Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2015 - IV ZR 433/14

bei uns veröffentlicht am14.01.2015
vorgehend
Landgericht Köln, 26 O 61/11, 14.12.2011
Oberlandesgericht Köln, 20 U 2/12, 20.04.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR433/14 Verkündet am:
14. Januar 2015
Heinekamp
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller im schriftlichen
Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum
7. Januar 2015

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerseite gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 20. April 2012 wird als unzulässig verworfen, soweit der Anspruch nicht auf den gemäß § 5a VVG a.F. erklärten Widerspruch gestützt ist.
Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsurteil auf die Revision aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 11.288,05 € festgesetzt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerseite (Versicherungsnehmer/in: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung.
2
Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Vertragsbeginn zum 1. Mai 1999 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der bei Antragstellung gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Im Juli 2009 kündigte d. VN den Vertrag und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 19. Januar 2011 erklärte d. VN schließlich den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.
3
Mit der Klage verlangt d. VN insbesondere Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.
4
Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können. Außerdem sei der Versicherer wegen unzureichender Aufklärung über die Abschlusskosten zum Schadensersatz verpflichtet.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter (insgesamt 11.288,05 €).

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision ist bezüglich eines Schadensersatzanspruchs als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7
A. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe zwar nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt. Der Vertrag sei aber gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden. Auch ein Anspruch auf Schadensersatz bestehe nicht.
8
B. Die Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht zulässig.
9
Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 VVG a.F. für unwirksam erachtet hat.
10
Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage zugelassen, ob § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. den Regelungen der Europäischen Union entspricht. Diese Beschränkung der Revisionszulassung ist den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils deutlich zu entnehmen und sie ist wirksam (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, VersR 2014, 817, 818 Rn. 11; für BGHZ vorgesehen). Der dem Bereicherungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht den Schadensersatzanspruch im Übrigen auch zu Recht nicht zuerkannt. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat bereits entschieden, dass die Rechtsprechung zu den Aufklärungspflichten einer anlageberatend tätigen Bank über Innenprovisionen und von ihr vereinnahmter Rückvergütungen nur in Fällen einer Kapitalanlageberatung durch die Bank gilt (BGH, Urteile vom 29. November 2011 - XI ZR 220/10, NJW-RR 2012, 416, 420 Rn. 39 und vom 1. Juli 2014 - XI ZR 247/12, WM 2014, 1621, 1623 Rn. 19 ff.).
11
C. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet.
12
I. Der Anspruch auf Prämienrückzahlung folgt dem Grunde nach aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.
13
1. Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.
14
a) Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte der Versicherer d. VN nicht ordnungs- gemäß i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.
15
Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
16
Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, VersR 2014, 817 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. VN - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
17
b) Die Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).

18
c) Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 5. Januar 2015 darauf hingewiesen hat, dass es sich hier um eine fondsgebundene Lebensversicherung handelt, rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 2014 - IV ZR 260/11, Rn. 31-33; zur Veröffentlichung bestimmt).
19
2. Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).
20
II. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).
21
Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46).
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 14.12.2011- 26 O 61/11 -
OLG Köln, Entscheidung vom 20.04.2012 - 20 U 2/12 -

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Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 128 Grundsatz der Mündlichkeit; schriftliches Verfahren


(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich. (2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche V

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(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich.

(2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind.

(3) Ist nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(4) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

11
B. Die unbeschränkt eingelegte Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht zulässig. Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht ein Widerspruchsrecht des Klägers und einen daraus abgeleiteten Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint hat. Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage, ob die Vorschriften des § 5a VVG a.F. den Regelungen der Europäischen Union entsprechen , zugelassen. Diese im Tenor und in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam. Es geht nicht um eine - unzulässige - Beschränkung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen. Die zum Anlass für die Zulassung genommene Frage betrifft einen tatsächlich und rechtlich selbständigen , abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 17. September 2008 - IV ZR 191/05, VersR 2008, 1524 Rn. 7; BGH, Urteile vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 9; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5; jeweils m.w.N.). Der dem Bereicherungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für die Schadensersatzforderung maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Der - auf Vertragsaufhebung und Rückzahlung der Prämien gerichtete - Anspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung, über den das Berufungsgericht entschieden hat, bestünde ungeachtet der Entscheidung zum Zustandekommen des Vertrags nach § 5a VVG a.F. und konnte daher von der Zulassung ausgenommen werden.
39
b) Auf die vom Berufungsgericht zur Begründung der Revisionszulassung formulierte Frage, ob sich aus der Senatsrechtsprechung zu den Aufklärungspflichten einer anlageberatend tätigen Bank über Innenprovisionen und von ihr vereinnahmte Rückvergütungen (Senatsurteile vom 19. Dezember 2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 Rn. 22 f., vom 25. September 2007 - XI ZR 320/06, BKR 2008, 199 Rn. 11 ff. und vom 27. Oktober 2009 - XI ZR 338/08, WM 2009, 2306 Rn. 31 sowie Senatsbeschlüsse vom 20. Januar 2009 - XI ZR 510/07, WM 2009, 405 Rn. 12 f., vom 29. Juni 2010 - XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 5 ff. und vom 9. März 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 22 ff., jeweils mwN) auch in Fällen der vorliegenden Art eine Aufklärungspflicht der Bank ergibt, kommt es danach nicht an. Zu Recht hat das Berufungsgericht diese Rechtsprechung aber im Übrigen auch nicht auf einen Sachverhalt wieden vorliegenden übertragen. Sie gilt nur in Fällen einer Kapitalanlageberatung durch die Bank. Im Streitfall fehlt es aber nach den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts bereits an einem Beratungsvertrag und darüber hinaus auch an einer Kapitalanlageberatung.
19
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Aufklärung über die empfangene Vermittlungsprovision, da die Rechtsprechung des Senats zur Pflicht der Bank, auf Rückvergütungen hinzuweisen, eine - hier nicht vorliegende - Kapitalanlageberatung voraussetzt, die Provision für die Vermittlung einer Lebensversicherung ohnehin keine Rückvergütung nach diesen Grundsätzen darstellt und solche Provisionen offensichtlich und folglich nicht aufklärungsbedürftig sind.
11
B. Die unbeschränkt eingelegte Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht zulässig. Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht ein Widerspruchsrecht des Klägers und einen daraus abgeleiteten Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint hat. Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage, ob die Vorschriften des § 5a VVG a.F. den Regelungen der Europäischen Union entsprechen , zugelassen. Diese im Tenor und in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam. Es geht nicht um eine - unzulässige - Beschränkung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen. Die zum Anlass für die Zulassung genommene Frage betrifft einen tatsächlich und rechtlich selbständigen , abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 17. September 2008 - IV ZR 191/05, VersR 2008, 1524 Rn. 7; BGH, Urteile vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 9; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5; jeweils m.w.N.). Der dem Bereicherungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für die Schadensersatzforderung maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Der - auf Vertragsaufhebung und Rückzahlung der Prämien gerichtete - Anspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung, über den das Berufungsgericht entschieden hat, bestünde ungeachtet der Entscheidung zum Zustandekommen des Vertrags nach § 5a VVG a.F. und konnte daher von der Zulassung ausgenommen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR260/11 Verkündet am:
17. Dezember 2014
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VVG a. F. (Fassung vom 21. Juli 1994, gültig vom 29. Juli 1994 bis zum 7. Dezember
2004), § 8 Abs. 5 Satz 4; EWGRL 619/90 Art. 15 Abs. 1 Satz 1; EWGRL 96/92 Art.
31 Abs. 1
Die in § 8 Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. getroffene Regelung, nach welcher
auch bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung des Versicherungsnehmers über
sein jeweiliges Lösungsrecht dieses einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie
erlischt, ist richtlinienkonform einschränkend dahin auszulegen, dass sie im Bereich
der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherung zur Lebensversicherung
nicht anwendbar ist, hingegen auf die übrigen von § 8 VVG a.F. erfassten
Versicherungsarten uneingeschränkt Anwendung findet (Fortführung von BGH, Urteil
vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101).
BGH, Urteil vom 17. Dezember 2014 - IV ZR 260/11 - LG Braunschweig
AG Braunschweig
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski auf die mündliche
Verhandlung vom 3. Dezember 2014

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 11. November 2011 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin begehrt von dem beklagten Versicherer Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einerRentenversicherung.
2
Diese wurde mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 2000 abgeschlossen. Die Belehrung über das Recht zum Rücktritt bzw. Widerruf befand sich am Ende des Antragsformulars innerhalb eines insgesamt im Fettdruck gehaltenen, mit "Wichtige Hinweise" überschriebenen Textblockes zwischen Hinweisen zur Schweigepflichtentbindung und Datenverarbeitung und einem Verweis auf die auf der Folgeseite abgedruckten Hinweise und Erklärungen zur Unfallversicherung.

3
Im Oktober 2005 kündigte die Klägerin den Vertrag, und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 erklärte sie schließlich den Widerspruch "gemäß § 5a VVG a.F."
4
Mit ihrer Klage verlangt sie die Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst 7% Zinsen als Ausgleich für aus den Prämien gezogene Nutzungen. Abzüglich des bereits ausgezahlten Rückkaufswerts hat sie daraus einen Betrag von insgesamt 4.582,84 € errechnet, den die Beklagte in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Vertragsbeginn zu verzinsen habe.
5
Nach ihrer Auffassung war die erteilte Belehrung drucktechnisch nicht hinreichend hervorgehoben. Hinzu kämen inhaltliche Defizite. Dies führe zu einem zeitlich unbeschränkten Widerspruchsrecht, da die gesetzlich vorgesehene zeitliche Begrenzung Unionsrecht widerspreche.
6
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


7
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8
I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus § 812 BGB oder einem anderen Rechtsgrund verneint. Offen lassend, ob wegen Vertragsschlusses nach dem Antragsmodell die Voraussetzungen des § 5a VVG a.F. vorliegen, geht das Berufungsgericht davon aus, die Klägerin sei ordnungsgemäß belehrt worden und habe sowohl die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1, 2 VVG a.F. als auch die Rücktrittsfrist des § 8 Abs. 5 VVG a.F., überdies die Fristen aus § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. und § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. versäumt.
9
II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10
Anders als das Berufungsgericht meint, folgt der Anspruch auf Prämienrückzahlung dem Grunde nach aus § 346 Abs. 1 BGB.
11
1. Entgegen der Revisionserwiderung ist der Rechtsstreit nicht bereits zur Beantwortung der Frage an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , ob der Versicherungsnehmerin das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. - und damit eine Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB - oder das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG (in der vom 29. Juli 1994 bis 7. Dezember 2004 geltenden Fassung vom 21. Juli 1994 - im Folgenden: a.F.) - und damit eine Rückabwicklung nach den §§ 346 ff. BGB (K. Johannsen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts -Handbuch 2. Aufl. § 8 Rn. 56) - offen steht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Vertragsschluss nach dem Antragsmodell erfolgte , was dem bisherigen Vortrag der Beklagten entsprach und von der Klägerin im Revisionsverfahren hingenommen wird. § 8 Abs. 6 VVG a.F. stellt für solche Fälle das Verhältnis zwischen § 5a Abs. 1 VVG a.F. und § 8 Abs. 4 und 5 VVG a.F. klar. Danach findet hier § 8 Abs. 5 VVG a.F. Anwendung, weil ein Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell nicht erfolgt und damit das Widerspruchsrecht aus § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. nicht eröffnet ist.
12
2. Infolge der Ausübung des Rücktrittsrechts aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. durch die Klägerin sind nach § 346 Abs. 1 BGB die empfangenen Leistungen dem Grunde nach zurück zu gewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
13
a) Die mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 abgegebene Erklärung der Klägerin ist ungeachtet ihrer Bezeichnung als Widerspruch "gemäß § 5a VVG a.F." als Rücktrittserklärung nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. auszulegen. Entscheidend ist, dass darin der unbedingte Wille zum Ausdruck kommt, sich rückwirkend vom Vertrag lösen und die Rückzahlung sämtlicher Prämien geltend machen zu wollen. Die Auslegung dieser Erklärung kann der Senat selbst vornehmen, da die Aufklärung weiterer relevanter Umstände nicht zu erwarten ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96, NJW 1998, 1219 unter II 3 m.w.N.; MünchKomm-ZPO/Krüger, 4. Aufl. § 546 Rn. 10).
14
b) Der Rücktritt ist rechtzeitig erklärt, obwohl zum Zeitpunkt der Erklärung die in § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. normierte Monatsfrist abgelaufen war.
15
aa) Nach dem durch Bezugnahme auf die Vertragsunterlagen festgestellten Sachverhalt, der weitere Feststellungen nicht erwarten lässt, wurde die Klägerin nicht ordnungsgemäß i.S. von § 8 Abs. 5Satz 3 VVG a.F. belehrt. Soweit das Berufungsgericht von einer "ordnungsgemäßen Belehrung" ausgeht, verhält es sich nur zum Zugang, nicht aber zur Form derselben.
16
Die im Antragsformular enthaltene Belehrung war nicht ausreichend drucktechnisch hervorgehoben und konnte deshalb die Rücktrittsfrist des § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. nicht wirksam in Lauf setzen (vgl. § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F.). Zwar war eine drucktechnische Hervorhebung der Belehrung vom Wortlaut des § 8 Abs. 5 VVG a.F. (wie auch des § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung) nicht ausdrücklich vorausgesetzt. Der Senat hat aber bereits zu § 8 Abs. 4 VVG a.F. klargestellt, dass die Belehrung zur Erreichung ihres gesetzlichen Zweckes inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss. Das erfordert eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 14 m.w.N.).
17
Die der Klägerin gegebene Belehrung genügt diesen Anforderungen nicht. Sie ist inmitten eines Textblockes abgedruckt, der weitere Informationen , unter anderem über die Ermächtigung zur Entbindung von der Schweigepflicht, zur Datenverarbeitung und zum Widerspruch in der Unfallversicherung, enthält. Innerhalb dieses Textblockes ist der Hinweis auf das Rücktrittsrecht in keiner Weise drucktechnisch hervorgehoben. Der gesamte Textblock ist vielmehr fettgedruckt. Weder der Fettdruck noch die Stellung der Belehrung im Antragsformular reichen daher aus, um eine Kenntnisnahme des Versicherungsnehmers hiervon zu gewährleisten (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12 aaO Rn. 15).

18
Schon wegen dieses Formmangels der Belehrung konnte die Rücktrittsfrist nach § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. nicht zu laufen beginnen. Darauf, ob - wie die Revision rügt - die Belehrung darüber hinaus auch an inhaltlichen Defiziten litt, kommt es insoweit nicht mehr an.
19
bb) Der Wirksamkeit der Rücktrittserklärung steht auch nicht der Ablauf der für einen solchen Fall bestimmten Frist aus § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. entgegen, nach welcher das Rücktrittsrecht bei unterbliebener Belehrung jedenfalls einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Diese Befristung ist unwirksam. Das Rücktrittsrecht der Klägerin bestand mithin noch im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fort.
20
Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 8 VVG a.F. entsprechend den im Senatsurteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101) dargelegten Grundsätzen.
21
(1) In dieser Entscheidung hat der Senat die Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Rahmen einer gespaltenen Auslegung (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 28) richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert, dass sie im Anwendungsbereich der Richtlinie 90/619/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) und der Richtlinie 92/96/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebensund Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht unbefristet fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat (im Einzelnen dazu Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 22-34).
22
(2) Für das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. kann nichts anderes gelten. Es macht keinen Unterschied, dass die Anwendung des § 8 Abs. 5 VVG a.F. einen Vertragsschluss nach dem Antragsmodell, d.h. eine Übergabe der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen bereits bei Antragstellung voraussetzt. Entscheidend ist allein , dass die Befristung des Rücktrittsrechts bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Recht zum Rücktritt im Ergebnis zu einer vertraglichen Bindung führen könnte, ohne dass dem Versicherungsnehmer die Rücktrittsmöglichkeit ordnungsgemäß zur Kenntnis gebracht wäre. Diese Gefahr wird durch die Frist des § 8 Abs. 5 VVG a.F. gegenüber der vom Senat (aaO) beanstandeten Frist in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. noch dadurch verschärft, dass das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. nicht erst ein Jahr, sondern bereits einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen sollte. Für die von der Beklagten angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bestand kein Anlass, die Frage ist durch dessen Urteil vom 19. Dezember 2013 (EuGH, VersR 2014, 225) hinreichend geklärt.
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(3) Anders als die Beklagte - zuletzt mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2014 - geltend gemacht hat, ergeben sich gegen eine Übertragung der vorgenannten Grundsätze auf die Regelung des § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG keine durchgreifenden Bedenken daraus, dass die richtlinienkonforme Auslegung hier zum Wegfall dieser Befristung und damit zur vollständigen Aufhebung der in § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. getroffenen Regelung führt. Diese war lediglich ein für Lebensversicherungsverträge geltender Teil einer für alle Versicherungsverträge angeordneten Befristung des Rechts des Versicherungsnehmers, sich von der vertraglichen Bindung zu lösen.
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§ 8 VVG a.F. erfasste alle nicht im Policenmodell geschlossenen Versicherungsverträge und regelte die insoweit bestehenden Lösungsrechte des Versicherungsnehmers - das Recht zum Rücktritt von Lebensversicherungsverträgen (§ 8 Abs. 5 VVG a.F.) und das Recht zum Widerruf sonstiger Versicherungsverträge (§ 8 Abs. 4 VVG a.F.). Für alle diese Verträge sah § 8 VVG a.F. vor, dass das jeweilige Lösungsrecht eines nicht ordnungsgemäß darüber belehrten Versicherungsnehmers einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen sollte. Einer solchen Frist stehen indes die vorgenannten Lebensversicherungsrichtlinien bei Versicherungsverträgen entgegen, die dem Anwendungsbereich dieser Richtlinien unterfallen. Eine richtlinienkonforme teleologische Reduktion ist hier insoweit möglich, als die Monatsfrist für den Rücktritt von Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht angewendet wird, jedoch bei sämtlichen anderen Versicherungsverträgen weiter gilt.
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An einer solchen gespaltenen Auslegung ist der Senat nicht dadurch gehindert, dass § 8 Abs. 5 VVG a.F. bei isolierter Betrachtung nur für im Antragsmodell geschlossene Lebensversicherungsverträge galt. Die Vorschrift ist vielmehr im Zusammenhang mit § 8 Abs. 4 VVG a.F. zu sehen.
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Die frühere Fassung des § 8 Abs. 4 VVG vom 17. Dezember 1990 (gültig vom 1. Januar 1991 bis 28. Juli 1994) erfasste alle Versicherungsverträge und enthielt noch keine von der Erteilung der Belehrung unabhängige Befristung des Widerrufsrechts. Durch Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung, der für die Lebensversicherung ein zwischen 14 und 30 Tagen zu bemessendes Rücktrittsrecht vorsah, wurde der Gesetzgeber zu einer Neuregelung veranlasst, die in Ansehung des Rechts des Versicherungsnehmers, sich vom Vertrag zu lösen, zwischen Lebensversicherungsverträgen und sonstigen Versicherungen unterschied. Da der Gesetzgeber eine kumulative Begründung von W iderrufs - und Rücktrittsrecht in der Lebensversicherung sachlich weder für geboten noch vertretbar hielt, nahm er die Lebensversicherung aus dem Anwendungsbereich des Widerrufsrechts heraus und sah in § 8 Abs. 5 VVG a.F. zur Umsetzung der Vorgabe aus Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie (BT-Drucks. 12/6959 S. 101) ein Rücktrittsrecht vor. Mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG, das vor allem auch der Umsetzung der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie diente (BT-Drucks. 12/6959 S. 1), wurden wortgleich die beiden Ausschlussfristen in § 8 Abs. 4 Satz 4 und § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG eingeführt (BT-Drucks. 12/6959 S. 34 f.). Sie bilden hinsichtlich der von der Erteilung einer Belehrung unabhängigen Ausschlussfrist eine für alle Versicherungsverträge einheitliche Regelung. Wie die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 12/6959 S. 101) hervorhebt, wurden "aus Gründen praktischer Vernunft … zur Vermeidung von Missverständnissenund zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit bei den Versicherungsnehmern für das Widerrufs- und das Rücktrittsrecht gleiche Fristen vorgesehen". Mithin beabsichtigte der Gesetzgeber eine einheitliche, von der Erteilung einer Belehrung unabhängige Befristung des Lösungsrechts, die für alle im Antragsmodell geschlossenen Versicherungsverträge gelten sollte. Daran ändert nichts, dass aus redaktionellen Gründen hinsichtlich der Befristung gleichlautende Bestimmungen als § 8 Abs. 4 Satz 4 und § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. eingefügt wurden.
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Die zulässige richtlinienkonforme teleologische Reduktion führt im Ergebnis zu einer gespaltenen Auslegung dieser umfassenden Befristung dergestalt, dass sie nur insoweit korrigiert wird, als sie mit den Anforderungen der vorgenannten Richtlinien nicht übereinstimmt, und im überschießenden - nicht europarechtlich determinierten - Teil unverändert bleibt (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 28).
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c) Die vorangegangene Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Rücktritt nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Rücktrittsrechts infolge beiderseits vollständiger Leistungserbringung (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 25 ff.) kommt hier ebenfalls nicht in Betracht, da eine analoge Anwendung der Regelungen aus § 7 Abs. 2 VerbrKrG, § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze bereits zum Zeitpunkt der Abwicklung des Vertrages im Jahre 2005 nicht mehr möglich ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).
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Auch der von der Beklagten erhobene Verwirkungseinwand greift nicht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 39).
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3. Die Rücktrittsfolgen sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang der Rücktrittserklärung (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).
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4. Ohne Erfolg hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung und mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2014 darauf berufen, der Ausübung des Rücktrittsrechts stehe eine analoge Anwendung des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. entgegen, der das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen für bestimmte Finanzdienstleistungen ausschließt, zu denen nach Auffassung der Beklagten auch fondsgebundene Rentenversicherungen zählen.
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Der früher in § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F., nunmehr in § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BGB geregelte Ausschluss des Widerrufsrechts (BTDrucks. 17/12637 S. 56) wurde eingefügt durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 und trat am 8. Dezember 2004 in Kraft. Darin wurde die so genannte Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (2002/65/EG, ABl. L 271, S. 16) umgesetzt.
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Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Regelung auch für das in § 8 Abs. 5 VVG a.F. geregelte Rücktrittsrecht und den hier in Rede stehenden Versicherungsvertrag Geltung beansprucht, denn eine - auch analoge - Anwendung kommt unabhängig vom Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil der zeitliche Geltungsbereich der Norm nicht eröffnet ist. Der Rentenversicherungsvertrag wurde bereits im Jahre 2000 geschlossen. Nach Art. 229 § 11 Abs. 1 Satz 1 EGBGB findet auf bis zum Ablauf des 7. Dezember 2004 entstandene Schuldverhältnisse das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung Anwendung.
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5. Die Abweisung der Klage erweist sich auch nicht deshalb als richtig, weil die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgriffe. Wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat, ist der Anspruch der Klägerin aus § 346 Abs. 1 BGB nicht ver- jährt. Auch wenn Gestaltungsrechte nicht verjähren, so kann ihre Ausübung Rückabwicklungsansprüche begründen, die der Verjährung unterliegen (Palandt/Ellenberger, BGB 73. Aufl. § 194 Rn. 4). Der Rückgewähranspruch entsteht mit dem wirksam erklärten Rücktritt (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2006 - VIII ZR 3/06, BGHZ 170, 31 Rn. 37; MünchKomm-BGB/Gaier, 6. Aufl. § 346 Rn. 32; Soergel/Lobinger, BGB 13. Aufl. § 346 Rn. 60; Staudinger/Kaiser, BGB Bearb. 2012 § 346 Rn. 305). Die Klägerin erklärte den Rücktritt - wie bereits dargelegt - mit Schreiben vom 3. Dezember 2009. Die Verjährungsfrist des § 195 BGB war daher bei Erhebung der Klage im Jahre 2010 in keinem Falle abgelaufen.
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III. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif, weil sich das Berufungsgericht - aus seiner Sicht konsequent - bislang nicht mit der Höhe der nach § 346 Abs. 1 BGB zurück zu gewährenden Leistungen und Nutzungszinsen befasst hat.
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Insoweit wird es zu berücksichtigen haben, dass im Rahmen einer - wie hier - gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm bei der Regelung der Rechtsfolgen nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden darf. Dies hat der Senat zu § 5a VVG a.F. entschieden (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 aaO Rn. 45). So ist es auch im Streitfall, in dem die Befristung des Rechts des nicht ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmers , sich vom Vertrag zu lösen, - ebenso wie es im Falle des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. war - im Anwendungsbereich der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung mit Rücksicht auf die gebotene richtlinienkonforme teleologische Reduktion unanwendbar ist. Eine einschränkungslose , allein unter dem national-rechtlichen Blickwinkel betrachtete , Ausgestaltung des Rücktrittsrechts auf der Rechtsfolgenseite wäre auch hier nicht sachgerecht.
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Daher ist auch insoweit als Folge der gebotenen gemeinschaftskonformen Auslegung einer Beachtung der beiderseitigen Interessen Rechnung zu tragen. Ebenso wie in dem vom Senat am 7. Mai 2014 entschiedenen Fall hat die Versicherungsnehmerin im Streitfall während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen, und es ist auch hier davon auszugehen, dass dieser im Versicherungsfall in Anspruch genommen worden wäre. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien auch hier zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten. Vielmehr muss sich die Klägerin bei entsprechendem Vortrag des beklagten Versicherers im Rahmen der Rückabwicklung nach § 346 BGB einen Wertersatz für den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den sie jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossen hat. § 346 Abs. 2 Satz 1 BGB, mit dem der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen hat, nach welcher für die Rückabwicklung nach Rücktritts- und nach Bereicherungsrecht - soweit möglich - gleiche Prinzipien gelten sollten (BT-Drucks. 14/6040 S. 194 f.), lässt nach nationalem Recht einen solchen Wertersatz zu. Dabei kann in Fällen der vorliegenden Art - wie der Senat zu § 5a VVG a.F. bereits entschieden hat - der Wert des Versicherungs- schutzes unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden , wobei im Falle von Lebensversicherungen etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen kann (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45).
Mayen Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski

Vorinstanzen:
AG Braunschweig, Entscheidung vom 16.03.2011- 114 C 1621/10 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 11.11.2011- 7 S 157/11 -