Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2019 - IV ZR 73/18

bei uns veröffentlicht am22.05.2019
vorgehend
Landgericht Heidelberg, 2 O 394/16, 11.04.2017
Oberlandesgericht Karlsruhe, 12 U 111/17, 23.02.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 73/18 Verkündet am:
22. Mai 2019
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei einer Versicherung für fremde Rechnung obliegt es dem Unfallversicherer
grundsätzlich nicht, die versicherte Person neben oder an Stelle des Versicherungsnehmers
entsprechend § 186 Satz 1 VVG zu informieren. Das gilt auchim
Falle der Anzeige des Versicherungsfalles durch den Versicherten.
BGH, Urteil vom 22. Mai 2019 - IV ZR 73/18 - OLG Karlsruhe
LG Heidelberg
ECLI:DE:BGH:2019:220519UIVZR73.18.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann, die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann auf die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2019

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2018 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin zu 96% und die Beklagte zu 4%.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Unfallversicherung in Anspruch, die sie als versicherte Person ausweist und die von ihrem im Herbst des Jahres 2013 verstorbenen Ehemann genommen worden war.
2
Als Voraussetzung der vereinbarten Invaliditätsleistung und Unfallrente war unter Ziff. 2.1.1.1 und 2.2.1.1 der dem Vertrag zugrundeliegenden "Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen …" (im Folgenden : AUB 2000) jeweils Folgendes bestimmt: "Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität). Die Invalidität ist - innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und - innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden."
3
Im Übrigen lauteten die AUB 2000 auszugsweise: "2.5 Krankenhaustagegeld 2.5.1 Voraussetzungen für die Leistung: Die versicherte Person befindet sich wegen des Unfalles in medizinisch notwendiger vollstationärer Heilbehandlung. … 5.1. Kein Versicherungsschutz besteht für folgende Unfälle : 5.1.1 Unfälle der versicherten Person durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunken- heit beruhen, sowie durch Schlaganfälle … … 12 Wie sind die Rechtsverhältnisse der am Vertrag beteiligten Personen zueinander? 12.1 Ist die Versicherung gegen Unfälle abgeschlossen, die einem anderen zustoßen (Fremdversicherung), steht die Ausübung der Rechte aus dem Vertrag nicht der versicherten Person, sondern Ihnen zu. Sie sind neben der versicherten Person für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich."
4
Am frühen Morgen des 1. März 2013 stürzte die Klägerin aus einem Fenster im zweiten Obergeschoss des seinerzeit von ihr und ihrem Ehemann bewohnten Anwesens und erlitt schwere Verletzungen.
5
Auf die "Schadenmeldung" vom 5. März 2013 übersandte die Beklagte dem Ehemann der Klägerin ein Schreiben vom 8. März 2013, in welchem unter anderem auf die Frist von 15 Monaten für die ärztliche Feststellung der Invalidität hingewiesen wurde. Mit Schreiben vom 24. April 2013 verneinte die Beklagte ihre Leistungspflicht gegenüber dem Ehemann der Klägerin mit der Begründung, dass es sich bei dem Vorfall vom 1. März 2013 um einen Suizidversuch gehandelt habe. Sie wiederholte ihre Leistungsablehnung im November 2016 nach einer anwaltlichen Zahlungsaufforderung der Klägerin, die inzwischen selbst als Versicherungsnehmerin geführt wurde.
6
Das Landgericht hat die unter anderem auf Zahlung von Krankenhaustagegeld in Höhe von 6.300 €, einer Invaliditätsentschädigung von 44.400 € (60 % der Invaliditätssumme) und einer Unfallrente von monatlich 1.440 € gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels verurteilt, an die Klägerin das geforderte Krankenhaustagegeld nebst Zinsen zu zahlen und sie von anteiligen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen.
7
Mit der vom Oberlandesgericht zu ihren Gunsten zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr weitergehendes Begehren mit Ausnahme des Anspruchs auf eine Auslagenpauschale von 30 € weiter. Die Beklagte erstrebt mit der Anschlussrevision die vollständige Zurückweisung der klägerischen Berufung.

Entscheidungsgründe:

8
Die Rechtsmittel beider Parteien haben keinen Erfolg.
9
I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in VersR 2018, 544 veröffentlicht ist, hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - zur Begründung seiner Entscheidungausgeführt:
10
An der Aktivlegitimation der Klägerin, die nicht Versicherungsnehmerin , sondern versicherte Person sei, bestünden im Hinblick auf § 44 Abs. 2 VVG keine Zweifel. Die Beklagte habe konkludent auf diesen Einwand verzichtet. Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf Zahlung von Krankenhaustagegeld für den Zeitraum vom 1. März bis 20. November 2013.
11
Bei dem Vorfall vom 1. März 2013 habe es sich um einen Unfall gehandelt. Die Unfreiwilligkeit der Gesundheitsschädigung werde nach § 178 Abs. 2 Satz 2 VVG vermutet. Es lasse sich weder aus den unstreitigen noch aus den von der Beklagten unter Beweis gestellten Umständen schließen, dass sich die Klägerin entweder in suizidaler Absicht willentlich aus dem Fenster gestürzt habe oder aber der Sturz auf eine Bewusstseinsstörung im Sinne von Ziff. 5.1.1 AUB 2000 zurückzuführen sei.
12
Hinsichtlich der Ansprüche auf Invaliditätsleistung und Unfallrente sei die Klage dagegen unschlüssig. Es fehle an der nach Ziff. 2.1.1.1 und Ziff. 2.2.1.1 AUB 2000 erforderlichen fristgerechten ärztlichen Invaliditätsfeststellung. Auf die Versäumung der Frist könne sich die Beklagte berufen, weil sie den Ehemann der Klägerin als Versicherungsnehmer den Anforderungen des § 186 VVG entsprechend auf die Notwendigkeit der Erstellung einer ärztlichen Invaliditätsfeststellung binnen einer Frist von 15 Monaten hingewiesen habe. Ein Hinweis an den Versicherungsnehmer sei auch bei einer Versicherung für fremde Rechnung und bei einer Anzeige des Versicherungsfalles durch die versicherte Person grundsätzlich ausreichend. Bei einer solchen Versicherung sei davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer, dem nach § 44 VVG grundsätzlich die alleinige Verfügungsbefugnis zugewiesen sei, auch für die Einhaltung der Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen zugunsten der versicherten Person Sorge tragen werde.
13
II. Dies hält den Angriffen von Revision und Anschlussrevision stand.
1. Zur Revision:
14
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Klägerin zwar zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs berechtigt ist, es aber an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität fehlt und die Beklagte sich auf diese Fristversäumnis berufen kann.
15
a) Bei der vom Berufungsgericht festgestellten Versicherung für fremde Rechnung ist die versicherte Person nach Ziff. 12.1 AUB 2000 allerdings grundsätzlich nicht zur Geltendmachung ihrer Rechte befugt (vgl. Senatsurteil vom 22. März 2000 - IV ZR 233/99, VersR 2000, 753 unter 2 a [juris Rn. 9]). Dies ist vielmehr Sache des Versicherungsnehmers. Im Einzelfall kann der versicherten Person eine Rechtsverfolgung aber möglich sein, etwa wenn sich der Versicherer - wie es das Berufungsgericht hier angenommen hat - auf das Begehren eingelassen hat (vgl. hierzu Senatsurteile vom 13. September 2017 - IV ZR 302/16, VersR 2017, 1330 Rn. 21 f.; vom 22. Februar 1978 - IV ZR 105/76, VersR 1978, 409 unter I [juris Rn. 9]). Zudem hat die Klägerin nach dem unstreitigen Parteivorbringen mittlerweile selbst die Stellung als Versicherungsnehmerin erlangt.
16
b) Ansprüche auf Zahlung einer Invaliditätsleistung und Unfallrente stehen der Klägerin aber bereits deshalb nicht zu, weil es an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität gemäß Ziff. 2.1.1.1 und 2.2.1.1 AUB 2000 fehlt.
17
aa) Bei der fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität handelt es sich um eine Anspruchsvoraussetzung (Senatsurteil vom 30. November 2005 - IV ZR 154/04, BGHZ 165, 167, 169 [juris Rn. 7] m.w.N.). Die Leistungsablehnung der Beklagten vom 24. April 2013 ändert nichts daran, dass der Anspruch nicht entsteht, wenn Invalidität nicht fristgerecht ärztlich festgestellt wird (vgl. Senatsurteil aaO m.w.N.).
18
Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen. Gegen seine tatrichterliche Würdigung, frühestens mit dem nach Fristablauf erstellten Attest vom 6. November 2017 sei eine den Anforderungen von Ziff. 2.1.1.1 und 2.2.1.1 AUB 2000 genügende ärztliche Feststellung der Invalidität (vgl. hierzu Senatsurteil vom 1. April 2015 - IV ZR 104/13, r+s 2015, 250 Rn. 20 f. m.w.N.) erfolgt, wendet sich die Revision zu Recht nicht.
19
bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist dem Ehemann der Klägerin als damaligem Versicherungsnehmer mit Schreiben vom 8. März 2013 der gebotene Hinweis im Sinne von § 186 Satz 1 VVG erteilt worden. Damit wurde den gesetzlichen Anforderungen genügt. Eines an die Klägerin gerichteten Hinweises bedurfte es nicht.
20
Insoweit kann es dahinstehen, ob sich die Klägerin nicht auch die Belehrung gegenüber ihrem verstorbenen Ehemann zurechnen lassen müsste, nachdem sie unstreitig als Rechtsnachfolgerin in seine Stellung als Versicherungsnehmer eingerückt ist, Feststellungen zu Grund und Zeitpunkt des Rechtsübergangs vom Berufungsgericht aber nicht getroffen worden sind. Auch unabhängig hiervon war ein inhaltsgleicher Hinweis an die Klägerin nicht erforderlich.
21
(1) Allerdings ist umstritten, ob es dem Versicherer bei einer Unfallversicherung für fremde Rechnung obliegt, über den Wortlaut des § 186 Satz 1 VVG hinaus (auch) die versicherte Person selbst - hier mithin die Klägerin - entsprechend zu unterrichten.
22
Während die Rechtsprechung und ein Teil des Schrifttums einen entsprechenden Hinweis für nicht notwendig erachten (so außer dem Berufungsgericht - zumindest im Grundsatz - OLG Naumburg, Urteil vom 31. Mai 2018 - 4 U 40/17, BeckRS 2018, 25773 Rn. 60; OLG Oldenburg VersR 2018, 405, 406 [juris Rn. 17]; OLG Saarbrücken r+s 2017, 432 Rn. 58 ff.; Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl. § 186 Rn. 4; Kloth/Piontek, r+s 2017, 561, 562) und anderes nur für den Fall erwägen, dass der Versicherungsnehmer seine Verfügungsbefugnis zu Gunsten der versicherten Person ersichtlich aufgegeben hat (vgl. hierzu Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 186 Rn. 20; ähnlich Naumann/Brinkmann, Die private Unfallversicherung 2. Aufl. § 10 Rn. 18; siehe auch OLG Saarbrücken aaO Rn. 64; Rixecker aaO), geht ein anderer Teil der Literatur von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers aus und ist der Auffassung, dass die versicherte Person entweder stets (so Grimm, Un- fallversicherung 5. Aufl. Ziff. 2 AUB 2010 Rn. 16; PKVersR /Brömmelmeyer, 3. Aufl. § 186 Rn. 5 f.; Looschelders /Pohlmann/Götz, VVG 3. Aufl. § 186 Rn. 5; Kloth, r+s 2007, 397, 398; anders aber ders., Private Unfallversicherung 2. Aufl. G Rn. 87) oder aber jedenfalls im Fall der Anzeige des Versicherungsfalls durch die versicherte Person (so Jacob, Unfallversicherung AUB 2014 2. Aufl. Ziff. 2.1 Rn. 110a; Prölss/Martin/Knappmann, VVG 30. Aufl. § 186 Rn. 9; HK-VVG/Rüffer, 3. Aufl. § 186 Rn. 3; MünchKomm-VVG/Dörner, 2. Aufl. § 186 Rn. 4; Marlow in ders./Spuhl, Das Neue VVG kompakt 4. Aufl. Rn. 1253 und in Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess 3. Aufl. § 12 Rn. 298) in den Adressatenkreis des Hinweises gemäß § 186 Satz 1 VVG einzubeziehen sei.
23
(2) Die zuerst genannte und auch vom Berufungsgericht vertretene Auffassung trifft zu. Bei einer Versicherung für fremde Rechnung obliegt es dem Unfallversicherer grundsätzlich nicht, die versicherte Person neben oder an Stelle des Versicherungsnehmers entsprechend § 186 Satz 1 VVG zu informieren; das gilt auch im Falle der Anzeige des Versicherungsfalles durch den Versicherten.
24
(a) Dabei steht - anders als die Revisionserwiderung meint - allein der Wortlaut des § 186 Satz 1 VVG, nach dem die Hinweispflicht nur gegenüber dem Versicherungsnehmer besteht, einem anderen Auslegungsergebnis allerdings nicht zwingend entgegen. So hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit zur Kfz-Haftpflichtversicherung entschieden , dass Regelungen im Versicherungsvertragsgesetz, im Pflichtversicherungsgesetz und in Versicherungsbedingungen, die nur den Versicherungsnehmer nennen, sinngemäß auch auf den mitversicherten Fahrer anzuwenden seien (Senatsurteil vom 13. Juli 1988 - IVa ZR 55/87, BGHZ 105, 140, 145 [juris Rn. 12]; BGH, Urteil vom 12. Oktober 1967 - II ZR 51/65, VersR 1967, 1087 unter III [juris Rn. 14]; vgl. ferner zur Lebensversicherung, allerdings nur für den Fall, dass der Versicherte über den Anspruch verfügen kann, Senatsurteil vom 25. Juni 1986 - IVa ZR 219/84, VersR 1986, 803 unter II 2 [juris Rn. 19]). Jedoch hat der Gesetzgeber des Versicherungsvertragsgesetzes 2008, der mit diesem Gesetz zahlreiche neue Hinweis- und Belehrungspflichten des Versicherers eingeführt hat, an mehreren Stellen spezielle Regelungen getroffen , die ausdrücklich eine Information der versicherten Person selbst gewährleisten sollen (vgl. etwa § 166 Abs. 4, § 206 Abs. 3 Satz 2 VVG; siehe nunmehr auch § 7d Satz 1 VVG, eingeführt durch Gesetz vom 20. Juli 2017, BGBl. I S. 2789). Mit dieser Regelungssystematik wäre es nicht vereinbar, die Hinweispflicht des § 186 Satz 1 VVG allein deshalb auf das Verhältnis zur versicherten Person zu erstrecken, weil dieser gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 VVG die Rechte aus dem Vertrag zustehen.
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Es gibt auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die versicherte Person lediglich aufgrund eines Redaktionsversehens in § 186 VVG nicht erwähnt haben könnte. Vielmehr hat der Gesetzgeber - worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist - gerade auch im Zusammenhang mit der von ihm erkannten Problematik, dass der versicherten Person die zu stellende ärztliche Prognose bei sich länger hinziehenden Untersuchungen und Behandlungen häufig nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt erkennbar sein müsse, eine Informationsobliegenheit des Versicherers nur gegenüber dem Versicherungsnehmer für geboten erachtet (BT-Drucks. 16/3945 S. 109 li. Sp.). Er hatte also erkennbar die Differenzierung zwischen Versicherungsnehmer und versicherter Person im Auge, was gegen ein gesetzgeberisches Versehen spricht (ebenso OLG Saarbrücken r+s 2017, 432 Rn. 59; OLG Naumburg, Urteil vom 31. Mai 2018 - 4 U 40/17, BeckRS 2018, 25773 Rn. 60).
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(b) Auch Sinn und Zweck der Norm gebieten nicht eine Einbeziehung der versicherten Person in den Adressatenkreis des in § 186 Satz 1 VVG bezeichneten Hinweises.
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Zwar soll mit dieser Vorschrift der Gefahr vorgebeugt werden, dass dem Versicherungsnehmer möglicherweise berechtigte Ansprüche allein wegen Ablaufs einer ihm nicht immer geläufigen Frist verloren gehen (Senatsurteil vom 14. Januar 2015 - IV ZR 43/14, VersR 2015, 230 Rn. 12; BT-Drucks. 16/3945 S. 109 li. Sp.). Eben diese Gefahr kann sich bei einer Versicherung für fremde Rechnung in der Person des Versicherten verwirklichen, zu dessen Nachteil gemäß § 191 VVG von § 186 VVG nicht abgewichen werden kann. Ist aber der Versicherungsnehmer gemäß § 186 Satz 1 VVG über die Anspruchsvoraussetzung einer fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität unterrichtet worden, so liegt das Risiko der Wahrung dieser Frist bei der versicherten Person; dies ist Ausdruck des Grundsatzes der Abhängigkeit der Rechte der versicherten Person vom Verhalten des Versicherungsnehmers (vgl. hierzu allgemein Senatsbeschluss vom 21. September 2011 - IV ZR 38/09, r+s 2012, 32 Rn. 32; Senatsurteil vom 15. November 1978 - IV ZR 183/77, VersR 1979, 176 unter 2 [juris Rn. 34 ff.]), dem die Rechtsverfolgung gegenüber dem Versicherer obliegt. Denn es entspricht dem gesetzlichen Regelfall (§ 44 Abs. 2, § 45 Abs. 1 VVG), dass der versicherten Person die formell-materielle Befugnis zur Geltendmachung ihrer Rechte fehlt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 88/13, VersR 2014, 1118 Rn. 11 m.w.N.). Damit steht in Einklang, dass § 186 VVG keine gesonderte Regelung für die Versicherung für fremde Rechnung trifft, sondern unterschiedslos eine Unterrichtung nur des Vertragspartners des Versicherers vorsieht.
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(c) Eine Pflicht zur Belehrung der versicherten Person folgt auch nicht daraus, dass diese gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 VVG ebenfalls den Versicherungsfall anzuzeigen hat. Zwar findet die Anzeige des Versicherungsfalles durch einen Dritten gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 VVG im Wortlaut des § 186 Satz 1 VVG keine ausdrückliche Erwähnung. Dies lässt aber nicht den Schluss zu, der Hinweis sei stets der Person zu erteilen, die den Versicherungsfall gemäß § 30 Abs. 1 VVG angezeigt hat.
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Vielmehr ist § 186 Satz 1 VVG nur dahin zu ergänzen, dass die Hinweispflicht auch bei einer Anzeige des Versicherungsfalles durch die versicherte Person besteht. Auch hier bleibt es jedoch dabei, dass der Hinweis grundsätzlich allein dem Versicherungsnehmer zu erteilen ist. Der Zweck der gesetzlichen Obliegenheit nach § 30 Abs. 1 VVG zur unverzüglichen Anzeige des Versicherungsfalles (vgl. zum Rechtscharakter der Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers BT-Drucks. 16/3945 S. 69 f.) besteht darin, dem Versicherer eine zeitnahe Prüfung sowie schnelle und zuverlässige Klärung des Eintritts des Versicherungsfalles zu ermöglichen (vgl. Senatsurteile vom 3. Mai 2000 - IV ZR 110/99, VersR 2000, 841 unter II 2 b bb [juris Rn. 14] zu einer vertraglichen Anzeigeobliegenheit ; vom 7. Juli 1999 - IV ZR 32/98, VersR 1999, 1266 unter 2 d bb [juris Rn. 29] zu einer vertraglichen Ausschlussfrist). Insoweit trägt die vom Gesetz so bezeichnete Anzeigepflicht eines anspruchsberechtigten Dritten (vgl. zu deren streitiger Rechtsnatur MünchKommVVG /Wandt, 2. Aufl. § 30 Rn. 10 f.; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 30. Aufl. § 30 Rn. 10; jeweils m.w.N.) sowie des Versicherten in der Versicherung für fremde Rechnung (vgl. zu dessen Einbeziehung in die Anzeigepflicht BT-Drucks. 16/3945 S. 70 li. Sp.) der Tatsache Rechnung, dass dieser oftmals deutlich früher als der Versicherungsnehmer Kenntnis vom Eintritt des Versicherungsfalls erlangt.
30
Die Erfüllung der Anzeigeobliegenheit durch den Versicherten begründet dagegen ebenso wenig wie ein bloßes Versäumnis des Versicherungsnehmers die formell-materielle Befugnis des Versicherten zur Geltendmachung seiner Rechte (vgl. zu den Anforderungen an ein rechtsmissbräuchliches Berufen auf § 7 Abs. 1 Satz 2 AHB Senatsurteile vom 13. September 2017 - IV ZR 302/16, VersR 2017, 1330 Rn. 21 f.; vom 4. Mai 1983 - IVa ZR 106/81, VersR 1983, 823 unter II 1 [juris Rn. 19] m.w.N.; siehe auch Prölss/Martin/Knappmann, VVG 30. Aufl. Ziff. 12 AUB 2010 Rn. 2 f.; Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. Ziff. 12 AUB 2008 Rn. 7). Diese Befugnis verbleibt beim Versicherungsnehmer. Dem Zweck des § 186 VVG, auch einem Anspruchsverlust zum Nachteil des Versicherten vorzubeugen, wie er sich aus § 191 VVG ergibt, wird deshalb auch in diesem Fall durch den Hinweis an den Versicherungsnehmer genügt.
31
(d) Des Weiteren entspricht es dem Interesse des Versicherers, Klarheit über den Adressaten des von ihm zu erteilenden Hinweises zu haben (vgl. zu dem Interesse des Versicherers, Klarheit hinsichtlich des richtigen Erklärungsadressaten zu haben, auch Senatsurteil vom 7. Februar 2018 - IV ZR 53/17, VersR 2018, 339 Rn. 20 bezüglich des Empfängers einer Anfechtungserklärung). So wird der Versicherer zum Beispiel bei Gruppenversicherungsverträgen nicht stets über hinreichende Informationen zu der potenziell leistungsberechtigten versicherten Person verfügen (zutreffend Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl. § 186 Rn. 4).
32
(e) Soweit die Revision meint, die versicherte Person sei jedenfalls deshalb in den Adressatenkreis des in § 186 Satz 1 VVG genannten Hinweises einzubeziehen, weil andernfalls die Fristenregelungen in Ziff. 2.1.1.1 und Ziff. 2.2.1.1 AUB mit § 307 BGB unvereinbar seien, dringt sie auch hiermit nicht durch. Der Senat hat bereits entschieden, dass solche Fristenregelungen einer Inhalts- und Transparenzkontrolle standhalten (vgl. Senatsurteil vom 20. Juni 2012 - IV ZR 39/11, VersR 2012, 1113 Rn. 12 ff. m.w.N.). Einen Transparenzverstoß hat der Senat (aaO Rn. 16) ausdrücklich ohne Rücksicht auf die seinerzeit noch nicht anwendbare Regelung des § 186 Satz 1 VVG verneint. Aus dem Inkrafttreten dieser - vertragliche Fristen gerade voraussetzenden (vgl. BTDrucks. 16/3945 S. 109 li. Sp.) - Vorschrift kann nicht auf die Unwirksamkeit der Bestimmungen in Ziff. 2.1.1.1 und Ziff. 2.2.1.1 AUB 2000 geschlossen werden.
33
(f) Offen bleiben kann, ob es auch nach Einführung des § 186 VVG ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn sich der Versicherer auf das Fehlen einer fristgerechten ärztlichen Feststellung unfallbedingter Invalidität beruft (vgl. zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 186 VVG Senatsurteile vom 30. November 2005 - IV ZR 154/04, BGHZ 165, 167, 169 f. [juris Rn. 8]; vom 23. Februar 2005 - IV ZR 273/03, BGHZ 162, 210, 218 [juris Rn. 23] m.w.N.). Ein rechtsmissbräuchliches Handeln der Beklagten liegt nicht vor; ein solches ergibt sich nicht daraus , dass sie bei ihrer ersten Leistungsablehnung von einer Wiederholung des in § 186 Satz 1 VVG genannten Hinweises abgesehen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 30. November 2005 aaO S. 170 f. [juris Rn. 10]) und auch gegenüber der Klägerin an den Ablehnungsgründen festgehalten hat, als diese - nach Ablauf der in Ziff. 2.1.1.1 und 2.2.1.1 AUB 2000 bezeichneten Frist - Ansprüche geltend gemacht hat.
2. Zur Anschlussrevision:
34
a) Die Anschlussrevision ist gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft , obwohl die Zulassungsentscheidung nur zu Gunsten der Klägerin ergangen ist und Revision und Anschlussrevision jeweils prozessual selbständige Ansprüche (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 30. November 2005 - IV ZR 214/04, VersR 2006, 388 Rn. 6 f.) zum Gegenstand haben.
35
Für die Statthaftigkeit der Anschlussrevision genügt es, dass sie einen Lebenssachverhalt betrifft, der mit dem Streitgegenstand der Hauptrevision in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht (Senatsurteil vom 9. März 2016 - IV ZR 168/15, r+s 2016, 255 Rn. 22; BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 38 ff.). Diese Voraussetzung ist hier - anders als die Anschlussrevisionserwiderung meint - erfüllt. Die Klägerin macht aufgrund eines einheitlichen Geschehens mehrere vertraglich vereinbarte Leistungsarten geltend. Die von der Revision erstrebte weitergehende Stattgabe der Klage setzt dabei nicht anders als der von der Anschlussrevision erfasste Anspruch auf Krankenhaustagegeld voraus, dass die Beklagte mit ihrem übergreifenden Einwand, es habe sich bei dem Vorfall vom 1. März 2013 um ein nicht versichertes Ereignis gehandelt, erfolglos bleibt (vgl. hierzu auch BGH, Urteile vom 16. Oktober 2014 - VII ZR 152/12, NJW 2014, 3645 Rn. 20; vom 5. Dezember 2006 - X ZR 165/03, VersR 2007, 1392 Rn. 6; vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174 unter B 1 [juris Rn. 26]).
36
b) Die Anschlussrevision rügt jedoch ohne Erfolg einen Verstoß gegen § 286 ZPO, soweit das Berufungsgericht angenommen hat, dass aus den unstreitigen und unter Beweis gestellten Umständen nicht auf eine freiwillige Gesundheitsschädigung oder einen Sturz aufgrund einer Geistes- oder Bewusstseinsstörung im Sinne von Ziff. 5.1.1 AUB 2000 geschlossen werden könne.
37
aa) Der Tatrichter ist grundsätzlich darin frei, welche Beweiskraft er den Indizien im Einzelnen und in einer Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst. Das Revisionsgericht hat seine Würdigung nur daraufhin zu überprüfen, ob er den Sachvortrag und die Beweisergebnisse vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (Senatsurteile vom 22. Juni 2011 - IV ZR 225/10, r+s 2011, 376 Rn. 8; vom 22. November 2006 - IV ZR 21/05, r+s 2007, 59 Rn. 11 m.w.N.). Revisionsgerichtlich nachprüfbar ist weiter, ob der Tatrichter seine Anforderungen an den Grad der richterlichen Überzeugungsbildung überspannt hat. Ferner muss das Urteil im Fall des Indizienbeweises die erforderliche zusammenfassende Würdigung und Gesamtschau erkennen lassen (Senatsurteile vom 22. Juni 2011 aaO; vom 22. November 2006 aaO; vom 24. Januar 1996 - IV ZR 270/94, r+s 1996, 146 unter II [juris Rn. 6]; vom 15. Juni 1994 - IV ZR 126/93, VersR 1994, 1054 unter 2 [juris Rn. 10 f.]).
38
bb) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts gerecht.
39
Das Vorbringen der Klägerin, sie sei zum Zwecke der Öffnung des Fensters auf den Sessel gestiegen und habe "Übergewicht bekommen", hat das Berufungsgericht für plausibel befunden. Es hat sodann auch gegen diese Annahme und für einen freiwilligen Sprung der Klägerin aus dem Fenster sprechende Umstände, namentlich die Grunderkrankung der Klägerin (bipolare Störung) einschließlich der Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes, die eingeräumte unregelmäßige Medikamenteneinnahme während der Behandlung der Depression, den Strangulationsversuch der Klägerin im Jahre 2000 sowie die telefonisch gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten abgegebene Einschätzung der die Klägerin behandelnden Ärztin sowie die unkonkreten Angaben des Ehemannes aus dem Ermittlungsverfahren berücksichtigt und abgewogen. Ebenso hat es die von der Klägerin geschilderte Luftnot sowie die Hilfeschreie, die von Nachbarn sowie dem Ehemann der Klägerin vor dem Sturzgeschehen wahrgenommen worden waren, in seine Abwägung eingestellt und ausgeführt, dass diese Umstände auch in einer Gesamtschau einen ausreichend sicheren Schluss auf einen Suizidversuch wie auch auf eine Geistes- oder Bewusstseinsstörung nicht zuließen.
40
Damit hat das Berufungsgericht alle gewichtigen Umstände zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Eine darüberhinausgehende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beklagten war nicht geboten.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Lehmann
Dr. Brockmöller Dr. Bußmann
Vorinstanzen:
LG Heidelberg, Entscheidung vom 11.04.2017- 2 O 394/16 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 23.02.2018- 12 U 111/17 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2019 - IV ZR 73/18

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Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2019 - IV ZR 73/18 zitiert 13 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 554 Anschlussrevision


(1) Der Revisionsbeklagte kann sich der Revision anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Revisionsanschlussschrift bei dem Revisionsgericht. (2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Revisionsbeklagte auf die Revision

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 178 Leistung des Versicherers


(1) Bei der Unfallversicherung ist der Versicherer verpflichtet, bei einem Unfall der versicherten Person oder einem vertraglich dem Unfall gleichgestellten Ereignis die vereinbarten Leistungen zu erbringen. (2) Ein Unfall liegt vor, wenn die versic

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 44 Rechte des Versicherten


(1) Bei der Versicherung für fremde Rechnung stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten zu. Die Übermittlung des Versicherungsscheins kann jedoch nur der Versicherungsnehmer verlangen. (2) Der Versicherte kann ohne Zustimmung de

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 166 Kündigung des Versicherers


(1) Kündigt der Versicherer das Versicherungsverhältnis, wandelt sich mit der Kündigung die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung um. Auf die Umwandlung ist § 165 anzuwenden. (2) Im Fall des § 38 Abs. 2 ist der Versicherer zu der Leistung v

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 45 Rechte des Versicherungsnehmers


(1) Der Versicherungsnehmer kann über die Rechte, die dem Versicherten aus dem Versicherungsvertrag zustehen, im eigenen Namen verfügen. (2) Ist ein Versicherungsschein ausgestellt, ist der Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Versicherten zur An

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 206 Kündigung des Versicherers


(1) Jede Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, die eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 erfüllt, ist durch den Versicherer ausgeschlossen. Darüber hinaus ist die ordentliche Kündigung einer Krankheitskosten-, Krankentagegeld- und einer Pfleg

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 186 Hinweispflicht des Versicherers


Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer au

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 30 Anzeige des Versicherungsfalles


(1) Der Versicherungsnehmer hat den Eintritt des Versicherungsfalles, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Steht das Recht auf die vertragliche Leistung des Versicherers einem Dritten zu, ist auch dieser z

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 191 Abweichende Vereinbarungen


Von § 178 Abs. 2 Satz 2 und den §§ 181, 186 bis 188 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person abgewichen werden.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 7d Beratung, Information und Widerruf bei bestimmten Gruppenversicherungen


Der Versicherungsnehmer eines Gruppenversicherungsvertrags für Restschuldversicherungen hat gegenüber der versicherten Person die Beratungs- und Informationspflichten eines Versicherers. Die versicherte Person hat die Rechte eines Versicherungsnehmer

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bei uns veröffentlicht am 22.11.2007

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Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Nov. 2005 - IV ZR 214/04

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 214/04 vom 30. November 2005 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja _____________________ EGZPO § 26 Nr. 8 Soll mit der beabsichtigten Revision ein einheitlicher vertraglicher Anspruch weiter ve

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juni 2011 - IV ZR 225/10

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 225/10 Verkündet am: 22. Juni 2011 Heinekamp Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja VVG § 81 A

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 165/03 Verkündet am: 5. Dezember 2006 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR :

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 39/11 Verkündet am: 20. Juni 2012 Heinekamp Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AVB Unfa

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2018 - IV ZR 53/17

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 53/17 Verkündet am: 7. Februar 2018 Heinekamp Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ALB §

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Sept. 2017 - IV ZR 302/16

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 302/16 Verkündet am: 13. September 2017 Heinekamp Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

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Tenor Die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 10. März 2015 werden zurückgewiesen.

BGH IV ZR 104/13

bei uns veröffentlicht am 01.04.2015

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Februar 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf weitere Invalidi

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Okt. 2014 - VII ZR 152/12

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Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 20. April 2012 teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefass

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Juli 2014 - IV ZR 88/13

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR88/13 Verkündet am: 16. Juli 2014 Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB § 242 Ba; ARB § 15 Abs. 2 1.

Referenzen

Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht berufen.

(1) Bei der Versicherung für fremde Rechnung stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten zu. Die Übermittlung des Versicherungsscheins kann jedoch nur der Versicherungsnehmer verlangen.

(2) Der Versicherte kann ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers nur dann über seine Rechte verfügen und diese Rechte gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist.

(1) Bei der Unfallversicherung ist der Versicherer verpflichtet, bei einem Unfall der versicherten Person oder einem vertraglich dem Unfall gleichgestellten Ereignis die vereinbarten Leistungen zu erbringen.

(2) Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Die Unfreiwilligkeit wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet.

Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht berufen.

(1) Bei der Versicherung für fremde Rechnung stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten zu. Die Übermittlung des Versicherungsscheins kann jedoch nur der Versicherungsnehmer verlangen.

(2) Der Versicherte kann ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers nur dann über seine Rechte verfügen und diese Rechte gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Februar 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf weitere Invaliditätsleistungen in Höhe von 37.940 € nebst Zinsen infolge des Unfalles vom 8. Oktober 2005 abgewiesen und die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger fordert - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - weitere Invaliditätsleistungen in Höhe von 37.940 € aus einer bei der Beklagten gehaltenen Unfallversicherung, der Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen der Beklagten (AUB 2000) zugrunde liegen. Vereinbart ist unter anderem eine Invaliditätsgrundsumme von 150.000 € und für den Fall einer Invalidität durch Unfall eine nach deren Grad aus der Grundsumme errechnete Kapitalzahlung nebst Zuschlag ("Treuebonus") von 10%.

2

Unter "2.1 Invaliditätsleistung" heißt es in den Bedingungen unter anderem:

"2.1.1 Voraussetzungen für die Leistung

2.1.1.1 Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität). Die Invalidität ist

- innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und

- innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden.

2.1.2 Art und Höhe der Leistung

2.1.2.2.1 Bei Verlust oder völliger Funktionsunfähigkeit der nachstehend genannten Körperteile und Sinnesorgane gelten ausschließlich, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, die folgenden Invaliditätsgrade (Gliedertaxe):

Arm     

70%

Arm bis oberhalb des Ellenbogengelenks          

65%

Arm unterhalb des Ellenbogengelenks

60%

Hand   

55%

Daumen

20%

Zeigefinger

10%

anderer Finger

5%

…       

        

2.1.2.2.2 Für andere Körperteile und Sinnesorgane bemisst sich der Invaliditätsgrad danach, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit insgesamt beeinträchtigt ist. Dabei sind ausschließlich medizinische Gesichtspunkte zu berücksichtigen.

2.1.2.2.3 Waren betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt, wird der Invaliditätsgrad um die Vorinvalidität gemindert. Diese ist nach Ziffer 2.1.2.2.1 und Ziffer 2.1.2.2.2 zu bemessen."

3

Am 8. Oktober 2005 schlug der Kläger bei einem Sturz mit der linken Schulter auf und zog sich dabei nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine Schulterprellung sowie eine Sprengung des linken Schultereckgelenks, der Verbindung des Schlüsselbeins mit dem Schulterblatt, mit positivem Klaviertastenphänomen (im Schweregrad Tossy II) zu. Innerhalb eines Jahres nach dem Sturz traten dauerhafte Beeinträchtigungen im Bereich der linken Schulter ein, deren Umfang zwischen den Parteien streitig ist. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2006 attestierte der den Kläger behandelnde Arzt als Dauerschaden eine "Gebrauchsminderung der li. Schulter".

4

Bereits am 24. August 1999 war der Kläger auf seinen linken Arm gestürzt. Die Beklagte hatte seinerzeit unter Heranziehung der Gliedertaxe eine Invaliditätsleistung auf der Grundlage einer Invalidität von 1/7 Armwert erbracht. Für die vorgenannten Folgen des Unfalls vom 8. Oktober 2005 lehnte sie Invaliditätsleistungen ab, weil eine dauerhafte Schädigung nicht objektivierbar sei.

5

Der Kläger hat geltend gemacht, der Grad seiner Invalidität betrage mindestens 3/7 des Armwerts; er habe bei dem Unfall vom 8. Oktober 2005 auch eine Verletzung des linken Schlüsselbeins und insbesondere des Sternoklavikulargelenks, der Verbindung des Schlüsselbeins mit dem Brustbein, erlitten, die fehlverheilt sei und zur Funktionsbeeinträchtigung der Schulter beitrage. Die Beklagte schulde eine Invaliditätsleistung von 45.000 € (30% von 150.000 €) zuzüglich des Treuebonus von 10%, mithin 49.500 €.

6

Das Landgericht hat den Invaliditätsgrad des Klägers nach Einholung zweier medizinischer Gutachten mit 1/10 Armwert (das entspricht einer Gesamtinvalidität von 7%) bestimmt, dem Kläger danach 10.500 € (7% von 150.000 €) zuzüglich 10% Treuebonus, zusammen 11.550 €, zugesprochen und bezüglich des Unfalls vom 8. Oktober 2005 die weitergehende Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers, der im Berufungsverfahren unter anderem geltend gemacht hatte, seine Schulterverletzung sei nicht nach der vereinbarten Gliedertaxe, sondern nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 zu beurteilen, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren weiter und fordert 37.940 € als Differenz zwischen seiner ursprünglichen Klagforderung und der vom Landgericht zugesprochenen Summe.

Entscheidungsgründe

7

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es die Folgen des Unfalls vom 8. Oktober 2005 betrifft, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

I. Dieses hat den Invaliditätsgrad mit Hilfe des Armwerts der Gliedertaxe bestimmt. Das Schultergelenk habe keinen funktionellen Selbstzweck, sondern diene anatomisch allein dem funktionsgerechten Einsatz des Armes. Beim Kläger bestehe die Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit in einer funktionellen Beeinträchtigung des linken Armes, so dass für die Invaliditätsbestimmung zwingend die Gliedertaxe gelte. Ohne Bedeutung sei, dass die Beeinträchtigung auf einen Sehnenschaden im Schultereckgelenk zurückzuführen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei bei Gelenkversteifungen stets der Invaliditätsgrad für den Verlust oder die Funktionsunfähigkeit der entsprechenden Gliedmaße "im Gelenk" anzunehmen. Das sachverständig beratene Landgericht habe den Invaliditätsgrad unter Berücksichtigung der erlittenen Verletzung des Schultereckgelenks zutreffend bestimmt. Der Sachverständige Prof. Dr. T.    habe überzeugend dargelegt, dass die Gebrauchsminderung des linken Arms mit insgesamt 5/20 Armwert zu bewerten sei, dabei sei einerseits die Verletzung des Schultereckgelenks zu berücksichtigen, die der Sachverständige mit 2/20 Armwert bewertet habe, andererseits die vom Sachverständigen mit 1/7 Armwert bewertete Vorinvalidität. Letztere müsse nach Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 in Abzug gebracht werden.

9

Den Nachweis dafür, dass bei dem Unfall vom 8. Oktober 2005 auch das linke Sternoklavikulargelenk verletzt worden sei, habe der Kläger bisher nicht erbracht. Eine weitere Sachaufklärung dazu erübrige sich, weil es für diese behauptete Verletzung an einer ärztlichen Feststellung binnen 15 Monaten nach dem Unfall fehle (Nr. 2.1.1.1 AUB 2000). Die vom Kläger vorgelegte fristgerechte Feststellung einer dauerhaften Gebrauchsminderung der linken Schulter besage nichts über eine Verletzung des Sternoklavikulargelenks. Eine solche Verletzung und ihre fehlerhafte Verheilung seien als invaliditätsbegründender Dauerschaden somit nicht fristgerecht ärztlich festgestellt.

10

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

11

1. Rechtsfehlerhaft ist bereits die Bestimmung des Invaliditätsgrades anhand der Gliedertaxe der Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000.

12

Deren Auslegung ergibt, dass die Verletzung des Schultereckgelenks vom Armwert nicht erfasst wird, so dass der Grad der Invalidität des Klägers nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 zu bestimmen ist.

13

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85 und ständig). Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 21 m.w.N.).

14

b) Ein um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer entnimmt dem Leistungsversprechen aus Nr. 2.1 AUB 2000 und der in Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 getroffenen Regelung über die Gliedertaxe zunächst, dass der Versicherer ihm eine Invaliditätsleistung verspricht für den Fall, dass ein Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) führt. Grundlage für die Berechnung der Leistung bilden die Versicherungssumme und der Grad der unfallbedingten Invalidität. Wie sich die Höhe der Leistungen im Einzelnen bemisst, kann der Versicherungsnehmer Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 für die dort genannten Körperteile und Sinnesorgane entnehmen. Die Gliedertaxe bestimmt nach einem abstrakten und generellen Maßstab feste Invaliditätsgrade bei Verlust oder diesem gleichgestellter Funktionsunfähigkeit der mit ihr benannten Glieder. Gleiches gilt bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines durch die Gliedertaxe abgegrenzten Teilbereichs eines Gliedes. Demgemäß beschreibt die Regelung abgegrenzte Teilbereiche eines Armes und Beines und ordnet jedem Teilbereich einen festen Invaliditätsgrad zu, der mit Rumpfnähe des Teilgliedes steigt. Die Gliedertaxe stellt damit für den Verlust und für die Funktionsunfähigkeit der in ihr genannten Gliedmaßen oder deren Teilbereiche durchgängig allein auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung ab (vgl. zu diesem Verständnis der Gliedertaxe in den AUB 88: Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 - IV ZR 34/11, r+s 2012, 143 Rn. 10 m.w.N.).

15

Der Systematik der Gliedertaxe kann der Versicherungsnehmer ferner entnehmen, dass für die Bereiche der mit dem Arm und dem Bein zusammenhängenden Körperteile abgestufte Invaliditätsgrade festgesetzt werden, die beim Arm mit der Bewertung der Invalidität eines Fingers mit 5% beginnen und des (gesamten) Armes mit 70% enden. Hiermit trägt die Gliedertaxe dem Umstand Rechnung, dass Gliedverluste - entsprechendes gilt für völlige oder teilweise Gebrauchsunfähigkeit - mit zunehmender Rumpfnähe der Stelle, an der das Körperglied verloren gegangen (oder die Gebrauchsbeeinträchtigungen auslösende Ursache zu lokalisieren) ist, zu wachsender Einschränkung der generellen Leistungsfähigkeit von Menschen führen (Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 11 m.w.N.).

16

Nimmt der Versicherungsnehmer - ausgehend von dieser Systematik - den Wortlaut der in Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 für Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines Armes getroffenen Regelung in den Blick, weist ihn - anders als bei der in früheren Bedingungen gebräuchlichen Formulierung "Verlust oder Funktionsunfähigkeit … eines Armes im Schultergelenk" (vgl. zu § 7 I (2) a AUB 88: Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 12; zu § 7 I (2) a AUB 94: Senatsurteil vom 24. Mai 2006, IV ZR 203/03, r+s 2006, 387 Rn. 19 ff.) - nichts darauf hin, dass der gesamte Schultergürtel zum Arm zählen und eine dort eintretende Gesundheitsbeeinträchtigung bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades als bedingungsgemäße Funktionsstörung des Armes gelten soll. Vielmehr wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer der von 5% bis 70% reichenden Staffelung entnehmen, dass zum Arm nur dessen in der Gliedertaxe im Einzelnen benannte Teile, nämlich die Finger, die Hand, der Arm unterhalb und bis oberhalb des Ellenbogens, schließlich der restliche Arm zählen sollen. Teile der Schulterpartie, mögen sie auch funktionell dazu bestimmt sein, die zwischen Arm und Rumpf auftretenden Kräfte aufzunehmen und somit die Funktionsfähigkeit des Armes zu gewährleisten, wird er nicht als vom Bedingungswortlaut erfasst ansehen.

17

c) Auch aus dem systematischen Zusammenhang, in den die Taxenregelung über den Arm gestellt ist, ergeben sich keine anderslautenden Hinweise. Nichts deutet in den unter Nr. 2.1.2.2.1 und Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 getroffenen Regelungen zur Bestimmung des Invaliditätsgrades darauf hin, dass auch die Schädigung von nicht in der Gliedertaxe aufgeführten Körperpartien nach der Gliedertaxe eingestuft werden soll, sofern sich diese Schädigung lediglich auf den Gebrauch der in der Gliedertaxe aufgeführten Gliedmaßen auswirkt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkennt vielmehr, dass die Gliedertaxe durchgängig auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung abstellt (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 10 m.w.N.). Anders als die Beklagte meint, gilt das nicht nur für die Einordnung einer Schädigung in die von der Gliedertaxe angeführten Teilbereiche eines Armes oder Beines, sondern auch für die Abgrenzung zu nicht in der Gliedertaxe aufgeführten Körperteilen.

18

d) Soweit sich das Berufungsgericht für seine anderslautende Auffassung auf die Senatsrechtsprechung zu früheren Fassungen der AUB stützt (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 2003 - IV ZR 74/02, r+s 2003, 427 = VersR 2003, 1163 unter II 2 c (2) - "Hand im Handgelenk"; vom 24. Mai 2006 - IV ZR 203/03, r+s 2006, 387 Rn. 19 ff. und vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 12 - "Arm im Schultergelenk") und meint, der Senat habe dabei letztlich für die Anwendung der Gliedertaxe auf eine Funktionsunfähigkeit im jeweiligen Gelenk abgestellt, lässt sich dies auf den hier vereinbarten Bedingungswortlaut nicht übertragen, weil in Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 vom Schultergelenk im Zusammenhang mit dem Verlust oder einer Funktionsbeeinträchtigung des Armes nicht mehr die Rede ist und der Versicherungsnehmer mithin keinen Hinweis darauf erhält, dass das Schultergelenk oder gar der gesamte Schultergürtel der Gliedertaxe unterfallen soll.

19

2. Zu Unrecht hat es das Berufungsgericht für entbehrlich erachtet, weiteren Beweis darüber zu erheben, ob der Unfall des Klägers vom 8. Oktober 2005 zusätzlich zu einer - inzwischen fehlverheilten - Verletzung des linken Sternoklavikulargelenks geführt hat; anders, als das Berufungsgericht meint, wäre eine solche Verletzung von der binnen der 15-Monatsfrist der Nr. 2.1.1.1 AUB 2000 getroffenen ärztlichen Invaliditätsfeststellung vom 13. Oktober 2006 erfasst.

20

a) Seine anderslautende Auffassung kann das Berufungsgericht nicht auf die Senatsentscheidung vom 7. März 2007 (IV ZR 137/06, VersR 2007, 1114 = r+s 2007, 255 Rn. 10 ff.) stützen.

21

Der Senat (aaO Rn. 10 ff.) hat dort ausgeführt, die 15-Monatsfrist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung diene dem berechtigten Interesse des Versicherers an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht und führe selbst dann zum Ausschluss von Spätschäden, wenn den Versicherungsnehmer an der Nichteinhaltung der Frist kein Verschulden treffe. Allerdings seien an die Feststellung der Invalidität keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie müsse sich nicht abschließend zu einem bestimmten Invaliditätsgrad äußern und brauche hinsichtlich der Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens noch nicht einmal richtig zu sein. Es müssten sich aus ihr aber die ärztlicherseits für einen Dauerschaden angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen ergeben, denn die Invaliditätsbescheinigung solle dem Versicherer Gelegenheit geben, dem geltend gemachten Versicherungsfall nachzugehen und seine Leistungspflicht auf Grundlage der ärztlichen Feststellung zu prüfen. Zugleich solle sie eine Ausgrenzung von Spätschäden ermöglichen, die in der Regel nur schwer abklärbar und überschaubar seien und die der Versicherer deshalb von der Deckung ausnehmen wolle. Deshalb könnten nur die in der ärztlichen Invaliditätsfeststellung beschriebenen unfallbedingten Dauerschäden Grundlage des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung sein.

22

b) Das lässt sich auf den Streitfall nicht in der Weise übertragen, dass die behauptete Verletzung des Sternoklavikulargelenks nicht von der hier vorgelegten ärztlichen Invaliditätsfeststellung erfasst wäre. Die ärztliche Bescheinigung über eine durch den Unfall verursachte dauerhafte "Gebrauchsminderung der li. Schulter" gab dem beklagten Versicherer ausreichenden Anlass, zur Prüfung seiner Leistungspflicht alle Körperteile im Bereich der linken Schulter in den Blick zu nehmen, die Einfluss auf diese Gebrauchsminderung haben konnten. Das sind vor allem sämtliche zum linken Schultergürtel des Klägers gehörenden knöchernen Teile, mithin auch das Sternoklavikulargelenk, zumal bereits die festgestellte Verletzung des Schultereckgelenks durch mechanische Gewalt es nicht fernliegend erscheinen ließ, dass die Unfallkräfte auch das andere Ende des linken Schlüsselbeins in Mitleidenschaft gezogen haben konnten. Die vom Senat in seinem Urteil vom 7. März 2007 formulierten Maßstäbe sind nicht dahin zu verstehen, dass bereits im Rahmen der fristgemäßen ärztlichen Invaliditätsfeststellung eine möglichst präzise Diagnose des Umfangs und der Ursachen eines Dauerschadens gefordert wäre. Gemessen am Zweck der fristgebundenen ärztlichen Feststellung genügt es vielmehr, wenn diese Feststellung die Schädigung sowie den Bereich, auf den sich diese auswirkt, ferner die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so umreißt, dass der Versicherer bei seiner Leistungsprüfung den medizinischen Bereich erkennen kann, auf den sich die Prüfung seiner Leistungsverpflichtung erstrecken muss und vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Invaliditätsursachen geschützt wird.

23

Im Streitfall konnte der Versicherer der ärztlichen Feststellung entnehmen, dass der Unfall, bei dem der Kläger mit der Schulter aufgeprallt war, zu deren dauerhafter Gebrauchsminderung geführt hatte. Das schließt alle Verletzungen und Schäden ein, die infolge des Aufpralls mechanisch im Bereich der linken Schulter hervorgerufen worden waren. Nicht erfasst wären hingegen Unfallschäden, die zwar aufgrund desselben Unfalls, aber entweder - wie etwa psychisch bedingte Einschränkungen - mittels einer anderen Kausalkette entstünden oder sich an anderen Körperstellen, beispielsweise der Wirbelsäule oder der Hüfte, auswirkten.

24

3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Bestimmung des Invaliditätsgrades nach den vorgenannten Maßstäben zu einem dem Kläger günstigeren Ergebnis führt. Wird sein linker Schultergürtel nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 untersucht und dabei möglicherweise zusätzlich eine unfallbedingte Verletzung des Sternoklavikulargelenks festgestellt, deren Berücksichtigung das Berufungsgericht bisher abgelehnt hat, so ist nicht auszuschließen, dass die Einstufung des Dauerschadens höher ausfällt als bisher angenommen.

25

Es kommt hinzu, dass das Berufungsgericht einen Abzug wegen Vorinvalidität mit der bisher gegebenen Begründung nicht hätte vornehmen dürfen. Nach Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 wird der Invaliditätsgrad gemindert, wenn "betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt" waren. Die Vorschädigung des Klägers aus seinem früheren Unfall vom August 1999 betrifft nach der Behauptung der Beklagten den linken Arm mit 1/7 Armwert infolge einer Teildurchtrennung der Trizepssehne im Bereich des Oberarmes. Ordnet man nach richtiger Auslegung der Gliedertaxe die nach dem Unfall vom 8. Oktober 2005 erlittene Dauerschädigung nicht dem Arm, sondern dem linken Schultergürtel zu, bedarf es nach Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 besonderer Darlegungen, dass die Vorschädigung am Oberarm dem von der Invalidität "betroffenen Körperteil" im Sinne der Klausel zuzuordnen ist.

26

III. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

27

Die Jahresfrist für den Eintritt der Invalidität nach Nr. 2.1.1.1 AUB 2000 soll den Versicherer davor schützen, für dauerhafte Spätfolgen eines Unfalls eintreten zu müssen, die sich erst später als ein Jahr nach einem Unfall erstmals zeigen. Geschützt wird damit das Kalkulationsinteresse des Versicherers. Tritt ein Dauerschaden binnen der Jahresfrist ein, besagt diese Frist aber nicht, dass bei der nachfolgenden Bemessung des Invaliditätsgrades ausschließlich diejenigen Umstände herangezogen werden dürften, die innerhalb der Jahresfrist erkennbar geworden sind. Vielmehr kann der Versicherungsnehmer im Rechtsstreit um die Erstbemessung seiner Invalidität im Grundsatz alle bis zur letzten mündlichen Verhandlung eingetretenen Umstände heranziehen (Senatsbeschluss vom 22. April 2009 - IV ZR 328/07, r+s 2009, 293 = VersR 2009, 920 Rn. 19). Eine zeitliche Begrenzung für die Berücksichtigung medizinischer Umstände bei der Erstfestsetzung ist auch nicht der in Nr. 9.4 AUB 2000 gesetzten Dreijahresfrist für die Neubemessung der Invalidität zu entnehmen. Zwar wird daraus ersichtlich, dass sich nach einer Erstfestsetzung des Invaliditätsgrades gesundheitliche Veränderungen auf die Leistungspflicht des Versicherers nur dann auswirken sollen, wenn sie spätestens binnen drei Jahren nach dem Unfall eingetreten sind. Das gilt aber nur im Neufestsetzungsverfahren. Ist dieses mangels Erstfestsetzung gar nicht eröffnet, ist für die nur im Neufestsetzungsverfahren vorgesehene Befristung kein Raum.

Mayen                               Felsch                                   Harsdorf-Gebhardt

              Dr. Karczewski                    Dr. Schoppmeyer

Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht berufen.

(1) Kündigt der Versicherer das Versicherungsverhältnis, wandelt sich mit der Kündigung die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung um. Auf die Umwandlung ist § 165 anzuwenden.

(2) Im Fall des § 38 Abs. 2 ist der Versicherer zu der Leistung verpflichtet, die er erbringen müsste, wenn sich mit dem Eintritt des Versicherungsfalles die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt hätte.

(3) Bei der Bestimmung einer Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 hat der Versicherer auf die eintretende Umwandlung der Versicherung hinzuweisen.

(4) Bei einer Lebensversicherung, die vom Arbeitgeber zugunsten seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgeschlossen worden ist, hat der Versicherer die versicherte Person über die Bestimmung der Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 und die eintretende Umwandlung der Versicherung in Textform zu informieren und ihnen eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Monaten einzuräumen.

(1) Jede Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, die eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 erfüllt, ist durch den Versicherer ausgeschlossen. Darüber hinaus ist die ordentliche Kündigung einer Krankheitskosten-, Krankentagegeld- und einer Pflegekrankenversicherung durch den Versicherer ausgeschlossen, wenn die Versicherung ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz ersetzen kann. Sie ist weiterhin ausgeschlossen für eine Krankenhaustagegeld-Versicherung, die neben einer Krankheitskostenvollversicherung besteht. Eine Krankentagegeldversicherung, für die kein gesetzlicher Anspruch auf einen Beitragszuschuss des Arbeitgebers besteht, kann der Versicherer abweichend von Satz 2 in den ersten drei Jahren unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines jeden Versicherungsjahres kündigen.

(2) Liegen bei einer Krankenhaustagegeldversicherung oder einer Krankheitskostenteilversicherung die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vor, kann der Versicherer das Versicherungsverhältnis nur innerhalb der ersten drei Versicherungsjahre zum Ende eines Versicherungsjahres kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate.

(3) Wird eine Krankheitskostenversicherung oder eine Pflegekrankenversicherung vom Versicherer wegen Zahlungsverzugs des Versicherungsnehmers wirksam gekündigt, sind die versicherten Personen berechtigt, die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses unter Benennung des künftigen Versicherungsnehmers zu erklären; die Prämie ist ab Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses zu leisten. Die versicherten Personen sind vom Versicherer über die Kündigung und das Recht nach Satz 1 in Textform zu informieren. Dieses Recht endet zwei Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem die versicherte Person Kenntnis von diesem Recht erlangt hat.

(4) Die ordentliche Kündigung eines Gruppenversicherungsvertrags, der Schutz gegen das Risiko Krankheit enthält, durch den Versicherer ist zulässig, wenn die versicherten Personen die Krankenversicherung unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung, soweit eine solche gebildet wird, zu den Bedingungen der Einzelversicherung fortsetzen können. Absatz 3 Satz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

Der Versicherungsnehmer eines Gruppenversicherungsvertrags für Restschuldversicherungen hat gegenüber der versicherten Person die Beratungs- und Informationspflichten eines Versicherers. Die versicherte Person hat die Rechte eines Versicherungsnehmers, insbesondere das Widerrufsrecht. Über dieses Widerrufsrecht ist eine Woche nach Abgabe der Vertragserklärung erneut in Textform zu belehren. Das Informationsblatt zu Versicherungsprodukten ist mit dieser Belehrung erneut zur Verfügung zu stellen. Die Widerrufsfrist beginnt nicht vor Zugang dieser Unterlagen.

Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht berufen.

(1) Bei der Versicherung für fremde Rechnung stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten zu. Die Übermittlung des Versicherungsscheins kann jedoch nur der Versicherungsnehmer verlangen.

(2) Der Versicherte kann ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers nur dann über seine Rechte verfügen und diese Rechte gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist.

Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht berufen.

Von § 178 Abs. 2 Satz 2 und den §§ 181, 186 bis 188 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person abgewichen werden.

Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht berufen.

32
cc) § 334 BGB steht der Geltendmachung der Anfechtungsfolgen gegenüber der Klägerin und ihren Schwestergesellschaften ebenfalls nicht entgegen. Als Versicherte des zwischen der HEROS-Gruppe und den beteiligten Versicherern geschlossenen Vertrages können sie Rechte nur so erwerben, wie die Versicherungsnehmerin sie gestaltet hat (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1967 - II ZR 37/64, VersR 1967, 343 unter IV; BK/Hübsch, VVG § 75 Rn. 4). Ihnen stehen nach § 334 BGB alle Einwendungen entgegen, die dem Versicherer aus dem Vertrag oder auch dessen Nichtigkeit erwachsen. Dazu zählt der Einwand der Anfechtung (vgl. nur BK/Hübsch, VVG § 74 Rn. 27).

(1) Bei der Versicherung für fremde Rechnung stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten zu. Die Übermittlung des Versicherungsscheins kann jedoch nur der Versicherungsnehmer verlangen.

(2) Der Versicherte kann ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers nur dann über seine Rechte verfügen und diese Rechte gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist.

(1) Der Versicherungsnehmer kann über die Rechte, die dem Versicherten aus dem Versicherungsvertrag zustehen, im eigenen Namen verfügen.

(2) Ist ein Versicherungsschein ausgestellt, ist der Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Versicherten zur Annahme der Leistung des Versicherers und zur Übertragung der Rechte des Versicherten nur befugt, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist.

(3) Der Versicherer ist zur Leistung an den Versicherungsnehmer nur verpflichtet, wenn der Versicherte seine Zustimmung zu der Versicherung erteilt hat.

11
Die hier abgeschlossene Versicherung für fremde Rechnung ist nach §§ 44, 45 VVG gekennzeichnet durch die Spaltung der materiellen Inhaberschaft der Rechte aus dem Versicherungsvertrag beim Versicherten und der formell-materiellen Befugnis des Versicherungsnehmers, sie gerichtlich geltend zu machen und über sie zu verfügen (Rixecker in Römer /Langheid, VVG 4. Aufl. § 44 Rn. 1). Die Insolvenz des Versicherungsnehmers beeinträchtigt die Rechtsposition des Versicherten nicht, da der Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zur Insolvenzmasse des Versicherungsnehmers, sondern der des Versicherten gehört (Brand in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 44 Rn. 11; Hübsch in Schwintowski/Brömmelmeyer , VVG 2. Aufl. § 44 Rn. 11; Kisch, Handbuch des Privatversicherungsrechts Band 3 S. 484). Bei der Insolvenz des Versicherungsnehmers kommt es lediglich zu einer Änderung hinsichtlich der Verfügungsberechtigung ; diese steht nunmehr dem Insolvenzverwalter zu (Brand in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 45 Rn. 27; Hübsch in Schwintowski /Brömmelmeyer, VVG 2. Aufl. § 45 Rn. 15; vgl. OLG Hamm NZV 1996, 412).

Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht berufen.

(1) Der Versicherungsnehmer hat den Eintritt des Versicherungsfalles, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Steht das Recht auf die vertragliche Leistung des Versicherers einem Dritten zu, ist auch dieser zur Anzeige verpflichtet.

(2) Auf eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer im Fall der Verletzung der Anzeigepflicht nach Absatz 1 Satz 1 nicht zur Leistung verpflichtet ist, kann sich der Versicherer nicht berufen, wenn er auf andere Weise vom Eintritt des Versicherungsfalles rechtzeitig Kenntnis erlangt hat.

Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht berufen.

(1) Der Versicherungsnehmer hat den Eintritt des Versicherungsfalles, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Steht das Recht auf die vertragliche Leistung des Versicherers einem Dritten zu, ist auch dieser zur Anzeige verpflichtet.

(2) Auf eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer im Fall der Verletzung der Anzeigepflicht nach Absatz 1 Satz 1 nicht zur Leistung verpflichtet ist, kann sich der Versicherer nicht berufen, wenn er auf andere Weise vom Eintritt des Versicherungsfalles rechtzeitig Kenntnis erlangt hat.

Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht berufen.

(1) Der Versicherungsnehmer hat den Eintritt des Versicherungsfalles, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Steht das Recht auf die vertragliche Leistung des Versicherers einem Dritten zu, ist auch dieser zur Anzeige verpflichtet.

(2) Auf eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer im Fall der Verletzung der Anzeigepflicht nach Absatz 1 Satz 1 nicht zur Leistung verpflichtet ist, kann sich der Versicherer nicht berufen, wenn er auf andere Weise vom Eintritt des Versicherungsfalles rechtzeitig Kenntnis erlangt hat.

21
III. Nach Zurückverweisung der Sache wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die Klägerin zur Geltendmachung des Anspruchs aktivlegitimiert ist. Nach § 7 Ziff. 1 Satz 2 AHB 2003 steht die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich dem Versicherungsnehmer zu. Gemäß § 7 Ziff. 3 AHB 2003 können Versicherungsansprüche vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers nicht übertragen werden. In Ziffer 27.2 AHB 2011 ist ebenfalls bestimmt, dass die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich dem Versicherungsnehmer zusteht. Nach Ziff. 28 AHB 2011 darf ein Freistellungsanspruch vor seiner endgültigen Feststellung ohne Zustimmung des Versicherers nicht abgetreten werden. Allerdings ist eine Abtretung an den geschädigten Dritten zulässig.

Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht berufen.

Von § 178 Abs. 2 Satz 2 und den §§ 181, 186 bis 188 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person abgewichen werden.

20
(2) Dies entspricht auch dem einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren Zweck des § 7 Abs. 8 Satz 1 AVB, hinsichtlich des richtigen Erklärungsadressaten für Klarheit zu sorgen. Der Versicherer will sich auf die Empfangsvollmacht eines ihm benannten Bezugsberechtigten verlassen können und nicht aufgrund einer ihm mitgeteilten Sicherungsabtretung nach Eintritt des Versicherungsfalles prüfen müssen , ob und in welchem Umfang die gesicherten Forderungen bei Eintritt des Versicherungsfalles noch bestehen und ob der Sicherungsnehmer die ihm abgetretenen Ansprüche aus der Lebensversicherung verwerten will.

Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht berufen.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

12
1. Die Frist in Nr. 2.1.1.1 der AUB 2002 der Beklagten ist wirksam. Der Inhalt der Regelung benachteiligt den Versicherungsnehmer nicht unangemessen i.S. von § 307 Abs. 1 BGB.

Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht berufen.

(1) Der Revisionsbeklagte kann sich der Revision anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Revisionsanschlussschrift bei dem Revisionsgericht.

(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Revisionsbeklagte auf die Revision verzichtet hat, die Revisionsfrist verstrichen oder die Revision nicht zugelassen worden ist. Die Anschließung ist bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Revisionsbegründung zu erklären.

(3) Die Anschlussrevision muss in der Anschlussschrift begründet werden. § 549 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 und die §§ 550 und 551 Abs. 3 gelten entsprechend.

(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Revision zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.

6
Dem 2. stehen die bisherigen Entscheidungen des Senats nicht entgegen (Beschlüsse vom 29. September 2004 aaO und vom 23. Oktober 2002 - IV ZR 154/02 - VersR 2002, 1578 unter 1). In der Unfallversicherung , die Gegenstand des Senatsbeschlusses vom 23. Oktober 2002 ist, handelt es sich bei den Ansprüchen auf Krankenhaustagegeld , Genesungsgeld und Invaliditätsentschädigung um jeweils selbständige Leistungen, die gesondert zu vereinbaren sind und dem Grunde nach auch von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängen. Gegenstand des Beschlusses vom 29. September 2004 sind Ansprüche aus der Rechtsschutzversicherung. Dabei erreichen die auf Deckungsschutz gerichteten Klageanträge zu 3 bis 5 - selbst wenn es sich insoweit um die Verfolgung eines einheitlichen, selbständigen Anspruchs gehandelt haben sollte - nicht die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO. Der auf Schadensersatz gerichtete Klageantrag zu 7 betrifft einen weiteren, selbständigen Anspruch.

Tenor

Die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 10. März 2015 werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger drei Viertel und die Beklagte ein Viertel.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes auf der Grundlage entsprechender Versorgungstarifverträge im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung (im Weiteren: VBLS) vom 22. November 2002 stellte die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) von einem an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgungssystem auf ein auf dem Punktemodell beruhendes, beitragsorientiertes Betriebsrentensystem um. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 1. März 2002 (ATV) vereinbart.

2

Die neugefasste Satzung enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden ihrem Wert nach festgestellt, in Versorgungspunkte umgerechnet und als Startgutschriften den Versorgungskonten der Versicherten gutgeschrieben. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. § 79 VBLS bestimmt dazu auszugsweise:

"(1) 1Die Anwartschaften der am 31. Dezember 2001 schon und am 1. Januar 2002 noch Pflichtversicherten berechnen sich nach § 18 Abs. 2 BetrAVG, soweit sich aus Absatz 2 nichts anderes ergibt. …

(2) 1Für Beschäftigte im Tarifgebiet West bzw. für Beschäftigte, für die der Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West maßgeblich ist (§ 64 Abs. 2 Satz 3) oder die Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997 haben, und die am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vollendet haben (rentennahe Jahrgänge), ist Ausgangswert für die bis zum 31. Dezember 2001 in der Zusatzversorgung (Gesamtversorgung) erworbene Anwartschaft die Versorgungsrente, die sich unter Beachtung der Maßgaben des § 78, insbesondere unter Berücksichtigung der Mindestgesamtversorgung (§ 41 Abs. 4 d.S. a.F.) und des § 44a d.S. a.F., für die Berechtigte/den Berechtigten bei Eintritt des Versicherungsfalls am 31. Dezember 2001, frühestens jedoch zum Zeitpunkt der Vollendung des 63. Lebensjahres vor Berücksichtigung des Abschlags ergeben würde. 2Von diesem Ausgangswert ist der Betrag abzuziehen, den die Versicherten aus dem Punktemodell bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres vor Berücksichtigung des Abschlags wegen vorzeitiger Renteninanspruchnahme noch erwerben könnten, wenn für sie zusatzversorgungspflichtige Entgelte in Höhe des gesamtversorgungsfähigen Entgelts  unter Berücksichtigung des Gesamtbeschäftigungsquotienten  gezahlt würden. …"

3

Mit Urteil vom 14. November 2007 (IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127 Rn. 122 ff.) erklärte der Senat die Startgutschriftermittlung für rentenferne Versicherte in § 79 Abs. 1 VBLS wegen Verstoßes der zugrunde liegenden Übergangsregelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG für unverbindlich. Daraufhin einigten sich die Tarifvertragsparteien mit Änderungstarifvertrag Nr. 5 vom 30. Mai 2011 zum Tarifvertrag Altersversorgung (im Weiteren ATVÄndV5), die bisherige Ermittlung der Startgutschriften beizubehalten, aber - vgl. § 1 Nr. 5 Buchst. a ATVÄndV5, § 33 Abs. 1a ATV - durch ein auf § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG zurückgreifendes Vergleichsmodell zu ergänzen. Mit der 17. Satzungsänderung vom Januar 2012 übernahm die Beklagte die tarifvertraglichen Vorgaben in § 79 Abs. 1a ihrer Satzung. Er lautet auszugsweise:

"(1a) 1Bei Beschäftigten, deren Anwartschaft nach Absatz 1 (rentenferne Jahrgänge) berechnet wurde, wird auch ermittelt, welche Anwartschaft sich bei einer Berechnung nach § 18 Abs. 2 BetrAVG unter Berücksichtigung folgender Maßgaben ergeben würde:

1. 1Anstelle des Vomhundertsatzes nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG wird ein Unverfallbarkeitsfaktor entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG errechnet. Dieser wird ermittelt aus dem Verhältnis der Pflichtversicherungszeit vom Beginn der Pflichtversicherung bis zum 31. Dezember 2001 zu der Zeit vom Beginn der Pflichtversicherung bis zum Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird. 3Der sich danach ergebende Vomhundertsatz wird auf zwei Stellen nach dem Komma gemeinüblich gerundet und um 7,5 Prozentpunkte vermindert.

2. 1Ist der nach Nummer 1 Satz 3 ermittelte Vomhundertsatz höher als der bisherige Vomhundertsatz nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG, wird für die Voll-Leistung nach § 18 Abs. 2 BetrAVG ein individueller Brutto- und Nettoversorgungssatz nach § 41 Abs. 2 und 2b d.S. a.F. ermittelt. 2Als gesamtversorgungsfähige Zeit werden dabei berücksichtigt

a) die bis zum 31. Dezember 2001 erreichten Pflichtversicherungsmonate zuzüglich der Monate vom 1. Januar 2002 bis zum Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird, und

b) die Monate ab Vollendung des 17. Lebensjahres bis zum 31. Dezember 2001 abzüglich der Pflichtversicherungsmonate bis zum 31. Dezember 2001 zur Hälfte.

2Ist die unter Berücksichtigung der Maßgaben nach den Nummern 1 und 2 berechnete Anwartschaft höher als die Anwartschaft nach Absatz 1, wird der Unterschiedsbetrag zwischen diesen beiden Anwartschaften ermittelt und als Zuschlag zur Anwartschaft nach Absatz 1 berücksichtigt. …"

4

Die Berechnungsweise der Startgutschriften rentenferner Versicherter nach der neu gefassten Übergangsvorschrift hat der Senat im Urteil vom heutigen Tag (Senatsurteil vom 9. März 2016 - IV ZR 9/15 Rn. 4, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) im Einzelnen dargelegt.

5

Der am 21. November 1949 geborene Kläger trat am 13. April 1993 in den öffentlichen Dienst ein. Die Beklagte erteilte ihm eine Startgutschrift nach § 79 Abs. 1 VBLS. Ein Zuschlag nach § 79 Abs. 1a VBLS ergab sich nicht.

6

Der Kläger meint, die unterschiedliche Behandlung rentennaher und rentenferner Versicherter verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und benachteilige ihn unangemessen im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Darüber hinaus verstoße auch die geänderte Ermittlung der Startgutschriften für rentenferne Versicherte gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

7

Er hat zunächst die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, seine Startgutschrift nach den für rentennahe Versicherte geltenden Vorschriften zu ermitteln. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung hat der Kläger zusätzlich hilfsweise die Feststellung der Unverbindlichkeit der anhand der Vorschriften für rentenferne Versicherte ermittelten Startgutschrift begehrt. Das Oberlandesgericht hat hinsichtlich des Hauptantrags die Berufung zurückgewiesen und dem Hilfsantrag stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision, mit der sie die vollständige Klageabweisung begehrt. Der Kläger verfolgt mit seiner Anschlussrevision seinen Hauptantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision und die Anschlussrevision haben keinen Erfolg.

9

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

10

Die Beklagte sei nicht verpflichtet, die Startgutschrift des Klägers nach den für rentennahe Versicherte geltenden Vorschriften zu ermitteln.

11

Die Tarifvertragsparteien seien zum Systemwechsel in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes berechtigt gewesen. Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof hätten die Systemumstellung, einschließlich der unterschiedlichen Startgutschriftenermittlung für rentennahe und rentenferne Versicherte, im Grundsatz gebilligt. Dass die Startgutschriftenermittlung für rentenferne Versicherte auch in der geänderten Fassung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, stelle die grundsätzliche Unterscheidung zwischen rentennahen und rentenfernen Versicherten nicht in Frage.

12

Soweit § 7 AGG sowie die Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts eine Diskriminierung wegen des Alters verböten, sei eine Ungleichbehandlung nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG und Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (AblEG L303, S. 16 ff.) gerechtfertigt. Die Beklagte betreibe ein betriebliches System der sozialen Sicherheit. Die Festsetzung von Altersgrenzen in § 79 Abs. 1 und 2 VBLS diene der Umstellung der Zusatzversorgung zu einem Stichtag. Ausgenommen werden sollten allein solche Versicherte, die im Vertrauen auf ihre Zusatzversorgung keine Altersversorgung aufgebaut hätten und dies aufgrund ihrer Nähe zum Eintritt in den Ruhestand nicht mehr in angemessenem Umfang nachholen könnten. Diese Regelung erscheine objektiv und angemessen. Auf eine besondere Härte könne sich der Kläger nicht berufen.

13

Die neu gefasste Übergangsregelung für rentenferne Versicherte verstoße weiterhin gegen das Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Das durch § 79 Abs. 1a VBLS eingeführte Vergleichsmodell beseitige den § 79 Abs. 1 VBLS zugrunde liegenden strukturellen Mangel nicht.

14

Die Verringerung des nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG zu ermittelnden Unverfallbarkeitsfaktors um 7,5 Prozentpunkte habe zur Folge, dass die Startgutschriften einer relevanten und abgrenzbaren Gruppe von Personen weiterhin nach der systematisch nicht schlüssigen Regelung des § 79 Abs. 1 VBLS ermittelt würden. Dass es sich bei ausbildungsbedingt später eintretenden Versicherten um eine größere, abgrenzbare Gruppe handele, liege auf der Hand. Die Beklagte habe allein für ab dem vollendeten 23. Lebensjahr eintretende Versicherte der Jahrgänge 1961 bis 1978 mehr als 450.000 Startgutschriften erteilt. Ein Berufseinstieg mit 25 Jahren, der einen Zuschlag ausschließe, sei zudem für Versicherte mit längerer Ausbildung geradezu typisch.

15

Für die vom Zuschlag ausgeschlossenen Versicherten lasse sich nicht feststellen, dass die Ermittlung der Startgutschrift nach § 79 Abs. 1 VBLS die Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfülle. Zwar sei die von der Beklagten geleistete Rente bei jüngeren rentenfernen Versicherten stärker als bei älteren Mitgliedern dieser Personengruppe von den nach Systemumstellung erworbenen Versorgungspunkten geprägt, so dass der Startgutschrift für die Rentenberechnung ein verhältnismäßig geringeres Gewicht zukomme, dies rechtfertige es aber nicht, den Versicherten für die Zeit bis zur Systemumstellung eine gleichheitsgemäße Startgutschrift zu versagen.

16

Der Abzug von 7,5 Prozentpunkten vom Unverfallbarkeitsfaktor lasse sich nicht damit rechtfertigen, dass die Tarifvertragsparteien ihn als noch angemessen angesehen hätten. Auch wenn bei der verfassungsrechtlichen Prüfung von Tarifverträgen der Einschätzungsprärogative und den Beurteilungs- und Bewertungsspielräumen der Tarifvertragsparteien Rechnung getragen werden müsse, erlaube dies nicht, einen Gleichheitsverstoß nur für einen Teil des betroffenen Personenkreises und auch für diesen nur mit Einschränkungen zu korrigieren. Ebenso rechtfertige es den Abzug von 7,5 Prozentpunkten nicht, dass dieser sämtliche Versicherten gleichermaßen betreffe, weil das auf dem Abzug beruhende Vergleichsmodell nicht geeignet sei, die vorher bestehende Ungleichbehandlung zu beseitigen.

17

Die Ungleichbehandlung könne schließlich nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass ein Normgeber zur Typisierung, Generalisierung und Pauschalierung von Sachverhalten befugt sei.

18

II. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

19

1. Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.

20

Das Berufungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die von der Beklagten ermittelte Startgutschrift den Wert der vom Kläger erlangten Anwartschaft nicht verbindlich festlegt. Wie der Senat in anderer Sache mit Urteil vom heutigen Tage (Senatsurteil vom 9. März 2016 - IV ZR 9/15) entschieden und näher begründet hat, ist die ihrer Ermittlung zugrunde liegende Übergangsregelung in § 79 Abs. 1 und 1a VBLS weiterhin mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Zutreffend hat das Berufungsgericht darin eine neu geschaffene Ungleichbehandlung erkannt, dass die Ausgestaltung der Übergangsregelung bestimmte Versicherte von vorneherein von einem Zuschlag ausschließt, so dass diese weiterhin auf ihre gemäß § 79 Abs. 1 VBLS errechnete, mit der Neufassung der Übergangsregelung wieder für verbindlich erklärte Anwartschaft verwiesen bleiben. Für diese Versicherten bleibt es bei den vom Senat (Urteil vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06 aaO Rn. 128 ff.) beanstandeten Systembrüchen und Ungereimtheiten. Diese Ungleichbehandlung begegnet mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (siehe dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 9. März 2016 - IV ZR 9/15 Rn. 21 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

21

2. Auch die Anschlussrevision des Klägers bleibt im Ergebnis erfolglos.

22

a) Sie ist, obwohl das Berufungsgericht die Revision nur im Hinblick auf den Hilfsantrag zugelassen hat, nach § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft, weil sie einen Anspruch zur Überprüfung stellt, welcher mit dem Streitgegenstand der Revision in unmittelbarem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht (vgl. BGH, Urteile vom 25. Juni 2015 - IX ZR 142/13, ZInsO 2015, 1563 Rn. 28; vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 38 ff.; st. Rspr.). Sowohl Haupt- als auch Hilfsantrag betreffen die Wirksamkeit der Startgutschriftenermittlung des Klägers durch die Beklagte.

23

b) Die Anschlussrevision ist aber unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Startgutschrift des rentenfernen Klägers nach den Vorschriften für rentennahe Versicherte zu berechnen. Der Senat hat bereits entschieden, dass gegen die unterschiedliche Behandlung rentenferner und rentennaher Versicherter und den für die Unterscheidung maßgeblichen Stichtag in der Übergangsregelung des § 79 VBLS keine rechtlichen Bedenken bestehen (Senatsurteile vom 25. September 2013 - IV ZR 207/11, VersR 2014, 89 Rn. 30; vom 24. September 2008 - IV ZR 134/07, BGHZ 178, 101 Rn. 30; vgl. BAG NZA 2014, 36 Rn. 20 ff.). Daran ist festzuhalten.

24

aa) Die Übergangsregelungen in § 79 Abs. 1 und 2 VBLS knüpfen zwar an das Alter des Versicherten an, es handelt sich aber um keine unzulässige Benachteiligung. Soweit aus § 7 Abs. 1 Halbsatz 1 AGG und aus Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ein Verbot der Diskriminierung wegen Alters zu entnehmen ist, ist eine Ungleichbehandlung jedenfalls nach § 10 AGG und Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt.

25

(1) Zu Unrecht meint die Anschlussrevision, das Berufungsgericht sei seiner Aufgabe nicht gerecht geworden, ein legitimes, die Ungleichbehandlung nach § 10 Satz 1 AGG rechtfertigendes Ziel aufzuzeigen.

26

(a) Wie das Berufungsgericht zutreffend sieht, dient § 79 VBLS der Überführung der erdienten Versorgungsanwartschaften der zum Umstellungsstichtag schon und noch Versicherten in das neue Punktesystem. Diese ist infolge der beschlossenen Systemumstellung notwendig, weil - wie von den Tarifvertragsparteien in Satz 2 der Präambel zum ATV vereinbart - das bisherige Gesamtversorgungssystem mit der Umstellung vollständig hat geschlossen werden sollen (vgl. Breier/Dassau/Kiefer, TVöD 84. Update 1/2016 § 33 ATV Rn. 1).

27

Die Systemumstellung, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Senatsrechtsprechung keine Bedenken bestehen (siehe nur Senatsurteile vom 24. September 2008 - IV ZR 134/07 aaO Rn. 25 ff.; vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06 aaO Rn. 25 ff.; vgl. BAG NZA-RR 2008, 82 Rn. 57 ff.), dient nach dem in Satz 1 der Präambel zum ATV zum Ausdruck gekommenen Willen der Tarifvertragsparteien dazu, die Zukunftsfähigkeit der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zu sichern. Sie soll die zu erwartenden Finanzierungslasten bewältigen helfen und die damit verbundenen Verteilungsprobleme lösen (Senatsurteil vom 24. September 2008 - IV ZR 134/07 aaO Rn. 27; BAG NZA-RR 2008, 82 Rn. 58). Die darin zum Ausdruck kommende Förderung der betrieblichen Altersversorgung ist ein legitimes sozialpolitisches Ziel einer Ungleichbehandlung wegen des Alters (vgl. BAGE 147, 279 Rn. 24; BAG NZA 2014, 848 Rn. 26; NZA 2014, 33 Rn. 22).

28

Bei der Verteilung der mit der Konsolidierung der Zusatzversorgung verbundenen Lasten im Rahmen der Systemumstellung soll § 79 Abs. 2 VBLS, wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig sieht, die rentennahen Versicherten begünstigen. Ihnen soll, anders als den rentenfernen Versicherten, ein über den Schutz des erdienten Teilbetrages hinausgehender Besitzstand gesichert werden. Dies ist Ausdruck eines erhöhten Vertrauensschutzes rentennaher Versicherter, weil diese wegen des nahen Rentenbeginns ihre Altersversorgung nicht mehr umstellen können oder jedenfalls nur eingeschränkt die Möglichkeit haben, Kürzungen in der Zusatzversorgung durch eigene Bemühungen auszugleichen (Senatsurteile vom 25. September 2013 - IV ZR 207/11 aaO Rn. 30; vom 24. September 2008 - IV ZR 134/07 aaO Rn. 30; Breier/Dassau/Kiefer, TVöD 84. Update 1/2016 § 33 ATV Rn. 15; Furtmayr/Wagner, NZS 2007, 299, 303; Rengier, NZA 2004, 817, 819; Preis/Temming, ZTR 2003, 262, 264). Darin liegt ebenfalls ein legitimes Ziel einer Ungleichbehandlung wegen des Alters, wie § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG und Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zeigen. Danach können Ungleichbehandlungen bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit, wie der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (Senatsurteil vom 4. November 2009 - IV ZR 57/07, VersR 2010, 102 Rn. 19 m.w.N.), Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Leistungsbezug einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen beziehungsweise Kategorien von Beschäftigten einschließen. Wie die Anschlussrevisionserwiderung zu Recht ausführt, kann für die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für eine günstige Behandlung innerhalb des Systems nichts anderes gelten als für den Zugang zum System selbst (vgl. Rolfs/Schmid, SAE 2011, 12, 17).

29

(b) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht auch gemäß § 10 Satz 1 AGG und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG die Ungleichbehandlung für angemessen gehalten. Dies erfordert eine Abwägung zwischen dem Schutz vor Ungleichbehandlung und dem verfolgten Ziel. Die Ungleichbehandlung muss durch das verfolgte Ziel sachlich gerechtfertigt sein (BAGE 129, 181 Rn. 55; vgl. Däubler/Bertzbach-Brors, AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 27). So ist es hier.

30

(aa) Dass die Belange der betrieblichen Altersversorgung dem Schutz vor Ungleichbehandlung der Versicherten anhand ihres Alters vergleichbar gewichtig gegenüberstehen können, ergibt sich bereits aus § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG und Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG. Dies gilt in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes jedenfalls dann, wenn die Ungleichbehandlung - wie hier - der Überwindung einer die Zukunftsfähigkeit des Systems bedrohenden Krise (vgl. Senatsurteile vom 24. September 2008 - IV ZR 134/07 aaO Rn. 27; vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06 aaO Rn. 26; BAG NZA-RR 2008, 82 Rn. 59) dient. Werden die Lasten der dazu notwendigen Konsolidierung unter sozialen Gesichtspunkten anhand des Alters der Versicherten verteilt, tritt deren Interesse, keiner Diskriminierung wegen des Alters ausgesetzt zu werden, dahinter ebenfalls zurück.

31

(bb) Dem stehen Maß und Umfang der sich ergebenden Ungleichbehandlung nicht entgegen. In betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit können Ungleichbehandlungen, wie § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG und Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zeigen, unabhängig von ihrem Ausmaß angemessen sein. Die nach diesen Vorschriften gerechtfertigten Altersgrenzen für den Zugang zu solchen Systemen oder den Leistungsbezug eröffnen Ungleichbehandlungen erheblichen Umfangs, weil durch sie nicht erfasste Versicherte vom Leistungsbezug der übrigen Versicherten vollständig ausgeschlossen bleiben.

32

Anders als die Anschlussrevision meint, sind Maß und Umfang der Ungleichbehandlung hier nicht jedem regelnden Zugriff entzogen und damit dem Zufall überlassen, sondern die Folge der in § 79 Abs. 1 und 2 VBLS jeweils vorgegebenen Berechnungsmethoden. Dass diese, auch bei Versicherten mit vergleichbarer Erwerbs- und Versicherungsbiographie, zu unterschiedlichen, teilweise erheblich voneinander abweichenden Startgutschriften führen können, ist nicht die Folge fehlender Regelungen durch die Beklagte, sondern beruht, wie die Anschlussrevision erkennt, auf der unterschiedlichen Systematik der ihnen jeweils zugrunde zu legenden Berechnung.

33

(2) Dem Berufungsgericht ist ebenfalls darin zu folgen, dass die in der Satzung der Beklagten vorgesehenen Mittel erforderlich und angemessen sind.

34

(a) Bei der Wahl der Mittel zum Erreichen ihrer Ziele besteht ein weiter Wertungsspielraum, dessen Ausschöpfung lediglich nicht dazu führen darf, dass der Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung ausgehöhlt wird (BGH, Urteil vom 22. März 2010 - NotZ 16/09, BGHZ 185, 30 Rn. 27 m.w.N.; vgl. EuGH, Slg. 2011, I-7965 Rn. 65; Slg. 2010, I-365 Rn. 38; Slg. 2005, I-9981 Rn. 63). Diesen Spielraum haben die Tarifvertragsparteien und ihnen folgend die Beklagte nicht überschritten. Dem Schutzbedürfnis der rentennahen Versicherten konnte nur durch eine an deren Alter orientierte Regelung Rechnung getragen werden. In welchem Umfang einem Versicherten nach der Systemumstellung Zeit zum Erwerb einer zusätzlichen Altersversorgung bleibt, hängt allein von seinem Alter zum Zeitpunkt der Systemumstellung ab.

35

(b) Diejenigen Versicherten, deren Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Altersversorgung besonders schutzbedürftig ist, erfasst § 79 Abs. 2 VBLS sachgerecht. Auch hier haben die Tarifvertragsparteien und die Beklagte den ihnen zustehenden Wertungsspielraum nicht überschritten. Versicherte, die zum Umstellungsstichtag 55 Jahre oder älter gewesen sind, haben nach der Systemumstellung höchstens noch 10 Jahre versicherungspflichtig arbeiten können. Im bis zur Umstellung geltenden Gesamtversorgungssystem entspricht dies einem Viertel der höchstmöglichen gesamtversorgungsfähigen Zeit, weil ein Versicherter in der Gesamtversorgung den nach § 41 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2b Satz 1 VBLS a.F. höchstmöglichen Versorgungssatz nach 40 gesamtversorgungsfähigen Jahren erreicht hat. Dass denjenigen Versicherten, die zum Umstellungsstichtag nach den Bestimmungen des Gesamtversorgungssystems mindestens drei Viertel ihres für die betriebliche Altersversorgung maßgebenden Berufslebens absolviert haben, in der ihnen nach Systemumstellung noch verbleibenden Zeit keine ausreichende Möglichkeit zur Anpassung ihrer Altersversorgung mehr zur Verfügung steht, ist nachvollziehbar und überschreitet das bestehende Ermessen nicht.

36

bb) Ein Verstoß gegen ein Diskriminierungsverbot aus Art. 157 AEUV (vormals Art. 141 EGV), aus Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 EUV (vgl. EuGH, Slg. 2010, I-365 Rn. 22) sowie aus allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts (vgl. EuGH, Slg. 2005, I-9981 Rn. 75 f.) scheidet gleichfalls aus. Ist - wie hier - eine ungleiche Behandlung nach den Kriterien des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt, verstößt sie auch nicht gegen andere gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbote (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2010 - NotZ 16/09 aaO Rn. 31; BAG NZA 2014, 848 Rn. 32; jeweils m.w.N.).

37

cc) Gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstößt die unterschiedliche Behandlung rentennaher und rentenferner Versicherter ebenfalls nicht, wie der Senat bereits an anderer Stelle entschieden und näher begründet hat (Senatsurteile vom 25. September 2013 - IV ZR 207/11 aaO Rn. 30; vom 24. September 2008 - IV ZR 134/07 aaO Rn. 61; vgl. BVerfG ZTR 2013, 668 Rn. 43). Das gilt auch hinsichtlich der auf dem Alter der Versicherten beruhenden Ungleichbehandlung. Insoweit stellt Art. 3 Abs. 1 GG keine weitergehenden Anforderungen als § 10 AGG und Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG auf (BAGE 131, 298 Rn. 49).

38

c) Zu Recht hat das Berufungsgericht schließlich eine Verpflichtung der Beklagten unter Härtefallgesichtspunkten verneint. Dass der Kläger nach seinen Berechnungen aus § 79 Abs. 1 VBLS eine erheblich geringere Startgutschrift erhält, als dies bei Anwendung des § 79 Abs. 2 VBLS der Fall wäre, reicht für sich genommen für die Annahme eines Härtefalls nicht aus (vgl. Senatsbeschluss vom 10. März 2010 - IV ZR 333/07, NVwZ-RR 2010, 572 Rn. 16). Darüber hinausgehende tatsächliche Feststellungen, die einen Härtefall begründen können, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Dagegen wendet sich die Anschlussrevision nicht.

Mayen                                     Felsch                                   Harsdorf-Gebhardt

                  Dr. Karczewski                          Dr. Bußmann

38
1. Unter der Geltung des § 556 ZPO a.F. entsprach es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine unselbständige Anschlussrevision unzulässig ist, wenn sie einen Lebenssachverhalt betrifft, der mit dem von der Revision erfassten Streitgegenstand nicht in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht (BGHZ 148, 156, 159; BGH, Urt. v. 19.2.2002 - X ZR 166/99, NJW 2002, 1870, 1872). Diese Einschränkung der Statthaftigkeit der Anschlussrevision gilt auch für § 554 ZPO, der im vorliegenden Fall anwendbar ist (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 554 Rdn. 7a; MünchKomm.ZPO/Wenzel, 3. Aufl., § 554 Rdn. 6; HK-ZPO/Kayser, 2. Aufl., § 554 Rdn. 5; a.A. Musielak/Ball, ZPO, 5. Aufl., § 554 Rdn. 3; offengelassen in BGHZ 155, 189, 192 - Buchpreisbindung; BGH, Urt. v. 26.7.2004 - VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174, 3176; Urt. v. 22.3.2006 - VIII ZR 173/04, NJW-RR 2006, 1328, 1329; Urt. v. 22.3.2006 - IV ZR 6/04, NJW-RR 2006, 1091 Tz. 15).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 20. April 2012 teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Auf die Berufung der Klägerin wird die Beklagte unter Abänderung des Urteils der 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 16. Dezember 2009 und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 58.340,94 € zu zahlen, Zug um Zug gegen diejenigen Arbeiten der Klägerin, die erforderlich sind, um an der Fassade des Gebäudes M.   straße 3, 3a, 3b,    P.     , eine Fassadensanierung nach Maßgabe des Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen T.     vom 25. Januar 2012 und nach Entscheidung der Beklagten für eine Ausführung mit entweder 4-mm-Vertikalfugen oder 8-mm-Vertikalfugen herzustellen, wobei diese Arbeiten nur Zug um Zug gegen Zahlung eines Zuschusses von 56.188,80 € seitens der Beklagten an die Klägerin durchzuführen sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin 24 % und die Beklagte 76 %. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten trägt die Klägerin zu 24 %.

Die Anschlussrevision wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte. Von den Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens tragen die Klägerin 72 % und die Beklagte 28 %; die insoweit durch die Nebenintervention verursachten Kosten trägt die Klägerin zu 72 %.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Restwerklohn für eine Fassadensanierung in Anspruch.

2

Die Beklagte beauftragte die Klägerin im Mai 2001 mit der Anbringung einer Argeton-Tonplattenfassade an ihrem Hochhaus in P. Hinsichtlich der Absprache der technischen Details ließ sie sich dabei durch ihren Architekten, den Streithelfer, vertreten. Nach dem von der Klägerin unterbreiteten Leistungsangebot, das auf der Grundlage des von dem Streithelfer erstellten Leistungsverzeichnisses basierte, sollte die Breite sowohl der horizontalen als auch der vertikalen Fugen 8 mm betragen. Dem Streithelfer waren ausweislich der Leistungsbeschreibung die Genehmigung von Ausführungsdetails des Auftragnehmers und eine stete Abstimmung mit ihm als planendem Architekten vorbehalten.

3

Noch vor Ausführung der Arbeiten äußerte die Beklagte den Wunsch, die vertikalen Fugen aus optischen Gründen schmaler als ursprünglich vorgesehen auszubilden. Der Streithelfer nahm daraufhin Kontakt mit dem Hersteller auf, um sich über die Realisierbarkeit dieser von der Beklagten gewünschten Lösung zu informieren. Auf Betreiben der Beklagten und des Streithelfers verständigten sich die Parteien dann auf eine von der ursprünglichen Planung abweichende Breite der Vertikalfugen von lediglich 2 bis 3 mm und vereinbarten, dass nur in jede dritte Vertikalfuge Halteprofile eingesetzt werden sollten.

4

Die Klägerin errichtete in der Folgezeit entsprechend dieser Planung die Fassade, wobei jedoch die Breite der vertikalen Fugen zwischen 0 mm und 8 mm variierte.

5

Nach Erstellung der Schlussrechnung durch die Klägerin beanstandete die Beklagte die unterschiedliche Fugenbreite und kürzte die Schlussrechnungssumme zudem um einen Sicherheitseinbehalt in Höhe von 5 % (25.104,53 €). Gemäß Ziffer 12 der von der Beklagten gestellten Vertragsbedingungen war ein Gewährleistungseinbehalt von 5 % der Gesamtbruttoabrechnungssumme vereinbart, der von der Schlussrechnung in Abzug gebracht werden sollte. Die Klägerin sollte berechtigt sein, den Sicherheitseinbehalt gegen Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern abzulösen.

6

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zahlung eines Restbetrags in Höhe von 60.168,79 € geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin ist teilweise erfolgreich gewesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 33.236,41 € Zug um Zug gegen Erstellung einer (näher bezeichneten) mangelfreien Verfugung der Fassade verurteilt, wobei die Mängelbeseitigung wiederum nur Zug um Zug gegen Zahlung eines Zuschusses von Seiten der Beklagten in Höhe eines Betrags von 56.188,80 € erfolgen sollte.

7

Die von dem Senat teilweise zugelassene Revision der Klägerin richtet sich gegen die Teilabweisung der Klage in Höhe des Sicherheitseinbehalts von 5 % der Schlussrechnungssumme. Mit ihrer Anschlussrevision wendet sich die Beklagte gegen die doppelte Zug-um-Zug-Verurteilung, soweit die Beseitigung der Mängel davon abhängig ist, dass sie einen Teilbetrag in Höhe von 38.000 € an die Klägerin zu zahlen hat.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines weiteren Betrags in Höhe von 25.104,53 €. Die Anschlussrevision der Beklagten ist unbegründet.

9

Auf das Schuldverhältnis zwischen den Parteien ist mit Ausnahme der für die Verjährung geltenden Überleitungsvorschriften in Art. 229 § 6 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch sowie das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Fassung anzuwenden, die für bis zum 31. Dezember 2001 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB.

I.

10

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

11

1. In Höhe eines Betrags von 25.104,53 € sei die Klage unbegründet, da die Schlussrechnung um einen Sicherheitseinbehalt von 5 % der Bruttoauftragssumme zu kürzen sei. Die formularmäßige Vereinbarung der Sicherheitsleistung sei nicht deshalb unwirksam, weil eine Ablösung des Einbehalts nur durch Stellung einer Bankbürgschaft auf erstes Anfordern vorgesehen sei. Zwar sei die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bestellers enthaltene Verpflichtung eines Bauunternehmers, zur Sicherung von Vertragserfüllungsansprüchen eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen, grundsätzlich unwirksam. Der somit lückenhafte Vertrag könne jedoch ergänzend dahin ausgelegt werden, dass der Bauunternehmer eine unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft schulde. Die Einschränkung des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 4. Juli 2002 - VII ZR 502/99 (BGHZ 151, 229), wonach eine ergänzende Vertragsauslegung für Verträge, die nach Bekanntwerden dieser Entscheidung in den beteiligten Verkehrskreisen abgeschlossen wurden, nicht mehr in Betracht komme, greife nicht, da der streitgegenständliche Bauvertrag bereits vor Erlass dieser Entscheidung geschlossen worden sei.

12

2. In Höhe eines Betrags von 33.236,41 € sei die Klage hingegen begründet, jedoch nur Zug um Zug gegen Ausführung derjenigen Arbeiten, die erforderlich seien, um eine mangelfreie Verfugung der Fassade herzustellen. Diese Arbeiten wiederum habe die Klägerin nur Zug um Zug gegen Zahlung eines Zuschusses in Höhe von 56.188,80 € seitens der Beklagten durchzuführen. In Höhe eines Teilbetrags von 38.000 € - nur dieser ist in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beruhe dies darauf, dass die Beklagte den Mangel der Fassade mitverursacht habe. Auf Betreiben des Streithelfers sei von dem ursprünglichen Vorschlag der Klägerin abgewichen worden, 8 mm breite Profile zu verwenden und entsprechende Fugen herzustellen. Dem Streithelfer, der selbst Herstellerinformationen eingeholt habe, habe nicht verborgen geblieben sein können, dass mit dem letztlich eingeschlagenen Weg eine Sonderkonstruktion unter Verzicht auf die herstellerseitigen Profile mit Klemmfeldern gewählt worden sei. Dies sei der Beklagten zuzurechnen, weshalb sie mit einer Quote von 1/3 an den Mängelbeseitigungskosten zu beteiligen sei.

II. Revision der Klägerin

13

Das Berufungsurteil hält, soweit die Berufung in Höhe eines Betrags von 25.104,53 € zurückgewiesen worden ist, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

14

Die Beklagte war nicht berechtigt, die Schlussrechnung um einen Sicherheitseinbehalt in Höhe von 5 % der Bruttoauftragssumme zu kürzen, da die Klausel gemäß Nr. 12 des Vertrags nach § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam ist.

15

1. Bei der Bestimmung gemäß Nr. 12 des Vertrags handelt es sich, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, um von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 Abs. 1 AGBG.

16

2. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bestellers, die - wie hier - vorsieht, dass der Unternehmer einen Gewährleistungssicherheitseinbehalt von 5 % der Auftragssumme nur gegen Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern ablösen kann, den Unternehmer unangemessen benachteiligt (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2007 - VII ZR 210/06, BauR 2007, 1575, 1576 = NZBau 2007, 583; Urteil vom 9. Dezember 2004 - VII ZR 265/03, BauR 2005, 539, 540 f. = NZBau 2005, 219; jeweils m.w.N.).

17

Fehlerhaft ist jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Sicherungsabrede könne im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB dahin ausgelegt werden, der Sicherheitseinbehalt sei durch eine einfache unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft ablösbar. Das widerspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2004 - VII ZR 265/03, BauR 2005, 539, 541 f. = NZBau 2005, 219; Urteil vom 22. November 2001 - VII ZR 208/00, BauR 2002, 463, 465 = NZBau 2002, 151; Urteil vom 8. März 2001 - IX ZR 236/00, BGHZ 147, 99, 105 f.), von der abzuweichen kein Anlass besteht.

18

Das Berufungsgericht hat insoweit irrtümlich die Rechtsprechung zur Verpflichtung des Unternehmers, eine Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen, angewendet (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - VII ZR 502/99, BGHZ 151, 229, 235 f.). Diese findet jedoch auf Vereinbarungen über Gewährleistungseinbehalte und deren Ablösung keine Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2004 - VII ZR 265/03, BauR 2005, 539, 542 = NZBau 2005, 219; Urteil vom 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08, BGHZ 181, 278 Rn. 35 ff.).

III. Anschlussrevision der Beklagten

19

1. Die Anschlussrevision ist zulässig.

20

Der aufgrund der akzessorischen Natur erforderliche unmittelbare rechtliche oder wirtschaftliche Zusammenhang mit dem Gegenstand der Revision (vgl. BGH, Urteile vom 21. Februar 2014 - V ZR 164/13, NJW 2014, 1447 Rn. 31 - in BGHZ 200, 221 insoweit nicht abgedruckt; vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 38 ff. m.w.N.) ist gegeben. Die Anschlussrevision betrifft einen Mängelbeseitigungsanspruch, der aus demselben Werkvertrag wie der von der Klägerin weiterverfolgte Restvergütungsanspruch resultiert und zudem mit diesem über die von Seiten der Beklagten erhobene Einrede des nicht erfüllten Vertrags prozessual verknüpft ist.

21

2. Die Anschlussrevision ist unbegründet.

22

Ohne Erfolg wendet sich die Anschlussrevision dagegen, dass das Berufungsgericht eine Mitverantwortung der Beklagten für den Mangel der Fassade angenommen und im Wege einer doppelten Zug-um-Zug-Verurteilung eine Beteiligung der Beklagten an den Mängelbeseitigungskosten in Höhe eines Betrags von 38.000 € ausgeurteilt hat.

23

a) Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass sich die Beklagte im Rahmen des geltend gemachten Mängelbeseitigungsanspruchs das Planungsverschulden des Streithelfers gemäß § 254 Abs. 2 Satz 2, § 278 BGB zurechnen lassen muss.

24

(1) Ein auf Seiten des Bestellers mitwirkendes Verschulden ist gemäß §§ 254, 242 BGB auch gegenüber einem ein Verschulden nicht erfordernden Anspruch auf Mängelbeseitigung gemäß § 633 BGB zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 1984 - VII ZR 50/82, BauR 1984, 395, 397 f. in BGHZ 90, 344 insoweit nicht abgedruckt). Dem Besteller obliegt es grundsätzlich, dem Unternehmer zuverlässige Pläne und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Bedient er sich für die ihm obliegenden Planungsaufgaben eines Architekten, ist dieser sein Erfüllungsgehilfe im Verhältnis zum Bauunternehmer, so dass der Besteller für das Verschulden des Architekten einstehen muss (BGH, Urteil vom 27. November 2008 - VII ZR 206/06, BGHZ 179, 55 Rn. 33 ff. m.w.N.; BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 - VII ZR 328/03, BauR 2005, 1016, 1018 = NZBau 2005, 400). Ein schuldhaftes Verhalten des mit der Planung beauftragten Architekten ist dem Besteller gemäß § 278 BGB zuzurechnen, wenn dieser im Laufe der Bauausführung fehlerhafte Anordnungen erteilt, aufgrund derer von der ursprünglichen Planung abgewichen werden soll (BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 - VII ZR 328/03, BauR 2005, 1016, 1018 = NZBau 2005, 400). Einer solchen Anordnung steht es gleich, wenn der Architekt zwar nicht einseitig eine Planungsänderung vorgibt, eine solche jedoch auf sein Betreiben hin einvernehmlich zwischen Besteller und Unternehmer vereinbart wird und der Architekt hinsichtlich dieser Änderung die Planungsverantwortung übernimmt. In einem solchen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Unternehmer einen Änderungsvorschlag unterbreitet hat.

25

(2) So liegt der Fall hier. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben sich die Parteien auf maßgebliches Betreiben der Beklagten und des Streithelfers darauf geeinigt, die Breite der Vertikalfugen abweichend von der ursprünglichen Planung auf 2 bis 3 mm zu reduzieren und nur in jeder dritten Vertikalfuge Haltewinkel anzubringen. Dadurch sollte einem Wunsch der Beklagten Rechnung getragen werden, das Gebäude schmaler erscheinen zu lassen. Für diese Planungsänderung hatte der Streithelfer die Planungsverantwortung übernommen. Ihm war als planendem Architekten nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Bauvertrag, Ziffer 22.4.1 des Leistungsverzeichnisses, die Genehmigung der Ausführungsdetails vorbehalten. Zudem war der Klägerin eine stete Abstimmung des Planungsgrades mit dem Streithelfer vorgegeben. Die Planungsverantwortung des Streithelfers sollte demnach sämtliche nachträglichen Planungsänderungen umfassen, mithin auch die zwischen den Parteien vereinbarte Reduzierung der Fugenbreite unter teilweisem Verzicht auf die herstellerseits vorgesehenen Haltewinkel. Dementsprechend hat sich der Streithelfer die Planungsänderung bezüglich der Fugenausführung zu Eigen gemacht und diese maßgeblich verantwortlich mitgetragen. Das zeigt sich nicht nur daran, dass die Planungsänderung auf sein Betreiben vereinbart worden ist, sondern auch daran, dass er - wie das Berufungsgericht festgestellt hat - bereits im Vorfeld eine beträchtliche Eigeninitiative entwickelt und Erkundigungen sowohl bei der Klägerin als auch bei dem Hersteller bezüglich der Realisierbarkeit des Wunsches der Beklagten auf schmalere Vertikalfugen eingeholt hatte.

26

b) Entgegen der Ansicht der Anschlussrevision weist das Berufungsurteil auch keinen Begründungsmangel auf. Das Berufungsgericht habe, so meint die Anschlussrevision, eine Verschuldenszurechnung nach § 278 BGB vorgenommen, ohne die Vorschrift angeführt und ohne die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen geprüft zu haben. Mit diesem Vorbringen vermag die Revision einen Begründungsmangel nach § 547 Nr. 6 ZPO nicht aufzuzeigen. Ein solcher liegt nur dann vor, wenn das Urteil entweder gar nicht begründet ist oder die Gründe für alle oder einzeln geltend gemachte Ansprüche oder Angriffs- oder Verteidigungsmittel fehlen. Eine bloße Unvollständigkeit der Begründung füllt die Bestimmung hingegen nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2002 - X ZR 29/00, juris Rn. 40). Eine solche bloße Unvollständigkeit liegt vor, wenn im Urteil nicht sämtliche Voraussetzungen einer angewendeten Norm erörtert werden oder die angewendete Norm nicht ausdrücklich bezeichnet wird.

27

So verhält es sich hier. Das Berufungsurteil nennt die Vorschrift des § 278 BGB zwar nicht, es geht jedoch ausführlich auf die einvernehmliche Planabweichung, das diese betreffende Verhalten des Streithelfers und den ihm insoweit zugewiesenen Aufgabenbereich ein.

28

c) Nicht zu beanstanden ist schließlich die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge. Diese ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann lediglich prüfen, ob sämtliche in Betracht kommenden Umstände berücksichtigt und keine rechtsirrtümlichen Erwägungen angestellt worden sind (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - VII ZR 198/10, BauR 2012, 494 Rn. 16 = NZBau 2012, 104; Urteil vom 24. Februar 2005 - VII ZR 328/03, BauR 2005, 1016, 1018 = NZBau 2005, 400).

29

Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil. Das Berufungsgericht hat in seine Abwägung einerseits die mangelhafte Bauausführung durch die Klägerin und andererseits die in der Planungsänderung liegende Obliegenheitsverletzung der Beklagten eingestellt. Bei der Gewichtung der Verursachungsbeiträge hat es hinreichend berücksichtigt, dass die Klägerin als Unternehmerin eine Ursache für die Mängel gesetzt und die Planungsänderung ohne Bedenkenhinweis umgesetzt hat. Den Verursachungsanteil der Klägerin mit einer Quote von 2/3 zu gewichten, ist vor diesem Hintergrund revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

IV.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.

Kniffka     

        

Kniffka

        

Kartzke

                 

RiBGH Halfmeier ist urlaubsbedingt
gehindert zu unterschreiben

                 
        

Jurgeleit     

        

     Graßnack     

        
6
I. Revision und Anschlussrevision sind in zulässiger Weise eingelegt. Der Zulässigkeit der Anschlussrevision steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die Revision nur für die Beklagte zugelassen hat. Denn die Anschlussrevision ist auch dann statthaft, wenn die Revision für den Revisionsbeklagten nicht zugelassen worden ist, sofern mit der Anschlussrevision ein Anspruch zur Überprüfung gestellt wird, der mit dem Streitgegenstand der Hauptrevision jedenfalls in unmittelbarem rechtlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang steht (BGHZ 155, 189, 191 f.; BGH, Urt. v. 30.9.2003 - XI ZR 232/02, WM 2003, 2286, 2287). Das ist hier der Fall, da die Anschlussrevision ebenso wie die Hauptrevision eine Klausel über den Gepäcktransport in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen der beklagten Luftverkehrsgesellschaft betrifft.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

8
b) Ohne Erfolg macht die Revision ferner geltend, die tatrichterliche Würdigung verstoße gegen § 286 ZPO. Das Revisionsgericht hat diese lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie den Sachvortrag und die Beweisergebnisse vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteil vom 22. November 2006 - IV ZR 21/05, VersR 2007, 1429 Rn. 11). Revisionsgerichtlich nachprüfbar ist weiter, ob der Tatrichter seine Anforderungen an den Grad der richterlichen Überzeugungsbildung überspannt hat. Ferner muss das Urteil im Fall des Indizienbeweises die erforderliche zusammenfassende Würdigung und Gesamtschau erkennen lassen. Hier hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass die Zeugin S. nur den Kläger nach dem Unfall an dem Fahrzeug sah, als er mit Bettzeug hantierte und telefonierte. Ferner bemerkte sie, dass der Kläger sich noch einmal in das Fahrzeug setzte und vergeblich versuchte, den Motor zu starten, bevor er sich vom Fahrzeug entfernte. Irgendwelche anderen Personen in unmittelbarer Nähe des verunfallten Fahrzeugs sind weder von der Zeugin S. noch von den übrigen Zeugen wahrgenommen worden.