hamm, r+s 2000, 502; 503; OLG Hamm, DAR 2001, 361; OLG Hamm, NZV 2001, 303; KG, VersR 2001, 597 f.; OLG Hamm, r+s 2002, 111 f.; vgl. auch KG, KG-Report 2001, 163, 164), stößt in Rechtsprechung und Schrifttum zunehmend auf Kritik (vgl. OLG Celle, aaO, OLG Frankfurt, aaO; vgl. auch OLG Bamberg, NZV 2001, 470; Kuhn, DAR 2001, 344, 345 ff. m.w.N.) und wird insbesondere aus orthopädischer Sicht in Zweifel gezogen (Castro/Becke, ZfS 2002, 365, 366). Gegen die schematische Annahme einer solchen "Harmlosigkeitsgrenze" spricht auch, daß die Beantwortung der Kausalitätsfrage nicht allein von der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung, sondern daneben von einer Reihe anderer Faktoren abhängt, wobei u.a. auch der Sitzposition des betreffenden Fahrzeuginsassen Bedeutung beizumessen sein kann (vgl. Mazzotti /Castro, NZV 2002, 499, 500 m.w.N.). Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts erfolgte im Streitfall die Kollision, als der Kläger mit schräg nach rechts oben gewendetem Kopf nach oben blickte, um einen Blick auf die Lichtzeichenanlage zu werfen. Gesicherte medizinische Erkenntnisse zu der Frage, ob und in welcher Weise derartige
Muskelanspannungen und Kopfdrehungen die Entstehung einer HWS- Distorsion beeinflussen können, sind bisher nicht bekannt (vgl. OLG Hamm, NZV 2002, 322, 324; Castro/Becke, ZfS 2002, 365) und werden von der Revision auch nicht aufgezeigt. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, in welcher Weise ein Gutachten über die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung zu einer weiteren Aufklärung des Geschehensablaufs beitragen könnte, nachdem das Berufungsgericht aufgrund eingehender medizinischer Begutachtung und ausführlicher Anhörung des Klägers in tatrichterlicher Würdigung die Überzeugung gewonnen hat, daß durch den Unfall eine Körperverletzung des Klägers verursacht worden ist. 2. Ohne Erfolg beanstandet die Revision die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts, wonach die von dem Kläger geklagten Beschwerden – mit Ausnahme der behaupteten Konzentrationsstörungen und der geltend gemachten verminderten geistigen Leistungsfähigkeit – auf den Verkehrsunfall vom 25. März 1992 zurückzuführen sind. Mit dem Nachweis, daß der Unfall zu einer HWS-Distorsion und damit zu einer Körperverletzung des Klägers geführt hat, steht der Haftungsgrund fest. Ob über diese Primärverletzung hinaus der Unfall auch für die Beschwerden des Klägers ursächlich ist, ist eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, die sich gem. § 287 ZPO beurteilt. Bei der Ermittlung dieses Kausalzusammenhangs zwischen dem Haftungsgrund und dem eingetretenen Schaden unterliegt der Tatrichter also nicht den strengen Anforderungen des § 286 ZPO. Vielmehr ist er nach Maßgabe des § 287 ZPO freier gestellt (st. Rspr., vgl. BGHZ 4, 192, 196 und Senatsurteile vom 11. Juni 1968 – VI ZR 116/67 -, vom 20. Februar 1975 – VI ZR 129/73 – und vom 21. Oktober 1986 – VI ZR 15/85 -, jeweils aaO und m.w.N.). Zwar kann der Tatrichter auch eine haftungsausfüllende Kausalität nur feststellen, wenn er von diesem Ursachenzusammenhang überzeugt ist. Im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 287 ZPO werden aber geringere Anforderungen an seine Überzeugungsbil-
dung gestellt. Hier genügt, je nach Lage des Einzelfalles, eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung (ausführlich dazu Senatsurteil vom 7. Juli 1970 – VI ZR 233/69 – VersR 1970, 924, 926 f.). Diesen Grundsätzen, die in der Rechtsprechung seit langem geklärt sind (vgl. z.B. Senatsurteile BGHZ 137, 142 ff. und vom 16. November 1999 - VI ZR 257/98 – VersR 2000, 372 f.) und die im Streitfall - anders als das Berufungsgericht meint - keiner Weiterentwicklung bedürfen, wird das angefochtene Urteil entgegen der Auffassung der Revision gerecht. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei aufgrund der von ihm als glaubhaft erachteten Angaben des Klägers und der in den Entscheidungsgründen näher dargelegten Umstände des Falles die Überzeugung gewonnen, daß die im angefochtenen Urteil festgestellten Beschwerden des Klägers auf den Unfall zurückzuführen sind. Es ist davon ausgegangen, daß zwar die Ergebnisse der Sachverständigengutachten für sich allein nicht zum Beweis der Kausalität genügen, die Ursächlichkeit aber gleichwohl nachgewiesen sei. Dabei hat es in zulässiger Weise berücksichtigt, daß die Beeinträchtigungen, soweit sie nicht meßbar sind, von keinem der Sachverständigen in Zweifel gezogen worden seien und deren übereinstimmender Eindruck sei, daß der Kläger versuche , seine Beschwerden objektiv darzustellen. Nicht zu beanstanden ist auch, daß das Berufungsgericht neben dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Beschwerden vor allem dem Umstand Bedeutung beigemessen hat, daß Vorerkrankungen als etwaige Ursachen bei allen Untersuchungen nicht festgestellt worden sind. Entgegen der Auffassung der Revision war es dem Berufungsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 287 ZPO nicht verwehrt, im Wege des Ausschlusses anderer Ursachen zu der Feststellung zu gelangen, daß als einzig realistische Ursache für die Beschwerden des Klägers der Unfall vom 25. März 1992 in Betracht kommt (vgl. auch OLG Karlsruhe, NZV 2001, 511 f. mit NA-Beschluß des Senats vom 8. Mai 2001
- VI ZR 314/00). Den nachfolgenden Unfall vom 6. Dezember 1993 konnte das Berufungsgericht als Ursache ausschließen, weil dieser nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. K. nur zu einer vorübergehenden Verschlechterung des Gesundheitszustands geführt hat (zur Kausalität von zwei zeitlich einander folgenden Unfällen bei Eintritt eines Dauerschadens vgl. Senatsurteil vom 20. November 2001 – VI ZR 77/00 – VersR 2002, 200 f.). Auch eine psychische Fehlverarbeitung scheidet nach Überzeugung des Berufungsgerichts als Ursache der Beschwerden aus. Entgegen der Auffassung der Revision steht dem Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und den Beschwerden des Klägers nicht entgegen, daß diese nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch auf die im Rahmen der ärztlichen Behandlung vorgenommene Fusion des Segments C1/C2 zurückzuführen sind. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Fusion eine adäquate Folge des Unfalls ist, denn sie wurde vorgenommen , weil sich der Kläger wegen seiner nach dem Unfall aufgetretenen Beschwerden in ärztliche Behandlung begeben hat, in deren Verlauf eine Ruptur der Ligamenta alaria diagnostiziert wurde. Auf die Frage, ob diese Diagnose zutraf und deshalb eine Fusion des Segments C1/C2 indiziert war, kommt es nicht an, da der Schädiger dem Geschädigten grundsätzlich für den gesamten durch seine pflichtwidrige Handlung verursachten Schaden und somit auch für etwaige Folgeschäden einzustehen hat, sofern diese in adäquatem Kausalzusammenhang mit der Erstschädigung stehen. Der notwendige haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang fehlt nur dann, wenn sich bei der Zweitschädigung nicht mehr das Schadensrisiko des Ersteingriffs verwirklicht hat, dieses Risiko vielmehr schon gänzlich abgeklungen war und deshalb zwischen beiden Eingriffen bei wertender Betrachtung nur ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang besteht. Ist das der Fall, kann von dem Erstschädiger billigerweise nicht mehr verlangt werden, dem Geschädigten auch für die Fol-
gen des Zweiteingriffs einstehen zu müssen (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 20. September 1988 – VI ZR 37/88 – VersR 1988, 1273, 1274 und vom 20. November 2001 – VI ZR 77/00 – aaO, S. 201, jeweils m.w.N.). Davon kann jedoch keine Rede sein, wenn wie im Streitfall im Rahmen einer unfallbedingten ärztlichen Behandlung die nach dem Unfall aufgetretenen Beschwerden möglicherweise unzutreffend diagnostiziert und deshalb eventuell falsch behandelt worden sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 28/03 Verkündet am:
4. November 2003
Blum,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
§ 287 Abs. 1 ZPO findet bei der Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität
auch dann keine Anwendung, wenn der durch einen Verkehrsunfall Betroffene den
Beweis, daß eine zeitlich nach dem Unfall aufgetretene Erkrankung auf den Unfall
zurückzuführen ist, wegen der Art der Erkrankung (hier: Morbus Sudeck) nach dem
Maßstab des § 286 ZPO nicht führen kann.
BGH, Urteil vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03 - OLG Celle
LG Verden
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. November 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 19. Dezember 2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen gesundheitlicher Schäden in Anspruch, die bei ihr nach ihrer Behauptung aufgrund eines Verkehrsunfalls eingetreten sind, der sich Anfang Dezember 1997 ereignete. Die volle Haftung der Beklagten ist außer Streit. Die Klägerin befand sich als Beifahrerin in einem der unfallbeteiligten Fahrzeuge. Nach dem Unfall hatte sie zunächst keine gesundheitlichen Beschwerden. Später spürte sie ein Kribbeln in der linken Hand, das mit der Zeit an Intensität zunahm. Ende Januar 1998 suchte die Klägerin deswegen erstmals einen Arzt auf, der sie arbeitsunfähig schrieb. Die Schmerzen in der linken Hand nahmen zu. Es entwickelte sich das Krankheitsbild eines Morbus Sudeck. Die Krankheit hat sich inzwischen derart verschlimmert, daß es zu einer Versteifung der Hand mit geschlossenen Fingern gekommen ist. Eine Besserung ist nicht zu erwarten. Die Klägerin hat behauptet, sie habe sich bei dem Unfall
mit der linken Hand am Armaturenbrett abgestützt und auf Grund der Kollision mit dem von der Beklagten zu 1 geführten Fahrzeug einen kurzen schweren Anstoß in der Hand verspürt. Aufgrund dieses Vorgangs habe sich der Morbus Sudeck entwickelt. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung des Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Sachverständigen ergänzend gehört und die Berufung alsdann zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Klägerin nicht bewiesen, daß ihre Erkrankung an dem Morbus Sudeck eine kausale Folge des Unfallgeschehens ist, für das die Beklagten einzustehen haben. Die Klägerin müsse eine Primärverletzung nach den Grundsätzen des § 286 ZPO zur vollen Überzeugung des Gerichts beweisen. Dies sei ihr nicht gelungen. Der Sachverständige habe sein schriftliches Gutachten mündlich dahin erläutert, daß zwar auch Bagatellunfälle und Bagatellverletzungen, wie beispielsweise Prellungen oder Verstauchungen, die Sudecksche Dystrophie verursachen könnten. Das bloße Abstützen mit der Hand allein reiche jedoch als Ursache nicht aus. Es müsse schon irgendeine traumatische Einwirkung gegeben sein. Über die Frage, ob bei der Klägerin ein solches Trauma stattgefunden habe, könne er nur spekulieren. Es komme darauf an, wie die Abstützung erfolgt sei. Hierzu hebt das Berufungsgericht hervor, nach ihrem eigenen Vortrag habe die Klägerin unmittel-
bar nach dem Unfall keinerlei Beschwerden beklagt. Vielmehr hätten sich Beschwerden in Form eines Kribbelns an der linken Hand erst zwei Wochen nach dem Unfallereignis eingestellt. Aus diesem Vorbringen ergebe sich nicht der juristische Tatbestand der Körperverletzung. Bei dem bloßen Spüren eines schweren Anstoßes sei die Erheblichkeitsschwelle für eine Körperverletzung noch nicht überschritten. Im übrigen reiche selbst ein schwerer Anstoß nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht aus, um einen Morbus Sudeck auszulösen. Der Senat sei deshalb mit dem Landgericht nicht vollends davon überzeugt, daß der Verkehrsunfall den Morbus Sudeck bei der Klägerin verursacht habe. In den Genuß der Beweismaßerleichterung des § 287 ZPO komme die Klägerin nicht, weil schon der Haftungsgrund in Frage stehe, der allein nach § 286 ZPO zu beweisen sei; die Anwendung des § 287 ZPO auf diese Frage wäre systemwidrig.

II.

Die dagegen gerichtete Revision ist unbegründet. 1. Die Revision macht geltend, ein schwerer Anstoß, wie ihn die Klägerin aufgrund des Zusammenstoßes der Fahrzeuge verspürt habe, sei juristisch auch dann als Körperverletzung zu qualifizieren, wenn er keine erkennbaren körperlichen Folgen nach sich ziehe. Deshalb hätte das Berufungsgericht eine Primärverletzung bejahen und die Ursächlichkeit des Unfalls für den Morbus Sudeck nach § 287 ZPO beurteilen müssen. Dem kann nicht gefolgt werden.
a) Der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anstoß, den ein Fahrzeuginsasse beim Abstützen am Armaturenbrett spürt, als Körperverletzung zu qualifizieren ist, müßte nur dann nachgegangen werden, wenn die
Folgeerkrankung, nämlich der Morbus Sudeck, durch eine solche Primärverletzung verursacht sein könnte. Davon ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht auszugehen. Die Revision wendet sich nicht dagegen, daß das Berufungsgericht den Ausführungen des Sachverständigen entnimmt, ein schwerer Anstoß, wie ihn die Klägerin beim Abstützen auf das Armaturenbrett verspürt habe, reiche nicht aus, um einen Morbus Sudeck auszulösen; hierzu bedürfe es einer traumatischen Einwirkung, wie einer Verstauchung oder Prellung, die für die Klägerin fühlbar gewesen wäre. Das sei jedoch bereits nach ihrem Vorbringen nicht der Fall. Auf der Grundlage dieser tatsächlichen Feststellungen kann aber der von der Klägerin vorgetragene Anstoß nicht die Ursache für das vorliegende Krankheitsbild sein.
b) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe jedenfalls das Kribbeln in der Hand der Klägerin als Primärverletzung ansehen müssen. Sie übersieht, daß das Berufungsgericht keinen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Kribbeln festgestellt hat. Dem angefochtenen Urteil ist zu entnehmen, daß das Berufungsgericht das Kribbeln als erstes Anzeichen der beginnenden Erkrankung angesehen hat, seine Ursache aber gerade nicht hat feststellen können.
c) Daß ansonsten ausreichende Tatsachen festgestellt sind oder feststellbar wären, die die Ursächlichkeit des Unfalls für eine den Morbus Sudeck auslösende Körperverletzung nach dem Maßstab des § 286 ZPO als ausreichend sicher erscheinen lassen, macht die Revision nicht geltend. Sie sind auch nicht ersichtlich. Die bloße zeitliche Nähe der Entstehung der Erkrankung zu dem Unfallereignis reicht dazu nicht aus. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß sich das Berufungsgericht auch im Hinblick darauf, daß nach
den weiteren Ausführungen des Sachverständigen andere Möglichkeiten als Auslöser für die Erkrankung als möglich erscheinen (Entwicklung ohne äußeren Anlaß bei ca. 10 % der Patienten oder ein bisher nicht bekanntes Trauma vor oder unmittelbar nach dem Unfall), die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung nicht hat bilden können. Diese verlangt zwar keine absolute oder unumstößliche Gewißheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ; ausreichend ist vielmehr ein unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung gewonnener für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewißheit , der den Zweifeln Schweigen gebietet (Senatsurteil vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - VersR 2003, 474, 475 m.w.N.). Die von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen hat das Berufungsgericht indes auch nach diesem Maßstab ohne Rechtsfehler nicht für ausreichend gehalten, um die erforderliche Überzeugung zu gewinnen. 2. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung habe, soweit es um die Frage gehe, ob § 287 ZPO für den Beweis einer Primärverletzung jedenfalls dann Anwendung finden könne , wenn der Vollbeweis nach § 286 ZPO wegen der Art der Unfallfolge nicht geführt werden kann.
a) Das Revisionsgericht ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO an die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht gebunden. Die vom Berufungsgericht aufgeworfene grundsätzliche Frage stellt sich allerdings im Streitfall nicht. Der Tatrichter kann auch eine haftungsausfüllende Kausalität nur feststellen , wenn er von diesem Ursachenzusammenhang überzeugt ist. Dabei werden lediglich geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt;
es genügt, je nach Lage des Einzelfalls, eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit (Senatsurteil vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - VersR 2003, 474, 476 m.w.N.). Bei der Feststellung von Kausalbeziehungen ist der Tatrichter nach § 287 ZPO insofern freier gestellt, als er in einem der jeweiligen Sachlage angemessenen Umfang andere, weniger wahrscheinliche Verlaufsmöglichkeiten nicht mit der sonst erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausschließen muß (vgl. Senatsurteile vom 7. Juli 1970 - VI ZR 233/69 - VersR 1970, 924, 926; vom 27. Februar 1973 - VI ZR 27/72 - VersR 1973, 619, 620; vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - aaO). Weder das Berufungsgericht noch die Revision zeigen auf, inwiefern die Klägerin bei Anwendung dieses Maßstabes angesichts der vorstehend bereits beschriebenen Beweislage den Kausalitätsbeweis sollte führen können. Wenn ein Vorgang, der Ursache der jetzigen Erkrankung der Klägerin sein kann, nicht vorgetragen ist und die ernsthafte Möglichkeit besteht, daß sich die Krankheit schicksalhaft entwickelt hat, können andere Kausalverläufe nicht ausgeschlossen und die Ursächlichkeit des Unfalls für die Beschwerden der Klägerin nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Die zeitliche Nähe zwischen dem Unfallereignis und der Entstehung der Beschwerden und die daran anknüpfende "gefühlsmäßige" Wertung, beide Ereignisse müßten irgendwie miteinander in Zusammenhang stehen, reicht dazu nicht aus. Die Tatsache , daß die Beklagte zu 1 den Unfall pflichtwidrig verursacht hat, mag als Grundlage für die Anwendung des § 287 ZPO zu diskutieren sein (vgl. etwa Hanau, Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit, 1971, S. 119 ff., 127 ff.; dagegen Arens, ZZP 88 (1975), 1, 20; Stoll, AcP 176 (1976), 145, 187); sie ist aber für sich genommen kein Element der nach dem Maßstab dieser Vorschrift erforderlichen Überzeugungsbildung.

b) Darüber hinaus gibt die vorliegende Fallgestaltung keinen Anlaß, den Anwendungsbereich des § 287 ZPO auf die haftungsbegründende Kausalität auszudehnen. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats unterliegt der Nachweis des Haftungsgrundes (die haftungsbegründende Kausalität) den strengen Anforderungen des § 286 ZPO, während der Tatrichter nur bei der Ermittlung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Haftungsgrund und dem eingetretenen Schaden (der haftungsausfüllenden Kausalität) nach Maßgabe des § 287 ZPO freier gestellt ist (vgl. etwa Senatsurteile vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85 - VersR 1986, 1121, 1122 f.; vom 21. Oktober 1986 - VI ZR 15/85 - VersR 1987, 310; vom 21. Juli 1998 - VI ZR 15/98 - VersR 1998, 1153, 1154; vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - aaO, S. 475, jew. m.w.N.). Davon abzuweichen besteht kein Anlaß. Der Grund für die Differenzierung im Beweismaß ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Ausnahmeregelung des § 287 ZPO und auch aus der Überlegung, daß eine Haftung des Schädigers nur in Betracht kommt, wenn die Voraussetzungen des gesetzlichen Haftungsgrundes (hier § 823 Abs. 1 BGB oder § 7 Abs. 1 StVG), insbesondere der Zusammenhang zwischen dem Handeln des Schädigers und einem ersten Verletzungserfolg feststehen. Das Handeln des Schädigers als solches ohne festgestellte Rechtsgutverletzung (hier Körperverletzung) scheidet als Haftungsgrundlage aus (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85 - aaO). In der Literatur vertretene Ansichten, die - etwa im Hinblick auf die Gefährdung der Rechtsgüter des Geschädigten durch den Schädiger und die von diesem letztlich veranlaßten Beweisschwierigkeiten - § 287 ZPO auch im Bereich der Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität anwenden wollen (vgl. Hanau , aaO; Gottwald, Schadenszurechnung und Schadensschätzung, 1979, S. 78 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., § 116 II 3 m.w.N.), nehmen eine Haftung des Schädigers für eine nur möglicherweise von
ihm verursachte Rechtsgutverletzung in Kauf und dehnen damit seine Haftung ohne gesetzliche Grundlage zu weit aus. Erst wenn eine vom Schädiger verursachte Primärverletzung feststeht, ist es gerechtfertigt, den Richter hinsichtlich der Feststellung der Schadensfolgen auf Wahrscheinlichkeitserwägungen zu verweisen. Die Notwendigkeit, den Ursachenzusammenhang zwischen dem Handeln des Schädigers und einer bestimmten Rechtsgutverletzung nach Maßgabe des § 286 ZPO beweisen zu müssen, führt freilich für den Geschädigten oft zu erheblichen Beweisschwierigkeiten. In geeigneten Fällen können diese durch gesetzliche (z.B. § 84 Abs. 2 AMG, § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder tatsächliche Vermutungen, einen Anscheinsbeweis oder durch sonstige Beweiserleichterungen (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 104, 323, 332 ff. zur Produzentenhaftung und BGHZ 132, 47, 49 ff. zur Arzthaftung) gemildert werden. Darüber hinaus kann den Beweisschwierigkeiten des Geschädigten je nach den Umständen des Falles durch angemessene Anforderungen an den Sachvortrag, Ausschöpfung der angebotenen Beweismittel und sorgfältige, lebensnahe Würdigung der erhobenen Beweise Rechnung getragen werden. Eine weitergehende Beweiserleichterung durch Anwendung des § 287 ZPO bei Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität ist indes abzulehnen (so auch Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 287 Rn. 3; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 287 Rn. 13 ff.; vgl. auch MünchKommZPO/Prütting, 2. Aufl., § 286 Rn. 47, § 287 Rn. 10 ff.).

III.

Die Revision ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

10
Vorliegend hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei die Fehlbehandlung des Klägers und damit die haftungsbegründende Kausalität festgestellt. Primärschaden des Klägers, d.h. die durch den Behandlungsfehler im Sinne haftungsbegründender Kausalität hervorgerufene Körperverletzung, ist die durch die unterbliebene Ruhigstellung und damit unsachgemäße Behandlung der Fraktur eingetretene gesundheitliche Befindlichkeit. Welche weiteren Schäden sich hieraus entwickelt haben, ist eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität. Da der Morbus Sudeck nach dem Klagevortrag nicht durch den Unfall, sondern durch die ärztliche Fehlbehandlung und die damit hervorgerufene Gesundheitsbeeinträchtigung eingetreten ist, behauptet der Kläger insoweit mithin einen Sekundär-/Folgeschaden (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03 - VersR 2004, 118, 119; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1999, 176, 177). In dieser Hinsicht unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem dem Senatsurteil vom 4. November 2003 (VI ZR 28/03 - VersR 2004, 118) zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem der nach dem Unfall aufgetretene Morbus Sudeck als Primärschaden geltend gemacht wurde, weil es an einer vorausgegangenen Körperverletzung fehlte.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

13
aa) Die Würdigung der Beweise ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten , an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr. vgl. z.B. Senatsurteile vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96, VersR 1997, 362, 364 und vom 8. Juli 2008 - VI ZR 274/07, aaO; BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - XI ZR 210/03, BGHZ 160, 308, 317 mwN). Einen solchen Fehler zeigt die Revision nicht auf.

Befindet sich die Urkunde nach der Behauptung des Beweisführers im Besitz eines Dritten, so wird der Beweis durch den Antrag angetreten, zur Herbeischaffung der Urkunde eine Frist zu bestimmen oder eine Anordnung nach § 142 zu erlassen.

28
Zwar dient diese Vorschrift nicht unmittelbar Beweiszwecken, sondern primär der materiellen Prozessleitung, mit deren Hilfe sich das Gericht möglichst frühzeitig einen umfassenden Überblick über den Prozessstoff verschaffen bzw. das Parteivorbringen richtig verstehen können soll. Dabei darf das Gericht jedoch einer Urkunde nichts entnehmen, was von den Parteien im Prozess noch nicht vorgetragen worden ist, denn auch § 142 ZPO ermöglicht keine Amtsaufklärung. Das Gericht darf mit seiner Anordnung deshalb keinesfalls die Grenzen des Parteivortrages überschreiten. Die Bedeutung einer konkret zu bezeichnenden Urkunde für die begehrte Entscheidung muss sich vielmehr aus dem schlüssigen Parteivortrag ergeben. Die pauschale Aufforderung zur Vorlage ganzer Urkundensammlungen, Dokumentationen oder einer kompletten Korrespondenz ist deshalb auch nach § 142 ZPO unzulässig (BGH, Beschluss vom 14. Juni 2007 - VII ZR 230/06, NJW-RR 2007, 1393 Rn. 10 - für Aktenordner mit Berechnungsunterlagen; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 142 Rn. 4 f. sowie 9 ff. mwN; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. § 142 Rn. 1 f.; Uhlenbruck, NZI 2002, 589, 590).

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 235/07 Verkündet am:
3. Juni 2008
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die beantragte Einholung eines fachmedizinischen Gutachtens zum Beweis des Ursachenzusammenhangs
zwischen einem Unfall und vorhandenen Beschwerden ist
nur dann nicht erforderlich, wenn auszuschließen ist, dass die Partei damit den Beweis
der Unfallursächlichkeit führen kann.
BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - VI ZR 235/07 - LG München I
AG München
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juni 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 6. September 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 6. März 2003 gegen 9:30 Uhr ereignete. Als die Klägerin mit ihrem PKW VW Golf an einer Kreuzung vor einer Lichtzeichenanlage , die für sie Rotlicht zeigte, hielt, fuhr ein Mercedes Kombi, dessen Halterin die Beklagte zu 1 und dessen Haftpflichtversicherer die Beklagte zu 2 ist, von hinten auf ihr Fahrzeug auf. Die volle Haftung der Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. An dem PKW der Klägerin entstand ein Sachschaden von 786,04 €, an dem anderen Fahrzeug ein solcher von 1.810,35 €.
2
Die Klägerin behauptet, sie habe bei dem Unfall ein HWSSchleudertrauma und eine schwere Kniegelenksdistorsion rechts erlitten und sei deshalb vom 6. März bis 9. April 2003 arbeitsunfähig gewesen. Sie begehrt ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 2.000,00 €, Ersatz von Heilbehandlungskosten in Höhe von 646,19 € und Ausgleich eines Verdienstausfallschadens in Höhe von 2.208,64 €.
3
Das Amtsgericht hat ein biomechanisches Sachverständigengutachten des Diplom-Ingenieurs und Humanbiologen Dr. A. eingeholt und die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin nach Einholung eines Ergänzungsgutachtens und persönlicher Anhörung des Sachverständigen zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die von der Klägerin geklagten Beschwerden nicht auf den Verkehrsunfall zurückzuführen seien. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das Beklagtenfahrzeug mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von etwa 5 bis 8 km/h aufgefahren. Dadurch sei der PKW der Klägerin um ca. 5 bis 6 km/h beschleunigt worden. 6 km/h sei aufgrund des Schadensbildes an beiden Fahrzeugen die maximal mögliche Geschwindigkeitsänderung des klägerischen Fahrzeugs. Dieses sei mit einer Spitzenbeschleunigung von gerundet ca. 2,4 bis 3,5 g nach vorne beschleunigt worden. Wenn die Klägerin, die zum Unfallzeitpunkt mit beiden Füßen das Kupplungs- und das Bremspedal bedient habe, aufgrund der unfallbedingten Beschleunigung mit ihrem rechten Knie in der vom Sachverständigen beschriebenen dritten Bewegungsphase (sog. Rebound) die Lenkradsäule berührt haben sollte, hätte dies allenfalls mit einer Relativgeschwindigkeit von 2 bis maximal 3 km/h erfolgen können. Ein derart leichter Anstoß reiche nicht aus, um eine Kontusion oder gar eine Kniegelenksdistorsion herbeizuführen. Auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und der HWS-Distorsion sei nicht mit hinreichender Sicherheit nachweisbar. Bei der von den behandelnden Ärzten gestellten Diagnose handele es sich um eine nicht objektivierbare Verdachtsdiagnose. Morphologisch fassbare Befunde lägen nicht vor. Die unfallbedingte Belastung der Halswirbelsäule habe für das Entstehen einer HWS-Distorsion nicht ausgereicht. Die im Bereich des Kopf-Hals-Systems aufgetretene maximale Spitzenbeschleunigung von 2,5 g habe dazu geführt, dass zwischen Kopf und Hals Spitzenkräfte der Größenordnung von 30 Newton und im Bereich zwischen Hals- und Brustwirbelsäule Spitzenkräfte von maximal 55 Newton eingewirkt hätten. Dies seien Belastungen des täglichen Lebens. Die Klägerin verfüge über eine normale Konstitution und eine normal ausgebildete Muskulatur im Halsbereich. Degenerative Vorschäden seien nicht vorhanden.
5
Der Sachverständige Dr. A. verfüge als Biomechaniker über die zur Beurteilung der maßgeblichen Fragen erforderliche Sachkunde. Wenn ein biomechanisches Gutachten - wie hier - zu dem Ergebnis komme, dass eine Kausalität zwischen den behaupteten Verletzungen und dem Unfallgeschehen nicht hinreichend nachweisbar oder gar auszuschließen sei, sei eine weitere Begutachtung nicht erforderlich. Insbesondere sei in einem solchen Fall kein fachmedizinisches Gutachten einzuholen. Ein solches könne im besten Fall vorhandene Beschwerden verifizieren, es könne aber nicht bewerten, ob diese auf dem Unfall beruhen. Die Unfallursächlichkeit könne vorliegend auch weder durch Vernehmung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen noch durch Vernehmung des Ehemannes, von Arbeitskollegen und Freunden als Zeugen geklärt werden. Diesen Beweisanträgen der Klägerin sei deshalb ebenso wenig nachzugehen wie ihrem Antrag auf Parteivernehmung oder Anhörung.

II.

6
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
7
1. Im Ansatz zutreffend legt das Berufungsgericht allerdings der von ihm vorgenommenen Prüfung, ob die von der Klägerin geklagten Beschwerden auf den Unfall zurückzuführen sind, die strengen Anforderungen des Vollbeweises gemäß § 286 ZPO zugrunde, denn die Frage, ob sich die Klägerin überhaupt eine Verletzung zugezogen hat, betrifft den nach dieser Vorschrift zu führenden Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität (BGHZ 4, 192, 196; Senatsurteile vom 11. Juni 1968 - VI ZR 116/67 - VersR 1968, 850, 851; vom 20. Februar 1975 - VI ZR 129/73 - VersR 1975, 540, 541 und vom 21. Oktober 1986 - VI ZR 15/85 - VersR 1987, 310, jeweils m.w.N.).
8
Danach hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit", sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (st. Rspr.; vgl. BGHZ 53, 245, 256; BGH, Urteil vom 18. April 1977 - VIII ZR 286/75 - VersR 1977, 721 und Senatsurteil vom 9. Mai 1989 - VI ZR 268/88 - VersR 1989, 758, 759). Die Würdigung von Sachverständigengutachten ist als Bestandteil der Beweiswürdigung grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. z.B. BGHZ 160, 308, 317 m.w.N.; Senatsurteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 364).
9
2. Diese Grundsätze zieht die Revision nicht in Zweifel. Sie rügt jedoch eine unzureichende Sachaufklärung durch das Berufungsgericht und beanstandet , dass dieses seine Beurteilung, die Ursächlichkeit des Unfalls für die von der Klägerin geklagten Beschwerden sei nicht nachgewiesen, allein auf die Bewertung des Sachverständigen Dr. A. gestützt und von einer weiteren Sachaufklärung abgesehen hat.
10
a) Dabei wendet sich die Revision nicht dagegen, dass eine Vernehmung der behandelnden Ärzte in den Tatsacheninstanzen unterblieben ist. Sie rügt vielmehr, das Berufungsgericht habe die in den von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Attesten dokumentierten Diagnosen nicht in ausreichendem Maße gewürdigt.
11
aa) Welche Bedeutung der medizinischen Erstuntersuchung nach einem Verkehrsunfall zukommt, ist umstritten. So wird in der Rechtsprechung die Frage , inwieweit aus dem Ergebnis einer Erstuntersuchung - wie z.B. der hiernach erfolgten ärztlichen Verordnung einer so genannten Schanz’schen Krawatte - Schlüsse auf den damaligen Befund gezogen werden können, unterschiedlich beurteilt (vgl. OLG Karlsruhe, NZV 2001, 511; OLG Hamm, VersR 2002, 992, 994; OLG München, r+s 2002, 370, 371; a.A. OLG Bamberg, NZV 2001, 470). Da der Arzt, der einen Unfallgeschädigten untersucht und behandelt, diesen nicht aus der Sicht eines Gutachters betrachtet, sondern ihn als Therapeut behandelt , steht für ihn die Notwendigkeit einer Therapie im Mittelpunkt, während die Benennung der Diagnose als solche für ihn zunächst von untergeordneter Bedeutung ist. Deshalb sind zeitnah nach einem Unfall erstellte ärztliche Atteste für den medizinischen Sachverständigen eher von untergeordneter Bedeutung (Mazzotti/Castro, NZV 2008, 113, 114). Eine ausschlaggebende Bedeutung wird solchen Diagnosen im Allgemeinen jedenfalls nicht beizumessen sein (so aber OLG Bamberg, aaO). Im Regelfall wird das Ergebnis einer solchen Untersuchung nur als eines unter mehreren Indizien für den Zustand des Geschädigten nach dem Unfall Berücksichtigung finden können (Müller, VersR 2003, 137, 146; ebenso v. Hadeln, NZV 2001, 457, 458 f.). Eine Vernehmung der behandelnden Ärzte als Zeugen oder sachverständige Zeugen ist zudem entbehrlich, wenn das Ergebnis ihrer Befundung schriftlich niedergelegt, vom Sachverständigen gewürdigt und in die Beweiswürdigung einbezogen worden ist, denn bei der Frage nach einem Zusammenhang der geltend gemachten Beschwerden mit dem Unfallgeschehen kommt es allein auf die Beurteilung durch Sachverständige und nicht auf die Aussagen von Zeugen an (Senatsurteile vom 16. November 1999 - VI ZR 257/98 - VersR 2000, 372, 373 und vom 20. März 2007 - VI ZR 254/05 - VersR 2008, 235, 237 f.).
12
bb) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht den Beweiswert der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Atteste nicht verkannt. Dass es die dort dokumentierten Befunde wie Übelkeit, Kopfschmerzen, Bewegungseinschränkungen , Druckschmerzhaftigkeit und Muskelverhärtungen als wenig aussagekräftig gewürdigt hat, ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Die genannten Befunde, die teilweise allein auf Schilderungen der Klägerin beruhen, sind im Wesentlichen unspezifisch, da sie sowohl bei un- fallunabhängigen als auch bei unfallabhängigen Beschwerdebildern insbesondere der Halswirbelsäule vorliegen können. Sie sind, wie klinische Erfahrungen und Studien ergeben haben, ebenso wenig verletzungstypisch wie etwa auch ein röntgenologischer Befund einer Steilstellung der Halswirbelsäule (Mazzotti/Castro, aaO m.w.N.).
13
b) Die Revision beanstandet jedoch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht den Beweis eines Ursachenzusammenhangs zwischen dem Verkehrsunfall der Klägerin und den von ihr danach beschriebenen Beschwerden, deren Vorhandensein es für sein Urteil als wahr unterstellt hat, auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. A. als nicht geführt angesehen hat.
14
aa) Der gerichtliche Sachverständige verneint einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den geklagten Beschwerden im Halsbereich mit der Begründung, dass die im Streitfall anzunehmende kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von 5 bis 6 km/h zu einer Relativbewegung der Fahrzeuginsassin gegenüber der Fahrgastzelle geführt habe, dieser Bewegungsbeginn aber noch kein verletzungsmechanisch relevantes Potenzial gehabt haben könne, es sei denn, es hätten gravierende degenerative Veränderungen vorgelegen, was nach den ärztlichen Feststellungen aufgrund der durchgeführten Röntgenuntersuchung bei der Klägerin aber gerade nicht der Fall gewesen sei. Die Belastungen, denen diese ausgesetzt gewesen sei, hätten sich lediglich in einem Bereich bewegt, wie er auch im täglichen Leben vorkomme , so beispielsweise, wenn man sich in einen Stuhl hineinfallen lasse oder wenn man bei sportlicher Betätigung angerempelt werde. Diese biomechanisch ausgerichtete Betrachtungsweise wird den an die Beurteilung des Kausalitätszusammenhangs zu stellenden Anforderungen nicht gerecht. Das gilt auch für die Bewertung, wonach ein Anstoß des Knies mit einer Relativgeschwindigkeit von 2 bis 3 km/h nicht ausreiche, um eine Kontusion oder gar eine schwere Kniegelenksdistorsion herbeizuführen.
15
bb) Wie der Sachverständige Dr. A. bei der mündlichen Erläuterung seiner Gutachten selbst eingeräumt hat, gibt es auch unter biomechanischen Gesichtspunkten keine starre Grenze hinsichtlich der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung für die Verursachung einer Verletzung an der Halswirbelsäule. Bei der Prüfung, ob ein Unfall eine solche Verletzung verursacht hat, sind vielmehr stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Gegen die schematische Annahme einer "Harmlosigkeitsgrenze" spricht, dass die Beantwortung der Kausalitätsfrage nicht allein von der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung , sondern daneben von einer Reihe anderer Faktoren abhängt, wobei u.a. auch der Sitzposition des betreffenden Fahrzeuginsassen Bedeutung beizumessen sein kann (Senatsurteil vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - VersR 2003, 474, 475 m.w.N.). Die Klägerin hat zum Beweis der Ursächlichkeit des Unfalls für ihre Beschwerden die Einholung eines fachmedizinischen Sachverständigengutachtens beantragt. Diesem Beweisantrag hätte das Berufungsgericht unter den Umständen des Falles nachgehen müssen. Seine Erwägung , wonach ein medizinisches Gutachten im Streitfall keine weiteren Aufschlüsse liefern könne, beruht, wie die Revision mit Recht geltend macht, auf einer unzulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung.
16
cc) Die Einholung eines medizinischen Gutachtens wäre nur dann nicht erforderlich, wenn auszuschließen wäre, dass die Klägerin damit den Beweis der Unfallursächlichkeit führen könnte. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall und kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht im Hinblick auf die Beurteilung des Sachverständigen Dr. A. bejaht werden, denn nach den getroffenen Feststellungen verfügt dieser als Biomechaniker nicht über die erforderliche medizinische Fachkompetenz (vgl. hierzu Mazzotti/Castro, NZV 2008, 16 und 113, 114). Die Aussagekraft seiner Beurteilung leidet auch darunter , dass seine Begutachtung notgedrungen ohne eine eigene medizinische Untersuchung der Klägerin erfolgt ist, sodass sich seine Aussagen zur Konstitution der Klägerin und zur Belastbarkeit ihres Kopf-Hals-Bereichs als problematisch erweisen. Deshalb war die Einholung eines fachmedizinischen Gutachtens im Streitfall auch nicht etwa mit Rücksicht darauf entbehrlich, dass sich Dr. A. als Biomechaniker auf Verletzungen aufgrund von Verkehrsunfällen spezialisiert und an der medizinischen Fakultät einer Hochschule über Toleranzgrößen von Schädel-Hirn-Traumen promoviert hat. Seine auf diesem Gebiet erworbenen Spezialkenntnisse lassen, wie die Revision mit Recht geltend macht, keinen Rückschluss darauf zu, ob er für die hier zu beurteilenden Fragen über den Kenntnisstand eines Fachmediziners verfügt. Das Berufungsgericht legt auch nicht dar, dass es selbst über ausreichende eigene Sachkunde verfügt und deshalb die Einholung eines fachmedizinischen Gutachtens entbehrlich gewesen wäre.
17
3. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses die erforderlichen Feststellungen nachholen kann. Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 09.02.2006 - 331 C 14009/04 -
LG München I, Entscheidung vom 06.09.2007 - 19 S 4629/06 -

(1) Die vorläufige Vollstreckbarkeit tritt mit der Verkündung eines Urteils, das die Entscheidung in der Hauptsache oder die Vollstreckbarkeitserklärung aufhebt oder abändert, insoweit außer Kraft, als die Aufhebung oder Abänderung ergeht.

(2) Wird ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil aufgehoben oder abgeändert, so ist der Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist. Der Beklagte kann den Anspruch auf Schadensersatz in dem anhängigen Rechtsstreit geltend machen; wird der Anspruch geltend gemacht, so ist er als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen.

(3) Die Vorschriften des Absatzes 2 sind auf die im § 708 Nr. 10 bezeichneten Berufungsurteile, mit Ausnahme der Versäumnisurteile, nicht anzuwenden. Soweit ein solches Urteil aufgehoben oder abgeändert wird, ist der Kläger auf Antrag des Beklagten zur Erstattung des von diesem auf Grund des Urteils Gezahlten oder Geleisteten zu verurteilen. Die Erstattungspflicht des Klägers bestimmt sich nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Wird der Antrag gestellt, so ist der Anspruch auf Erstattung als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen; die mit der Rechtshängigkeit nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts verbundenen Wirkungen treten mit der Zahlung oder Leistung auch dann ein, wenn der Antrag nicht gestellt wird.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.