Bundesgerichtshof Urteil, 05. Nov. 2014 - IV ZR 8/13

bei uns veröffentlicht am05.11.2014
vorgehend
Landgericht Hannover, 13 O 243/10, 27.01.2012
Oberlandesgericht Celle, 8 U 67/12, 29.11.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR8/13 Verkündet am:
5. November 2014
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VVG a.F. § 2 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1
Die in § 2 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 VVG a.F. geregelte Freiheit vom Leistungsversprechen
einer Rückwärtsversicherung setzt - ebenso wie eine für rückwirkenden
Versicherungsschutz vertraglich vereinbarte Klausel "frei von bekannten
Verstößen" - positive Kenntnis des Versicherungsnehmers davon voraus, dass
bereits ein Versicherungsfall eingetreten oder ein ihn begründender Pflichtenverstoß
geschehen ist. Deren Feststellung kann nicht durch die Erwägung ersetzt
werden, der Versicherungsnehmer habe die betreffenden Umstände kennen
müssen.
BGH, Urteil vom 5. November 2014 - IV ZR 8/13 - OLG Celle
LG Hannover
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski auf die mündliche
Verhandlung vom 5. November 2014

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Streithelferin der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. November 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin erhebt Ansprüche aus einer zwischen den Parteien geschlossenen Haftpflichtversicherung, welche auch Schäden abdeckt, die der Versicherungsnehmerin durch Mitversicherte zugefügt werden.
2
Mit Kaufverträgen vom 19. Dezember 2000 und 7. Juni 2005 erwarb die Klägerin mehrere Flurstücke des so genannten S. in B. , um dieses Gelände neu zu bebauen. Auf dem erworbenen Areal steht die unter der Bezeichnung "… " bekannte ehemalige Ausreisehalle der Grenzübergangsstelle Bahnhof F. , welche im Rahmen des Gesamtkonzeptes zum Gedenken an die B. in die Denkmalliste nach dem B. Denkmalschutzgesetz eingetragen war.
3
Mit der Generalplanung beauftragte die Klägerin im Jahre 2006 die Streithelferin. Deren erster Plan sah vor, das Baugrundstück mit drei Untergeschossen in so genannter Deckelbauweise zu bebauen und den "... " zu diesem Zweck vorübergehend zu demontieren. Den am 7. Juni 2006 gestellten Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung lehnte das zuständige Bezirksamt durch Bescheid vom 16. Oktober 2006 mit der Begründung ab, die denkmalrechtliche Zustimmung für die Demontage des "… " werde nicht erteilt. Den Widerspruch der Klägerin vom 18. Oktober 2006 wies die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit Bescheid vom 15. Dezember 2006 zurück. Unstreitig hatte die Klägerin von dieser Entscheidung bereits im Dezember 2006 Kenntnis.
4
Am 29. Januar 2007 erteilte das zuständige Bezirksamt eine Baugenehmigung , die eine verkleinerte Baugrube vorsah. Auch mit der hierfür erforderlichen Umplanung wurde die Streithelferin betraut.
5
Im Frühjahr 2007 schlossen die Parteien eine unter dem 26. April 2007 policierte Versicherung für die "Haftpflicht … aus allen Architekten- und Ingenieurleistungen, sowie Gutachten- oder Sachverständigenleis- tungen gemäß vorliegendem Generalplanungsvertrag … in dem Projekt … S. " ab. Zu den Mitversicherten dieser Haftpflichtversiche- rung zählte auch die Streithelferin. Die Versicherung sollte rückwirkend zum 1. Mai 2005 beginnen und bei Bauende, spätestens am 1. März 2009 enden. Nach einer in der Police dokumentierten Zusatzvereinbarung bestand rückwirkender Versicherungsschutz für die Zeit vom 1. März 2005 bis 2. März 2007 "frei von bekannten Verstößen". Mit einem Nachtrag zum Versicherungsschein vom 6. November 2007 wurde der ursprünglich vereinbarte Leistungsausschluss für Ansprüche der mitversicherten Büros untereinander sowie gegen den Versicherungsnehmer "und umgekehrt" durch Streichung der Worte "und umgekehrt" dahingehend zurückgenommen, dass Ansprüche der Versicherungsnehmerin gegen Mitversicherte vom Versicherungsschutz umfasst sind.
6
Der auf der Neuplanung der Streithelferin fußende Tekturantrag vom 5. September 2007, der für den Stadtplatz am "… " eine Veränderung der Geländehöhe vorsah, wurde vom zuständigen Bezirksamt erneut aus denkmalschutzrechtlichen Gründen nicht genehmigt. Nachdem das Oberverwaltungsgericht B. mit Urteil vom 18. Dezember 2007 den gesamten Bebauungsplan für das S. in einem auf Betreiben eines Nachbarn durchgeführten Normenkontrollverfahren für unwirksam erklärt hatte, beendeten die Klägerin und das Land B. die rechtlichen Auseinandersetzungen um die Baugenehmigung durch Abschluss eines Vergleichs.
7
Die Klägerin meint, beide Planungen der Streithelferin seien fehlerhaft gewesen und stellten deshalb versicherte Pflichtverstöße dar, für deren Schadensfolgen die Beklagte eintreten müsse. Mit ihren beiden Klaganträgen begehrt sie die Feststellung, die Beklagte müsse ihr sowohl wegen der dem Baugenehmigungsantrag vom 7. Juni 2006 zugrunde liegenden fehlerhaften Planung der Streithelferin für die Baugrube und die Bauwerksgründung als auch wegen der dem Tekturantrag vom 5. September 2007 zugrunde liegenden Fehlplanung für die Untergeschosse und die Stadtplatzerhöhung Deckungsschutz gewähren.
8
Das Landgericht hat beide Klaganträge abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Abweisung des ersten Klagantrages gerichtet hat. Im Übrigen hat es das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung über den zweiten Klagantrag an die Vorinstanz zurückverwiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Streithelferin der Klägerin deren Klagebegehren vollen Umfangs weiter.

Entscheidungsgründe:


9
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
10
I. Dieses hat zur Zurückweisung des ersten Klagantrages ausgeführt : Für die Zeit vom 1. März 2005 bis 2. März 2007 bestehe nach der vereinbarten Rückwärtsversicherung Versicherungsschutz nur "frei von bekannten Verstößen", was sich auch aus § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG a.F. ergebe. Die landgerichtliche Feststellung, die Klägerin habe bei Abschluss des Versicherungsvertrages im Frühjahr 2007 den ersten Planungsfehler der Streithelferin gekannt, sei nicht zu beanstanden. Die der Klägerin vor Vertragsschluss bekannten ablehnenden Bescheide des Bezirksamtes vom 16. Oktober 2006 und der Widerspruchsbehörde vom 15. Dezember 2006 hätten deutlich gemacht, dass nicht einmal eine Teildemontage des "… " genehmigt worden wäre. Unter Zugrundelegung eines objektivierten Maßstabes habe es sich der Klägerin noch im Jahre 2006 aufgedrängt, dass die Planung der Streithelferin fehlerhaft gewesen sei. Dabei gehe es nicht darum, wie die Klägerin die Rechtsla- ge gewürdigt habe. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer an ihrer Stelle habe - auch wenn sie gemeint habe, ihr eröffne sich mit der Einleitung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Chance einer abweichenden rechtlichen Beurteilung - davon ausgehen müssen, dass der Streithelferin ein Planungsfehler unterlaufen sei. Da die rechtliche Würdigung der Klägerin nicht entscheidend sei, komme es auch nicht darauf an, wie sie auf die ihr seit Dezember 2006 bekannten Tatsachen reagiert habe. Die Kenntnis vom Pflichtenverstoß der Streithelferin sei bei der Klägerin spätestens mit dem Widerspruchsbescheid im Dezember 2006 eingetreten.
11
Bezüglich des zweiten Klagantrages begegne die Entscheidung des Landgerichts Bedenken, weil es entgegen seiner Auffassung nicht an substantiiertem Vorbringen zur Pflichtverletzung der Streithelferin fehle. Die Klägerin habe vorgetragen, deren Planung sei nicht genehmigungsfähig gewesen, was sich aus dem vorgelegten Ablehnungsbescheid vom 9. November 2007 ergebe. Es sei unerfindlich, weshalb das Landgericht nicht hinsichtlich beider mutmaßlicher Planungsfehler der Streithelferin gleichermaßen davon ausgegangen sei, dass der Architekt eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung schulde und die erstellte Planung dem nicht genügt habe. Auch im zweiten Fall habe sich die fehlende Genehmigungsfähigkeit der Planung aus dem ablehnenden Bescheid der zuständigen Behörde ergeben, deren Ausführungen das Landgericht ignoriert habe. Insoweit habe es überzogene Anforderungen an die Substantiierung gestellt und damit eine in sich widersprüchliche Entscheidung getroffen. Das verletze Verfahrensgrundrechte der Klägerin und rechtfertige die Zurückverweisung an die Vorinstanz, welche die "aufwändige" Beweisaufnahme hinsichtlich des zweiten Planungsfehlers nachholen müsse.

12
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
13
1. Mit der gegebenen Begründung durfte das Berufungsgericht den Klagantrag zu 1 hier für unbegründet erachten. Soweit es angenommen hat, die Klägerin habe bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrages - dem nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 VVG a.F. für den Ausschluss der Rückwärtsversicherung maßgeblichen Zeitpunkt - Kenntnis davon gehabt, dass wegen der auf eine temporäre Demontage des ".. " gerichteten Planung der Streithelferin ein Versicherungsfall eingetreten war, hat es einen falschen Maßstab zugrunde gelegt.
14
a) Die in § 2 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 VVG a.F. geregelte Freiheit vom Leistungsversprechen einer Rückwärtsversicherung setzt ebenso wie die von den Parteien für den rückwirkenden Versicherungsschutz ab dem 1. März 2005 vereinbarte Klausel "frei von bekannten Verstößen" eine positive Kenntnis des Versicherungsnehmers davon voraus, dass bereits ein Versicherungsfall eingetreten oder ein ihn begründender Pflichtenverstoß geschehen ist. Wie der Senat für die - eine Anzeigeobliegenheit begründende - Kenntnis des Versicherungsnehmers vom Eintritt des Versicherungsfalls entschieden hat, kann deren Feststellung nicht durch die Erwägung ersetzt werden, der Versicherungsnehmer habe die betreffenden Umstände kennen müssen (Senatsurteil vom 30. April 2008 - IV ZR 227/06, VersR 2008, 905 Rn. 18 ff. m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. November 1966 - II ZR 52/64, VersR 1967, 56 unter II 2 b), denn das kennzeichnet lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf.
15
Für die hier in Rede stehenden Regelungen gilt nichts anderes. Sie bezwecken, den Versicherungsnehmer bei Vereinbarung einer Rück- wärtsversicherung an einer bewussten Manipulation des versicherten Risikos zu hindern (Senatsurteile vom 21. März 1990 - IV ZR 39/89, BGHZ 111, 44, 50 f.; vom 19. Februar 1992 - IV ZR 106/91, BGHZ 117, 213, 215). Er soll nicht in die Lage versetzt werden, rückwirkenden Versicherungsschutz für einen Versicherungsfall zu erlangen, von dem er weiß, dass er bereits eingetreten ist. Eine Unkenntnis von einem bereits eingetretenen Versicherungsfall - und sei sie auch grob fahrlässig - birgt diese Manipulationsgefahr hingegen nicht.
16
b) Es reicht deshalb nicht aus, wenn dem Versicherungsnehmer lediglich Tatsachen bekannt sind, die zwar den möglichen Schluss zulassen oder sogar nahe legen, ein Versicherungsfall könne bereits eingetreten sein. Solange der Versicherungsnehmer selbst einen solchen Schluss nicht zieht, etwa weil er andere Ursachen für ein ihm bekanntes Schadensbild vermutet oder er keine ausreichenden Überlegungen über die Schadensursache anstellt, hat er noch keine positive Kenntnis vom Versicherungsfall. Ein gegen ihn gerichteter Vorwurf erschöpft sich dann allenfalls darin, den sich aufdrängenden Schluss auf die Ursache fahrlässig - oder sogar grob fahrlässig - nicht gezogen und deshalb das Vorliegen eines Versicherungsfalls nicht erkannt zu haben.
17
Anders liegt es nur dann, wenn der Tatrichter aufgrund der Umstände des Einzelfalles anhand des Beispiels eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers - beweiswürdigend - die Überzeugung gewinnt und darlegt, der Versicherungsnehmer habe den sich aufdrängenden Schluss auf die nahe liegende Schadensursache tatsächlich gezogen und deshalb erkannt, dass dem Schaden Tatsachen zugrunde liegen, die ein versichertes Ereignis beschreiben.
18
c) So können die Ausführungen des Berufungsgerichts hier aber nicht verstanden werden. Es hat - ungeachtet des Umstandes, dass es seinen Erwägungen ebenfalls voranstellt, ein "Kennenmüssen" der Klägerin genüge nicht - die vorgenannten Maßstäbe nicht berücksichtigt, wie seine weiteren Ausführungen besorgen lassen. Das Berufungsgericht stellt ausdrücklich nicht darauf ab, wie die Klägerin die Planung der Streithelferin beurteilte und ob sie diese Planung bei Abschluss des Versicherungsvertrages als einen Verstoß gegen Rechtspflichten aus dem Vertrag über die Generalplanung einstufte. Stattdessen hat das Berufungsgericht einen "objektivierten Maßstab" zugrunde gelegt und danach gefragt, welche Schlüsse ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer an Stelle der Klägerin aus den Fallumständen, insbesondere dem Inhalt des Kaufvertrages vom 7. Juni 2005 und der Versagung der Baugenehmigung durch Bau- und Widerspruchsbehörde, ziehen musste. Auf die konkrete Würdigung der Fallumstände durch die Klägerin soll es demgegenüber nach Auffassung des Berufungsgerichts gerade nicht ankommen, weswegen auch der erst nach Bekanntwerden des Widerspruchsbescheides im Februar 2007 getroffenen Vereinbarung über ein zusätzliches Planungshonorar der Streithelferin nach Meinung des Berufungsgerichts keine Bedeutung zukommt. Das lässt sich mit den in den vorgenannten Senatsentscheidungen aufgestellten Maßstäben nicht in Einklang bringen; denn danach kommt es für das - auch von § 2 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 VVG a.F. vorausgesetzte - Wissen des Versicherungsnehmers allein auf dessen konkrete Vorstellungen und nicht darauf an, was sich stattdessen einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabes aufgrund der Fallumstände aufgedrängt hätte.

19
2. Die kassatorische Entscheidung des Berufungsgerichts über den zweiten Klagantrag kann ebenfalls keinen Bestand haben.
20
a) Dabei kann offen bleiben, ob das Berufungsgericht einen wesentlichen Mangel des landgerichtlichen Verfahrens im Sinne von § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO (vgl. dazu BGH, Urteile vom 14. Juni 2012 - IX ZR 150/11, NJW-RR 2012, 1207 Rn. 14 m.w.N.; vom 10. Dezember 1996 - VI ZR 314/95, NJW 1997, 1447 unter II 2 b; vom 6. November 2000 - II ZR 67/99, WM 2000, 2563, 2564 unter A II 1; vom 1. Februar 2010 - II ZR 209/08, WM 2010, 892 Rn. 11; vom 13. Juli 2010 - VI ZR 254/09, VersR 2010, 1666 Rn. 8) und die Erforderlichkeit einer aufwändigen Beweisaufnahme ausreichend dargelegt hat.
21
b) Jedenfalls lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht erkennen, dass es das ihm in § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO eingeräumte Ermessen , eine eigene Sachentscheidung zu treffen oder ausnahmsweise den Rechtsstreit an das Erstgericht zurückzuverweisen, pflichtgemäß ausgeübt hat. Es hätte dabei in Erwägung ziehen müssen, dass die Zurückverweisung an die Vorinstanz in aller Regel zu einer weiteren Verzögerung und Verteuerung des Rechtsstreits, im Streitfall zudem zu dessen Aufspaltung führt und den schützenswerten Interessen der Parteien entgegenstehen kann (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 1. Februar 2010 - II ZR 209/08, NJW-RR 2010, 1048 Rn. 16; Versäumnisurteil vom 16. Dezember 2004 - VII ZR 270/03, BauR 2005, 590 unter II 3 b). Da die Beweisaufnahme und Sachentscheidung nach § 538 Abs. 1 ZPO grundsätzlich dem Berufungsgericht obliegen, ist die Aufhebung und Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf Ausnahmefälle beschränkt , in denen die Durchführung des Verfahrens in der Berufungs- instanz zu noch größeren Nachteilen für die Parteien führte als die Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht (BGH, Versäumnisurteil vom 16. Dezember 2004 - VII ZR 270/03, BauR 2005, 590 unter II 3 b). Dass das Berufungsgericht all dies erwogen hätte, kann dem Berufungsurteil nicht entnommen werden.
Mayen Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski

Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 27.01.2012- 13 O 243/10 -
OLG Celle, Entscheidung vom 29.11.2012- 8 U 67/12 -

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(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. (2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an d

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 2 Rückwärtsversicherung


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(1) Der Versicherungsvertrag kann vorsehen, dass der Versicherungsschutz vor dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses beginnt (Rückwärtsversicherung).

(2) Hat der Versicherer bei Abgabe seiner Vertragserklärung davon Kenntnis, dass der Eintritt eines Versicherungsfalles ausgeschlossen ist, steht ihm ein Anspruch auf die Prämie nicht zu. Hat der Versicherungsnehmer bei Abgabe seiner Vertragserklärung davon Kenntnis, dass ein Versicherungsfall schon eingetreten ist, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet.

(3) Wird der Vertrag von einem Vertreter geschlossen, ist in den Fällen des Absatzes 2 sowohl die Kenntnis des Vertreters als auch die Kenntnis des Vertretenen zu berücksichtigen.

(4) § 37 Abs. 2 ist auf die Rückwärtsversicherung nicht anzuwenden.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

14
a) Eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO kommt als Ausnahme von der in § 538 Abs. 1 ZPO statuierten Verpflichtung des Berufungsgerichts , die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden, nur in Betracht, wenn das erstinstanzliche Verfahren an einem so wesentlichen Mangel leidet, dass es keine Grundlage für eine instanzbeendende Entscheidung sein kann. Ob ein solcher Mangel vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung vom materiell-rechtlichen Standpunkt des Vorderrichters aus zu beurteilen, auch wenn dieser verfehlt ist und das Berufungsgericht ihn nicht teilt (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1996 - VI ZR 314/95, NJW 1997, 1447; vom 6. November 2000 - II ZR 67/99, WM 2000, 2563, 2564; vom 1. Februar 2010 - II ZR 209/08, WM 2010, 892 Rn. 11; vom 13. Juli 2010 - VI ZR 254/09, VersR 2010, 1666 Rn. 8). Hiernach begründet es keinen Fehler im Verfahren der Vorinstanz, wenn das Berufungsgericht Parteivorbringen materiell-rechtlich anders beurteilt als das Erstgericht, indem es geringere Anforderungen an die Schlüssigkeit und Substantiierungslast stellt und infolge dessen eine Beweisaufnahme für erforderlich hält (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1996, aaO; vom 1. Februar 2010, aaO Rn. 14; vom 13. Juli 2010, aaO Rn. 15). Ein Verfahrensfehler kann in einem solchen Fall auch nicht mit einer Verletzung der richterlichen Hinweis- und Fragepflicht (§ 139 ZPO) begründet werden. Eine unrichtige Rechtsansicht des Erstrichters darf nicht auf dem Umweg über eine angebliche Hinweispflicht gegenüber den Parteien in einen Verfahrensmangel umgedeutet werden, wenn auf der Grundlage der Auffassung des Erstgerichts kein Hinweis geboten war. Das Berufungsgericht muss vielmehr auch insoweit bei Prüfung der Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, den Standpunkt des Erstgerichts zugrunde legen (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1996, aaO S. 1448; vom 13. Juli 2010, aaO).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 67/99 Verkündet am:
6. November 2000
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 138, 454, 539; KO § 106 Abs. 1 Satz 3

a) Eine Aufhebung und Zurückverweisung durch das Berufungsgericht
(§ 539 ZPO) kann nicht darauf gestützt werden, daß das erstinstanzliche Gericht
einen materiell-rechtlichen Gesichtspunkt verkannt oder eine verfahrensrechtliche
Entscheidung (hier: gemäß § 454 Abs. 1 ZPO) getroffen hat, die
sich noch in den Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens hält.

b) Eine Verfügung, die gegen ein Veräußerungsverbot gemäß § 106 Abs. 1
Satz 3 KO verstieß, wird bei dessen Aufhebung zumindest von da an wirksam.

c) Zu den Anforderungen, die an die Schlüssigkeit und die Substantiierung eines
Parteivorbringens (hier: zur Darlehensgewährung eines Treuhandgesellschafters
an die Gesellschaft) zu stellen sind.
BGH, Urteil vom 6. November 2000 - II ZR 67/99 - OLG Frankfurt a.M.
LG Frankfurt a.M.
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und
die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. Februar 1999 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte war ursprünglich geschäftsführende Alleingesellschafterin der von ihr im Jahre 1988 treuhänderisch für den Widerbeklagten zu 2 gegründeten P. GmbH mit einem Stammkapital von 100.000,-- DM. Im November 1989 bestellte sie den Widerbeklagten zu 2 zum weiteren Geschäftsführer und beschloß eine Stammkapitalerhöhung um weitere
100.000,-- DM, wovon sie und der Widerbeklagte zu 2 Anteile von je 50.000,-- DM übernehmen sollten. Die Kapitalerhöhung wurde zum Handelsregister angemeldet. Am 7. Dezember 1989 zahlte die Beklagte an die GmbH 50.000,-- DM, die im Jahresabschluß der GmbH als Darlehen bilanziert wurden. Durch Gesellschafterbeschluß vom Oktober 1991 berief die Beklagte den Widerbeklagten zu 2 aufgrund inzwischen entstandener Streitigkeiten mit ihm als Geschäftsführer ab. Es gelang ihm erst Ende 1994, die Verurteilung der Beklagten zu seiner Wiederbestellung als Geschäftsführer aufgrund des mit ihr geschlossenen Treuhandvertrages zu erwirken. Zuvor hatte sie im Juli 1994 zusammen mit zwei weiteren Kommanditisten und der GmbH als Komplementärin die P. GmbH & Co. KG gegründet. Anfang 1995 wurde sie zur Unterlassung weiterer Geschäftsführertätigkeit für die GmbH und die KG sowie zur Übertragung des von ihr treuhänderisch gehaltenen GmbH-Anteils von 100.000,-- DM auf den Widerbeklagten zu 2 verurteilt. Im Sommer 1995 schied die GmbH aus der KG aus, die deshalb aufgelöst und am 4. August 1995 im Handelsregister gelöscht wurde. Auf den Konkursantrag eines Gläubigers der GmbH wurde ihr gegenüber am 18. Dezember 1995 ein allgemeines Veräußerungsverbot erlassen und ein Sequester bestellt. Am 20. Juni 1996 wurde der Konkursantrag unter Aufhebung der angeordneten Sicherungsmaßnahmen mangels Masse abgewiesen.
Mit der Klage hat die Klägerin, deren Geschäftsführerin die Ehefrau des Widerbeklagten zu 2 ist, von der Beklagten aus abgetretenem Recht des Widerbeklagten zu 2 sowie der GmbH und der KG Schadensersatz in Höhe von 78.563,34 DM begehrt, weil die Beklagte die Gerichts- und Anwaltskosten für ihre Rechtsstreitigkeiten mit dem Widerbeklagten zu 2 unberechtigt aus Gesellschaftsmitteln bezahlt habe. Die Beklagte hat u.a. die Wirksamkeit der Ab-
tretungserklärungen der GmbH und der KG vom 1. März 1995 bestritten, weil diese rückdatiert und in Wahrheit während der Sequestration vorgenommen worden seien. Widerklagend verlangt sie von der Klägerin und dem Widerbeklagten zu 2 gesamtschuldnerisch Rückzahlung des angeblich von ihr in dessen Auftrag der GmbH gewährten Darlehens von 50.000,-- DM, dessen Rückzahlung auch die Klägerin gemäß § 419 a.F. BGB schulde, weil diese mit dem angeblichen Erwerb etwaiger Schadensersatzforderungen das gesamte noch vorhandene Gesellschaftsvermögen der GmbH und der KG übernommen habe.
Das Landgericht hat die Klage und die Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten in vollem Umfang und die Berufung der Klägerin in Höhe einer Teilforderung von 9.076,72 DM aus abgetretenem Recht des Widerbeklagten zu 2 zurückgewiesen. Im übrigen hat es das erstinstanzliche Urteil in Anwendung von § 539 ZPO aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten im Umfang ihrer Beschwer.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit es zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.
A. Zur Klage:
I. Das Berufungsgericht hat - insoweit von der Revision nicht beanstandet - festgestellt, sämtliche Einzelpositionen der Klage mit Ausnahme des erstinstanzlich im Ergebnis zu Recht abgewiesenen Teils von 9.076,72 DM seien von der Klägerin allein auf abgetretenes Recht der GmbH und/oder der KG gestützt. Die erstinstanzliche Abweisung dieser verbleibenden Ansprüche - so meint das Berufungsgericht - beruhe auf einem doppelten Verfahrensfehler des Landgerichts, der zur Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 539 ZPO führen müsse. Zum einen habe das Landgericht, das die Abtretungserklärungen für rückdatiert und wegen des bei ihrer Abgabe bestehenden Veräußerungsverbots (§ 106 Abs. 1 Satz 2 KO) für unwirksam erachtet habe, die aktenkundige , unstreitige und für das Urteil entscheidende Tatsache übersehen bzw. übergangen, daß das Veräußerungsverbot durch den Beschluß des Konkursgerichts vom 20. Juni 1996 aufgehoben und die Zession dadurch rückwirkend wirksam geworden sei. Zum anderen sei das Landgericht in fehlerhafter Anwendung des § 454 ZPO von einer Rückdatierung der Abtretungsurkunde ausgegangen , indem es die Aussage der dazu als Partei zu vernehmenden - seinerzeit in den USA weilenden - Geschäftsführerin der Klägerin als verweigert angesehen habe, obwohl diese sich zu den verschiedenen vom Landgericht bestimmten Terminen jeweils - zum Teil aus Gesundheitsgründen - für verhindert erklärt und um Terminsverlegung gebeten habe. Zudem habe sie in der Vorinstanz die Beweisfrage zuletzt schriftlich beantwortet und ein ärztliches Attest angekündigt, das sie in zweiter Instanz nachgereicht habe.
II. Die Revision rügt zu Recht, daß die vom Berufungsgericht ausgesprochene Zurückverweisung der Sache, durch die die Beklagte beschwert ist (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 5. November 1997 - XII ZR 290/95, NJW 1998, 613 f.), in § 539 ZPO keine Grundlage findet.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Voraussetzungen des § 539 ZPO, der eine Ausnahme von der Verpflichtung des Berufungsgerichts zu erneuter vollständiger Verhandlung und Entscheidung der Sache (§ 537 ZPO) statuiert, vom Berufungsgericht anhand eines strengen Maßstabes zu prüfen (vgl. BGH, Urt. v. 3. November 1992 - VI ZR 361/91, NJW 1993, 538 m.w.N.). Ein Fehler im Sinne des § 539 ZPO ist nur dann gegeben , wenn das Verfahren des ersten Rechtszuges an einem so erheblichen Mangel leidet, daß es keine ordnungsgemäße Grundlage für eine instanzbeendende Entscheidung sein kann (Sen.Urt. v. 7. Juni 1993 - II ZR 141/92, NJW 1993, 2318 f.). Daraus folgt, daß es sich um einen eindeutigen Verfahrensfehler handeln muß. Ein Fehler in der Anwendung des materiellen Rechts genügt dafür ebensowenig wie eine verfahrensrechtliche Maßnahme, die sich (noch) im Rahmen des dem Tatrichter eingeräumten Ermessens hält (vgl. Senat aaO). Zwar kann es einen schweren Verfahrensfehler im Sinne des § 539 ZPO darstellen, wenn das erstinstanzliche Gericht den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, daß es den Kern ihres Vorbringens verkennt und daher eine entscheidungserhebliche Frage verfehlt. Das ist hingegen nicht der Fall, wenn es die sachlich-rechtliche Relevanz eines Parteivorbringens verkennt und ihm deshalb keine Bedeutung beimißt (vgl. BGH, Urt. v. 3. November 1992 aaO; v. 19. März 1998 - VII ZR 116/97, NJW 1998, 1053). Ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist allein aufgrund des materiell-rechtlichen Standpunkts des Erstrichters zu beantworten, und zwar auch dann, wenn dieser Standpunkt verfehlt ist und das Berufungsgericht ihn nicht teilt (Senat aaO, m.w.N.).
2. Nach diesen Grundsätzen ist ein wesentlicher Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens (§ 539 ZPO) hier nicht ersichtlich.

a) Im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ist ausdrücklich festgestellt , der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH sei durch Beschluß des AmtsgerichtsW. (2 N 71/95) - nach vorangegangener Sequestrationsanordnung vom 18. Dezember 1995 - mangels Masse abgewiesen worden. Daß damit auch die Aufhebung der gemäß § 106 KO getroffenen Sicherungsmaßnahmen einherging, versteht sich von selbst (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 107 Rdn. 31) und ergibt sich hier aus der von der Beklagten vorgelegten und vom Landgericht mit Aktenzeichen zitierten Beschlußkopie. Ob dadurch die nach der Beweiswürdigung des Landgerichts während der Dauer des Veräußerungsverbots vereinbarte Zession der Gesellschaftsforderungen wirksam geworden ist, wie das Berufungsgericht meint, ist eine materiell-rechtliche Frage, deren Verkennung durch das Landgericht keinen Verfahrensfehler darstellt.
Infolgedessen ist hier nicht über die von der Revision vorsorglich zur Überprüfung des Senates gestellten Rechtsfragen zu entscheiden, ob die gegen ein Veräußerungsverbot gemäß § 106 Abs. 1 Satz 3 KO bei gleichzeitiger Sequestration verstoßende Verfügung entsprechend § 7 KO zu behandeln ist (vgl. Gerhardt, ZIP 1982, 1 ff. ; offengelassen in BGHZ 135, 140, 143; 140, 54) und deshalb bei Aufhebung der Maßnahmen nur mit Wirkung ex nunc wirksam werden kann (vgl. Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 7 Rdn. 29; Kuhn/Uhlenbruck aaO, § 7 Rdn. 7; Eickmann in: Heidelberger Kommentar zur InsO, § 81 Rdn. 9), oder ob es sich um ein relatives Veräußerungsverbot i.S.v. §§ 135 f. BGB zugunsten der späteren Konkursgläubiger handelt, dessen endgültige Wirkung
erst eintritt, wenn es zur Konkurseröffnung kommt (so die h.M.; vgl. die Nachw. bei Kuhn/Uhlenbruck aaO, § 106 Rdn. 4). Da es hier nicht zur Konkurseröffnung kam, ist die Abtretung seitens der GmbH nach beiden Auffassungen spätestens mit Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen wirksam geworden. Auf das Vermögen der KG bezog sich das Veräußerungsverbot ohnehin nicht.

b) Ebensowenig liegt ein die Zurückverweisung gemäß § 539 ZPO tragender Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens darin, daß das Landgericht die nach seiner Ansicht entscheidungserhebliche, unter den Parteien streitige Rückdatierung der Abtretungserklärung bzw. deren Vornahme in der Zeit des Veräußerungsverbots in Anwendung der §§ 454 Abs. 1, 446 ZPO für erwiesen erachtet hat. Gemäß § 454 ZPO entscheidet der Tatrichter unter Berücksichtigung aller Umstände "nach freiem Ermessen", ob die Aussage einer im Vernehmungstermin ausgebliebenen Partei als verweigert anzusehen ist. Das Berufungsgericht läßt schon nicht erkennen, daß es diesen Ermessensspielraum berücksichtigt hat. Im übrigen ist dessen Überschreitung hier auch nicht ersichtlich. Das Landgericht hat die Geschäftsführerin der Klägerin in der Zeit vom Juni 1997 bis Februar 1998 zu insgesamt vier Terminen geladen. Sie hat sich nicht etwa generell wegen ihres Auslandsaufenthalts, sondern jeweils nur von Fall zu Fall mit Hinweis auf Geschäftsreisen oder gesundheitliche Gründe für verhindert erklärt. Selbst auf die Mitteilung des Landgerichts, es werde bei erneutem Ausbleiben im letzten Termin vom 2. Februar 1998 gemäß § 454 ZPO verfahren, hat sie mit Telefax vom 1. Februar 1998 lediglich ein ärztliches Attest angekündigt, dessen spätere Vorlegung in zweiter Instanz das Landgericht nicht vorhersehen mußte. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts mußte sich das Landgericht auch mit der schriftlichen Beantwortung der Beweisfrage nicht begnügen. § 454 Abs. 1 ZPO stellt auf das "Ausbleiben" der
Partei im Termin ab, weil es für die Parteivernehmung in besonderem Maße eines persönlichen Eindrucks des Gerichts bedarf. Eine schriftliche Stellungnahme gemäß § 377 Abs. 3 ZPO ist in § 451 ZPO nicht vorgesehen.
3. Die angefochtene Entscheidung gemäß § 539 ZPO kann daher nicht bestehen bleiben. Eine abschließende revisionsgerichtliche Entscheidung kommt bei einer kassatorischen Entscheidung des Berufungsgerichts nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn bereits feststeht, daß das Berufungsgericht im Falle einer Zurückverweisung nicht zu einem anderen Ergebnis gelangen könnte (vgl. BGH, Urt. v. 22. Januar 1997 - VIII ZR 339/95, WM 1997, 1713, 1716). Das ist hier nicht der Fall.
Die Sache ist daher insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
B. Zur Widerklage:
I. Das Berufungsgericht hat gemeint, die Beklagte habe in Anbetracht des Fehlens eines schriftlichen Darlehensvertrags schon nicht hinreichend dargetan und unter Beweis gestellt, daß sie der GmbH mit ihrer Zahlung von 50.000,-- DM am 7. Dezember 1989 ein Darlehen gewährt habe. Vielmehr sei davon auszugehen, daß die Beklagte die Zahlung auf den von ihr übernommenen Anteil von 50.000,-- DM des erhöhten Kapitals gemäß notariellem Kapitalerhöhungsbeschluß vom 28. November 1989 geleistet habe. Darauf deute auch eine Rangrücktrittserklärung der Beklagten vom 28. Februar 1990 hin. Die Bilanzierung als Darlehen ändere an der wahren Rechtsnatur der Zuwendung nichts. Die fragliche Haftung der Klägerin aus Vermögensübernahme
(§ 419 BGB) könne daher dahinstehen. Auch einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Widerbeklagten zu 2 aus dem Treuhandverhältnis habe die Beklagte nicht schlüssig dargelegt, weil sie mit der Übernahme des neuen Geschäftsanteils auf eigene Rechnung gehandelt habe, nachdem der Beklagte es nach ihrem Vortrag abgelehnt habe, der GmbH die 50.000,-- DM zur Verfügung zu stellen.
II. Das hält den Angriffen der Revision ebenfalls nicht stand.
1. Zu Recht rügt die Revision, das Berufungsgericht sei verfahrensfehlerhaft von einem Vollzug der Kapitalerhöhung auf 200.000,-- DM ausgegangen , den keine der Parteien behauptet habe. Das Berufungsgericht hat zwar unter Bezugnahme auf die von der Beklagten vorgelegte, notariell beglaubigte Anmeldungsurkunde vom 28. November 1989 tatbestandlich (§ 314 ZPO) festgestellt , die Kapitalerhöhung sei zum Handelsregister angemeldet worden. Vollzogen wird diese aber erst mit Eintragung (§§ 54 Abs. 3, 57 GmbHG). Bis dahin können der Kapitalerhöhungsbeschluß jederzeit aufgehoben und der Eintragungsantrag zurückgezogen werden (vgl. Senat BGHZ 140, 258, 260).
2. Zu Recht rügt die Revision weiter, das Berufungsgericht habe die Anforderungen an die Darlegungslast der Beklagten zu dem Darlehenscharakter der Zuwendung überspannt (§ 138 ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt für die Schlüssigkeit der Vortrag von Tatsachen, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur im Fall ihrer Relevanz für die Rechtsfolgen erforderlich.
Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe den Betrag als Darlehen einbezahlt , weil die Hausbank der GmbH im Dezember 1998 eine Erweiterung des Kreditrahmens der GmbH von einem Gesellschafterzuschuß abhängig gemacht habe. Der Widerbeklagte zu 2 habe sich dazu zwar nicht bereit erklärt, er habe an diesem Gespräch aber teilgenommen und einer Darlehensgewährung zugestimmt. Zum Beweis dafür hat die Beklagte zwei Mitarbeiter der Bank als Zeugen benannt und die Parteivernehmung des Beklagten zu 2 beantragt. Weiter
hat sie ihre Mutter als Zeugin dafür benannt, daß diese ihr den Betrag zu dem verabredeten Zweck einer Darlehensgewährung an die GmbH zur Verfügung gestellt habe. Außerdem hat die Beklagte auf die Bilanzierung als Darlehen verwiesen.
Dieser Vortrag ist schlüssig. Das Fehlen eines schriftlichen Darlehensvertrages steht dem nicht entgegen, sondern hätte erst nach Ausschöpfen der angetretenen Beweise ergänzend verwertet werden dürfen. Unverständlich ist im übrigen der Hinweis des Berufungsgerichts auf die Rangrücktrittserklärung der Beklagten vom 28. Februar 1990, weil diese gerade für das behauptete Darlehen spricht.
3. Schlüssig dargelegt ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch der Anspruch gegen den Widerbeklagten zu 2. Nach Ziff. 9 des vorgelegten Treuhandvertrages hat der Treugeber der Treuhänderin alle in seinem Interesse gemachten Aufwendungen zu ersetzen. Soweit das Berufungsgericht darauf abstellt, daß der Widerbeklagte zu 2 eine liquiditätserhöhende Zahlung aus eigenen Mitteln abgelehnt habe, verkürzt es den Vortrag der Beklagten, wonach der Widerbeklagte zu 2 bei dem Gespräch mit der Bank sich damit einverstanden erklärt habe, daß die Beklagte "in die Bresche sprang", um die wirtschaftliche Stabilität der GmbH nicht zu gefährden. Nach diesem Vortrag durfte die Beklagte das Verhalten des Widerbeklagten zu 2 auf der Grundlage des Treuhandvertrages durchaus so verstehen, daß sie das Darlehen auch in seinem Interesse und Auftrag gewähren solle. Ob dies hier so war, ist erst nach Ausschöpfung der Beweise durch den Tatrichter abschließend zu beurteilen.
4. Zur etwaigen Haftung der Klägerin aus Vermögensübernahme gemäß § 419 BGB i.d.F. bis zum 31. Dezember 1998 (Art. 223 a EGBGB) wegen des Erwerbs der Schadensersatzforderungen der GmbH und der KG gegen die Beklagte hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - keine Feststellungen getroffen. Das wird nachzuholen sein.
Röhricht Hesselberger Goette
Kurzwelly Kraemer
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1. Eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kommt als Ausnahme von der in § 538 Abs. 1 ZPO statuierten Verpflichtung des Berufungsgerichts , die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden , nur in Betracht, wenn das erstinstanzliche Verfahren an einem so wesentlichen Mangel leidet, dass es keine Grundlage für eine instanzbeendende Entscheidung sein kann (Sen.Urt. v. 6. November 2000 aaO). Ob ein wesentlicher Verfahrensfehler vorliegt, ist allein aufgrund des materiell-rechtlichen Standpunkts des Erstgerichts zu beurteilen, auch wenn dieser verfehlt ist oder das Berufungsgericht ihn für verfehlt erachtet (Senat aaO).
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1. Eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO kommt als Ausnahme von der in § 538 Abs. 1 ZPO statuierten Verpflichtung des Berufungsgerichts , die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden, nur in Betracht, wenn das erstinstanzliche Verfahren an einem so wesentlichen Mangel leidet, dass es keine Grundlage für eine instanzbeendende Entscheidung sein kann. Ob ein wesentlicher Verfahrensfehler vorliegt, ist allein aufgrund des materiell-rechtlichen Standpunkts des Erstgerichts zu beurteilen , auch wenn dieser verfehlt ist oder das Berufungsgericht ihn für verfehlt erachtet (Senatsurteil vom 4. Februar 1986 - VI ZR 220/84 - VersR 1986, 654, 656; BGH, Urteil vom 6. November 2000 - aaO und Versäumnisurteil vom 1. Februar 2010 - II ZR 209/08 - ZIP 2010, 776, 777 f.). Nach diesen - vom Berufungsgericht verkannten - Grundsätzen liegt kein Verfahrensfehler des Erstgerichts vor.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.