Bundesgerichtshof Urteil, 18. Apr. 2012 - IV ZR 283/11

bei uns veröffentlicht am18.04.2012
vorgehend
Landgericht Rostock, 6 O 76/07, 05.05.2010
Oberlandesgericht Rostock, 5 U 90/10, 14.01.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 283/11 Verkündet am:
18. April 2012
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AVB Flusskasko-Versicherung (hier Nr. 6 b BB-Flusskasko)
Die so genannte Schwesterschiffklausel in Besonderen Bedingungen für die
Flusskaskoversicherung findet auch Anwendung, wenn die Schwesterschiffe
bei dem Schadenereignis als Schub- oder Koppelverband geführt wurden.
BGH, Urteil vom 18. April 2012 - IV ZR 283/11 - OLG Rostock
LG Rostock
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski auf die mündliche
Verhandlung vom 18. April 2012

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 14. Januar 2011 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Rostock vom 5. Mai 2010 in der Fassung des Beschlusses vom 23. Juni 2010 zurückgewiesen.
Von den Kosten der Rechtsmittelverfahren tragen die Beklagte zu 1 50%, die Beklagte zu 2 25%, die Beklagte zu 3 10% und die Beklagte zu 4 15%.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerinnen fordern von den beklagten Versicherern aus einer unter anderem für die Gütermotorschiffe (GMS) "Express 2" und "Express 6" sowie die Schubleichter (SL) "Express 21" und "Express 61" abgeschlossenen Kaskoversicherung Entschädigung für den Nutzungsausfall der beiden Schubleichter.

2
In dem für die Zeit vom 2. Juni 2001 bis 1. Juni 2002 unter Führung der Beklagten zu 1 geschlossenen Vertrag, dem die Allgemeinen Deutschen Seeversicherungsbedingungen (ADS) und Besondere Bedingungen für Flusskasko-Versicherungen (BB-Flusskasko) zugrunde liegen , haben die Beklagten zu 1 bis 4 in dieser Reihenfolge Haftungsquoten von 50, 25, 10 und 15% übernommen. In den BB-Flusskasko heißt es unter anderem: "2. Deckungsumfang Die Versicherer tragen im Rahmen der Bestimmungen der ADS. und dieser Police alle Gefahren, denen das Fahrzeug während der Dauer der Versicherung ausgesetzt ist, insbesondere Teilschäden, Totalverlust, Havarie-Grosse, Bergungskosten und Ersatz an Dritte durch nautisches Verschulden. … … 6. Ersatz an Dritte
a) An die Stelle von § 78 ADS. tritt folgende Regelung: aa) Der Versicherer leistet Ersatz für Schäden, die der Versicherungsnehmer dadurch erleidet, dass er aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen die einem Dritten verursachten Schäden zu ersetzen hat, die bei der Bewegung des Schiffes oder bei unmittelbar damit im Zusammenhang stehenden navigatorischen Maßnahmen entstanden sind. …
b) Für die Ersatzleistung des Versicherers in Fällen von Bergung, Hilfeleistung und Ersatzansprüchen Dritter werden Schiffe und Gegenstände im Eigentum des Versicherungsnehmers wie fremdes Eigentum behandelt" (so genannte Schwesterschiffklausel).
3
Jeweils durch Verschulden der Schiffsführer der Klägerinnen sank am 16. November 2001 auf dem Rhein der im Koppelungsverband mit dem GMS "Express 2" geführte SL "Express 21" und kollidierte der Koppelverband GMS "Express 6"/SL "Express 61" am 3. Januar 2002 auf dem Main mit dem GMS "W. " sowie am 7. Januar 2002 auf dem Rhein mit dem Tankmotorschiff (TMS) "A. ". Die hierdurch entstandenen Kaskoschäden regulierten die Beklagten.
4
Mit der Klage verlangen die Klägerinnen weitere Versicherungsleistungen wegen des infolge der Reparatur beider Schubleichter eingetretenen , der Höhe nach inzwischen unstreitigen Nutzungsausfallschadens von 57.981,36 €. Das Landgericht hat der Klage insoweit - bis auf einen geringen Teil des Zinsanspruches - stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision erstreben die Klägerinnen die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


5
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
6
I. Das Berufungsgericht meint, ein Anspruch der Klägerinnen auf Erstattung ihres Nutzungsausfallschadens ergebe sich nicht aus der so genannten Schwesterschiffklausel der Ziff. 6 b BB-Flusskasko. Sie schütze nur vor den Folgen einer Kollision. Zu einem Zusammenstoß der Schiffe der Klägerinnen untereinander sei es bei den drei Unfällen nicht gekommen. Die jeweils im Koppelungsverband geführten Schubboote und -leichter seien als "ein" Gegenstand zu betrachten. Anders als bei einer Kollision hätten sie sich nicht wie zwei von unterschiedlichen Schiffsführern selbständig geführte Schiffe gegenübergestanden. Es komme hinzu, dass das beschädigte Schwesterschiff nur dann Anspruch auf Schadensersatz gegen den Schädiger habe, wenn diesen ein Verschulden treffe, wobei ein Mitverschulden des Schiffsführers des Schwesterschiffes anspruchsmindernd zu berücksichtigen sei. Fehle es an einem Verschulden des Schädigers, könne Ersatz nur aus der eigenen Kaskoversicherung verlangt werden. Erfolge in Fällen des Mitverschuldens keine Schadenquotelung, weil jeweils der gleiche Kaskoversicherer für beide Schiffe verpflichtet sei, sei dies allein Ausdruck der Kulanz des Versicherers.
7
Auch der Umstand, dass die Versicherungsprämie jeweils für den Verband von Motorschiff und Schubleichter berechnet sei, spreche dafür, dass beide Fahrzeuge regelmäßig gekoppelt geführt würden und einheitlich hätten versichert werden sollen.
8
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
Die Beklagten sind entsprechend den von ihnen gezeichneten Haftungsquoten aus den Ziffern 2, 6 a, aa und 6 b BB-Flusskasko verpflichtet , den Klägerinnen den nach den vorgenannten drei Unfällen durch die Reparatur der beiden Schubleichter verursachten Nutzungsausfallschaden in Höhe von 57.981,36 € zu ersetzen.
10
1. Gemäß Ziff. 2 BB-Flusskasko trägt der Versicherer nach Maßgabe der ADS und der Police alle Gefahren, denen das versicherte Fahr- zeug während der Dauer der Versicherung ausgesetzt ist. Die Klausel erläutert im Weiteren, dass zu diesen Gefahren auch der Ersatz an Dritte infolge nautischen Verschuldens zählt. Dieser Ersatz an Dritte wird unter Ziff. 6 BB-Flusskasko, welche die Klausel des § 78 ADS ersetzt, näher geregelt. Nach Ziff. 6 a, aa BB-Flusskasko leistet der Versicherer Ersatz für Vermögensschäden, die der Versicherungsnehmer dadurch erleidet, dass er aufgrund gesetzlicher Bestimmungen Dritten gegenüber Schäden zu ersetzen hat, die unter anderem bei der Bewegung des versicherten Schiffes entstanden sind.
11
2. Ziff. 6 b BB-Flusskasko erweitert diesen Schutz dahingehend, dass für die Ersatzleistung des Versicherers unter anderem in Fällen von Ersatzansprüchen Dritter Schiffe und Gegenstände im Eigentum des Versicherungsnehmers wie fremdes Eigentum behandelt werden. Diese so genannte Schwesterschiffklausel beruht - für den Versicherungsnehmer erkennbar - auf der Erwägung, dass über den Kaskoschaden hinausgehende Schäden, die eines der versicherten Schiffe an einem anderen seiner Schiffe verursacht, und die bei Schädigung fremden Eigentums zu gesetzlichen Schadensersatzansprüchen dieses Eigentümers geführt hätten, über Ziff. 6 a, aa BB-Flusskasko nicht gedeckt wären, weil der Versicherungsnehmer insoweit nicht als zum Schadensersatz berechtigter Dritter angesehen werden könnte (vgl. für die Kfz-Haftpflichtversicherung : Senatsurteil vom 25. Juni 2008 - IV ZR 313/06, r+s 2008, 372 Rn. 15). Ziff. 6 b BB-Flusskasko bestimmt deshalb, das geschädigte Schiff werde so behandelt, als stehe es in fremdem Eigentum. Diese Fiktion gibt dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit, einen Eigenschaden vom Versicherer im gleichen Umfang ersetzt zu bekommen, wie ein geschädigter Dritter dies vom Versicherungsnehmer verlangen könnte. Dem Versicherungsnehmer soll kein Nachteil daraus entstehen, dass auch das geschädigte Schiff ihm selbst gehört (Remé, VersR 1979, 293, 295). Zugleich dient die Klausel damit aber auch dem wirtschaftlichen Interesse des Versicherers; denn nur so können mehrere Schiffe eines Reeders im Rahmen eines Versicherungsvertrages versichert werden. Anderenfalls müsste der Reeder, wollte er umfassenden Versicherungsschutz erlangen, sein Unternehmen in rechtlich selbständige EinSchiff -Gesellschaften aufgliedern und die einzelnen Schiffe nach Möglichkeit bei unterschiedlichen Versicherungsunternehmen versichern.
12
3. Der Versicherungsvertrag deckt mit den genannten Klauseln Haftpflichtschäden ab, zu denen der Ersatz für den Nutzungsausfall eines Schiffes zählt (OLG Hamburg OLGR 2005, 29, 30; Enge, Erläuterungen zu den DTV-Kaskoklauseln 1978, 1980 S. 96). Eine Beschränkung der Versicherungsschutzes auf den Ersatz reiner Sachschäden kann dem Bedingungswortlaut nicht entnommen werden, der deshalb auch in der Literatur einhellig als vertragliches Element des Haftpflichtversicherungsschutzes verstanden wird (Schwampe in Thume/de la Motte/Ehlers, Transportversicherungsrecht 2. Aufl. 2011, Teil 6 AVB-Kaskoversicherung Rn. 302; Remé aaO S. 294; Enge aaO; vgl. auch OLG Hamburg aaO).
13
Soweit die Beklagten in einer Gegenrüge der Fiktion der Ziff. 6 b BB-Flusskasko, das geschädigte Schiff "wie fremdes Eigentum" zu behandeln , eine der "grundlegenden Struktur der Kasko-Versicherung" angeblich entsprechende Begrenzung der Ersatzpflicht auf Sachschäden entnehmen wollen, weil die Klausel anderenfalls habe lauten müssen, dass der Versicherungsnehmer "wie ein fremder Eigentümer" behandelt werde, vermag der Senat dies schon vor dem dargestellten wirtschaftlichen Hintergrund nicht nachzuvollziehen. Die Beklagten meinen, die Be- deutung der Schwesterschiffklausel beschränke sich im Ergebnis darauf, bei Beschädigung eines Schiffes des Versicherungsnehmers durch ein Schwesterschiff die vereinbarte Selbstbeteiligung (Franchise) entfallen zu lassen. Das kommt in Ziff. 6 a, aa i.V.m. Ziff. 6 b BB-Flusskasko aber nicht ansatzweise zum Ausdruck. Ginge es allein um eine solche Begrenzung der Selbstbeteiligung, hätte dies deutlich geregelt werden müssen und auch wesentlich einfacher geregelt werden können.
14
4. Die Voraussetzungen der Ziff. 6 a, aa und b BB-Flusskasko sind bei den drei in Rede stehenden Vorfällen erfüllt, weil beide Schubleichter der Klägerinnen jeweils bei der Bewegung der die Schäden verursachenden Motorschiffe beschädigt wurden (a) und ein anderer Eigentümer der beschädigten Schubleichter aufgrund gesetzlicher Bestimmungen vom Eigner der Motorschiffe Nutzungsausfallersatz hätte fordern können (b).
15
a) Soweit das Berufungsgericht vorwiegend darauf abstellt, bei keinem der Unfälle habe eine Kollision zwischen Motorschiff und Schubleichter stattgefunden, weil beide jeweils im Koppelungsverband geführt worden seien und sich insoweit nicht selbständig gegenübergestanden hätten, findet dies im Bedingungswortlaut keine Stütze.
16
aa) Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann (Senatsurteile vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; vom 17. Dezember 2008 - IV ZR 9/08, VersR 2009, 341 Rn. 16 m.w.N.). Da der Versicherungsnehmer die Entstehungsgeschichte einer Klausel in der Regel ebenso wenig kennt wie die Motive des Verwenders, wird er in erster Linie vom Klauselwortlaut und dem systematischen Zusammenhang ausgehen, in den eine Klausel gestellt ist.
17
bb) Dem Versicherungsvertrag liegen die ADS und die BB-Flusskasko zugrunde. Deren Ziff. 6 a bestimmt, dass ihre nachfolgenden Regelungen die Klausel des § 78 ADS ersetzen. Vergleicht ein aufmerksamer Versicherungsnehmer beide Klauseln, so erkennt er, dass Ziff. 6 a BB-Flusskasko die Haftung des Versicherers gegenüber § 78 ADS erweitert (vgl. auch Remé aaO). Während § 78 ADS für den Ersatz des Haftpflichtschadens einen Zusammenstoß von Schiffen voraussetzt, genügt nach Ziff. 6 a, aa BB-Flusskasko, dass die Drittschäden "bei der Bewegung des Schiffes" entstanden sind. Die Klausel stellt mithin allein darauf ab, dass das versicherte Schiff in Bewegung ist und dabei Beschädigungen an einem anderen Schiff oder sonstigem Gegenstand verursacht. Dass es dabei zu einer Kollision, insbesondere einem Zusammenstoß selbständig bewegter Einheiten kommen muss, lässt sich dem Klauselwortlaut nicht entnehmen. Ohne Erfolg verweist die Revisionserwiderung insoweit auf die anderslautenden Kommentierungen von Remé (aaO) und Enge (Erläuterungen zu den DTV-Kasko-Klauseln 1978 S. 96 f.), denen zufolge auch die der Ziff. 6 a, aa BB-Flusskasko wortgleicheKlausel Nr. 34.1 der DTV-Kasko-Klauseln eine Kollision - wenn auch nicht notwendigerweise mit einem anderen Schiff - voraussetzt. Sie enthalten zu diesem Punkt keine nähere Begründung und zeigen insbesondere nicht auf, wo dies im Klauselwortlaut zum Ausdruck kommt. Ein in Bewegung befindliches Schiff kann Schäden an anderen Sachen auch ohne direkte Kollision verursachen, etwa durch Sog oder Wellenschlag oder dadurch, dass wegen eines verkehrsordnungswidrigen Fahrmanövers andere Schiffsführer zu Ausweichbewegungen veranlasst werden, die ihrerseits zu Schäden führen (weitere Beispiele bei Schwampe aaO Rn. 302). Der Wortlaut der Ziff. 6 a, aa BB-Flusskasko lässt nicht erkennen, dass solche Schäden vom Versicherungsschutz ausgenommen sein sollen.
18
cc) Anders als das Berufungsgericht meint, steht der Anwendung der Schwesterschiffklausel aus Ziff. 6 b BB-Flusskasko nicht entgegen, dass die beschädigten Schubleichter bei allen Unfällen im Koppelungsverband mit Gütermotorschiffen der Klägerinnen geführt wurden (vgl. auch OLG Hamburg aaO).
19
(1) Zwar werden Schub- oder Koppelungsverbände in gesetzlichen Bestimmungen zur Regelung des Verkehrs auf Wasserstraßen, etwa in § 3.01 Nr. 3 a Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, als nautische Einheit betrachtet (vgl. RhSchOG Köln VersR 1977, 276). Darauf kommt es für den hier in Rede stehenden Anspruch der Klägerinnen aber deshalb nicht an, weil die allein maßgeblichen Versicherungsbedingungen darauf nicht zurückgreifen.
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(2) Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, demzufolge Schub- oder Koppelungsverbände in jeder - auch haftungsrechtlicher - Hinsicht stets eine untrennbare Risikogemeinschaft oder Rechtseinheit bilden, besteht nicht (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1977 - II ZR 148/76, BGHZ 70, 127, 129; RhSchOG Köln aaO). Das zeigt sich unter anderem daran, dass das Schubabkommen, welches seit 1963 in wechselnden Fassungen das Innenverhältnis zwischen Schubbooteignern und den Eignern von Schubleichtern regelt, zwar ursprünglich von einer solchen Risikogemeinschaft ausging, seit 1968 jedoch eine verschuldensabhängige Haftung des Schubbooteigners auch gegenüber dem Eigner eines mitgeführten Schubleichters entsprechend den gesetzlichen Haftungsbestim- mungen vorsieht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. Juni 1989 - II ZR 230/88, VersR 1989, 934 unter 4 b).
21
(3) Die Anwendung der Schwesterschiffklausel wird auch nicht durch den Umstand ausgeschlossen, dass die Versicherungsprämie ausweislich der Police jeweils "pro Verband (1 x GMS + 1 x SL)" auf 25.000 DM berechnet wurde. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer einer Flusskaskoversicherung kann allein dieser Prämienberechnung nicht entnehmen, dass damit ein selbständiger Versicherungsschutz für versicherte Schubleichter im Innenverhältnis gegenüber dem dazu gehörigen Gütermotorschiff entfallen soll. Dagegen spricht, dass Motorschiffe und Schubleichter der Klägerinnen in der "Anlage zur Cover Note" gesondert als versicherte Gegenstände aufgeführt und für Schubboote einerseits und Schubleichter andererseits unterschiedliche Selbstbeteiligungen ("Franchisen") vereinbart sind. Für einen selbständigen Versicherungsschutz zugunsten der Schubleichter spricht im Übrigen, dass sich die Schwesterschiffklausel ohne Einschränkung auf alle "Schiffe und Gegenstände im Eigentum des Versicherungsnehmers" erstreckt. Wollten die Beklagten dessen ungeachtet eine Beschränkung für im Schuboder Koppelungsverband mitgeführte Schubleichter vornehmen und diese Verbände lediglich wie ein Schiff als Einheit versichern, so hätten sie dies im Versicherungsvertrag in transparenter Weise zum Ausdruck bringen müssen.
22
b) Stünden die beschädigten Schubleichter im Eigentum Dritter, so könnten diese von der Eignerin der versicherten schadenverursachenden Motorschiffe aufgrund gesetzlicher Bestimmungen Ersatz für Nutzungsausfall fordern und damit den von Ziff. 6 a, aa BB-Flusskasko vorausge- setzten Haftungsschaden herbeiführen. Die dazu erhobene Gegenrüge der Beklagten hat keinen Erfolg.
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aa) Dem Anspruch eines Dritten auf Ersatz des Nutzungsausfalles könnte nicht entgegen gehalten werden, dass die unfallverursachenden Schiffsführer der Klägerinnen in allen drei Fällen sowohl die beteiligten Motorschiffe als auch - wegen der Koppelung - die jeweils beschädigten Schiffsleichter führten. Zwar wäre bei einer Kollision zweier von jeweils eigenen Besatzungen geführter Schiffe unterschiedlicher Schiffseigner im Rahmen der Haftung des Unfallverursachers danach zu fragen, inwieweit ein Mitverschulden der Schiffsführung des geschädigten Schiffes zum Schaden beigetragen hat. Auch wäre bei der Beschädigung des gesamten Schubverbandes durch ein anderes Schiff ein Mitverschulden der Besatzung des Schubbootes zugleich dem im Koppelungsverband mitgeführten Schubleichter zuzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1977 aaO BGHZ 70, 127, 129 f.; RhSchOG Köln aaO). Im Innenverhältnis zwischen Schubboot und Schubleichter gilt dies aber nicht. Vielmehr hätte der Eigner eines im Verband mitgeführten und durch Verschulden der Besatzung des Motorschiffes beschädigten Leichters gegen den Eigentümer des Schubbootes neben möglichen Ansprüchen aus dem Schubabkommen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. Juni 1989 - II ZR 230/88, VersR 1989, 934 unter 4) oder aus §§ 280, 278 BGB deliktische Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 831 BGB und § 3 Abs. 1 BinSchG (zur Rechtsnatur dieser Bestimmung vgl. von Waldstein, BinSchR 5. Aufl. § 3 BinSchG Rn. 4 ff., 11 ff.). Darauf, dass seine eigene Besatzung zugleich Besatzung des Schiffsleichters gewesen und deshalb der Schadensersatzanspruch wegen Mitverschuldens zu mindern sei, könnte sich der Eigner des Schubbootes nicht berufen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Oktober 1983 - II ZR 97/83, BGHZ 88, 309 unter 3, wo sogar bei der Außenhaftung eine Verantwortlichkeit des Leichtereigners für Fehler der Besatzung des Schubbootes verneint wird; a.A. RhSchOG Köln aaO).
24
bb) Die Frage des Mitverschuldens der Schubbootbesatzung in ihrer gleichzeitigen Eigenschaft als Besatzung des Schubleichters stellt sich bei Anwendung der Schwesterschiffklausel aber auch aus einem weiteren Grunde nicht. Der Versicherungsvertrag gewährt gerade auch Schutz gegen Schäden, die durch ein Verschulden der jeweiligen Schiffsbesatzungen herbeigeführt worden sind. Nach § 33 Abs. 1 ADS hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer - ungeachtet seiner Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer selbst - den durch eine fehlerhafte Führung des Schiffes (nautisches Verschulden) verursachten Schaden zu ersetzen. Das Verhalten der Schiffsführung als solcher muss sich der Versicherungsnehmer dabei nach § 33 Abs. 3 ADS nicht zurechnen lassen. Ergänzend dazu bestimmt § 17 BB-Flusskasko, die "Haftung dieser Versicherung" werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Schaden auf eine Nachlässigkeit "der Schiffbesatzung oder des Vizen" zurückzuführen ist. Aus der Zusammenschau dieser Klauseln ergibt sich für den Versicherungsnehmer, dass er sich ein Fehlverhalten seiner Schiffsbesatzungen auch dann nicht entgegenhalten lassen muss, wenn er gestützt auf die Schwesterschiffklausel Ansprüche wie ein geschädigter Dritter erhebt. Insofern kann - anders als das Berufungsgericht meint - keine Rede davon sein, dass Versicherer bei Anwendung der Schwesterschiffklausel allein aus Kulanz darauf verzichteten, ein Mitverschulden der Schiffsbesatzung des geschädigten Schiffes anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Vielmehr höhlte eine solche Anrechnung den mit der Schwesterschiffklausel versprochenen Versicherungsschutz jedenfalls bei der Beschädigung von in Schub- oder Koppe- lungsverbänden mitgeführten Schiffen teilweise aus, weil ein Verschulden der Schiffsbesatzung gleiche Bedeutung für die Unfallbeteiligung beider versicherter Fahrzeuge hätte und so regelmäßig zu einer Halbierung der Versicherungsleistung führen müsste.
25
III. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig.
26
1. Wie bereits das Landgericht zutreffend dargelegt hat, sind die mit der Klage erhobenen Ansprüche nicht nach § 42 Abs. 2 ADS wegen verspäteter Geltendmachung erloschen. Hiergegen erinnert die Revisionserwiderung nichts.
27
2. Verjährung ist nicht eingetreten. Die Klägerinnen fordern vertragliche Versicherungsleistungen. Für diese bestimmt § 48 ADS eine Verjährungsfrist von fünf Jahren, die mit Ablauf des Jahres zu laufen beginnt , in welchem die Versicherung endet; das war hier das Jahr 2002. Die am 27. Dezember 2007 bei Gericht eingereichte und alsbald, am 10. Januar 2008, zugestellte Klage hat gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. §§ 253, 167 ZPO die Verjährungsfrist noch vor deren Ablauf am 31. Dezember 2007 gehemmt.
28
Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten mit einer Gegenrüge darauf , die Verjährung sei bereits nach Ablauf der kürzeren Verjährungsfristen aus den §§ 117, 118 BinSchG eingetreten. Diese Vorschriften wären nur dann maßgeblich, wenn sich auch die Verjährung von Ansprüchen auf Versicherungsleistung wegen Ersatzes an Dritte gemäß Ziff. 6 a, aa BB-Flusskasko nach der Verjährung desjenigen gesetzlichen An- spruches richtete, aus dem der Dritte gegen den Versicherungsnehmer vorgeht. Das ist nicht der Fall.
29
Allerdings kann es bei der Schädigung eines Dritten an einem Haftungsschaden des Versicherungsnehmers i.S. von Ziff. 6 a, aa BB-Flusskasko fehlen, wenn der Geschädigte seine Schadensersatzansprüche gegenüber dem Versicherungsnehmer verjähren lässt. Das lässt sich jedoch auf die Anwendung der Schwesterschiffklausel nicht übertragen. Sie fingiert einen solchen Schadenersatzanspruch lediglich für die Ermittlung der Versicherungsleistung. Damit entnimmt der Versicherungsnehmer der Klausel zwar, dass er rechtlich so gestellt werden solle, als sei er ein geschädigter Dritter; gleichzeitig enthebt ihn die bloße Fiktion des entsprechenden Schadensersatzanspruches aber davon, diesen gegen sich selbst geltend zu machen. Wegen der rechtlichen Unwirksamkeit eines solchen Vorgehens hätte der Versicherungsnehmer keine Möglichkeit, einer Verjährung des lediglich fingierten Anspruches entgegenzutreten. Er wird daraus den Schluss ziehen, dass sich die Frist für die Geltendmachung seiner Versicherungsleistung allein nach den für seinen vertraglichen Leistungsanspruch geltenden Bestimmungen richtet.

30
IV. Die Verzinsung der Klagforderung folgt aus §§ 291, 288 BGB.
Mayen Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski

Vorinstanzen:
LG Rostock, Entscheidung vom 05.05.2010 - 6 O 76/07 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 14.01.2011- 5 U 90/10 -

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Tenor 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.564,87 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.06.2015 zu zahlen. 2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil

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d) Ein solches Verständnis der Klausel liegt indes fern. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer weiß, dass der Zweck einer Haftpflichtversicherung im Kern darin besteht, ihn selbst vor Schadensersatzansprüchen Dritter zu schützen. Der Versicherungsnehmer erkennt deshalb auch, dass der Haftpflichtversicherer im Grundsatz nur dann eintreten muss, wenn der Versicherungsnehmer anderen Personen Schäden zufügt, und die Haftpflichtversicherung grundsätzlich nicht eintritt, wenn er sich selbst schädigt. Diese Kenntnis ist vor allem im Bereich der Kraftfahrtversicherung weit verbreitet, weil gerade darin ein wesentlicher Unterschied zur (zusätzliche Prämienzahlungen erfordernden) Kfz-Kaskoversicherung besteht, die über den Haftpflichtschutz hinaus auch Eigenschäden des Versicherungsnehmers abdeckt.
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a) aa) Nach heute gefestigter Rechtsprechung (vgl. BGHZ 123, 83, 85 und Senatsurteil vom 17. Mai 2000 - IV ZR 113/99 - VersR 2000, 1090 unter 2 und ständig) und inzwischen allgemein anerkannter Auffassung sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtli- che Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Für eine an diesen Grundsätzen orientierte Auslegung ist nicht maßgeblich, was sich der Verfasser der Bedingungen bei ihrer Abfassung vorstellte (Senatsurteil vom 17. Mai 2000 aaO unter 2 a; vgl. dazu und zum überholten Maßstab der "gesetzesähnlichen" Auslegung auch Römer in Römer /Langheid, VVG 2. Aufl. vor § 1 Rdn. 15 ff.). Entgegen der Ansicht der Revision kann die für individualvertragliche Vereinbarungen geltende Auslegungsregel, nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei anzunehmen , eine vertragliche Bestimmung solle nach dem Willen der Parteien einen bestimmten rechtserheblichen Inhalt haben (BGH, Urteil vom 18. Mai 1998 - II ZR 19/97 - NJW 1998, 2966 unter B I 2 vor a), bei Allgemeinen Versicherungsbedingungen jedenfalls dann nicht angewendet werden, wenn der vom Versicherer mit einer Klausel verfolgte Zweck für den Versicherungsnehmer nicht hinreichend erkennbar zum Ausdruck gebracht ist.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Der Schiffseigner ist für den Schaden verantwortlich, den eine Person der Schiffsbesatzung oder ein an Bord tätiger Lotse einem Dritten in Ausführung von Dienstverrichtungen schuldhaft zufügt.

(2) Zur Schiffsbesatzung gehören der Schiffer, die Schiffsmannschaft (§ 21) und alle übrigen auf dem Schiff angestellten Personen.

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage,
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.

(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

(1) Mit dem Ablauf eines Jahres verjähren:

1.
die öffentlichen Schiffs- und Schiffahrtsabgaben, insbesondere die Brücken-, Schleusen-, Kanal- und Hafengelder;
2.
die aus den Dienstverträgen herrührenden Forderungen der Schiffsbesatzung;
3.
die Lotsengelder;
4.
(weggefallen)
5.
die Beiträge zur großen Haverei;
6.
die Forderungen aus Geschäften, welche der Schiffer kraft seiner gesetzlichen Befugnisse (§§ 15 und 16) und nicht mit Bezug auf eine Vollmacht geschlossen hat;
7.
die Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung oder eines Lotsen (§§ 3, 7), soweit ihre Verjährung sich nicht nach § 118 bestimmt.

(2) Die Verjährung beginnt mit dem Schluß des Jahres, in welchem die Forderung fällig geworden ist.

(1) Ersatzansprüche aus dem Zusammenstoß von Schiffen (§§ 92 bis 92f) verjähren mit Ablauf von zwei Jahren seit dem Ereignis.

(2) Ausgleichsansprüche unter mehreren für einen Schaden aus einem Zusammenstoß als Gesamtschuldner haftenden Schiffseignern verjähren mit dem Ablauf eines Jahres. Die Verjährung beginnt mit dem Tag der Zahlung, auf Grund deren die Ausgleichung verlangt wird, oder, wenn vorher eine gerichtliche Entscheidung über die Höhe der gesamtschuldnerischen Haftung rechtskräftig geworden ist, mit dem Tag der Rechtskraft der Entscheidung. Die Verjährung von Ansprüchen, die einem Gesamtschuldner wegen des Ausfalls, den er bei der Ausgleichung durch die Zahlungsunfähigkeit eines anderen Gesamtschuldners erleidet, gegen die übrigen Gesamtschuldner zustehen, beginnt jedoch nicht vor dem Tag, an dem der Berechtigte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit erlangt.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.