Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juni 2010 - 4 StR 73/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Erpressung in zwei Fällen sowie wegen Geldwäsche in Tateinheit mit Hehlerei in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung materiellen Rechts; der Angeklagte beanstandet das Verfahren und erhebt die nicht näher ausgeführte Sachrüge. Keines der Rechtsmittel hat Erfolg.
A.
- 2
- Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
- 3
- Der Mittäter des Angeklagten, der gesondert verfolgte F. , gelangte im Frühjahr 2005 in den Besitz von etwa 2400 Kontobelegen der Landesbank AG (im Folgenden: L. ), die ein inzwischen rechts- kräftig verurteilter ehemaliger Mitarbeiter der Bank entwendet hatte. Die Belege betrafen die Anlage von Vermögenswerten nahezu ausschließlich in Deutschland wohnhafter Kunden der L. , die die daraus erzielten Einkünfte, im Wesentlichen Zinserträge und Anlagegewinne, nicht ordnungsgemäß in Deutschland versteuerten und dies auch in Zukunft nicht zu tun beabsichtigten. Zur gewinnbringenden Verwertung der Kontobelege fasste F. den Plan, dort aufgeführte Kunden der L. anzusprechen und von diesen zur Vermeidung einer Veröffentlichung der auf den Belegen enthaltenen Informationen und einer damit verbundenen strafrechtlichen Verfolgung Geldbeträge in Höhe von jeweils zehn Prozent der Anlagesumme zu fordern.
- 4
- Auf Anweisung des F. , der im Hintergrund bleiben wollte, nahm der Angeklagte im Mai und im Juni 2005 Kontakt zu vier Kunden der L. auf, um den Plan in die Tat umzusetzen. Dabei erhoffte sich der Angeklagte als Belohnung für seine Mitwirkung an den Taten jeweils zehn Prozent der von den angesprochenen Kunden gezahlten Geldbeträge, wobei er mit einem Betrag in Höhe von 400.000 Euro rechnete. Der Zeuge P. erklärte sich nach mehreren Telefonaten bzw. Treffen mit dem Angeklagten am 7. Juni 2005 dazu bereit, einen Betrag in Höhe von 300.000 Euro zu zahlen. P. hatte jedoch zuvor die L. von der Kontaktaufnahme und der Geldforderung in Kenntnis gesetzt. Eine Geldübergabe fand nicht statt, weil der Angeklagte auf Anweisung des F. die Verbindung mit der Begründung abbrach, der Zeuge arbeite mit der L. zusammen. Anfang Juni 2005 nahm der Angeklagte Kontakt zu dem Zeugen K. auf, der jedoch (wahrheitswidrig) erklärte, kein Konto bei der L. zu unterhalten. Der Angeklagte und F. gingen daraufhin davon aus, der Zeuge K. sei nicht erpressbar und die weitere Ausführung ihres Vorhabens sei nicht mehr möglich. Ebenfalls im Juni 2005 wurde der Zeuge R. vom Angeklagten aufgefordert , zur Vermeidung der Weitergabe von Kontobelegen an das Finanzamt einen Geldbetrag in Höhe von zehn Prozent der Anlagesumme zu zahlen. Nachdem F. in der Zwischenzeit – ohne dass der Angeklagte davon zunächst etwas erfuhr – aber auch direkt mit der L. in Kontakt getreten war, ihr die Rückgabe der Kontounterlagen gegen Zahlung eines hohen Geldbetrages angeboten und ferner zugesagt hatte, die Kunden der L. nicht weiter zu behelligen , wurde der Angeklagte angewiesen, auch den Kontakt zum Zeugen R. abzubrechen. Noch einige Tage zuvor hatte der Angeklagte den Zeugen D. , ebenfalls Kunde der L. , angerufen und diesem später in dessen Büro sein Anliegen vorgetragen. Er erzielte jedoch mit seiner Drohung keinen Erfolg; der Zeuge D. kündigte an, die Polizei einzuschalten.
- 5
- Im Weiteren verhandelte F. ohne Mitwirkung des Angeklagten mit den Entscheidungsträgern der L. . Diese waren schließlich bereit, zur Vermeidung der von F. angekündigten Weitergabe der Kontounterlagen an die Finanzbehörden eine Summe von insgesamt 13 Millionen Euro zu zahlen. In der Folgezeit wurden an F. am 31. August 2005 7,5 Millionen Schweizer Franken und am 29. August 2007 weitere vier Millionen Euro, jeweils gegen Rückgabe von Teilen der Kontounterlagen, von der L. übergeben. Die letzte Rate in Höhe von 4 Millionen Euro, die für Ende August 2009 abgesprochen war, zahlte die L. nicht mehr, da F. Ende 2007 festgenommen wurde. F. gab an den Angeklagten aus den von der L. geleisteten Beträgen als Belohnung für seine Mitwirkung im Spätsommer 2005 150.000 Schweizer Franken und Ende August 2007 100.000 Euro weiter.
B.
I.
- 6
- Zur Revision des Angeklagten:
- 7
- Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
- 8
- 1. Die auf die Verletzung von § 338 Nr. 4 StPO gestützte Verfahrensrüge ist unbegründet, wie der Generalbundesanwalt in der Begründung seines Terminsantrags vom 1. März 2010 zutreffend ausgeführt hat.
- 9
- 2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der nicht näher ausgeführten Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
- 10
- Es begegnet insbesondere keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken , dass das Landgericht bei den beiden versuchten Erpressungstaten den – nach §§ 49 Abs. 1, 23 Abs. 2 StGB gemilderten – Strafrahmen des § 253 Abs. 4 StGB zugrunde gelegt hat. Zwar kann das Vorliegen eines vertypten Milderungsgrundes Anlass geben, trotz Vorliegens eines Regelbeispiels einen besonders schweren Fall zu verneinen (BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 387/08, NStZ-RR 2009, 9; vgl. auch Fischer, StGB, 57. Aufl., § 46 Rn. 92 m.w.N.). Das Landgericht hat jedoch bei der Prüfung der Voraussetzungen des Regelbeispiels eine Gesamtwürdigung auch unter dem Gesichtspunkt vorgenommen , ob Strafzumessungsgesichtspunkte gegeben sind, die die Regelwir- kung entkräften könnten. Danach schließt der Senat aus, dass die Strafkammer hierbei aus dem Blick verloren haben könnte, dass es in den Fällen zum Nachteil der Zeugen K. und D. beim Versuch geblieben war.
II.
- 11
- Zur Revision der Staatsanwaltschaft:
- 12
- 1. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Revision bestehen entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht.
- 13
- Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist weder rechtsmissbräuchlich erhoben noch verstößt dessen Einlegung unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt gegen das Gebot eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegt die Befugnis der Verfahrensbeteiligten , nach einer vorausgegangenen Verständigung das Rechtsmittel der Revision einzulegen, keinen Einschränkungen (BGH, Urteil vom 28. August 1997 - 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195; BGH, Beschluss vom 3. März 2005 - GSSt 1/04, BGHSt 50, 40). Dies gilt nicht nur für die Rechtsmittelbefugnis des Angeklagten, sondern uneingeschränkt auch für diejenige anderer Verfahrensbeteiligter (Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., Vor § 213 Rn. 23). Das nach Erlass des angefochtenen Urteils in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2353) hat an dieser Rechtslage nichts geändert.
- 14
- 2. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
- 15
- a) Der Freispruch des Angeklagten in den Fällen II. 1 und 3 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die diesbezüglich von der Beschwerdeführerin erhobenen Bedenken gegen die Annahme eines jeweils freiwilligen Rücktritts vom Versuch der Erpressung greifen im Ergebnis nicht durch. Insoweit nimmt der Senat zur Begründung auf die Ausführungen in seinem am heutigen Tage ergangenen Urteil im Verfahren 4 StR 474/09 gegen den gesondert verfolgten F. u.a. Bezug.
- 16
- b) Ohne Erfolg wendet sich die Staatsanwaltschaft auch dagegen, dass das Landgericht, soweit der Angeklagte wegen Geldwäsche in Tateinheit mit Hehlerei in zwei Fällen (II. 5 der Urteilsgründe) verurteilt wurde, die Voraussetzungen der gewerbsmäßigen Begehungsweise ni cht erörtert hat. Wie der Ge- neralbundesanwalt in seinem Terminsantrag im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, lassen sich den Feststellungen im angefochtenen Urteil keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass das Handeln des Angeklagten auf die Schaffung einer fortlaufenden Einnahmequelle ausgerichtet war.
RiBGH Dr. Franke ist erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann Bender
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Annotations
Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn - a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder - b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und - aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind, - bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder - cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
- 2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war; - 3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist; - 4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat; - 5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat; - 6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; - 7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind; - 8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.