Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2009 - V ZR 139/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Kosten der Streithilfe tragen die Kläger.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- 1991 erwarben die Kläger ein Grundstück, das in einem Landschaftsschutzgebiet liegt und das nach der Eintragung in Abt. II des Grundbuches seit dem 25. Juni 1986 mit einer zugunsten des beklagten Landkreises bestellten beschränkten persönlichen Dienstbarkeit belastet ist. Die Eintragung nimmt Bezug auf die Eintragungsbewilligung der damaligen Grundstückseigentümer vom 16. Juni 1986. In dieser heißt es u.a.: „Wir bewilligen und beantragen hiermit zugunsten des Kreises O. - Kreiswasserwerke - die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit auf dem vorstehenden Grundstück folgenden Inhalts: 1. In den eingezäunten und nicht eingezäunten Schutzzonen für die Wasserentnahme als Trinkwasser darf eine Düngung mit organischem Dünger und die Beweidung sowie der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nicht stattfinden.
- 2
- Hintergrund der Bewilligung war, dass durch das Grundstück schon damals ein Wasserleitungssystem verlief, das ursprünglich zunächst durch den Wasserbeschaffungsverband B. und seit Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts durch den Beklagten zum Betrieb einer Trinkwassergewinnungsanlage genutzt wurde.
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- Bereits mit notariellem Vertrag vom 6. März 1959 hatte der Wasserbeschaffungsverband dem Landwirt J. W. sen. und dessen Rechtsnachfolgern als Gegenleistung für eine Grundstücksübertragung das Recht eingeräumt , „das in der Viehtränke gesammelte aus dem Hochbehälter (der Trinkwassergewinnungsanlage ) stammende Wasser unentgeltlich zu entnehmen“. Hierzu sollte der Landwirt auch gegenüber Rechtsnachfolgern des Wasserbeschaffungsverbandes berechtigt sein. Von diesem Recht macht mittlerweile der Landwirt J. W. jun. als Rechtsnachfolger seines Vaters Gebrauch. Er ist dem Rechtsstreit als Streithelfer des Beklagten beigetreten.
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- 1999 gab der Beklagte die Trinkwassergewinnungsanlage endgültig auf. Mit notariellem Vertrag vom 23. August 2008 verkaufte er dem Streithelfer Grundstücke, auf denen die Trinkwassergewinnungsanlage betrieben worden war, nebst Rohrleitungen und „dem gesamten unterirdischen Leitungssystem bis zum Hochbehälter“. In § 5 des Kaufvertrages heißt es: „Die zugunsten der Kreiswasserwerke O. eingetragenen Leitungsrechte werden auf den Käufer als Rechtsnachfolger übertragen …“
- 5
- Die Kläger möchten ihr Grundstück uneingeschränkt nutzen. Sie meinen, infolge der Aufgabe der Trinkwassergewinnungsanlage sei die Dienstbarkeit wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage erloschen. Das Amtsgericht ist dem gefolgt und hat der - auf Bewilligung der Löschung der Dienstbarkeiten gerichteten - Klage stattgegeben. Das Landgericht hat sie abgewiesen. Mit der von diesem zugelassenen Revision möchten die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
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- Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die beschränkte persönliche Dienstbarkeit sei wirksam entstanden und nicht als auflösend bedingtes Recht bestellt worden. Wegen vollständigen Interessefortfalls sei die Dienstbarkeit nicht erloschen, weil mit ihr nicht nur der öffentlichrechtliche Zweck der Trinkwasserversorgung verfolgt worden sei, sondern auch das Anliegen, dem Rechtsvorgänger des Streithelfers (und dessen Rechtsnachfolgern) die Wasserentnahme zu ermöglichen. Letzteres wirke fort. Eine klare und unzweideutige Beschränkung des Rechts auf die Gewährleistung der öffentlichen Daseinsvorsorge sei weder der Grundbucheintragung selbst noch der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung zu entnehmen. Schließlich reichten die von den Klägern vorgetragenen Umstände für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) nicht aus.
II.
- 7
- Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
- 8
- 1. Das Berufungsgericht geht zu Recht und von der Revision unbeanstandet davon aus, dass die beschränkte persönliche Dienstbarkeit entstanden und nicht als auflösend bedingtes Recht (dazu Senat, Urt. v. 29. September 2006, V ZR 25/06, WM 2006, 2226, 2228) bestellt worden ist.
- 9
- 2. Die Dienstbarkeit ist nicht ganz oder teilweise erloschen.
- 10
- a) Ein Erlöschen kann zunächst nicht auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützt werden. Die Parteien sind schon nicht durch ein Rechtsgeschäft verbunden, das der Anpassung nach § 313 BGB (hier i.V.m. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) unterläge. Der Senat hat bereits entschieden , dass weder die Grunddienstbarkeit selbst noch das mit dieser einhergehende schuldrechtliche Begleitschuldverhältnis unter § 313 BGB fallen. Als anpassungsfähiges Rechtsgeschäft kommt lediglich die der Dienstbarkeitsbestellung zugrunde liegende schuldrechtliche Abrede in Betracht (vgl. Urt. v. 19. September 2008, V ZR 164/07, NJW 2008, 3703, 3704). Aus dieser können die Kläger aber schon deshalb nichts herleiten, weil es sich hierbei um eine lediglich zwischen dem Beklagten und den Voreigentümern der Kläger bestehende - relative - Rechtsbeziehung handelt. Die Revision verweist auf kein tatsächliches Vorbringen, wonach mit dieser schuldrechtlichen Abrede auch Rechte zugunsten Dritter mit der Folge begründet worden sind, dass (auch) diese bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gegen die Beklagte vorgehen könnten.
- 11
- b) Die Dienstbarkeit ist nicht wegen Vorteilswegfalls erloschen. Dass § 1090 Abs. 2 BGB nicht auf § 1019 BGB verweist, bedeutet nur, dass der auch für das Entstehen und den Fortbestand einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit konstitutive Vorteil nicht grundstücksbezogen sein muss, es vielmehr genügt, dass die Dienstbarkeit für irgendjemanden einen erlaubten Vorteil bietet (Senat, BGHZ 41, 209, 212 ff.; Urt. v. 24. Juni 1983, V ZR 167/82, NJW 1984, 924). Ausreichend, aber auch erforderlich ist ein eigenes oder fremdes Interesse, das auch in der Verfolgung öffentlicher Belange bestehen kann. Demgemäß erlischt das dingliche Recht, wenn das mit der Dienstbarkeitsbestellung verfolgte Interesse endgültig entfallen ist (vgl. Senat, BGHZ 41, 209, 213 f.; Urt. v. 7. Dezember 1984, V ZR 189/83, NJW 1985, 1025; BGH NJW 1984, 924; OLG Celle, NZM 2005, 39, 40; ferner Senat, Urt. v. 24. Februar 1984, V ZR 177/82, NJW 1984, 2157, 2158; Urt. v. 18. Juli 2008, V ZR 171/07, NJW 2008, 3123, 3124; BGH VIZ 1999, 225, 226 f.). So liegt es hier jedoch nicht, weil nicht sämtliche der durch die Dienstbarkeit begünstigten Nutzungsarten endgültig aufgegeben worden sind.
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- aa) Das Berufungsgericht hat die Dienstbarkeit dahin ausgelegt, dass mit ihr nicht ausschließlich Belange der öffentlichen Daseinsvorsorge im Sinne einer geordneten Wasserversorgung verfolgt worden sind, sondern auch das - fortbestehende - Interesse, dem Landwirt J. W. sen. und seinen Rechtsnachfolgern zu ermöglichen, ihr Vieh mit Wasser aus der errichteten Anlage zu tränken. Diese - in vollem Umfang der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegende - Auslegung (vgl. nur Senat BGHZ 92, 351, 355; Urt. v. 19. September 2008, V ZR 164/07, NJW 2008, 3703; jeweils m.w.N.) ist zutreffend.
- 13
- Bei der Ermittlung des Inhalts einer Dienstbarkeit ist vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn der Grundbucheintragung und der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Außerhalb dieser Urkunden liegende Umstände dürfen nur insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (Senat, BGHZ 145, 16, 20; Urt. v. 11. April 2003, V ZR 323/02, NJW-RR 2003, 1235; jeweils m.w.N.; vgl. auch Senat, Urt. v. 29. September 2006, V ZR 25/06, WM 2006, 2226, 2228), wozu auch die tatsächliche Handhabung bei der Bestellung der Dienstbarkeit zählt (Senat, Urt. v. 28. November 1975, V ZR 9/74, NJW 1976, 417, 418 m.w.N.).
- 14
- Gemessen daran stützt schon der Wortlaut der Eintragungsbewilligung nicht die Auffassung der Kläger, mit der Dienstbarkeit sei der ausschließliche Zweck verfolgt worden, die Wasserversorgung des beklagten Landkreises im Sinne öffentlicher Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Nach Nr. 2 der Bewilligung ist der Beklagte berechtigt, auf dem Grundstück eine Wasserleitung nebst Zubehör zu verlegen und zu unterhalten. Diese Anlagen hat der Grundstückseigentümer nach Nr. 3 der Eintragungsbewilligung „dauerhaft“ zu dulden. Dass dies nur zu dem Zwecke zulässig sein soll, die öffentliche Wasserversorgung zu gewährleisten, geht daraus nicht einmal ansatzweise hervor. Zwar mag man die konkretisierende Bezeichnung des Berechtigten durch den Zusatz „Kreiswasserwerke“ und den Inhalt der Dienstbarkeit nach Nr. 1 (Verbot der Beweidung und des Einsatzes von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln in den „Schutzzonen für die Wasserentnahme als Trinkwasser“) bei isolierter Würdigung als Argument für eine restriktive Auslegung ins Feld führen können. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Eintragungsbewilligung scheidet eine solche Deutung aus der Sicht eines unbefangenen Betrachters jedoch aus. Dies gilt umso mehr, als es dem Beklagten nach Nr. 6 der Bewilligung frei steht, die Ausübung des Rechts an einen Dritten zu übertragen. Für ein restriktives Verständnis dahin, die Ausübungsübertragung sei nur an Versorgungsträger zulässig, ist bei unbefangener Lesart kein Raum. Davon abgesehen war in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Bestellung der Dienstbarkeit für jedermann ohne weiteres erkennbar, dass die Anlage auch der Entnahme von Wasser aus dem Hochbehälter für die Viehtränke diente. Ob die Kläger bei dem späteren Erwerb des mit der Dienstbarkeit belasteten Grundstücks hiervon Kenntnis hatten, ist ebenso unerheblich (vgl. Senat, Urt. v. 28. November 1975, V ZR 9/74, NJW 1976, 417, 418) wie die von der Revision verneinte Frage, ob sich die Dienstbarkeit nach der Eintragung im Grundbuch später kraft Gesetzes in ein unter den Voraussetzungen der §§ 1092 Abs. 2 u. 3 BGB übertragbares Recht umgewandelt hat (zu dieser Frage MünchKomm-BGB/Joost, aaO, § 1092 Rdn. 21).
- 15
- bb) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe gegen § 531 Abs. 2 ZPO verstoßen, weil es die Behauptung der Kläger, der Streithelfer könne das von ihm für die Viehtränke benötigte Wasser auch aus anderen Ressourcen beziehen, nicht zugelassen habe, scheitert jedenfalls an der fehlenden Entscheidungserheblichkeit des Vorbringens. Das Bestehen eines notwegeähnlichen Bedürfnisses ist nicht Voraussetzung für Bestehen und Fortbestand einer Dienstbarkeit. Wie bereits oben dargelegt reicht es insoweit aus, dass die beschränkte persönliche Dienstbarkeit entsprechend ihrer Zweckbestimmung für irgendjemanden von Vorteil ist. Das ist hier nach wie vor der Fall, weil der zugrunde gelegte Vorteil gerade darin besteht, dass der Streithelfer nicht auf andere Ressourcen zurückgreifen muss.
- 16
- c) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Dienstbarkeit schließlich auch nicht teilweise mit Blick auf die in Nr. 1 der Eintragungsbewilligung enthaltenen Verbote untergegangen, in den Schutzzonen für die Wasserentnahme den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie eine Beweidung zu unterlassen. Denn es liegt auf der Hand, dass ein fortbestehendes schutzwürdiges Interesse daran besteht, es dem Streithelfer der Beklagten als Rechtsnachfolger des Landwirts J. W. sen. zu ermöglichen, sein Vieh auch weiterhin mit unkontaminiertem Wasser zu tränken, mag der Hauptzweck der Trinkwassergewinnung auch entfallen sein.
II.
- 17
- Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
Schmidt-Räntsch Roth Vorinstanzen:
AG Olpe, Entscheidung vom 27.08.2007 - 25 C 362/06 -
LG Siegen, Entscheidung vom 23.06.2008 - 3 S 117/07 -
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Annotations
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
(1) Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann (beschränkte persönliche Dienstbarkeit).
(2) Die Vorschriften der §§ 1020 bis 1024, 1026 bis 1029, 1061 finden entsprechende Anwendung.
Eine Grunddienstbarkeit kann nur in einer Belastung bestehen, die für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten Vorteil bietet. Über das sich hieraus ergebende Maß hinaus kann der Inhalt der Dienstbarkeit nicht erstreckt werden.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)