Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juni 2010 - 4 StR 474/09

bei uns veröffentlicht am10.06.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 474/09
vom
10. Juni 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
zu 1. wegen Erpressung u.a.
zu 2. u. 3. wegen Beihilfe zur Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Juni 2010,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof ,
Richter am Amtsgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin ,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Rechtsanwältin ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten P. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 23. Januar 2009, soweit es den Angeklagten F. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit dessen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung abgelehnt worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision und die Revisionen der Staatsanwaltschaft in Bezug auf die Angeklagten A. und P. sowie die Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
4. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft in Bezug auf die Angeklagten A. und P. trägt die Staatskasse, der auch die diesen Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zur Last fallen. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat - unter Freispruch aller Angeklagten im Übrigen - den Angeklagten F. der versuchten Erpressung in zwei Fällen und der Erpressung sowie die Angeklagten A. und P. jeweils der Beihilfe zur Erpressung schuldig gesprochen. Es hat gegen den Angeklagten F. eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verhängt, gegen den Angeklagten A. eine solche von einem Jahr und zehn Monaten sowie gegen den Angeklagten P. eine solche von einem Jahr und sechs Monaten. Die Vollstreckung der gegen die Angeklagten A. und P. verhängten Freiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es hinsichtlich des Angeklagten F. festgestellt, dass eine Anordnung von Verfall sichergestellter Geldbeträge sowie von Verfall des Wertersatzes wegen entgegenstehender Ansprüche des Verletzten zu unterbleiben habe.
2
Mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen wendet sich die Staatsanwaltschaft insbesondere gegen die Teilfreisprüche aller drei Angeklagten sowie dagegen, dass hinsichtlich des Angeklagten F. die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unterblieben ist. Die Angeklagten rügen ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts und beanstanden ferner das Verfahren.
3
Die Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg, desgleichen die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, soweit die Angeklagten A. und P. betroffen sind. Hinsichtlich des Angeklagten F. hat die Revision der Staatsanwaltschaft einen Teilerfolg. Die Begründung des Landgerichts für die Nicht- anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

A.


4
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
5
Der Angeklagte F. gelangte im Frühjahr 2005 in den Besitz von etwa 2400 Kontobelegen der Landesbank AG (im Folgenden : L. ), die ein inzwischen rechtskräftig verurteilter ehemaliger Mitarbeiter der L. entwendet hatte. Die Belege betrafen die Anlage von Vermögenswerten nahezu ausschließlich in Deutschland wohnhafter Kunden der L. , die die daraus erzielten Einkünfte, im Wesentlichen Zinserträge und Anlagegewinne, nicht ordnungsgemäß in Deutschland versteuerten und dies auch in Zukunft nicht zu tun beabsichtigten. Zur gewinnbringenden Verwertung der Kontobelege fasste der Angeklagte F. den Plan, dort aufgeführte Kunden der L. anzusprechen und von diesen zur Vermeidung einer Veröffentlichung der auf den Belegen enthaltenen Informationen und einer damit verbundenen strafrechtlichen Verfolgung Geldbeträge in Höhe von mehreren hunderttausend Euro zu fordern.
6
Auf Anweisung des Angeklagten F. , der im Hintergrund bleiben wollte , nahm der gesondert verfolgte Thomas K. im Mai und im Juni 2005 Kontakt zu vier Kunden der L. auf, um den Plan in die Tat umzusetzen. Der Zeuge Pe. erklärte sich nach mehreren Telefonaten bzw. Treffen mit K. am 7. Juni 2005 dazu bereit, einen Betrag in Höhe von 300.000 Euro zu zahlen. Pe. hatte jedoch zuvor die L. von der Kontaktaufnahme durch K. sowie dessen Forderung in Kenntnis gesetzt. Eine Geldübergabe fand nicht statt, weil K. auf Anweisung des Angeklagten F. den Kontakt mit der Begründung abbrach, der Zeuge arbeite mit der L. zusammen. Am 3. Juni 2005 nahm K. Kontakt zu dem Zeugen Ko. auf, der jedoch (wahrheitswidrig) erklärte , kein Konto bei der L. zu unterhalten. K. und der Angeklagte F. gingen daraufhin davon aus, der Zeuge Ko. sei nicht erpressbar und die weitere Ausführung ihres Vorhabens nicht mehr möglich. Am 10. Juni 2005 wurde der Zeuge R. von K. aufgefordert, zur Vermeidung der Weitergabe von Kontobelegen an das Finanzamt einen Geldbetrag zu zahlen. Nachdem der Angeklagte F. in der Zwischenzeit aber direkt mit der L. in Kontakt getreten war, ihr die Rückgabe der Kontounterlagen gegen Zahlung eines hohen Geldbetrages angeboten und ferner zugesagt hatte, die Kunden der L. nicht weiter zu behelligen, wurde K. angewiesen, auch den Kontakt zum Zeugen R. abzubrechen. Noch einige Tage zuvor hatte K. den Zeugen D. , ebenfalls Kunde der L. , angerufen und diesem einen Tag später in dessen Büro sein Anliegen vorgetragen. Er erzielte jedoch mit seiner Drohung keinen Erfolg; der Zeuge D. kündigte an, die Polizei einzuschalten.
7
Die Angaben des Zeugen Pe. gegenüber der L. veranlassten die Bank zur Einschaltung der Privatdetektei R. Management GmbH; deren Mitarbeitern gelang die Aufdeckung der Identität des Angeklagten F. und des K. . Daraufhin waren die Entscheidungsträger der L. bereit, zur Vermeidung der vom Angeklagten F. angekündigten Weitergabe der Kontounterlagen an die Finanzbehörden eine Summe von insgesamt 13 Millionen Euro zu zahlen. Die Geldübergabe sollte in drei Raten Zug um Zug gegen Rückgabe der Belege erfolgen; ferner sollten keine weiteren Kopien der Kontenbelege den deutschen Finanz- und Strafverfolgungsbehörden übergeben und keine Kunden der Bank mehr angesprochen werden. In der Folgezeit wurden an den Angeklagten F. am 31. August 2005 7,5 Millionen Schweizer Franken übergeben, am 29. August 2007 weitere vier Millionen Euro, jeweils gegen Rückgabe von Teilen der Kontounterlagen. Die letzte Rate in Höhe von 4 Millionen Euro, die für Ende August 2009 abgesprochen war, zahlte die L. nicht mehr, da der Angeklagte F. Ende 2007 festgenommen wurde.
8
Die Angeklagten A. und P. unterstützten den Angeklagten F. nach Erhalt der ersten Raten unter anderem bei der Beutesicherung, indem sie behilflich waren, einen Teil der durch die L. gezahlten Gelder unter Verschleierung der Herkunft in den Wirtschaftskreislauf einfließen zu lassen, insbesondere durch die Vermittlung eines Darlehensvertrages und durch Herstellung eines Kontakts zu einem Treuhänder.

B.


I.


9
Zu den Revisionen der Angeklagten:
10
Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet.
11
1. Die von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen führen, wie der Generalbundesanwalt in der Begründung seines Terminsantrages vom 10. Dezember 2009 zutreffend ausgeführt hat, nicht zum Erfolg.
12
2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der erhobenen Sachrügen hat auch unter Berücksichtigung des jeweiligen Revisionsvorbringens weder hinsichtlich des Schuld- noch hinsichtlich des Strafausspruchs Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
13
a) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht das Verhalten des Angeklagten F. in den Fällen II. 2 und 4 der Urteilsgründe als versuchte Erpressung gemäß § 253 Abs. 1, 3 i.V.m. § 22 StGB gewertet.
14
Indem K. auf Anweisung des Angeklagten mit den Zeugen Ko. und D. Kontakt aufnahm und diesen gegenüber ankündigte, die im Besitz des Angeklagten F. befindlichen Kontounterlagen den deutschen Finanzbehörden zuleiten zu wollen, wurde mit einem empfindlichen Übel gedroht und damit zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar angesetzt. Denn die Geschädigten mussten damit rechnen, nach Auswertung der Unterlagen vom deutschen Fiskus nachveranlagt sowie steuerstrafrechtlich verfolgt zu werden. Nach den Feststellungen nannte K. den Geschädigten nach Absprache mit F. die jeweiligen Kontodaten. So sollten sie nach der Vorstellung des Angeklagten erkennen, dass er über die entsprechenden Unterlagen verfügte und die ihnen drohende Strafverfolgung nach deren Übergabe an die deutschen Behörden tatsächlich in seinem Machtbereich lag. Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten, er habe von vornherein vorgehabt, ausschließlich „ins Geschäft mit der Landesbank“ zu kommen, und K. habe sich bei seiner Kontaktaufnahme mit den Geschädigten weisungswidrig verhalten, rechtsfehlerfrei als widerlegt angesehen.
15
Der Angeklagte wollte sich auch zu Unrecht bereichern, denn auf die von den Geschädigten eventuell geleisteten Zahlungen hatten er und der gesondert verfolgte K. keinen Anspruch. Die Annahme, der Angeklagte hätte an die Berechtigung seiner Geldforderungen gegenüber Ko. und D. geglaubt, liegt nach den getroffenen Feststellungen fern. Die Vorstellung des Angeklagten , auch auf anderem Wege, nämlich unmittelbar von der L. , mit einer entsprechenden Drohung (noch höhere) Geldbeträge erlangen zu können, ändert nichts daran, dass er, was ihm bewusst war, die Zahlungen von den beiden Bankkunden nur auf der Grundlage der ihnen gegenüber gezielt herbeigeführten Zwangssituation erhalten würde.
16
b) Das Landgericht hat den Tatbestand einer vollendeten Erpressung zum Nachteil der L. im Fall II. 5 der Urteilsgründe ebenfalls zu Recht als erfüllt angesehen.
17
aa) Dass die Zahlungen an den Angeklagten aus dem Vermögen der L. als einer juristischen Person auf Veranlassung des aus mehreren Personen bestehenden Verwaltungsrates erfolgten, stellt dies nicht in Frage. Mit ihren dagegen gerichteten Angriffen verkennt die Revision des Angeklagten F. , dass der Tatbestand der Erpressung nicht nur bei der erzwungenen Preisgabe eigenen Vermögens erfüllt ist, sondern auch bei einer solchen, die fremdes Vermögen betrifft. Genötigter und Geschädigter brauchen nicht identisch zu sein, sofern der Genötigte das fremde Vermögen schützen kann und will (BGH, Urteil vom 20. April 1995 - 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 125; vgl. auch MünchKommStGB /Sander § 253 Rn. 23 m.w.N.; SSW-StGB/Kudlich § 253 Rn. 21). So liegt der Fall hier. Da es sich bei den Genötigten im vorliegenden Fall um die Mitglieder des Aufsichtsgremiums einer juristischen Person des Privatrechts handelte, bedurfte das vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung für derartige Fallkonstellationen geforderte Näheverhältnis keiner weiteren Erläuterung.
18
bb) Auch im Übrigen hält der Schuldspruch wegen vollendeter Erpressung zum Nachteil der L. rechtlicher Nachprüfung stand.
19
Da die Rechtsordnung im Bereich der Vermögensdelikte ein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin ungeschütztes Vermögen nicht kennt (BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 1 StR 167/01, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 3), sind die mit der Zahlung der L. an den Angeklagten verfolgten Zwecke, nämlich eine vom Verwaltungsrat möglicherweise beabsichtigte Verdeckung von Steuerhinterziehungen der Kunden der L. , ohne Belang.
20
Dass der Angeklagte F. auch im Fall 5 der Urteilsgründe mit Bereicherungsabsicht handelte, weil er auf die von der L. gezahlten Geldbeträge keinen Anspruch hatte, liegt nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen auf der Hand. Der Frage, welchen „Marktwert“ die in den Kontobelegen verkörperten Informationen hatten, brauchte die Strafkammer in diesem Zusammenhang nicht nachzugehen. Hierbei kann dahinstehen, ob den Kontounterlagen - ähnlich wie amtlichen Ausweispapieren (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1971 – 4 StR 368/71, VRS 42, 110, 111; BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1982 – 4 StR 517/82, MDR 1983, 92; BGH, Beschluss vom 28. Juli 2009 – 4 StR 255/09, NStZ 2009, 694), Führerscheinen oder Scheckkarten (Senat, Urteil vom 25. August 1987 – 4 StR 224/87 –) schon generell kein messbarer objektiver Verkehrswert und damit auch kein „Marktwert“ zukommt, weil sich ihr Wert für den Besitzer in den mit der Sachherrschaft verknüpften funktionellen Möglichkeiten (hier: Einsatz als Erpressungsmittel) erschöpft (vgl. hierzu Fischer, StGB, 57. Aufl., § 248 a Rn. 4 m.w.N.). Jedenfalls für die L. waren sie - was dem Angeklagten F. bewusst war - wirtschaftlich wertlos, da ihr als kontoführender Bank die auf den Belegen enthaltenen Daten ohnehin vollstän- dig und in aktualisierter Form zur Verfügung standen. Es kam der L. ersichtlich nicht darauf an, durch Zahlungen in Millionenhöhe in den Besitz von Kopien eigener Unterlagen zu gelangen. Vielmehr erbrachte sie die Zahlungen aufgrund der vom Angeklagten F. ausgesprochenen Drohung, anderenfalls würden die Kontodaten den deutschen Finanzbehörden offenbart mit der Folge erheblicher Nachteile für den eigenen Geschäftsbetrieb. Dass der Angeklagte zunächst versucht hatte, von staatlichen Stellen für die Weitergabe der Daten erhebliche Geldbeträge zu erhalten, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, zumal diese den Ankauf zwischenzeitlich abgelehnt hatten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3. Februar 1993 – 2 StR 410/92, NJW 1993, 1484, 1485).
21
c) Die Bejahung der Rechtswidrigkeit der Taten gemäß § 253 Abs. 2 StGB lässt einen Rechtsfehler ebenfalls nicht erkennen.
22
Dabei hat der Senat aus Anlass dieses Falles nicht über die zivilrechtliche Wirksamkeit oder eine etwaige strafrechtliche Relevanz des Verkaufs entwendeter Kontodaten an staatliche Stellen zu entscheiden. Denn unabhängig von der rechtlichen Bewertung einer Weitergabe der Kontobelege ist die Verwerflichkeit im Sinne des § 253 Abs. 2 StGB zu bejahen.
23
aa) Entsprechend ihrem Zweck, nicht strafwürdig erscheinende Verhaltensweisen aus dem Anwendungsbereich des § 253 StGB auszunehmen, sind die Voraussetzungen der Verwerflichkeitsklausel erfüllt, wenn unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles ein erhöhter Grad der sozialethischen Missbilligung der für den erstrebten Zweck angewandten Mittel festzustellen ist (BGH, Urteile vom 19. November 1953 - 3 StR 17/53, BGHSt 5, 254, 256; vom 11. Mai 1962 - 4 StR 81/62, 17, 328, 331 f.; BGH, Beschluss vom 13. Januar 1983 - 1 StR 737/81, 31, 195, 200). Hierbei ist das rechtlich Verwerf- liche nicht einseitig in dem angewandten Mittel oder in dem erstrebten Zweck zu suchen, sondern in der Beziehung beider zueinander (BGH, Beschluss vom 18. März 1952 - GSSt 2/51, BGHSt 2, 194, 196; BGH, Urteil vom 11. Mai 1962 - 4 StR 81/62, 17, 328, 331). Die Abgrenzung einer strafwürdigen Nötigung von einer nicht zu missbilligenden Willensbeeinflussung hat der Bundesgerichtshof etwa im Fall der Drohung mit einer Strafanzeige danach vorgenommen, ob der Sachverhalt, aus dem sich das Recht zur Strafanzeige herleitet, mit dem durch die Drohung verfolgten Zweck in einer inneren Beziehung steht oder beides willkürlich miteinander verknüpft wird (BGH, Urteil vom 19. November 1953 - 3 StR 17/53, BGHSt 5, 254, 258). Auch der an sich erlaubte Zweck rechtfertigt nur die Anwendung sozial hinnehmbarer Mittel (BayObLG, wistra 2005, 235; Träger/Altvater in LK, StGB, 11. Aufl., § 240 Rn. 69, 88).
24
bb) Gemessen daran hat die Strafkammer die Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 StGB im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei als erfüllt angesehen.
25
Dabei kann offen bleiben, ob Verwerflichkeit – auch bei rechtlicher Zulässigkeit der Drohung – regelmäßig schon dann anzunehmen ist, wenn die erstrebte Bereicherung mit dem eingesetzten Nötigungsmittel in keinem Zusammenhang steht und die Entscheidungsfreiheit des Bedrohten durch Forderung eines sog. inkonnexen Vorteils beschnitten wird (so MünchKommStGB/Sander § 253 Rn. 37; SSW-StGB/Kudlich § 253 Rn. 33; Fischer aaO § 253 Rn. 21; Günter in SK-StGB § 253 Rn. 38). Jedenfalls bei einer sachlich nicht gerechtfertigten , willkürlichen Verknüpfung von angewandtem Mittel und erstrebtem Zweck liegt Verwerflichkeit im Sinne des § 253 Abs. 2 StGB vor (BGH, Urteil vom 19. November 1953 - 3 StR 17/53, BGHSt 5, 254, 258; ebenso OLG Düsseldorf , NStZ-RR 1996, 5, 6). So verhält es sich hier: Die vom Angeklagten er- strebte Bereicherung stand mit dem eingesetzten Nötigungsmittel, der angedrohten Weitergabe vertraulicher, einer Bank entwendeter Kontodaten einer großen Zahl von Kunden an die deutschen Finanzbehörden, in keinem nachvollziehbaren , sozialethisch zu billigenden Zusammenhang. Weder verfolgte der Angeklagte rechtlich geschützte eigene Interessen (vgl. dazu OLG Karlsruhe, NStZ-RR 1996, 296), noch handelte er in einem übergeordneten, billigenswerten Interesse (vgl. dazu BayObLG aaO).
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d) Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch auch insoweit, als die Angeklagten A. und P. wegen Beihilfe zur Erpressung verurteilt worden sind. Diese war zum Zeitpunkt der Hilfeleistung noch nicht beendet, so dass eine Teilnahme noch möglich war. Soweit der Angeklagte P. darüber hinaus die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils beanstandet, erschöpfen sich seine Angriffe in dem im Revisionsverfahren unbeachtlichen Versuch, die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung durch eine eigene zu ersetzen.

II.


27
Zu den Revisionen der Staatsanwaltschaft:
28
1. Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerdeführerin zunächst gegen die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte F. bleibe in den Fällen II. 1 und 3 der Urteilsgründe straffrei, weil er freiwillig vom (unbeendeten) Versuch der Erpressung zum Nachteil der Zeugen Pe. und R. zurückgetreten sei.
29
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält. Ist der Erfolgseintritt nicht mehr möglich und erkennt der Täter dies oder hält der ihn auch nur fälschlicherweise nicht mehr für möglich, liegt ein fehlgeschlagener Versuch vor, von dem der Täter nicht mehr strafbefreiend zurücktreten kann (BGH, Urteile vom 3. Dezember 1982 - 2 StR 550/82, BGHSt 31, 170; vom 22. August 1985 - 4 StR 326/85, 33, 295; vom 12. November 1987 - 4 StR 541/87, 35, 90). Demgegenüber bleibt ein Rücktritt vom unbeendeten Versuch in den Fällen möglich, in denen der Täter von weiteren Handlungen absieht, weil er sein außertatbestandsmäßiges Handlungsziel erreicht hat (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 230 ff.).
30
b) Gemessen daran bestehen gegen die rechtliche Würdigung der Strafkammer , die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch seien im vorliegenden Fall erfüllt, hier keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass der Angeklagte F. – und auf seine Weisung hin auch sein Mittäter K. – die Tatbestandsverwirklichung aufgaben, als nach einer ersten Kontaktaufnahme mit der L. am 22. Juni 2005 die begründete Aussicht bestand, von dieser einen weit höheren Geldbetrag zu erlangen, was deren Vertreter allerdings von einem sofortigen Abbruch aller Verhandlungen mit Bankkunden abhängig gemacht hatten. Der Angeklagte F. hatte damit sein außertatbestandliches Handlungsziel erreicht. Von diesen Feststellungen wird daher die Annahme getragen , F. sei daraufhin – nach einer Phase gewisser Unsicherheit bis zum Erhalt der ersten Rate seitens der L. – (endgültig) freiwillig von der Tatausfüh- rung gegenüber Pe. und R. zurückgetreten. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist für eine weiter gehende Bewertung der Motive eines Täters für seine Abstandnahme von der weiteren Tatausführung kein Raum (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 231).
31
2. Die Strafaussprüche halten rechtlicher Nachprüfung stand.
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a) Die Feststellungen rechtfertigen entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens des § 253 Abs. 4 StGB unter dem Gesichtspunkt bandenmäßiger Begehungsweise. Bandenmäßiges Handeln setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, deren Verbindung darauf gerichtet ist, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten eines bestimmten Deliktstypus zu begehen (BGH, Beschluss vom 22. März 2001 - GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 328 f.). Jedenfalls daran fehlt es hier. Die Wertung der Strafkammer, die Angeklagten A. und P. seien an den Taten zum Nachteil der Bankkunden weder als (Mit-)Täter noch als Gehilfen beteiligt gewesen und hätten zu der Tat zum Nachteil der L. erst nach Vollendung (durch Entgegennahme der ersten Rate), aber vor deren Beendigung, lediglich Gehilfenbeiträge zur Beutesicherung geleistet, beruht auf einer rechtsfehlerfreien , erschöpfenden Beweiswürdigung.
33
b) Auch mit den gegen einzelne Strafzumessungserwägungen gerichteten Angriffen hinsichtlich des Angeklagten F. dringt die Revision der Staatsanwaltschaft nicht durch. Die grundsätzlich dem Tatrichter vorbehaltene Strafzumessung kann das Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler überprüfen, nicht aber einer ins Einzelne gehenden Richtigkeitskontrolle unterziehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 9. Januar 1962 - 1 StR 346/61, BGHSt 17, 35, 36 f.; vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, 29, 319, 320). Ein solcher Rechtsfehler wird nicht aufgezeigt; insbesondere wird nicht erkennbar, dass das Landgericht rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Acht gelassen oder Strafen verhängt hat, die sich von der Bestimmung lösen, gerechter Schuldausgleich zu sein. Nach Auffassung des Senats hat die Strafkammer die mit Blick auf § 51 StGB regelmäßig nicht angezeigte strafmildernde Berücksichtigung von Untersuchungshaft (vgl. nur BGH, Urteile vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NStZ 2006, 620; vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10 Rn. 8) hier – jedenfalls noch vertretbar – auf besondere Umstände gestützt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 – 3 StR 401/02, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 20). Die lange Dauer des Strafverfahrens kann auch strafmildernd berücksichtigt werden, wenn sachliche, von den Strafverfolgungsorganen nicht zu vertretende Gründe die Ursache waren (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1998 – 3 StR 561/98, BGHR § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13).
34
3. Den Revisionen bleibt der Erfolg auch versagt, soweit sie sich gegen die den Angeklagten A. und P. gewährte Strafaussetzung zur Bewährung wenden. Den dem Tatrichter bei der Gesamtwürdigung nach § 56 Abs. 1 StGB eingeräumten weiten Bewertungsspielraum (vgl. dazu Fischer aaO § 56 Rn. 11 m.w.N.) hat das Landgericht hier nicht überschritten, sondern alle wesentlichen , für die Entscheidung maßgeblichen Umstände erwogen und die jeweils positive Entwicklung der persönlichen Lebenssituation der Angeklagten, insbesondere deren Lösung aus dem Drogenmilieu und die wirtschaftliche Stabilisierung , berücksichtigt.
35
Auch in der Bejahung besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB sieht der Senat vor dem Hintergrund der insoweit vorgenommenen eingehenden Gesamtwürdigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler.
36
4. Hingegen bedarf die Frage der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten F. in der Sicherungsverwahrung neuer Verhandlung und Entscheidung.
37
a) Der medizinische Sachverständige, dessen Beurteilung sich die Strafkammer angeschlossen hat, vermochte insbesondere das Vorliegen eines Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 StGB nicht zuverlässig festzustellen. Die Delinquenzentwicklung beim Angeklagten habe spät begonnen und sei untypisch verlaufen, da die verfahrensgegenständlichen Taten nicht als konstante Fortsetzung der vorangegangenen Taten angesehen werden könnten. So sei vor allem die Gefährlichkeit der Tatausführung im Vergleich zu den vorigen Taten der räuberischen Erpressung und Geiselnahme als wesentlich geringer zu beurteilen. Das in den neuen Taten nahezu ausschließlich zum Ausdruck kommende Streben nach finanzieller Bereicherung sei für die Einordnung der Taten als Symptomtaten zu unspezifisch. Die prognostische Einschätzung der Neigung des Angeklagten zur Begehung weiterer Straftaten habe keine eindeutigen Ergebnisse erbracht. Da sich der Angeklagte nicht habe explorieren lassen, könne zudem eine relevante Persönlichkeitsstörung weder festgestellt noch ausgeschlossen werden. Es bestehe die Hoffnung, dass der langjährige Strafvollzug den Angeklagten beeindrucken und von weiteren Straftaten abhalten werde.
38
b) Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht bei der Entscheidung der Frage, ob der Angeklagte gemäß § 66 StGB unterzubringen ist, von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist.
39
aa) Das Merkmal „Hang“ verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund ei- ner fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es auf die Ursache für die fest eingewurzelte Neigung zu Straftaten nicht an (vgl. BGH, Urteile vom 25. Februar 1988 – 4 StR 720/87, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 1; vom 13. September 1989 - 3 StR 150/89, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 4).
40
bb) Danach erweist sich schon die vom Landgericht übernommene Ausgangsüberlegung des Sachverständigen, die Deliktsentwicklung beim Angeklagten sei wegen ihres späten Beginns unspezifisch, als nicht tragfähig. Es trifft zwar zu, dass der Angeklagte erst im Alter von 29 Jahren mit der Begehung seiner Straftaten begonnen hat. Indem das Landgericht diesen Gesichtspunkt maßgeblich heranzieht, um einen Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu verneinen, übersieht es indes, dass er erst 14 Monate zuvor aus der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt war. Hier verübte er sodann schwerste Straftaten, unter anderem zahlreiche Raubüberfälle mit einer Gesamtbeute von weit über einer Million DM sowie einen erpresserischen Menschenraub, bei dem sich das Opfer nur durch glückliche Umstände noch vor der Lösegeldübergabe befreien konnte. Seiner Festnahme widersetzte sich der Angeklagte durch sofortigen Schusswaffengebrauch. Bei einem der Raubüberfälle kam eine Person zu Tode.
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Auch die vom Sachverständigen übernommene Wertung der verfahrensgegenständlichen Taten als untypisch kann in diesem Zusammenhang für die Frage eines Hangs des Angeklagten zur Begehung von Straftaten nichts Entscheidendes beitragen. Es trifft zwar zu, dass die Gewaltkomponente bei diesen Taten im Unterschied zu den vorangegangenen Straftaten keine entschei- dende Rolle gespielt hat. Dies ergibt sich indes bereits aus der Natur der verwirklichten Straftatbestände, deren Begehung die Ausübung von Gewalt nicht notwendigerweise voraussetzt. Das Landgericht hat zudem nicht ausreichend in den Blick genommen, dass der Angeklagte in der Vergangenheit mit außerordentlich hoher Rückfallgeschwindigkeit massivste Straftaten beging, im Wesentlichen nur unterbrochen von Aufenthalten im Strafvollzug, in dem er darüber hinaus weitere Taten vorbereitete, und dass ihm der Sachverständige eine hohe Zielstrebigkeit bei der Begehung aller Taten attestiert hat. Angesichts der auch vom Sachverständigen hervorgehobenen Komplexität des hier abzuurteilenden Tatgeschehens, in welchem es dem Angeklagten gelang, ein kriminelles Geflecht für sich einzusetzen, drängte es sich im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung auf, dem Vorliegen eines eingeschliffenen Verhaltensmusters vor dem Hintergrund der in den Taten zum Ausdruck kommenden außerordentlichen kriminellen Energie stärkere Beachtung zu schenken. Dass der Angeklagte (nur) vom Streben nach Geld zur Begehung der Taten veranlasst wurde, vermag entgegen der Auffassung des Landgerichts ein solches Verhaltensmuster nicht in Frage zu stellen.
42
cc) Die Ausführungen zur Gefährlichkeitsprognose begegnen ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar kann der Tatrichter insoweit auch die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs sowie die mit dem Fortschreiten des Lebensalters unter Umständen eintretenden Haltungsänderungen berücksichtigen (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1981 – 5 StR 475/81, StV 1982, 114; BGH, Beschluss vom 3. April 1984 – 5 StR 148/84, NStZ 1984, 309). Der Generalbundesanwalt vermisst im vorliegenden Fall jedoch zu Recht eine Darlegung entsprechender konkreter, auf den Zeitpunkt der Urteilsfindung bezogener Tatsachen. Angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte in der Vergangenheit weitere schwere Straftaten bereits aus dem Strafvollzug heraus plante und der Sachverständige ausgeführt hat, ein selbstkritischer Umgang des Angeklagten mit seinen früheren und den hier abgeurteilten Taten sei nur in Ansätzen festzustellen , war insoweit ein strenger Maßstab anzulegen. Auch rechtfertigt die Erwägung des Landgerichts, eine dissoziale Persönlichkeitsstörung könne beim Angeklagten nicht diagnostiziert werden, die Verneinung einer fortbestehenden Gefährlichkeit für sich genommen nicht. Für die Anordnung der Sicherungsverwahrung sind die Ursachen des Hangs und der sich daraus ergebenden Gefährlichkeit regelmäßig unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2002 – 5 StR 330/02, NStZ 2003, 310, 311; Fischer aaO § 66 Rn. 25 m.w.N.). Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, kann das Vorliegen einer schweren seelischen Abartigkeit, also auch einer dissozialen Persönlichkeit, die Negativprognose mitbegründen, Voraussetzung für die Bejahung der Gefährlichkeit ist sie jedoch nicht (MünchKommStGB/Ullenbruch § 66 Rn. 142).
43
c) Die Frage der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung muss daher – zweckmäßigerweise unter Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen – neu geprüft werden. Angesichts der Ausführungen im angefochtenen Urteil bemerkt der Senat ergänzend, dass es sich bei dem Begriff des Hangs um einen Rechtsbegriff handelt, den das Gericht – auf der Grundlage der Stellungnahme des Sachverständigen – im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten sowie seiner Taten unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Umstände eigenständig festzustellen hat (Rissingvan Saan/Peglau in LK, StGB, 12. Aufl., § 66 Rn. 117 m.w.N.).
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
RiBGH Dr. Franke ist erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann Bender

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

Strafgesetzbuch - StGB | § 56 Strafaussetzung


(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au

Strafgesetzbuch - StGB | § 22 Begriffsbestimmung


Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

Strafgesetzbuch - StGB | § 51 Anrechnung


(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann

Strafgesetzbuch - StGB | § 253 Erpressung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten

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Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 167/01
vom
4. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September
2001, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Schaal,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2000, soweit es den Angeklagten K. betrifft, 1. im Schuldspruch dahin abgeändert, daß
a) der Angeklagte im Fall II. 5 der Urteilsgründe des Betrugs in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung und
b) in den Fällen II. 22, 23 der Urteilsgründe der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit unerlaubtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln schuldig ist, und 2. im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fünfzehn Straftaten zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die Staatsanwaltschaft greift mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision ersichtlich nur den Schuldspruch in den Fällen II. 5, 22 und 23 der Urteilsgründe an. Zudem beanstandet sie die Strafzumessung. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat insoweit mit der Sachrüge Erfolg. 2. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen beging der Angeklagte mit zum Teil gesondert verfolgten Mittätern die Taten, um in der Stuttgarter Drogenszene Geld oder Betäubungsmittel zu erbeuten.
a) An zwei Tagen im Herbst 1999 beschlossen der Angeklagte und ein Mittäter, Drogendealer mit Gewalt dazu zu bringen, ihnen Drogen ohne Bezahlung auszuhändigen. In den Fällen II. 22 und 23 der Urteilsgründe erklärten sie diesen jeweils, von ihnen für 100,-- DM Kokain kaufen zu wollen. Als diese ihnen das Rauschgift zeigten, versuchten sie danach zu greifen und ohne Bezahlung zu flüchten. Die Drogendealer hielten sie jedoch jeweils davon ab. Daraufhin bedrohte sie der Mittäter jeweils absprachegemäß mit einem Messer. Unter dieser Bedrohung übergaben sie ihnen das Kokain. Das Landgericht hat den Angeklagten in beiden Fällen insoweit wegen Nötigung in Tateinheit mit unerlaubtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln verurteilt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt anstelle der Verurteilung wegen Nötigung eine Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung.
b) Am 26. November 1999 hatten der Angeklagte und seine Mittäter beschlossen , sich als Betäubungsmittelhändler auszugeben und Kunden “abzu-
zocken”, die Drogen erwerben wollten. Hierunter verstanden sie, daß sie sich von ihren Opfern das Kaufgeld ohne eine Gegenleistung geben lassen wollten, entweder durch Täuschung oder zusätzlich mit Gewalt oder Drohungen. Demgemäß täuschten der Angeklagte und seine Mittäter im Fall II. 5 dem Zeugen M. - einem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten - vor, diesem Heroin verkaufen zu wollen. Nachdem der Zeuge dem Angeklagten 100,-- DM übergeben hatte, liefen der Angeklagte und seine Mittäter mit dem Geld sofort davon. Als sie sich bereits 200 m entfernt hatten, holte der Zeuge sie ein und forderte sein Geld zurück. Nunmehr wurde der Zeuge von dem Angeklagten und seinen Mittätern in gemeinschaftlichem Zusammenwirken geschubst und getreten, um ihm klarzumachen, daß er weitere Schläge zu befürchten habe, falls er nicht von seinem Rückforderungsverlangen absehe. Kurz darauf griffen Polizeibeamte ein und nahmen die Täter fest. Der Angeklagte gab daraufhin dem Zeugen das Geld zurück. Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit wegen vollendeten Betrugs in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie tateinheitlich hierzu begangener Nötigung verurteilt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt anstelle der Verurteilung wegen Nötigung eine Verurteilung wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung. 3. Die Würdigung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Nach den Feststellungen ist in den Fällen II. 22 und 23 der Urteilsgründe schwere räuberische Erpressung (§§ 253, 255 i. V. m. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) gegeben. Wer einen Rauschgifthändler mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Herausgabe von Drogen nötigt, um sich zu Unrecht zu bereichern, macht sich nicht der Nötigung, sondern der räuberi-
schen Erpressung schuldig. Das Landgericht hat sich an einer entsprechenden Verurteilung gehindert gesehen, weil der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln nicht durch § 253 StGB als Vermögen strafrechtlich unter Schutz stehe. Hierbei hat es verkannt, daß die Rechtsordnung im Bereich der Vermögensdelikte ein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen nicht kennt (vgl. BGHSt 8, 254, 256; BGH NStZRR 1999, 184, 185 f.; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 263 Rdn. 29 m.w.N.). Auch an Sachen wie Rauschgift, die jemand aufgrund einer strafbaren Handlung besitzt und als Tatmittel zur Begehung geplanter Straftaten bereitstellt, kann unbeschadet ihrer Zweckbestimmung oder Bemakelung Erpressung und Betrug begangen werden. Der Bundesgerichtshof hat deshalb auch bereits entschieden, daß das Nötigen zur Herausgabe von Betäubungsmitteln mittels Androhung von Gewalt den Straftatbestand der schweren räuberischen Erpressung erfüllen kann (BGHR BtMG § 29 I Nr. 1 Sichverschaffen 2; vgl. auch BGHR StGB § 263 I Versuch 1).
b) Nach den Feststellungen liegt im Fall II. 5 der Urteilsgründe ein vollendeter Betrug nach § 263 StGB vor. Der Zeuge M. hatte durch die Hingabe des Geldes eine Vermögensverfügung getroffen und dadurch einen Vermögensschaden erlitten. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß derjenige einen Vermögensschaden erleidet, der eine Geldleistung im Rahmen eines verbotenen oder sittenwidrigen Geschäftes erbringt, ohne die vereinbarte Gegenleistung zu erhalten. Betrug ist daher auch möglich beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (vgl. BGH bei Holtz, MDR 1979, 806; Tröndle /Fischer StGB 50. Aufl. § 263 Rdn. 29). Der Vermögensschaden hatte sich schon dadurch realisiert, daß der Angeklagte das Geld erhalten hatte und 200 m weit flüchten konnte.
Der Angeklagte ist weiterhin neben gefährlicher Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) auch der versuchten räuberischen Erpressung gemäß §§ 249, 253 Abs. 1 und 3, 255 StGB schuldig; Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen von § 250 StGB sind dagegen nicht ersichtlich. Der Angeklagte und seine Mittäter wollten einen Drogenkäufer betrügen und gegebenenfalls zusätzlich Gewalt oder Drohungen anwenden, um das Kaufgeld ohne Gegenleistung zu erlangen. Tatsächlich wurde der Zeuge M. auch geschubst und getreten, um ihn davon abzuhalten, sein Rückgabeverlangen durchzusetzen, nachdem er die Täuschung bemerkt hatte. In solchen Fällen findet auch der Erpressungstatbestand jedenfalls dann Anwendung, wenn unmittelbar anschließend das Mittel der Gewalt eingesetzt wird, um das Opfer zu einem solchen Verhalten zu nötigen (vgl. auch BGHSt 25, 224, 226; BGH NJW 1984, 501; BGHR StGB § 263 I Versuch 1 m.w.N.; zum umgekehrten Fall, daß der Käufer sein Geld mit Nötigungsmitteln zurückverlangt, vgl. BGH NStZRR 2000, 234). Da es dem Angeklagten und seinen Mittätern nicht gelungen ist, den Zeugen M. v on seinem Herausgabeverlangen abzuhalten, ist nur ein Versuch gegeben. Versuchte räuberische Erpressung und gefährliche Körperverletzung stehen zum Betrug in Tateinheit (§ 52 StGB). Tatmehrheit ist nicht gegeben, weil der Betrug zwar vollendet, aber noch nicht beendet war. 4. Infolge der Schuldspruchänderung zum Nachteil des Angeklagten kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat den Umstand , daß der Angeklagte - nach seiner Rechtsauffassung - in sechs Fällen Verbrechenstatbestände verwirklicht hat, als straferschwerend hervorgehoben. Angesichts der Verwirklichung weiterer Verbrechenstatbestände vermag der Senat nicht auszuschließen, daß das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung eine höhere Strafe verhängt hätte.
Der Senat ändert den Schuldspruch selbst. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Schon die Anklage war davon ausgegangen, daß der Tatbestand der (schweren) räuberischen Erpressung gegeben ist. Im übrigen ist auch nicht ersichtlich, daß sich der Angeklagte gegebenenfalls erfolgversprechender als geschehen hätte verteidigen können.
Nack Wahl Schluckebier Kolz Schaal

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 255/09
vom
28. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schweren räuberischen Diebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. Juli 2009 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 11. Februar 2009 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1 und 13 bis 18 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren räuberischen Diebstahls, Diebstahls in acht Fällen, Betruges in sieben Fällen, Amtsanmaßung sowie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen, davon einmal in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Weiterhin hat es die Einziehung eines näher bezeichneten Kraftfahrzeugs angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung wegen schweren räuberischen Diebstahls begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
a) Nach den Feststellungen war das spätere Tatopfer S. bereit, seinen Ausweis für 30 oder 50 € an den Angeklagten und den früheren Mitangeklagten E. zu verkaufen. S. erhielt sodann 20 € „quasi als Anzahlung“ und übergab dem Angeklagten den Ausweis. Nachdem E. sich entfernt hatte, beschwerte sich S. beim Angeklagten wegen des noch ausstehenden Kaufpreises. Während dessen begab sich der Angeklagte – begleitet von dem schimpfenden S. - zu einem mit E. zuvor vereinbarten Treffpunkt. Angesichts des immer wütender werdenden S. befürchtete er jedoch, den Ausweis wieder abgenommen zu bekommen. Er rannte los und wurde dabei von S. verfolgt. Um den Ausweis behalten zu können und aus Angst vor dem aufgebrachten S. sprühte er diesem daraufhin ein mitgeführtes Reizgas in das Gesicht.
4
b) Diese Feststellungen belegen nicht, dass S. – wie für die Annahme eines Diebstahls erforderlich – nach der Übergabe seines Ausweises noch (Mit-) Gewahrsam an dem Ausweis hatte. Dagegen könnte insbesondere sprechen, dass er nicht auf dessen Rückgabe drängte, sondern lediglich auf Zahlung des restlichen „Kaufpreises“. Es liegt somit jedenfalls nicht fern, dass er aufgrund der mit dem Angeklagten getroffenen Vereinbarung auf Grund freier , wenn auch möglicherweise durch Irrtum beeinflusster Willensentschließung den Gewahrsam auf den Angeklagten übertragen wollte und übertragen hat (vgl. BGHSt 41, 198, 201; BGHR StGB § 242 Abs. 1 Wegnahme 2). Dann käme - wie das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung im Grundsatz nicht verkannt hat - eine Strafbarkeit wegen (räuberischen) Diebstahls nicht in Betracht. Aber auch eine Strafbarkeit wegen Betruges würde mangels eines messbaren Substanzwertes des Ausweises ausscheiden (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1972, 17 [Reisepass] sowie Cramer/Perron in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 263 Rdn. 98). Zu der Willensrichtung des Geschädigten bei der Übergabe des Ausweispapieres hätten daher nähere Feststellungen getroffen werden müssen.
5
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen (vollendeten) Betruges in den Fällen II. 13 bis 18 der Urteilsgründe kann ebenfalls nicht bestehen bleiben.
6
a) In den Fällen des Selbstbedienungstankens setzt die Annahme eines vollendeten Betruges voraus, dass der Täter durch (konkludentes) Vortäuschen von Zahlungsbereitschaft bei dem Kassenpersonal einen entsprechenden Irrtum hervorruft, der anschließend zu der schädigenden Vermögensverfügung (Einverständnis mit dem Tankvorgang) führt. An der erforderlichen Irrtumserregung fehlt es, wenn das Betanken des Fahrzeugs vom Kassenpersonal überhaupt nicht bemerkt wird. Ist dies der Fall, liegt jedoch regelmäßig ein Betrugsversuch vor (vgl. Senat NJW 1983, 2827 mit Anm. Gauf/Deutscher NStZ 1983, 505; OLG Köln NJW 2002,1059).
7
b) Die Urteilsfeststellungen belegen hier nicht, dass die Tankvorgänge von dem jeweiligen Kassenpersonal wahrgenommen worden sind. Zwar wird dies unter den heutigen Verhältnissen (Video-Überwachung, Kontrollpulte im Kassenraum etc.) vielfach der Fall sein. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Tankvorgänge vom Kassenpersonal nicht bemerkt werden , insbesondere bei weitläufigen Tankstellen mit zahlreichen Zapfsäulen, bei großem Kundenandrang oder bei Inanspruchnahme durch Kassier- oder sons- tige Verkaufstätigkeiten (vgl. im Übrigen auch den Senatsbeschluss vom heutigen Tage in dem Parallelverfahren 4 StR 254/09).
8
3. Die Verurteilungen in den Fällen II. 1, 13 bis 18 der Urteilsgründe haben daher keinen Bestand. Dies führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe. Nur vorsorglich merkt der Senat an, dass der von der Revision zu Fall II. 1 gerügte Fehler bei der Strafrahmenwahl den Angeklagten nicht beschwert hätte. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen erfüllt sein Verhalten bei Zugrundelegung der Voraussetzungen des § 252 StGB den Tatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB und nicht nur – wie das Landgericht bei der Strafzumessung angenommen hat – den des § 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB. Die Annahme eines minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StGB war danach für den Angeklagten günstiger als eine Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB.
9
4. Der Strafausspruch hält aber auch in den Fällen II. 2, 6, 7, 12, 19, 20 und 21 rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt: "Hinsichtlich des Falles II.2 fehlen jegliche Angaben, welcher Strafrahmen der konkreten Strafzumessung zugrunde gelegt ist. Aus diesem Grund ist die Einzelstrafe in diesem Falle aufzuheben. Soweit die Kammer in den (übrigen) Fällen II. 6, 7, 12, 19, 20 und 21 in ihrer Strafzumessung den Regelstrafrahmen der §§ 132,142 StGB und § 21 StVG zugrunde gelegt hat, hat sie es versäumt, den Strafrahmen gemäß §§ 21, 49 StGB zu mildern. Die Nichtberücksichtigung der erheblich eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten hat das Landgericht auch nicht etwa durch Einbeziehung dieses Umstandes in die konkrete Strafzumessung ausgeglichen, weshalb das Vorliegen von § 21 StGB bei der bisherigen Straffestsetzung völlig un- beachtet geblieben ist. Dass die Kammer diesen bestimmenden Strafmilderungsgrund bei der Strafzumessung völlig außer Acht gelassen hat, zwingt deshalb zur Aufhebung der gesamten Strafaussprüche.“
10
5. Der Senat hebt auch die restlichen Einzelstrafaussprüche auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, über die Rechtsfolgen umfassend neu zu befinden. Die Aufhebung des Strafausspruches führt hier auch zur Aufhebung der Einziehungsanordnung (vgl. BGH NStZ 1993, 400).
Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Mutzbauer

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

5 StR 330/02

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 28. November 2002
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. November
2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt S ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof Sch
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin H
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin K
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 26. März 2002 mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit das Landgericht von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat,
b) im Strafausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e 1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs widerstandsunfähiger Personen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, von der Anordnung der Sicherungsverwahrung jedoch abgesehen. Die Staatsanwaltschaft hat ihr lediglich zu Ungunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel auf eine Verfahrensrüge sowie die Sachrüge gestützt und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die – vom Generalbundesanwalt vertretene – Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
2. Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte im Jahre 1997 we- gen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, die er bis zum 6. November 2000 verbüßte. Etwa drei Monate nach seiner Haftentlassung , im Februar 2001, führte er bei der 16 Jahre alten und geistig behinderten Geschädigten den Geschlechtsverkehr durch und schwängerte sie dabei.
3. Das Landgericht hat – ohne nähere Ausführungen zu § 66 StGB zu machen – die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung verneint, weil bei ihm kein Hang zu erheblichen Straftaten vorliege. Diese Darlegungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
Nach den Urteilsgründen sind die formellen Voraussetzungen nach § 66 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB gegeben.
Wie die Revision zutreffend darlegt, ist es den Urteilsgründen zufolge nicht ausgeschlossen, daß auch die in § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB genannten materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorliegen. Die Strafkammer führt zwar aus, daß beim Angeklagten „kein Hang zu erheblichen Straftaten“ vorliege. Bei der der Vorverurteilung zugrunde liegenden Tat sei der Angeklagte alkoholisiert gewesen; er lebe aber nunmehr abstinent. Bei der jetzigen Verurteilung handele es sich um eine Tat „innerhalb seiner Familie“, in die er jetzt nicht mehr zurückkehren dürfe; zudem sei es trotz weiteren Zusammenlebens in den folgenden Monaten zu keiner weiteren Straftat gekommen. Doch läßt das angefochtene Urteil nicht hinreichend erkennen, ob das Landgericht hierbei von einem zutreffenden Verständnis der erwähnten Regelung ausgegangen ist.
Möglicherweise hat die Strafkammer den Begriff des Hanges verkannt. Sie verweist zwar zu Recht auf die abhängige, asthenische Persönlichkeit des Angeklagten hin, die sich „in Introvertiertheit, Willensschwäche, Passivität , Ambivalenz, Durchsetzungsunfähigkeit, Abhängigkeitsverhalten, Selbstunsicherheit , Kontaktschwäche, schnelle Reiz- und Verletzbarkeit sowie ungenügend ausgeprägte Selbstreflexion“ äußere. Indes setzt sie sich nicht ausdrücklich damit auseinander, daß einen Hang (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB) auch haben kann, wer willensschwach ist, aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht genügend widerstehen kann und so jeder neuen Versuchung zum Opfer fällt. Daß sich der Täter – wofür die Umstände des vorliegenden Falles sprechen – aus Willensschwäche zu Straftaten hinreißen läßt, steht infolgedessen der Annahme eines kriminellen Hanges im Sinne der genannten Vorschrift nicht entgegen (BGHSt 24, 160, 161 f.; BGH, Urt. vom 20. Februar 2002 – 2 StR 486/01, insoweit in BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 6 nicht abgedruckt). Mit diesem Aspekt hätte sich die Strafkammer unter Berücksichtigung der hohen Rückfallgeschwindigkeit näher befassen müssen.
Zu besorgen ist ferner, die Strafkammer könne einen Hang des Angeklagten auch deshalb verneint haben, weil bei ihm „keine besondere Neigung zu jungen Mädchen“ bestehe. Das wäre eine zu enge Betrachtungsweise, die dem festgestellten Sachverhalt nicht hinreichend gerecht wird. Bei der Vorverurteilung hatte er von einem 13 Jahre alten Mädchen den Oralverkehr erzwungen. Bei der jetzigen Tat war die im Juli 1984 geborene Geschädigte nicht – wie das Landgericht bei der Erörterung dieser Frage (UA 16) meint – 17 Jahre, sondern erst 16 Jahre alt. Sie verfügt zudem aufgrund ihrer geistigen Behinderung lediglich „über die Intelligenz einer 7 bis 8jährigen“. Weiterhin konnte das Landgericht bei der Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und der Tat zwar berücksichtigen, daß er mit seiner zwei Jahre älteren geschiedenen Ehefrau sexuelle Kontakte hatte, die „für ihn voll befriedigend“ waren. Bei der Würdigung, ob die Tat des Angeklagten symptomatisch für den Hang zur Begehung gleichartiger Taten und für die Gefährlichkeit ist, muß aber auch bedacht werden, daß die Bindung an die geschiedene Ehefrau bereits zur Zeit der Tat bestand und die Schlußfolgerung des Tatrichters nicht ohne weiteres zu stützen vermag.
4. Über die Anordnung von Sicherungsverwahrung muß nach alledem neu befunden werden.
Der neue Tatrichter wird einen weiteren Sachverständigen zu den Voraussetzungen der §§ 63 und 66 StGB zu hören haben (§ 246a StPO). Sollte sich dabei ergeben, daß der im Rahmen von § 66 StGB vorausgesetzte Hang auf Umstände zurückgeht, welche gleichzeitig die erheblich verminderte Schuldfähigkeit begründen, ist die Unterbringung nach § 63 StGB vorrangig und deren alleinige Anordnung im Regelfall auch ausreichend (vgl. BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 6).
Auch bei Annahme eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB und der sonstigen Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungsverwahrung stünde diese gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB im Ermessen des Gerichts (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 3 Begründung 1; BGH NStZ 1985, 261 m. w. N.).
5. Angesichts der vom Landgericht angestellten Strafzumessungser- wägungen kann der Senat nicht ausschließen, daß die Strafkammer, hätte sie die Sicherungsverwahrung angeordnet, eine geringere Strafe verhängt hätte (vgl. BGH NJW 1980, 1055, 1056; BGH StV 2002, 480). Der Ausspruch über die verhängte Strafe wird deshalb aufgehoben.
Harms Häger Gerhardt Brause Schaal