Bundesgerichtshof Urteil, 20. Nov. 2014 - 4 StR 234/14

bei uns veröffentlicht am20.11.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 234/14
vom
20. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. November
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
– in der Verhandlung –,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
– bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
– in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 15. Januar 2014 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision hat keinen Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen fuhr die gesondert verfolgte Zeugin K. in der Zeit von Anfang November 2011 bis zum 2. August 2012 auf Veranlassung des Angeklagten, ihres Ehemannes, in einem zweiwöchigen Rhythmus in die Niederlande, um dort zuvor von ihm bestellte Betäubungsmittel (Heroin und Kokain) abzuholen und anschließend versteckt in ihrem Pkw nach Deutschland zu verbringen. Das so beschaffte Kokain und jeweils 100 Gramm des Heroins behielten der Angeklagte und die Zeugin K. zum Eigenverbrauch zurück. Das restliche Heroin wurde von dem Angeklagten gestreckt und anschließend in Teilmengen verkauft. Die daraus erzielten Gewinne verwendete der Angeklagte zur Bezahlung der jeweils nachfolgend von ihm bestellten Drogenmenge und für den Lebensunterhalt. In der Zeit von November 2011 bis Mitte April 2012 verbrachte die Zeugin K. bei 10 Fahrten jeweils 300 Gramm Heroin und 75 Gramm Kokain auf das Bundesgebiet (Fälle 1 bis 10 der Urteilsgründe). Am 30. April, 8. und 22. Mai, 3., 14. und 28. Juni, sowie am 9. und 21. Juli 2012 kam es zu acht weiteren Fahrten, bei denen einmal 300 Gramm Heroin und 50 Gramm Kokain (Fahrt vom 28. Juni 2012) und im Übrigen jeweils 300 Gramm Heroin und 75 Gramm Kokain beschafft wurden (Fälle 11 bis 18 der Urteilsgründe). Das Heroin hatte jeweils einen Heroinhydrochlorid-Anteil von mindestens 20 %. Das Kokain wies in allen Fällen einen Kokainhydrochlorid -Anteil von mindestens 30 % auf. Am 2. August 2012 wurde die Zeugin K. bei ihrer Rückkehr von einer weiteren Beschaffungsfahrt festgenommen. Dabei konnten versteckt in ihrem Pkw 300,8 Gramm Heroin (62,5 Gramm Heroinhydrochlorid) und 74,9 Gramm Kokain (25,5 Gramm Kokainhydrochlorid) sichergestellt werden (Fall 19 der Urteilsgründe).

II.


3
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht kein Verfahrenshindernis.
4
Die vom Landgericht unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 16. April 2013 erfüllt die Anforderungen, die nach § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO bei Serientaten an die Umgrenzungsfunktion zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 5 StR 297/13, NStZ 2014, 49; Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 154 f.). Der Verfahrensgegenstand wird im Anklagesatz durch die An- gabe des Tatzeitraumes, der Tatfrequenz, die Nennung der Mindestzahl der innerhalb dieses Rahmens begangenen Taten und die Schilderung des Tatablaufes (Mindestmenge, Einkaufs- und Verkaufspreise, Transportmodalitäten, Streckung des Heroins vor dem Verkauf etc.) hinreichend bezeichnet.
5
Der anhand des in Bezug genommenen Antrages der Staatsanwaltschaft auszulegende Beschluss des Landgerichts vom 15. Januar 2014, mit dem das Verfahren teilweise nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, bezieht sich auf den Zeitraum bis einschließlich Oktober 2011 und stand daher der Aburteilung der verfahrensgegenständlichen Taten nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2014 – 4 StR 69/14).
6
Der Umstand, dass das Landgericht in den Fällen 1 bis 10 von einer Übergabe der Betäubungsmittel in D. oder H. ausgegangen ist, während in der zugelassenen Anklage nur D. als Übergabeort benannt wird, hebt die Identität zwischen den angeklagten und den abgeurteilten Taten nicht auf. Die in der Anklage beschriebenen Taten sind durch weitere – von der Angabe des Übergabeortes unabhängige – Merkmale individualisiert. Die Hinzufügung eines zweiten lediglich alternativ in Betracht kommenden Übergabeortes stellt die „Nämlichkeit“ der Tat daher nicht in Frage (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – 4 StR 407/09, NStZ 2010, 346, 347 mwN).

III.


7
Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
8
1. Die Rüge, das Landgericht habe gegen § 265 StPO verstoßen, weil der Angeklagte nicht darauf hingewiesen worden sei, dass in den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe als Übergabeort für die Betäubungsmittel in den Niederlanden neben dem in der Anklageschrift genannten D. auch H. in Betracht komme und sich hinsichtlich der Fälle 11 bis 18 der Urteilsgründe in der Hauptverhandlung eine Konkretisierung der Tatzeiten ergeben habe, bleibt ohne Erfolg.
9
a) Die Rüge entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil sie sich nicht dazu verhält, ob der Angeklagte von den angeführten Veränderungen der Sachlage durch den Gang der Hauptverhandlung zuverlässig unterrichtet worden ist.
10
aa) Wird – wie hier – die verletzte Hinweispflicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 265 Abs. 1 StPO hergeleitet, weil es in der Hauptverhandlung zu einer Veränderung der tatsächlichen Urteilsgrundlage oder zu einer Konkretisierung eines allgemein gefassten Anklagesatzes gekommen ist, muss die Revision auch zum Verlauf der die veränderten Punkte betreffenden Beweisaufnahme vortragen. Andernfalls vermag das Revisionsgericht nicht zu beurteilen, ob der Angeklagte bereits aus dem Gang der Verhandlung erfahren hat, dass das Gericht die Verurteilung auf eine andere tatsächliche Grundlage stellen will und der vermisste konkrete Hinweis deshalb nicht mehr erforderlich war (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 1995 – 4 StR 60/95, S. 4 f.; Urteil vom 15. Januar 1991 – 1 StR 603/90, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Hinweispflicht 2; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 118).
11
bb) Diesen Anforderungen wird das Revisionsvorbringen nicht gerecht. Es beschränkt sich auf die Behauptung, zu keinem Zeitpunkt konkret darauf hingewiesen worden zu sein, dass die Strafkammer in den Fällen 1 bis 10 H. als weiteren Übergabeort in Betracht zieht und in den Fällen 11 bis 18 konkrete Tatzeitpunkte für feststellbar hält (S. 4 f. der Revisionsbegründung). Mit der die veränderten Umstände betreffenden Beweisaufnahme, wie der Verlesung der Protokolle der die Fälle 11 bis 18 betreffenden Telefongespräche sowie von Ziffer 3.8 des polizeilichen Abschlussberichts vom 25. Januar 2013, der eine genaue Angabe der konkreten Tatzeiten enthielt (Bl. 50 f. des Protokollbandes , Bl. 321 ff. d.A.), setzt sich die Revision nicht auseinander. Danach können sowohl der zusätzliche Übergabeort, als auch die konkreten Tatzeiten mit ausreichender Deutlichkeit zur Sprache gekommen sein. Die Lücken im Vortrag werden auch nicht durch die Ausführungen der Strafkammer im angefochtenen Urteil geschlossen.
12
b) Dessen ungeachtet wäre die Rüge auch unbegründet. Weder hinsichtlich des weiteren Übergabeortes in den Niederlanden bei den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe, noch in Bezug auf die Konkretisierung der Tatzeiten in den Fällen 11 bis 18 der Urteilsgründe war ein Hinweis geboten.
13
aa) Ob die Veränderung eines tatsächlichen Umstandes zu einer Hinweispflicht in entsprechender Anwendung des § 265 Abs. 1 StPO führt, hängt davon ab, ob sie in ihrem Gewicht der Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunktes gleichsteht, auf die sich § 265 Abs. 1 StPO unmittelbar bezieht (BGH, Urteil vom 3. September 1963 – 5 StR 306/63, BGHSt 19, 88, 89). Dabei kommt es auf den Einzelfall an (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 – 1 StR 582/10, BGHSt 56, 121, wesentliche Veränderung des dem gesetzlichen Straftatbestand zugeordneten Tatverhaltens durch Austausch der Bezugstat beim Verdeckungsmord; Beschluss vom 8. November 2005 – 2 StR 296/05, NStZ-RR 2006, 213, 214, Tatzeitveränderung bei Alibibehauptung für die in der Anklage bezeichnete Tatzeit; Urteil vom 15. November 1978 – 2 StR 456/78, BGHSt 28, 196, 197 f., Annahme einer anderen schuldhaften Handlung als Ursache für den tatbestandsmäßigen Erfolg). Bei einer im Tatsächlichen ungenauen Fassung der Anklageschrift ist ein Hinweis entsprechend § 265 StPO grundsätzlich nicht vorgeschrieben, wenn im Laufe der Hauptverhandlung nähere Konkretisierungen von Einzelfällen durch die genauere Beschreibung von Tatmodalitäten oder Begleitumständen ergeben. Ein Hinweis kann nur ausnahmsweise geboten sein, etwa um das Recht des Angeklagten auf rechtliches Gehör oder den Schutz vor Überraschungsentscheidungen zu gewährleisten (BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 – 3 StR 222/02, BGHSt 48, 221, 224 ff.; weiter gehend – aber nicht tragend entschieden – BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 157; Urteil vom 4. November 1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 299; Urteil vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44; weitere Nachweise bei LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 78).
14
bb) Daran gemessen kam dem Umstand, dass sich in der Hauptverhandlung in den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe ein weiterer Übergabeort ergeben hat, kein eine Hinweispflicht auslösendes Gewicht zu. Die den gesetzlichen Straftatbeständen zugeordneten Tathandlungen des Angeklagten und der Zeugin K. sind von der Veränderung nicht betroffen. Auch wurde die Tatrichtung dadurch in keiner Weise verändert. Dass die bestellten Betäubungsmittel von der ZeuginK. bei ihren regelmäßigen Beschaffungsfahrten nicht nur in D. , sondern auch in H. übernommen wurden, liegt innerhalb der möglichen Variationsbreite des Geschehensbildes der Tat im weiteren Sinne und konnte den Angeklagten daher nicht überraschen (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1999 – 2 StR 530/98, BGHR StPO § 265 Abs. 4 Hinweispflicht

15).


15
Auch in den Fällen 11 bis 18 der Urteilsgründe bestand keine Hinweispflicht. Die unverändert zugelassene Anklageschrift ging davon aus, dass die Zeugin K. im Einvernehmen mit dem Angeklagten in einem „14-Tage- Rhythmus“ in die Niederlande gefahren ist, um dort Heroin für den gemein- samen Eigenkonsum und den gewinnbringenden Weiterverkauf durch den Angeklagten zu beschaffen. Das Landgericht hat in den Fällen 11 bis 18 konkrete Tatzeiten festgestellt. Die sich dabei ergebenden Intervalle zwischen den einzelnen Fahrten weichen von dem in der Anklageschrift angeführten „14-Tage- Rhythmus“ nur unwesentlich ab. Die hierzu von der Strafkammer als Be- weisgrundlage herangezogenen Ergebnisse der Telefonüberwachung und der GPS-Ortung des Fahrzeugs der Zeugin K. wurden bereits in der Anklageschrift als Beweismittel für die Anzahl der Fahrten angeführt. Der Angeklagte und die Verteidigung konnten von den Urteilsfeststellungen mithin auch nicht überrascht sein. Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 19. Dezember 1995 (4 StR 691/95, NStZ 1996, 295 f.) bei einer nachträglichen Konkretisierung einer nur ungenau gefassten Anklage einen Hinweis entsprechend § 265 StPO für erforderlich gehalten hat, betraf dies einen anderen Fall.
16
2. Die Rüge, das Landgericht habe bei der Ablehnung des in der Hauptverhandlung vom 15. Januar 2014 gestellten Antrages auf Vernehmung des Zeugen POK R. zu belastenden Angaben des Zeugen Kr. im Rahmen eines neuen gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens gegen Verfahrensrecht verstoßen, hat weder als Beweisantragsrüge (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO), noch als Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) Erfolg.
17
a) Soweit ein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO geltend gemacht wird, ist die Rüge nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil sich die Revision in der Begründung (S. 5 bis 15 der Revisionsrechtfertigung) nicht dazu verhält, dass der Zeuge POK R. bereits in der Hauptverhandlung vom 13. November 2013 (Bl. 33 des Protokollbandes) vernommen wurde. Der Senat kann daher nicht prüfen, ob der Zeuge bei dieser Gelegenheit zu demselben Beweisthema gehört wurde und deshalb in dem Beweisverlangen vom 15. Januar 2014 kein Beweisantrag sondern nur eine Beweisanregung liegt, der das Gericht ohne Bindung an die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 StPO lediglich im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nachzukommen hatte (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1999 – 1 StR 590/98, NStZ 1999, 312; Urteil vom 21. Juni 1995 – 2 StR 67/95, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 32 mwN). Soweit an anderer Stelle (S. 52 der Revisionsrechtfertigung ) zu der Vernehmung des Zeugen POK R. am 13. November 2013 vorgetragen wird, ergibt sich daraus, dass die neuen Ermittlungen gegen den Zeugen Kr. bereits Gegenstand seiner Anhörung waren.
18
b) Die Rüge, das Landgericht habe bei der Ablehnung des Antrages gegen seine Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO verstoßen, ist ebenfalls nicht zulässig ausgeführt. Es fehlt an der Angabe hinreichend bestimmter Beweistatsachen , die mit dem bezeichneten Beweismittel hätten bewiesen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2007 – 5 StR 344/07, NStZ-RR 2008, 5 bei Sander/Cirener; Urteil vom 12. Mai 2005 – 5 StR 283/04, NJW 2005, 2242, 2243). Die Revision teilt dazu lediglich mit, die Vernehmung des Zeugen POK R. hätte zu dem Ergebnis geführt, dass der Zeuge Kr. anlässlich der gegen ihn geführten Ermittlungen die Zeugin B. weiterer Einfuhrfahrten bezichtigt hat und sich diese Anschuldigungen durch die weiteren Ermittlungen nicht bestätigen ließen (S. 15 der Revisionsrechtfertigung). Aus welchen Tatsachen sich die Schlussfolgerung ergeben soll, die Angaben des Zeugen Kr. hätten keine Bestätigung gefunden, lässt sich dem Vorbringen nicht entnehmen und wäre an dieser Stelle vorzutragen gewesen (vgl.
BGH, Urteil vom 25. August 1987 – 4 StR 210/87, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 4).
19
3. Die Rügen, das Landgericht habe gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen und bei der Ablehnung der Anträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens und Einvernahme der Zeugin M. gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verstoßen, bleiben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts angeführten Gründen ohne Erfolg.

IV.


20
Die auf die Sachrüge hin erfolgte Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

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(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

5 StR 297/13

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 22. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Oktober
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt B.
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 1. November 2012 aufgehoben , soweit das Landgericht das Verfahren hinsichtlich der Tatvorwürfe 1 bis 5 der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) vom 13. November 2007 eingestellt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Die zugelassene Anklage legt dem Angeklagten u.a. sexuellen Missbrauch eines Kindes in fünf Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen (Tatvorwürfe 1 bis 5 der Anklage), zur Last. Nachdem insoweit wiederholt nach § 206a StPO ergangene Einstellungsbeschlüsse des Landgerichts in der Beschwerdeinstanz aufgehoben worden waren, hat das Landgericht die Tatvorwürfe 1 bis 5 nunmehr durch das angefochtene Urteil eingestellt, weil die Anklageschrift – entgegen der letzten Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts – insofern nicht den Anforderungen des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO genüge. Allein hierauf hat die Staatsanwaltschaft ihre Revision beschränkt. Eine weitergehende Verfah- renseinstellung und die Freisprechung des Angeklagten von weiteren Tatvorwürfen wird nicht mehr angefochten.
2
Im Umfang der Durchführung hat das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Erfolg. Ein Verfahrenshindernis liegt nicht vor. Die Anklage konkretisiert die Tatvorwürfe 1 bis 5 noch hinreichend und ist insoweit wirksam.
3
Bei einer Vielzahl sexueller Übergriffe gegenüber Kindern, die häufig – soauch im vorliegenden Fall – erst nach längerer Zeit angezeigt werden, ist eine Individualisierung nach Tatzeit und exaktem Geschehensablauf oftmals nicht möglich. Das darf einer Anklageerhebung nicht entgegenstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfüllt die Anklageschrift in diesen Fällen bereits dann ihre Umgrenzungsfunktion, wenn sie den Verfahrensgegenstand durch den zeitlichen Rahmen der Tatserie, die Nennung der Höchstzahl der nach dem Anklagevorwurf innerhalb dieses Rahmens begangenen Taten, das Tatopfer und die wesentlichen Grundzüge des Tatgeschehens bezeichnet (vgl. BGH, Urteile vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 46 f.; vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 154 f. mwN).
4
Diesen Anforderungen wird die Anklage noch gerecht. Sie geht davon aus, dass es in den Tatzeiträumen zu einer Vielzahl ähnlicher sexueller Übergriffe des Angeklagten auf seine Tochter C. gekommen ist. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb – unter Bezeichnung des Opfers, des Tatortes und der Tatzeiträume – nur Taten angeklagt, die sich in ihrer konkreten Ausführungsart unterscheiden. Die individualisierenden Merkmale lassen trotz der zum Teil langen Tatzeiträume konkrete Lebenssachverhalte erkennen und die Taten von anderen möglichen Übergriffen abgrenzen. Dass die Taten auch etwa detailreicher hätten dargestellt werden können (vgl. wesentliches Ergebnis der Ermittlungen, S. 20 der Anklageschrift) steht dem nicht entgegen. Eine Begrenzung der Anklage auf den Initialfall und jeweils einen Fall mit einer weitergehenden, je individuell unterschiedlichen Modalität hat – worauf das Oberlandesgericht in seiner Beschwerdeentscheidung zu Recht hingewiesen hat – zur Folge, dass nach einem Sachurteil auf der Grundlage dieser Anklage auch für weitere gleichartige oder ähnliche Taten in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes von einem Strafklageverbrauch auszugehen sein wird.
5
Eine Verurteilung wegen eines tateinheitlichen Vergehens nach § 174 StGB wird nach dem Zweifelsgrundsatz nur dann möglich sein, wenn sich sicher feststellen lässt, dass die entsprechende individualisierte Tat nach dem 9. Juni 1999 begangen worden ist (vgl. zur Verjährung S. 21 der Anklageschrift

).


Basdorf Sander Schneider Dölp König

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 69/14
vom
25. September 2014
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––-
Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Verfahrenseinstellung nach § 154
Abs. 2 StPO.
BGH, Urteil vom 25. September 2014 – 4 StR 69/14 – LG Dortmund
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. September
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der
Verhandlung –
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 21. Oktober 2013 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in siebzehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt sowie Verfall und Verfall von Wertersatz angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils beschloss der Angeklagte im Jahr 2010, mit Cannabisprodukten Handel zu treiben. Er wandte sich an den früheren Mitangeklagten B. , der einen Händler in A. in den Niederlanden kannte. B. warb über den früheren Mitangeklagten G. den Motorradrennfahrer Be. als Kurier an. Be. transportierte jeweils mindestens fünf Kilogramm Marihuana nach Deutschland. Zwei Fahrten fanden im Jahr 2010, zehn Fahrten im Jahr 2011 und vier Fahrten im Jahr 2012 statt. Bei der Übergabe des Rauschgifts nach einer weiteren Fahrt am 19. Dezember 2012 wurden der Angeklagte und Be. festgenommen.
3
2. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 13. Februar 2013 wirft dem Angeklagten vor, von Juli 2010 bis zum 19. Dezember 2012 durch 104 selbständige Handlungen in 86 Fällen (Fälle 1 bis 86) mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben und in 18 Fällen (Fälle 87 bis 104) als Mitglied einer Bande mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben und sie eingeführt zu haben. Die Fälle 1 bis 86 der Anklageschrift betreffen Verkäufe an den gesondert verfolgten M. im Zeitraum von Juli 2010 bis zum 12. März 2012. Die Fälle 87 bis 98 der Anklageschrift sind dahin konkretisiert, dass Be. nach Bestellungen des Angeklagten und auf Anweisung von B. im Jahr 2011 zwölfmal nach A. gefahren ist und jeweils mindestens fünf Kilogramm Marihuana nach Deutschland gebracht hat. Als Fälle 99 bis 103 sind fünf Einfuhrfahrten des Be. für den Angeklagten im Jahr 2012 dargestellt. Der Fall 104 schildert die Einfuhrfahrt vom 19. Dezember 2012 und die Festnahme des Angeklagten und Be. s.
4
3. Am zweiten Tag der Hauptverhandlung, dem 15. Oktober 2013, erteilte das Landgericht dem Angeklagten folgenden rechtlichen Hinweis: „1. Hinsichtlich der Anklagevorwürfe 87 bis 104 kommt statt einer Verur- teilung wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG auch eine Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG in Betracht, 2. hinsichtlich der Anklagevorwürfe 1 bis 86 dürften Bewertungseinheiten anzunehmen sein. Soweit Verkaufsgeschäfte an den gesondert verfolgten M. im Jahre 2011 stattfanden, dürfte es sich um Abverkäufe aus den zuvor von dem gesondert verfolgtenBe. mit dem Motorrad aus A. /Niederlande eingeführten Marihuanamengen handeln. Soweit Verkaufsgeschäfte an den gesondert ver- folgten M. ab Juli 2010 angeklagt sind, dürften auch insoweit Bewertungseinheiten vorliegen, da nach der Einlassung des Angeklagten und den Angaben des anderweitig verfolgten Be. in dem Verfahren gegen B. und G. bereits im Jahre 2010Einfuhrfahrten von jeweils mindestens 5 kg Marihuana durch Be. er- folgten.“
5
Am dritten Tag der Hauptverhandlung, dem 21. Oktober 2013, ergingen folgende Gerichtsbeschlüsse: „Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird die Strafverfolgung in rechtlicher Hinsicht gemäß § 154 a Abs. 1 Nr. 1 StPO auf den Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG beschränkt.
Das Verfahren wird, soweit die Zahl der angeklagten Taten 17 Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge übersteigt, abgetrennt und insoweit auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt.“
6
Das Gericht erteilte dem Angeklagten den weiteren Hinweis, „dass anstelle einer Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäu- bungsmitteln in nicht geringer Menge auch eine Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in Betracht kommt.“

II.


7
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
8
1. Der Beschluss des Landgerichts vom 21. Oktober 2013, mit dem eine Abtrennung von Verfahrensteilen und deren Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO angeordnet worden ist, begründet kein Verfahrenshindernis und steht deshalb einer Ausurteilung von 17 Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht entgegen.
9
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet die Einstellung eines Tatvorwurfs gemäß § 154 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, zu dessen Beseitigung ein förmlicher Wiederaufnahmebeschluss nach § 154 Abs. 5 StPO erforderlich ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juli 2014 – 4 StR 230/14 Rn. 6; vom 4. Februar 2014 – 2 StR 487/13 Rn. 2; vom 18. April 2007 – 2 StR 144/07, NStZ 2007, 476).
10
aa) Wegen der weitreichenden Wirkungen einer Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO ist die Beschlussformel so zu fassen, dass kein Zweifel besteht, auf welche Taten und welche Angeklagten sie sich bezieht (BGH, Beschluss vom 23. März 1996 – 1 StR 685/95, juris, Rn. 23). Die eingestellten Taten sind genau zu bezeichnen, nach Möglichkeit mit der Nummerierung der Anklageschrift. Ist dies nicht möglich, sind die Taten so genau zu beschreiben, dass klar erkennbar ist, welche angeklagten Taten aus dem Verfahren ausgeschieden werden. Hinsichtlich der Konkretisierung im Einstellungsbeschluss gelten insoweit dieselben Anforderungen wie bei der Tatbeschreibung in der Anklageschrift zur Erfüllung ihrer Umgrenzungsfunktion.
11
(1) Die Anklageschrift hat die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen (Umgrenzungsfunktion – st. Rspr., vgl.
nur BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 25; Beschluss vom 19. Februar 2008 – 1 StR 596/07, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 24; Urteil vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 45; jeweils mwN). Dabei muss die Schilderung umso konkreter sein, je größer die allgemeine Möglichkeit ist, dass der Angeklagte verwechselbare weitere Straftaten gleicher Art verübt hat (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 8. August 1996 – 4 StR 344/96, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 20 mwN). Die Identität des geschichtlichen Vorgangs muss feststehen, es darf kein Zweifel über die verfahrensgegenständlichen Taten im prozessualen Sinn eintreten. Fehlt es an einer hinreichenden Konkretisierung, so ist die Anklage unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 45; Beschluss vom 29. November 1994 – 4 StR 648/94, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 13 jeweils mwN). Darüber hinaus hat die Anklage auch die Aufgabe, den Angeklagten und die übrigen Verfahrensbeteiligten über weitere Einzelheiten des Vorwurfs zu unterrichten, um ihnen Gelegenheit zu geben, ihr Prozessverhalten auf den mit der Anklage erhobenen Vorwurf einzustellen. Mängel der Anklage in dieser Hinsicht führen nicht zu ihrer Unwirksamkeit (Informationsfunktion – vgl. BGH, Urteile vom 28. Oktober 2009 und vom 11. Januar 1994 aaO, Beschluss vom 19. Februar 2008 aaO jeweils mwN).
12
Welche Angaben zur ausreichenden Umgrenzung des Verfahrensgegenstandes erforderlich sind, lässt sich nicht für alle Fälle in gleicher Weise sagen. Die einzelnen Faktoren der Tatkonkretisierung können von Fall zu Fall unterschiedliches Gewicht besitzen und durch größere Genauigkeit jeweils anderer Umstände ersetzt oder verdrängt werden. Entscheidend ist, dass der historische Geschehensablauf, der Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung sein soll, feststeht. Bei der Schilderung eines nach seinem Ablauf unverwechselbaren Ereignisses kann die Tatzeit als Eingrenzungskriterium an Bedeutung verlieren. Wenn bei einer Tatserie das Geschehen der jeweiligen Einzeltat nicht mehr durch Beschreibung der Umstände seines Ablaufs näher konkretisiert werden kann, gewinnt die Bezeichnung der Tatzeit der Einzelhandlung oder des Zeitraums der Tatserie entscheidende Bedeutung für die Umgrenzung des Verfahrensgegenstandes. Soweit bei Serientaten eine konkrete Bezeichnung oder nähere Beschreibung der Einzeltaten in der Anklage wegen deren Gleichförmigkeit nicht erfolgen kann, muss deshalb der Verfahrensstoff zumindest durch Festlegung des Tatzeitraums hinreichend umgrenzt werden. Regelmäßig ist in solchen Fällen erforderlich, in der Anklage den bestimmten Tatzeitraum, das Tatopfer, die Grundzüge der Art und Weise der Tatbegehung, die Tatfrequenz und die (Höchst-)Zahl der vorgeworfenen Straftaten, die Gegenstand des Verfahrens sein sollen, anzugeben. Dies gilt insbesondere in Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern, in denen bei einer Serie von Taten einzelne Handlungen überhaupt nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr genau voneinander unterschieden werden können (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 45 ff.; Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 154 f.).
13
(2) Dementsprechend konkret ist auch der Einstellungsbeschluss zu fassen, durch den der Verfahrensstoff begrenzt wird. Dabei können auszu- scheidende Taten sowohl „positiv“ beschrieben werden, indem die einzustellen- den Taten konkret bezeichnet werden, als auch „negativ“, indem genau angegeben wird, welche der angeklagten Taten weiterhin Verfahrensgegenstand sind. Wie der Tatrichter den Beschluss formuliert, ist ohne Bedeutung, solange der ausgeschiedene Verfahrensstoff und der verbleibende Verfahrensstoff eindeutig erkennbar sind. Sollte dem Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2013 – 4 StR 461/13 – eine andere Rechtsauffassung zu entnehmen sein, hält der Senat daran nicht fest. Soweit in Entscheidungen anderer Senate des Bundes- gerichtshofs gefordert wird, dass ausgeschiedene Tatteile oder Strafbestim- mungen konkret („positiv“) zu bezeichnen sind, betrifft dies Verfahrensbe- schränkungen der Staatsanwaltschaft vor Anklageerhebung (BGH, Beschlüsse vom 4. Juni 2013 – 2 StR 59/13 Rn. 21; vom 7. Oktober 2011 – 1 StR 321/11, NStZ-RR 2012, 50, 51 und vom 16. Juli 1980 – 3 StR 232/80, NStZ 1981, 23). Die Bestimmung von auszuscheidenden Taten bzw. Tatteilen erfolgt zu diesem Zeitpunkt in einem anderen prozessualen Kontext. Bei einer Einstellung durch das Gericht sind nämlich auch im Falle der negativ formulierten Beschränkung auf die verfahrensgegenständlich verbleibenden Taten die ausgeschiedenen Taten durch die Anklage festgelegt.
14
(3) Bei einer Serie vollständig gleichförmiger, nicht näher konkretisierbarer Taten kann der Einstellungsbeschluss beispielsweise den Tatzeitraum angeben und die Anzahl der Taten in zu bezeichnenden Zeitabschnitten (Tatfrequenz ), die aus dem Verfahren ausgeschieden werden. Auch kann die Anzahl der – gegebenenfalls nach tatrichterlicher Schätzung – festgestellten Taten anhand von Tatzeitraum und Tatfrequenz konkretisiert werden, der Gesamtzahl der angeklagten Taten gegenübergestellt und eine Differenz ermittelt werden, die dann in der Einstellungsentscheidung zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2014 – 2 StR 128/14).
15
bb) Der Einstellungsbeschluss soll aus sich selbst heraus verständlich sein. Ist der Beschluss mehrdeutig und bestehen deshalb nach dem Wortlaut Unklarheiten, welche Vorwürfe der Anklageschrift aus dem Verfahren ausgeschieden werden, kann er nach allgemeinen Grundsätzen ausgelegt werden. Dabei können bei der Prüfung, ob der Einstellungsbeschluss die gebotene Umgrenzung des verbleibenden Verfahrensstoffs leistet, auch die zugelassene Anklage , der Einstellungsantrag der Staatsanwaltschaft (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2011 – 1 StR 539/11), auf die Einstellungsentscheidung bezogene Hinweise und Anregungen des Gerichts, Hinweise des Gerichts nach § 265 StPO sowie im Rahmen einer auf die Erledigung des gesamten Verfahrens bezogenen Betrachtung jedenfalls dann, wenn der Einstellungsbeschluss zeitnah zur Urteilsverkündung gefasst wurde, auch die Schlussanträge der Verfahrensbeteiligten und das Urteil (anders zur Heranziehung der Urteilsfeststellungen noch Senatsbeschluss vom 29. Juli 2008 – 4 StR 210/08) berücksichtigt werden.
16
Liegt einem Einstellungsbeschluss nach § 154 Abs. 2 StPO die unzutreffende Annahme mehrerer selbständiger prozessualer Taten zugrunde, kann etwa bei einem sich aus den Gesamtumständen ergebenden offensichtlichen Irrtum/Versehen des Gerichts eine Umdeutung einer Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO in eine Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO in Betracht kommen (BGH, Beschluss vom 14. Februar 2006 – 4 StR 6/06; Beschluss vom 23. März 2005 – 2 StR 11/05, juris, Rn. 5; vgl. auch Urteil vom 1. Juni 2005 – 2 StR 405/04, NStZ 2006, 455; vgl. aber Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2013 – 4 StR 339/13, NStZ 2014, 46 m. Anm. Allgayer).
17
cc) Nur wenn der Einstellungsbeschluss die vorstehend dargestellten Anforderungen erfüllt, entfaltet er eine den Verfahrensstoff beschränkende Wirkung.
18
Ergibt sich hingegen auch unter Würdigung der vorstehend unter 1. a) bb) genannten Umstände keine Klarheit über die ausgeschiedenen Verfahrensteile , ist die Verfahrensbeschränkung nach § 154 Abs. 2 StPO wirkungslos und steht einer Aburteilung nicht entgegen (BGH, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 561/11 Rn. 17). Ist eine Verfahrensbeschränkung in der Hauptverhand- lung aufgrund ihrer Unbestimmtheit wirkungslos geblieben, hat das Revisionsgericht als Verfahrensvoraussetzung (nur) zu prüfen, ob die ausgeurteilten Taten von der Anklage erfasst sind. Der Einstellungsbeschluss selbst begründet in diesem Fall kein Verfahrenshindernis (aA OLG München wistra 2008, 319 f.). Soweit den Senatsentscheidungen vom 29. Juli 2008 – 4 StR 210/08 – und vom 3. Dezember 2013 – 4 StR 461/13 – eine andere Rechtsauffassung zu entnehmen ist, hält der Senat daran nicht fest.
19
Ist der Einstellungsbeschluss wirksam, hat das Revisionsgericht als Verfahrensvoraussetzung von Amts wegen zu überprüfen, ob den ausgeurteilten Taten eine Einstellung entgegensteht. Lässt sich dies den Urteilsgründen nicht hinreichend sicher entnehmen, kann dies zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung führen (BGH, Beschluss vom 9. November 2011 – 4 StR 300/11). Sind eingestellte Taten ausgeurteilt worden, stellt das Revisionsgericht das (weitere) Verfahren insoweit ein (st. Rspr.; u.a. BGH, Beschluss vom 4. Juni 2013 – 4 StR 192/13; Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11 Rn. 19 ff., insoweit in BGHSt 57, 95 nicht abgedruckt; Urteil vom 26. Oktober 2006 – 3 StR 290/06, NStZ-RR 2007, 83).
20
Soweit ein nach den oben genannten Kriterien wirksamer Einstellungsbeschluss die Informationsfunktion für den Angeklagten nicht erfüllt, muss dieser eventuelle Mängel mit einer Verfahrensrüge geltend machen.
21
b) Auf den vorliegenden Fall angewendet ergibt sich Folgendes:
22
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Beschluss des Landgerichts vom 21. Oktober 2013 den dargelegten Konkretisierungsanforderungen genügt. Dies erscheint zweifelhaft, kann aber letztlich dahinstehen. Denn ein nicht hinreichend konkretisierter, unbestimmter Einstellungsbeschluss ginge ins Leere, so dass alle angeklagten Taten weiter Verfahrensgegenstand beim Landgericht waren. Alle ausgeurteilten Taten waren angeklagt; auch wäre keine der ausgeurteilten Taten von dem Einstellungsbeschluss erfasst, sollte dieser wirksam sein. Ein Verfahrenshindernis besteht somit in keinem Fall. Die vom Landgericht zusammen mit der Einstellung beschlossene „Abtrennung“ hat hier ersichtlich keine eigenständige rechtliche Bedeutung.
23
2. Der Schuld- und der Strafausspruch des angefochtenen Urteils weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 407/09
vom
21. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Januar
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Dr. Franke
als beisitzende Richter,
Richter am Amtsgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 20. April 2009 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 20 Fällen (Verkauf von jeweils 10 g Kokaingemisch im Juli und August 2006) verurteilt worden ist; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das vorbezeichnete Urteil im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 24. April 2008 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 59 Fällen und wegen Versuchs der Beteiligung an einem Verbrechen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt sowie den Verfall von Wertersatz angeordnet. Gegenstand der Verurteilung waren Betäubungsmittelverkäufe des Angeklagten im Zeitraum Anfang März bis Ende Juni 2006. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 4 StR 384/08 - das Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Dieses hat nunmehr den Angeklagten des Handelns mit Betäubungsmitteln im Zeitraum Anfang Juni bis Ende August 2006 für schuldig befunden und ihn wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 30 Fällen unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Zugleich hat es hinsichtlich eines Geldbetrages von 14.409,70 € den erweiterten Verfall angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel ist teilweise begründet.
2
1. Das Verfahren ist gemäß § 260 Abs. 3 StPO einzustellen, soweit der Angeklagte wegen des Verkaufs von jeweils 10 g Kokaingemisch in 20 Fällen, begangen in den Monaten Juli und August 2006, verurteilt worden ist, da es insoweit an der Verfahrenvoraussetzung einer wirksamen Anklageerhebung fehlt.
3
a) Die - unverändert zugelassene - Anklage vom 21. November 2007 hatte dem Angeklagten zur Last gelegt, in dem Zeitraum Anfang März bis Ende Juni 2006 an den Zeugen J. (alias H. ) Kokain verkauft zu haben, und zwar mindestens an jedem zweiten Tag zwischen 10 bis 30 g, in einem weiteren Fall 50 g und in einem Fall nochmals mindestens 100 g. In dem angefochtenen Urteil ist demgegenüber das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte von Anfang Juni bis Ende August 2006 über einen Zeitraum von mindestens 13 Wochen jeweils wöchentlich zwei Kokainverkäufe und an jedem zweiten Wochenende einen zusätzlichen Verkauf, d.h. insgesamt 32 Kokainverkäufe, an J. getätigt hat. Hinsichtlich der Menge hat es dabei in 30 Fällen eine Mindestmenge von 10 g, und in den zwei verbleibenden Fällen eine solche von 50 g und von 100 g zu Grunde gelegt. Den nunmehr festgestellten Tatzeitraum hat es dabei von der Anklageschrift vom 21. November 2007 als mit umfasst angesehen.
4
b) Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
Allerdings braucht eine Veränderung des Tatzeitraums die Identität zwischen Anklage und abgeurteilter Tat nicht aufzuheben (vgl. BGHSt 46, 130, 133; BGH NStZ-RR 2006, 316, 317 jeweils m.w.N.). Dies setzt aber voraus, dass die in der Anklage beschriebene Tat unabhängig von der Tatzeit nach anderen Merkmalen individualisiert ist (BGH aaO). Das ist hier in Bezug auf die 20 Taten im Juli und August 2006 nicht der Fall. Diese betreffen jeweils dieselbe Verkaufsmenge von 10 g Kokaingemisch und weisen auch im Übrigen keine individualisierende Merkmale auf, die sie als einmalige, unverwechselbare Geschehen erscheinen lassen könnten. Allein der Umstand, dass die Kokainverkäufe ohne weitere nähere Zuordnung in zwei verschiedenen Wohnungen stattfanden , genügt hierfür nicht (vgl. auch BGHSt 46, 130, 133 f.).
6
c) Anders liegt es indes bei den beiden Verkaufsgeschäften über 50 g bzw. 100 g Kokaingemisch. Zwar hat das Landgericht nicht feststellen können, ob sich diese in dem von der Anklage noch erfassten Zeitraum Juni 2006 oder erst im Juli oder August 2006 ereignet haben. Dem Angeklagten lagen jedoch von vorneherein nur zwei Kokainverkäufe über diese Mengen an den Zeugen J. zur Last. Damit ist insoweit auch bei Zugrundelegung einer Tatzeit erst im Juli oder August 2006 die „Nämlichkeit“ der Tat noch gewahrt, da sich diese beiden Taten unverwechselbar von der übrigen Tatserie abheben (vgl. auch BGH, Urteil vom 28. Mai 2002 - 5 StR 55/02).
7
2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
8
a) Die Formalrüge (Verstoß gegen § 358 Abs. 1 StPO) ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt und erweist sich daher bereits als unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
9
b) Auch sachlichrechtlich weist das Urteil keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler auf, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat.
10
3. Die Sache bedarf daher zur Höhe der neu festzusetzenden Gesamtstrafe der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Hierbei wird der neue Tatrichter die lange Verfahrensdauer gebührend zu berücksichtigen haben.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Franke

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 582/10
vom
12. Januar 2011
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
Der Austausch der Bezugstat bei Verdeckungsmord erfordert einen gerichtlichen
Hinweis.
BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - 1 StR 582/10 - Landgericht München II
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Januar 2011 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München II vom 12. Mai 2010 mit den Feststellungen aufgehoben
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen richtet sich seine Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte war Hausmeister in einer Wohnanlage, in der auch das spätere Opfer, Frau K., wohnte. Er kümmerte sich um die 87-jährige Dame. Am 28. Oktober 2008 kam es in der Wohnung des Opfers zu einer streitigen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Angeklagte Frau K. mit einem stumpfen Gegenstand zweimal von hinten auf den Kopf schlug oder sie mit dem Kopf gegen einen Gegenstand stieß. Aus Angst vor weiteren Konsequenzen entschloss er sich, das vorangegangene Geschehen zu verdecken, indem er sie tötete und dies als Unfall durch einen Sturz in die Badewanne erscheinen ließ. Er verbrachte Frau K. in die Badewanne, ließ Wasser einlaufen und drückte ihren Kopf so lange unter Wasser, bis sie ertrunken war.
3
Das Landgericht hat das Mordmerkmal "zur Verdeckung einer [anderen] Straftat" bejaht, weil es dem Angeklagten darauf angekommen sei, die vorangegangene Körperverletzung, bei der er Frau K. zwei Hämatome am Kopf beigebracht hatte, durch ein vorgetäuschtes Unfallgeschehen zu verdecken. Er habe damit vermeiden wollen, dass Frau K. wegen der vorangegangenen Körperverletzung Anzeige erstatten und er strafrechtlich verfolgt würde. Das Vorliegen des Mordmerkmals Heimtücke wurde verneint. Das Mordmerkmal Habgier wurde nicht erörtert.

II.

4
Der Beschwerdeführer rügt, das Gericht habe die Verurteilung auf eine - gegenüber der Anklage - jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht veränderte Grundlage gestützt, ohne dass ihm zuvor ein entsprechender Hinweis erteilt worden sei (vgl. § 265 StPO). Die Rüge dringt durch.
5
1. Der Verurteilung wegen Verdeckungsmord liegt nach den Feststellungen ein Tatbild zugrunde, das von demjenigen der Anklage wesentlich abweicht , wenn auch die Nämlichkeit der Tat (§ 264 StPO) gewahrt ist. Die - trotz der Formulierung "wegen Totschlags" im Eröffnungsbeschluss (vgl. Strafakten EA 2 I Bl. 436) - unverändert zugelassene Anklage hatte dem Angeklagten folgendes zur Last gelegt:
6
Der Angeklagte, der Vollmacht für die Konten der Frau K. hatte, habe über 50.000 € von einem Konto des Opfers abgehoben und zu einem überwiegenden Teil vereinnahmt. Darüber hinaus habe er Schmuck und zwei Pelzmäntel erhalten oder an sich genommen. Am 23. Oktober 2008 habe er aus einer Geldkassette des Opfers einen Betrag von 8.000 € entnommen und zur Begleichung eigener Schulden verwendet. Am 28. Oktober 2008 habe Frau K. den Fehlbetrag festgestellt und den Angeklagten deswegen beschuldigt. Es habe sich ein Streit entwickelt, in dessen Verlauf sich der Angeklagte entschlossen habe, Frau K. zu töten, um die erhaltenen Gegenstände behalten zu können und um die unberechtigte Einnahme von Bargeld zu vertuschen. Zu diesem Zweck habe er seinem Opfer, das sich zu diesem Zeitpunkt keines Angriffs versah und sich deswegen eines solchen auch nicht erwehren konnte, in Ausnutzung dieser Situation mit einem stumpfen Gegenstand zweimal von hinten auf den Kopf geschlagen. Frau K. habe diesen Angriff zwar überlebt, aber erhebliche Kopfverletzungen erlitten. Der Angeklagte habe dann überlegt, ob er Frau K. retten und ein Sturzgeschehen vortäuschen sollte, habe sich dann aber dafür entschieden, in Fortführung seines ursprünglichen Plans Frau K. zu töten. Er habe sie ins Badezimmer verbracht, in die Badewanne gelegt, Wasser in die Badewanne eingelassen und sie so lange unter die Wasseroberfläche gedrückt, bis sie schließlich ertrunken sei.
7
Der Schuldvorwurf der Anklage lautet, der Angeklagte habe eine fremde bewegliche Sache, die ihm anvertraut war, sich oder einem Dritten rechtswidrig zugeeignet und durch eine weitere Handlung aus Habgier, heimtückisch einen anderen Menschen getötet, um eine [andere] Straftat zu verdecken; strafbar als veruntreuende Unterschlagung in Tatmehrheit mit Mord (mit den drei angeführten Mordmerkmalen). Auf Seite 75 der Anklageschrift wird (unter VI. Rechtliches 2; vgl. EA 2 I Bl. 416) ausgeführt: Es liegt ferner der Tatbestand "des Verdeckens einer Straftat" vor. Dem Angeklagten kam es darauf an, zu verhindern, dass er wegen der von ihm vorangegangenen Unterschlagung von 8.000 € strafrechtlich belangt wird. Aus diesem Grund tarnte der Angeschuldigte sein Tötungsdelikt als Unfall, damit keine Nachforschungen nach dem Verbleib des Vermögens von Frau K. angestellt werden.
8
Das angefochtene Urteil dagegen gründet den Schuldvorwurf darauf, dass der Angeklagte eine vorausgegangene Körperverletzung verdecken wollte. Das Landgericht hat damit die "andere Straftat" (Bezugstat) in § 211 Abs. 2 StGB bei der Verdeckungsabsicht ausgetauscht. Dies hätte eines Hinweises nach § 265 StPO bedurft. Das Gericht, das den Schuldspruch innerhalb des Rahmens der angeklagten Tat (§ 264 StPO) auf einen gegenüber der Anklage im Tatsächlichen wesentlich veränderten Sachverhalt stützt, muss dem Angeklagten , um ihn vor einer Überraschungsentscheidung zu schützen, zuvor grundsätzlich einen entsprechenden Hinweis erteilen, das ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 12. Februar 1991 - 4 StR 506/90, StV 1991, 502 mwN; zur Entwicklung dieser Rechtsprechung vor 1988 vgl. Niemöller, Die Hinweispflicht des Tatrichters, 1988, S. 23 ff., 26 ff. mwN). Diese Hinweispflicht dient dem schutzwürdigen Verteidigungsinteresse des Angeklagten. Sie gilt auch und gerade für wesentliche Veränderungen des dem gesetzlichen Straftatbestand zugeordneten Tatverhaltens (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 3. Juli 1991 - 2 StR 132/91 mwN).
9
Die Abweichung in der Beschreibung des Tatverhaltens, das zur Ausfüllung des gesetzlichen Straftatbestandes gedient hat, war bei der vorliegenden Fallgestaltung wesentlich. Das Verhalten des Angeklagten, in dem die "andere Straftat" i.S.d. § 211 Abs. 2 StGB gesehen wurde, unterschied sich schon zeitlich erheblich von demjenigen, das die Anklage für tatbestandsmäßig hielt, und inhaltlich wurde ein Vermögensdelikt durch ein Körperverletzungsdelikt ersetzt.
10
Während frühere Rechtsprechung vereinzelt die Hinweispflicht nach § 265 StPO noch restriktiv annahm (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 28. April 1955 - 3 StR 13/55; auch BGH, Urteil vom 24. Februar 1976 - 1 StR 764/75), wurde bald erkannt, dass der gebotene Schutz des Angeklagten vor Überraschungsentscheidungen eine umfassende Hinweispflicht erfordert. Soweit der 5. Strafsenat (Beschluss vom 13. Dezember 1977 - 5 StR 728/77) einen Verstoß gegen § 265 Abs. 1 StPO verneint hat, wenn die Verurteilung bei gleich bleibendem Strafgesetz nur auf zum Teil andere Tatsachen gegründet wird, hat er einen Verfahrensfehler nur deshalb verneint, "da der Angeklagte durch den Gang der Hauptverhandlung über die Veränderung der Sachlage unterrichtet worden ist".
11
Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 17. Juli 1962 - 1 StR 266/62 bei einem Hinweis auf das Mordmerkmal zur Verdeckung einer anderen Straftat die Klarstellung gefordert, "welche andere Straftat der Angeklagte nach der Meinung des Gerichts hätte verdecken können". Zutreffend hat der 5. Strafsenat schon in seinem Urteil vom 24. Mai 1955 (5 StR 143/55) im Fall der Verurteilung wegen Vollrausches einen Hinweis nach § 265 StPO selbst dann gefordert, wenn die Rauschtat als ledigliche Bedingung der Strafbarkeit rechtlich anders beurteilt werden soll. Dies legt nahe, dass ein Hinweis erst recht geboten ist, wenn die Rauschtat vollständig ausgetauscht wird. Der 3. Strafsenat hat zu Recht bei einer Verurteilung wegen Vereitelns der Zwangsvollstreckung einen Verstoß gegen § 265 (Abs. 4) StPO darin gesehen, dass der Angeklagte nicht darauf hingewiesen wurde, dass eine andere Forderung bei § 288 StGB zugrunde gelegt wurde; der Austausch einer Forderung, deren Durchsetzung der Angeklagte vereitelt haben soll, erfordert einen gerichtlichen Hinweis (BGH, Beschluss vom 2. Februar 1990 - 3 StR 480/89, BGHR StPO § 265 Abs. 4 Hinweispflicht 8 und StV 1990, 249, 250). Gerade wenn es ständiger Rechtsprechung entspricht, dass ein richterlicher Hinweis nach § 265 StPO gewissen Mindestanforderungen entsprechen muss, wozu auch die Angabe gehört, durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale als erfüllt ansieht (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2007 - 2 StR 555/06; BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2006 - 4 StR 335/06 Rn. 10; BGH, Beschluss vom 21. April 2004 - 2 StR 363/03 mwN; BGH, Urteil vom 24. November 1992 - 1 StR 368/92 mwN), liegt es nahe, überhaupt einen entsprechenden Hinweis zu verlangen, wenn - wie hier - das Tatverhalten, das zur Ausfüllung des gesetzlichen Straftatbestandes dient, wesentlich von dem Anklagevorwurf abweicht. Denn Zweck des § 265 StPO ist es, dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, sich gegenüber dem neuen Vorwurf zu verteidigen, und ihn vor Überraschungen zu schützen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 4. April 1995 - 1 StR 772/94).
12
Der Austausch der Bezugstat bei Verdeckungsmord erfordert daher einen gerichtlichen Hinweis.
13
2. Dieser Hinweis ist dem Angeklagten - wie er mit Recht rügt - nicht gegeben worden. Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob es statt eines besonderen Hinweises genügt, dass dem Angeklagten durch den Gang der Hauptverhandlung die Kenntnis vermittelt wird, welches Verhalten das Gericht als tatbestandsmäßig werten und zur Grundlage des Schuldvorwurfs machen will. Denn im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass dem Angeklagten diese Kenntnis vom Gericht auch nicht durch den Gang der Verhandlung vermittelt worden ist.
14
Unerheblich ist insoweit, dass der Staatsanwalt in seinem Schlussvortrag der Verdeckungsabsicht als neue Bezugstat eine Körperverletzung zugeordnet hat (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 10. August 2005 - 2 StR 206/05). Maßgeblich ist nämlich, dass eine andere Betrachtung nach Auffassungdes Gerichts in Betracht kommt (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1963 - 1 StR 553/62, BGHSt 19, 141 ff.; BGH, Urteil vom 15. November 1978 - 2 StR 456/78, BGHSt 28, 196, 198; BGH, Urteil vom 8. März 1988 - 1 StR 14/88, StV 1988, 329; BGH, Urteil vom 17. Oktober 2006 - 4 StR 335/06 Rn. 11 mwN). Allerdings war vor dem Plädoyer in der Hauptverhandlung folgender Gerichtsbeschluss ergangen: Das Verfahren wird gemäß § 154 II StPO auf Antrag des Staatsanwalts insoweit eingestellt, als gegen den Angeklagten der Vorwurf "veruntreuter" Unterschlagung erhoben worden ist, weil eine deshalb zu verhängende Strafe im Falle des Schuldspruchs wegen des weiteren Anklagegegenstandes nicht ins "Gericht" fiele.
15
Diesem Beschluss lässt sich schon nicht entnehmen, dass das Landgericht den Vorwurf der Verdeckungsabsicht wegen eines Vermögensdeliktes gänzlich fallen lassen wollte. Es hat damit zwar die - in Tatmehrheit stehende - mitangeklagte veruntreuende Unterschlagung der 8.000 € vorläufig eingestellt, auf die sich - wie die rechtlichen Ausführungen auf S. 75 der Anklageschrift belegen - die Verdeckungsabsicht beziehen sollte, es hat sich aber nicht dazu verhalten , ob die nach der Anklageschrift einbehaltenen weiteren Gelder, Schmuckstücke oder Pelzmäntel als Bezugstat für den Verdeckungsmord in Betracht kamen. Der Revisionsführer hat in seiner sehr sorgfältig begründeten Revision dargelegt, dass er sich hiergegen auch nach dem Beschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO zur Wehr gesetzt hat. Vor allem jedoch wurde durch diesen Beschluss nicht ersichtlich, dass das Gericht als neue Bezugstat die Körperverletzung zugrunde legen wollte. In der Anklageschrift wurden zwar die beiden Schläge angeführt, aber nicht in dem Sinne, dass sie mit Körperverletzungsvorsatz geführt wurden, sondern vielmehr bereits in Tötungsabsicht. Danach lag als "andere Straftat" eine Körperverletzung nicht nahe. Der Annahme eines Verdeckungsmordes steht zwar nicht entgegen, wenn sich bereits die zu verdeckende Vortat gegen Leib und Leben des Opfers richtet und unmittelbar in die Tötung zur Verdeckung des vorausgegangenen Geschehens übergeht. Um eine andere - zu verdeckende - Straftat i.S.d. § 211 Abs. 2 StGB handelt es sich jedoch dann nicht, wenn der Täter nur diejenige Tat verdecken will, die er gerade begeht. Dies ist dann der Fall, wenn während einer einheitlichen Tötungshandlung die Verdeckungsabsicht nur noch als weiteres Motiv für die Tötung hinzutritt (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - 5 StR 432/00, NStZ 2002, 253, 254; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2000 - 1 StR 617/99, NStZ 2000, 498, 499). Der Angeklagte musste nach den getroffenen Feststellungen nicht damit rechnen, das Landgericht würde als "andere Straftat" die beiden Schläge heranziehen. Das Landgericht ist in seiner rechtlichen Würdigung (UA S. 61) im Übrigen selbst davon ausgegangen, die vorsätzliche Körperverletzung sei gegenüber dem Mord "subsidiär", was eher nicht auf eine "andere Straftat" hinweist.
16
Da weder die Revisionsgegenerklärung noch dienstliche Äußerungen das Gegenteil bekunden (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. November 1978 - 2 StR 456/78, BGHSt 28, 196, 199), ist davon auszugehen, dass das Gericht den erforderlichen Hinweis nicht - auch nicht durch den Gang der Hauptverhandlung - erteilt hat.
17
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht. Die Revision begründet überzeugend, dass der Angeklagte, wenn er vom Gericht den entsprechenden Hinweis erhalten hätte, sich anders und wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Es kann insbesondere nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte, der in der Hauptverhandlung lediglich angegeben hat, Frau K. nicht umgebracht und keinerlei Gelder oder Gegenstände unterschlagen zu haben (UA S. 13), seine Verteidigungsstrategie dahin geändert hätte, sich nunmehr umfänglich in der Sache einzulassen, sei es um weiterhin einen Freispruch zu erreichen, sei es auch z.B. um einen Schuldspruch "nur" wegen Totschlags statt wegen Mordes zu erstreben, indem er - wie oben ausgeführt - Umstände vorgetragen hätte, die eine zu verdeckende "andere Straftat" entfallen lassen.
18
Der Hinweis richtet sich im Übrigen auch an den Verteidiger (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1992 - 1 StR 368/92 mwN); dieser hat hier im Einzelnen dargelegt, was er bei einem ordnungsgemäßen Hinweis noch vorgebracht hätte. Nack Wahl Rothfuß Elf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 296/05
vom
8. November 2005
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. November 2005
gemäß § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 10. September 2004 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II. 27
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Darmstadt zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den AngeklagtenA. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Die Revision hat mit einer Verfahrensrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. I. Die auf eine Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht gestützte Verfahrensrüge führt zur Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 27 des Urteils (Fall 30 der Anklage). 1. Die Anklageschrift vom 1. Februar 2002 legte dem Angeklagten A. insoweit Folgendes zur Last: "Im Zeitraum von Anfang März 2000 bis 02.08.2000 verkaufte der Angeschuldigte O. mindestens alle fünf Tage, mithin in 30 Fällen, jeweils ca. 50 - 100 Gramm Kokain in verschiedenen Kaffees in O. den an bereits verurteilten S. , der am 02.08.2000 festgenommen wurde. In einem dieser Fälle ca. Mitte des Monats Juli 2000 (rechnerisch Fall 30) übergab der Angeschuldigte A. nach vorheriger Vereinbarung mit dem Angeschuldigten O. dem S. die 100 Gramm Kokain auf dem Marktplatz in O. ." Einen Beweisantrag des Angeklagten, der auf den Nachweis der Behauptung zielte, dass er vom 8. Juli 2000 bis zum 21. August 2000 im Sommerurlaub bei seinen Eltern in M. war, - mithin für den Fall 30 der Anklage ein Alibi hätte - hat die Kammer mit Beschluss vom 23. Januar 2004 abgelehnt , weil die unter Beweis gestellte Tatsache so behandelt werde könne, als wäre sie wahr. In den Feststellungen des angefochtenen Urteils benennt die Kammer den Monat "Juli 2000" als Tatzeit der oben geschilderten und von der Kammer festgestellten Tat (UA Bl. 7). In der Beweiswürdigung heißt es dazu (UA Bl. 39): "Die Kammer hat als wahr unterstellt, dass sich der Angeklagte A. vom
08.07.2000 bis zum 21.08.2000 bei seinen Eltern in M. aufgehalten hat. Dies widerspricht den Angaben der Zeugin B. nicht, da diese den Vorfall, als der Angeklagte A. auf einen Anruf des Angeklagten O. hin dem S. das Kokain gebracht hat, gerade nicht an einem bestimmten Datum festzumachen vermochte. Sie hat vielmehr in der Hauptverhandlung bekundet, dass es im Sommer 2000 gewesen sei, es könne im Juli gewesen sein. Letzteres ist - vom 01. - 07. Juli - ohne weiteres möglich." Ein förmlicher oder informeller Hinweis des Gerichts auf die vom Gericht angenommene Tatzeit für diese Tat ist nicht erfolgt. Der diesbezügliche Vortrag der Revision ist durch die vom Senat eingeholten dienstlichen Stellungnahmen der berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer bestätigt worden, die der Senat dahin versteht, dass der Angeklagte auch aus dem Gang der Hauptverhandlung die veränderte Tatzeit für den Fall II. 27 (Fall 30 der Anklage) nicht entnehmen konnte. 2. Der Angeklagte beanstandet diese Vorgehensweise zu Recht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Tatrichter einen Angeklagten nicht darüber im Unklaren lassen, dass er die Verurteilung auf tatsächliche Umstände stützen will, die so in der Anklage nicht enthalten sind. Hat ein Angeklagter für die in der Anklage bezeichnete Tatzeit ein Alibi, so darf das Gericht keine andere Tatzeit feststellen, ohne den Angeklagten vorher auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Dass sich eine andere Tatzeit aus den Bekundungen von Beweispersonen ergibt, ist für sich allein nicht ausreichend. Es muss vielmehr deutlich geworden sein, dass das Gericht selbst diesen Gesichtspunkt aufgenommen und in die Erwägungen einbezogen hat, die für die Entscheidung bedeutsam sind (vgl. BGH NStZ 1994, 502, 503; BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 3, 8, BGHR § 265 Abs. 4 Hinweispflicht 3, 12).
In den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen war allerdings regelmäßig die Tatzeit in der Anklage genauer eingegrenzt, etwa auf einen bestimmten Tag oder sogar bestimmte Stunden eines Tages, während hier mit der Angabe in der Anklageschrift "ca. Mitte Juli" die Tatzeit von vornherein ungenauer bezeichnet ist. Ob bei einer im Hinblick auf die Tatzeit ungenau gefassten aber wirksamen Anklage die Hinweispflicht entfallen kann, wenn sich lediglich eine genauere Konkretisierung der Tatzeit im Laufe der Hauptverhandlung ergibt (vgl. BGHSt 48, 221), bedarf hier keiner Entscheidung. Ein solcher Fall liegt nicht vor, denn die Strafkammer ist mit der Annahme einer Tatbegehung in der Zeit zwischen dem 1. Juli und 7. Juli, also Anfang Juli, von einer anderen als der angeklagten Tatzeit ausgegangen. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, war die Strafkammer jedenfalls auch unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens gehalten, einen entsprechenden Hinweis zu erteilen , da sie mit der Wahrunterstellung der in dem Beweisantrag behaupteten Tatsachen einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Der Angeklagte ging ersichtlich davon aus, dass er mit der im Beweisantrag behaupteten Tatsache ein Alibi habe, welches seine Täterschaft bei der genannten Tat ausschließe. 3. Ein Beruhen des Schuldspruchs im Fall II. 27 (Fall 30 der Anklage) auf dem aufgezeigten Rechtsfehler kann der Senat nicht ausschließen. Es kommt in Betracht, dass der Beschwerdeführer nach gegebenem Hinweis weitere Beweisanträge hinsichtlich eines Alibis für die geänderte Tatzeit gestellt hätte (vgl. BGHSt 30, 383, 385). II. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II. 27 führt zur Aufhebung des entsprechenden Einzelstrafausspruchs und des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass bei Wegfall
der Einzelstrafe von drei Jahren die Gesamtfreiheitsstrafe niedriger ausgefallen wäre. III. Im Übrigen sind die Verfahrensrügen und die Sach rüge aus den zutreffenden Erwägungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 15. Juli 2005 unbegründet. Entgegen der Auffassung der Revision und des Generalbundesanwalts - dieser nur für die Gesamtstrafenzumessung - greift auch die Rüge nicht durch, mit der die Nichtberücksichtigung besonderer Belastungen durch die Unterbringung des Angeklagten während der Sitzungstage in einer Vorführzelle beanstandet wird.
Die Revision trägt vor, dass sich die Hauptverhandlung übe r zwei Jahre erstreckte. Dabei sei an den insgesamt 91 Hauptverhandlungstagen an 57 Tagen (abzüglich etwaiger Verhandlungspausen) maximal eine Stunde verhandelt worden. Der Angeklagte habe die sitzungsfreie Zeit zwischen dem Transport von der Justizvollzugsanstalt zum Landgericht gegen 7.00 Uhr morgens bis zum Rücktransport zwischen 14.00 Uhr und 16.00 Uhr in der Vorführzelle verbringen müssen, er habe deshalb am Hofgang nicht teilnehmen können. Auch habe es in der Vorführzelle weder Lesestoff, Radio oder Fernsehen gegeben.
Die Rüge, die es versäumt, die Gründe für die vereinba rten Kurztermine zu benennen - sie beruhten teilweise auf einer Vereinbarung aller Verfahrensbeteiligten -, ist jedenfalls nicht begründet. Bei den von der Revision vorgetragenen Umständen handelt es sich nicht um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund im Sinne von § 267 Abs. 3 StPO, der der Erörterung in den Urteilsgründen bedurfte. Zwar kann aus dem Rechtsgedanken des § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB gefolgert werden, dass besonders schweren Haftbedingungen Rechnung zu tragen ist. Wie der Bundesgerichtshof zu der unter teilweise
zu tragen ist. Wie der Bundesgerichtshof zu der unter teilweise menschenunwürdigen Bedingungen vollzogenen Untersuchungshaft in der DDR entschieden hat, kann es in solchen Fällen gerechter Strafzumessung entsprechen, besondere Härten der Haft strafmildernd zu berücksichtigen (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 27). Dass daran gemessen die von der Revision geschilderten Beschwernisse nicht heranreichen, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung. Ebenso wenig sind sie vergleichbar mit den Haftbedingungen , die nach den von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben zu einer Anrechnung ausländischer Untersuchungshaft zu einem günstigeren Maßstab führen. Die von der Revision geschilderten Umstände der Unterbringung in der Vorführzelle, die jeweils höchstens acht bis neun Stunden andauerte und allenfalls im Wochenabstand erfolgte, belegen lediglich eine mit dieser Unterbringung verbundene Langeweile. Die Untersuchungshaft dient u.a. der Durchführung der Hauptverhandlung, zur Sicherung dieses Zwecks müssen gewisse Einschränkungen hingenommen werden. Abgesehen davon hat die Revision auch nicht dargetan, dass der Angeklagte gehindert gewesen wäre, sich Lesestoff mitzunehmen. Die mit der langen Verhandlungsdauer verbundene psychische Belastung hat die Strafkammer mit der ausdrücklich strafmildernd gewerteten "langen Dauer der bereits erlittenen Untersuchungshaft" berücksichtigt.
Bode Otten Rothfuß Roggenbuck Appl

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

5 StR 344/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. Oktober 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Oktober 2007

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 6. März 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den die Tatvorwürfe bestreitenden Angeklagten wegen Vergewaltigung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision greift mit einer Verfahrensrüge durch.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beteiligte sich der Angeklagte – neben drei bisher unbekannt gebliebenen Mittätern – am 28. Februar 2006 an einem Überfall auf den ihm aus vorherigen Besuchen bekannten Bordellbetrieb „B. “ in Ra. .
3
Die den Tätern die Tür öffnende Zeugin M. , der Hausmeister und die Bordellbetreiberin wurden von den unbekannt gebliebenen Tätern durch Schläge und Tritte zum Teil schwer verletzt.
4
Der Angeklagte fesselte daran anschließend die Zeugin M. an den Händen. Er wollte ihr auch den Mund zukleben; er ließ jedoch davon ab, als ihm die Zeugin mit Zeichen bedeutete, sie werde nicht schreien. Der Angeklagte wandte sich sodann der lediglich mit einem String-Tanga und einem kurzen Kleid bekleideten, auf einem Barhocker sitzenden Nebenklägerin zu. Diese wehrte Annäherungsversuche des Angeklagten ab. Der Angeklagte griff an den linken Oberschenkel der Zeugin und spreizte – auch mit Einsatz seines Körpers – deren Beine weit auseinander. Schließlich schob er den Slip der Zeugin zur Seite und drang mit seinem Penis in die Scheide der Nebenklägerin ein. Auf Befehl eines Mittäters („S. njet“ UA S. 12) beendete der Angeklagte den Geschlechtsverkehr und beteiligte sich an der Zerstörung von Gläsern und Flaschen und der Mitnahme von Getränken durch die Mittäter.
5
Im Aufenthaltsraum wandte sich der Angeklagte vier dort auf dem Sofa sitzenden Prostituierten zu. Er küsste H. und Sch. ; letzterer fasste er auch in den Schritt. Der Angeklagte ließ erst auf Ermahnung des Anführers von den Frauen ab.
6
2. Das Landgericht hat sich aufgrund der Zeugenaussage der Nebenklägerin von der Täterschaft des Angeklagten hinsichtlich der Vergewaltigung überzeugt. Die Zeugin habe das Wiedererkennen „mit dem auffälligen Hautbild und Rötungen und Narben, entscheidender mit dessen Augen“ und dem „von ihr als besonders empfundenen Blick“ (UA S. 15) begründet. Zudem habe der Kreislauf der Zeugin versagt, als sie bei einer Wahlgegenüberstellung im Polizeipräsidium Potsdam den Angeklagten erkannt habe (UA S. 16).
7
Von der Teilnahme des Angeklagten an dem Überfall im Übrigen hat sich das Landgericht durch weitere Zeugenaussagen überzeugt:
8
Die Zeugin M. habe den Angeklagten „eindeutig sowohl bei der Wahlgegenüberstellung als auch im Gerichtssaal“ als denjenigen er- kannt, der sie gefesselt habe und ihr den Mund habe zukleben wollen (UA S. 17). Die Zeugin W. habe bekundet, „sie sei sich zu 100 Prozent sicher“ , dass der Angeklagte bei dem Überfall dabei gewesen sei. Im Ermittlungsverfahren sei diese Zeugin allerdings „nicht 100%ig sicher“ gewesen, den Angeklagten auf ihr vorgelegten Bildern erkannt zu haben, indes habe „sie ihn im Gerichtssaal sofort erkannt“ und sei „durch diese Erkenntnis auch sichtlich betroffen“ gewesen. Die Zeugin G. habe bekundet, „sie sei sich fast sicher“, dass der Angeklagte die Zeuginnen H. und Sch. „betatscht“ hätte. Bei der Wahlgegenüberstellung habe sie gesagt, dass der Angeklagte dem Täter „sehr, sehr ähnele“ (UA S. 18).
9
Demgegenüber zeigte sich die Zeugin Sch. sicher, dass der Angeklagte nicht der Täter gewesen sei, der nach ihrem Eindruck jünger gewesen sei.
10
3. Die Revision trägt vor, dass bis zur Ablehnung eines die Ladung der Zeugin H. betreffenden Antrags im Wesentlichen Folgendes geschehen ist:
11
Die Zeugin wurde noch am Tattag von der Polizei vernommen und fertigte aus ihrer Erinnerung Phantombilder bezüglich des Anführers und des Täters, der sie geküsst hatte und vom Anführer S. genannt wurde. In einer späteren polizeilichen Vernehmung erklärte sie, das Phantombild des S. sei nicht so gut getroffen und „komme nicht wirklich hin“. Zur Frage eines möglichen Wiedererkennens sagte sie: „Wenn es ein Foto ist, denke ich, dass ich den S. wiedererkennen könnte.“ Im Anschluss an diese Vernehmung verzog die Zeugin nach Österreich. Auf ihr vom Landeskriminalamt Tirol vorgelegten 72 Lichtbildern – eines davon stellte den Angeklagten dar – erkannte sie den Angeklagten nicht. Die Zeugin H. nahm weder an der polizeilichen Wahlgegenüberstellung von 19. September 2006 noch an der nach Eröffnung des Hauptverfahrens von der Strafkammervorsitzenden angeordneten weiteren Wahlgegenüberstellung vom 25. Janu- ar 2007 teil. Die Zeugin wurde in Österreich zur Hauptverhandlung auf den 16. Februar 2007 geladen; sie erschien aber nicht. Nachdem Anregungen der Strafkammervorsitzenden, auf die Zeugin zu verzichten, erfolglos geblieben waren, kündigte die Vorsitzende den Erlass eines Ordnungsgeldbeschlusses an. Auf Vorschlag des Verteidigers telefonierte die Vorsitzende mit der Zeugin. Auch der an sie ergangene Hinweis, dass sie eine wichtige Zeugin sei, konnte sie nicht dazu umstimmen, zur Hauptverhandlung zu erscheinen.
12
4. Nach Verkündung eines Ordnungsgeldbeschlusses gegen die Zeugin hat der Verteidiger die Vernehmung der Zeugin „zum Beweis der Tatsache , dass der Angeklagte am 28. Februar 2006 nicht im B. war“, beantragt und zur Begründung ausgeführt: „Bei der Zeugin handelt es sich um eine Person, die am Tattag im B. anwesend war. Ihre Aussage ist zur Aufklärung des Sachverhalts daher unverzichtbar. (…) Die Kammer hat bislang nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die Zeugin dazu zu bewegen, vor Gericht zu erscheinen.“
13
Das Landgericht hat den Antrag wegen Unerreichbarkeit der Zeugin abgelehnt und weiter ausgeführt: „Eine kommissarische Vernehmung kommt nicht in Betracht, weil es darauf ankommt, ob sie den Angeklagten wiedererkennt. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, warum sie bekunden soll, der Angeklagte sei nicht zur Tatzeit am Tatort gewesen. Insoweit handelt es sich um eine Behauptung ins Blaue hinein. Derartiges hat die Zeugin auch im Ermittlungsverfahren nicht geäußert.“
14
Die hierauf bezogene Verfahrensrüge greift durch.
15
a) Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob die Verfahrensrüge die Voraussetzungen einer Beweisantragsrüge nach den von BGHSt 45, 188, 190 aufgestellten Grundsätzen erfüllt, soweit ein ausdrücklicher Antrag zur Durchführung einer Bild-Ton-Vernehmung nach § 247a Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz StPO i.V.m. Art. 10 Abs. 1 und 2 EuRhÜbK für nicht erforderlich gehalten wird. Der Senat neigt zu der Auffassung, dass es einem ausdrücklich zu formulierenden Begehren eines Beweisantragstellers obliegt, ob er sich nach Feststellung der Unerreichbarkeit eines Zeugen für dessen von ihm begehrte Vernehmung in der Hauptverhandlung mit dem bei einer BildTon -Übertragung gegebenen Defizit an Unmittelbarkeit (vgl. BGHSt 45, 188, 196) im Vergleich zur konfrontativen Vernehmung im Gerichtssaal begnügen möchte (vgl. BGHSt 22, 118, 122 zur Pflicht zur Befragung des Antragstellers , ob er sich mit einer kommissarischen Vernehmung begnügt; vgl. ferner BGHSt 46, 73, 78 zur Pflicht gemäß § 247a StPO nach Verlesung eines richterlichen Vernehmungsprotokolls bei – enger als in § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO auszulegender – Unerreichbarkeit des Zeugen nach § 251 StPO). Die Rüge greift jedenfalls als Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 StPO i.V.m. § 247a Satz 1 2. Halbsatz StPO, Art. 10 Abs. 1 und 2 EuRHÜbK durch.
16
aa) Die behauptete Beweistatsache ist genügend bestimmt (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 6). Der Antrag auf Vernehmung der unter bekannter Adresse in Österreich wohnhaften Zeugin H. – eines bestimmten Beweismittels (vgl. BGHR aaO) – enthält die Behauptung mangelnder Personenidentität in dem Sinn, dass der Angeklagte nicht am Überfall auf den Bordellbetrieb beteiligt war. Dies stellt eine bestimmte Beweistatsache dar (vgl. BGH NStZ 2006, 585, 586; 2004, 99, 100; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 244 Rdn. 17). Zwar hat der Verteidiger im Tenor seines Antrags vordergründig ein bloßes Beweisziel benannt (vgl. BGHSt 39, 251, 253 f.). Indes ergibt sich vorliegend aus der weiteren Begründung des Antrags, es handele sich um eine – im Übrigen auch nach Auffassung des Landgerichts im ablehnenden Beschluss unverzichtbare – Tat- und Wiedererkennungszeugin und diese Zeugin werde ihre notwendigerweise auf konkrete Körpermerkmale des ihr erinnerlichen Täters gestützte Erinnerungsleistung in einer Weise erbringen, die mit dem (damaligen ) Erscheinungsbild des Angeklagten nicht in Einklang zu bringen sei. Dies genügt in der hier vorliegenden, von gesteigertem Aufklärungsbedürfnis ge- kennzeichneten besonderen Beweissituation des eher komplexen und fehlerträchtigen Wiedererkennens eines Täters durch Zeugen (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2003, 2444, 2445; BGHR StPO § 261 Identifizierung 6; BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 – 5 StR 186/07 Rdn. 20) den Anforderungen, die an eine bestimmte Beweisbehauptung zu stellen sind. Der Gegenstand der Zeugenaussage ist hier nämlich in einem solchen Maß auf die Wahrnehmung von dem Zeugenbeweis unmittelbar zugänglichen Wiedererkennungsmerkmalen ausgerichtet, dass deren konkretere Benennung nicht geboten ist, um das Aufklärungsbegehren näher zu präzisieren. Das Erfordernis der Konnexität liegt bei der hier auch gegebenen Opfereigenschaft der Zeugin auf der Hand (vgl. BGH NStZ 2006, 585, 586).
17
bb) Die Revision macht zu Recht geltend, das Landgericht hätte sich in Erfüllung seiner Aufklärungspflicht dazu gedrängt sehen müssen, die Tatund Wiedererkennungszeugin H. per Ton-Bild-Übertragung zu vernehmen. Die Aufklärungspflicht ist auch verletzt, wenn bei verständiger Würdigung der Sachlage durch den abwägenden Richter die Verwendung einer Aufklärungsmöglichkeit den Schuldvorwurf möglicherweise in Frage gestellt hätte (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 2 Umfang 1; BGH StV 2005, 253, 254). Dies ist bei den hier vorliegenden, nicht eindeutig übereinstimmenden, vom Landgericht zudem auch überwiegend nicht anhand konkreter Körpermerkmale dargelegten Wiedererkennungsleistungen der Zeuginnen der Fall. Das Landgericht konnte sich von seiner Aufklärungspflicht auch nicht mit der Hilfserwägung befreien, es handele sich um eine Behauptung ins Blaue hinein. Eine solche Bewertung ist angesichts des Umstandes, dass die Zeugin den Angeklagten auf Wahllichtbildern nicht erkannt hat und die Strafkammervorsitzende die Zeugin als wichtige Wiedererkennungszeugin betrachtet hat, nicht gerechtfertigt. Zudem liegt es in der Natur der Sache, dass ein Antragsteller die Aussagen der Zeugin im Vorhinein regelmäßig nicht kennt, sondern den behaupteten Inhalt lediglich für möglich hält (vgl. BGHSt 21, 118, 121, 125; BGH NStZ 2006, 585, 586).
18
b) Die Revision hat ferner dargelegt, dass eine audiovisuelle Vernehmung der Zeugin H. im Wege der Rechtshilfe möglich gewesen wäre. In der Republik Österreich ist das Übereinkommen vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EuRhÜbK) am 23. August 2005 in Kraft getreten (Schomburg /Gleß in Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen 4. Aufl. S. 999). Einer Bewilligung und Durchführung einer solchen in Artikel 10 Abs. 1 und 2 EuRhÜbK vorgesehenen Vernehmung hätten keine Hindernisse entgegengestanden, zumal § 247a Abs. 2 öStPO selbst die audiovisuelle Auslandsvernehmung von Zeugen durch österreichische Gerichte vorsieht (vgl. Kirchbacher in Fuchs/Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung 55. Lfg. § 247a Rdn. 6 f.).
19
Eine Vernehmung der Zeugin H. durch eine Bild-Ton-Übertragung wäre trotz gewisser Einschränkungen der Unmittelbarkeit (vgl. BGHSt 45, 188, 196) auch nicht von vornherein ungeeignet gewesen, um eine Vernehmung über eine Täteridentifizierung durchzuführen, wobei der Zeugin Lichtbilder vom Angeklagten hätten vorgehalten werden können oder auch die Person des anwesenden Angeklagten im Wege der Videosimultanübertragung hätte gezeigt werden können.
20
c) Der Vorschrift des § 247a Satz 2 StPO lässt sich keine Einschränkung für die hier zu beurteilende Nichtentscheidung über die Bewilligung der audiovisuellen Auslandsvernehmung entgegen bestehender Aufklärungspflicht entnehmen (vgl. auch BGHSt 45, 188, 197).
21
5. Auf die übrigen beachtlich erscheinenden Verfahrensrügen braucht der Senat nicht mehr einzugehen. Damit erheischt der Umstand keine Entscheidung , ob bei unterlassener Vereidigung von zwei Dolmetschern entgegen § 189 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GVG Russischkenntnisse der Strafkammervorsitzenden , die den Dolmetschern freilich verborgen geblieben waren, zu einer Verneinung des Beruhens des Urteils auf diesem Rechtsfehler führen können (vgl. BGH NStZ 2005, 705, 706), was hier auch eine gewisse Konzentration der Strafkammervorsitzenden auf den schwierigen Übertragungsvorgang erfordert hätte.
22
Sollte erneut ein – im Einzelnen zu begründender – Ausschluss des Angeklagten von der Hauptverhandlung gemäß § 247 Satz 1 StPO erforderlich werden, wird der neue Tatrichter gehindert sein, den in Abwesenheit des Angeklagten vernommenen Zeugen zu entlassen, bevor der Angeklagte zuvor über den wesentlichen Inhalt der in seiner Abwesenheit erfolgten Aussage unterrichtet worden ist (vgl. BGHR StPO § 247 Abwesenheit 20; MeyerGoßner , StPO 50. Aufl. § 247 Rdn. 15).
23
6. Aufgrund der Komplexität und der Fehleranfälligkeit bei einer Überführung aufgrund der Aussage zum Wiedererkennen durch Belastungszeugen wird der neue Tatrichter grundsätzlich gehalten sein, darzulegen, ob und in welchem Grade die Aussagen der Wiedererkennungszeuginnen zur Übereinstimmung zwischen dem Angeklagten und den seinerzeit wahrgenommenen Täter mit den in der Hauptverhandlung gewonnen übrigen Beweisergebnissen in Einklang gebracht werden können oder aber diesen zuwider läuft (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 – 5 StR 186/07 Rdn. 20). Diese Pflicht könnte es gebieten, das von der Revision im Rahmen einer Verfahrensrüge vorgetragene Entlastungsindiz – DNA am Slip des Vergewaltigungsopfers ausschließlich von einem anderen Mann stammend – in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen. Der Senat weist ferner darauf hin, dass den Darlegungserfordernissen , zumal bei dem hier vorliegenden, bis viermaligen Wiedererkennen (vgl. BGHSt 16, 204, 205 f.; BGH StV 1997, 454 f.), größere Aufmerksamkeit zu widmen sein wird (vgl. dazu näher BGH StV 2004, 58).
24
Sollte der neue Tatrichter zu gleichen Schuldsprüchen kommen, wäre die Annahme von Tateinheit im Blick auf die identische Gewaltausübung zutreffend (Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 177 Rdn. 105).
Basdorf Häger Gerhardt Brause Jäger
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung: ja
Erhebliche Umstände im Sinne des § 264a Abs. 1 StGB
sind nur solche Gesichtspunkte, die nach Art des
Geschäfts für einen durchschnittlichen Anleger von
Bedeutung sein können; maßgeblich sind dabei die
Erwartungen des Kapitalmarkts.
BGH, Urteil vom 12. Mai 2005 - 5 StR 283/04
LG Berlin -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 12. Mai 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat augrund der Hauptverhandlung
vom 11. und 12. Mai 2005, an der teilgenommen haben:
Richter Häger
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H
als Verteidiger des Angeklagten S ,
Rechtsanwalt M
als Verteidiger des Angeklagten Mi ,
Rechtsanwalt W ,
Rechtsanwalt U
als Verteidiger des Angeklagten P ,
Rechtsanwalt Wa
als Verteidiger des Angeklagten R ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 12. Mai 2005 für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Oktober 2003 werden verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf des Betruges in 655 Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Den Angeklagten S hat es zudem vom Vorwurf des Kapitalanlagebetrugs, die Angeklagten Mi , P und R auch vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg.

I.


Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten S als maßgeblichem Verantwortlichen der E -G zur Last, im Jahre 1993 die beiden Immobilienfonds T (künftig: T ) und D (kü nftig: D ) aufgelegt und die Anleger über die Werthaltigkeit der hierfür gegebe-
nen Garantien getäuscht zu haben. Tatsächlich sei die Holding, schon als die Fondsanteile angeboten wurden, überschuldet und zahlungsunfähig gewesen.
Den Mitangeklagten P , Mi und R , die in leitender Funktion bei der B V b . (künftig: BVB) tätig waren, wirft die Staatsanwaltschaft vor, in Kenntnis der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der E -G notwendige Zwischenfinanzierungen gewährt und so die Auflage der Fonds erst ermöglicht zu haben. Hierbei soll es den Angeklagten um die Nachschüsse der Anleger gegangen sein, zu deren Erbringung sich diese verpflichtet hatten und die der BVB abgetreten worden seien. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hatten die Angeklagten durch ihre Kreditgewährungen zugleich ihre Treuepflicht gegenüber der BVB verletzt, weil die BVB dadurch erheblichen Regreßansprüchen ausgesetzt worden wäre.
1. Hinsichtlich des Fonds D stellt das Landgericht fest, daß bereits im Juni 1991 die zur E -G gehörende B -T sukzessive die Grundstücke Brunsbütteler Damm 77/Altonaer Straße 72 in Berlin Spandau für 10 Mio. DM zzgl. Nebenkosten in Höhe von 1 Mio. DM sowie das Grundstück Brunsbütteler Damm 75/Altonaer Str. 70 für 3,2 Mio. DM erworben hatte. Die beiden Gründstücke wurden schließlich für denselben Gesamtpreis auf die E I G B D KG übertragen. Der Kauf wurde durch die BVB finanziert, die durch eine erstrangige Grundschuld gesichert war. Auf diesen Grundstücken war mit einem Investitionsvolumen von etwa 100 Mio. DM ein Projekt mit 13.400 qm Bürofläche , Tiefgarage und weiteren Stellplätzen geplant. Die D sollte als geschlossener Immobilienfonds gebildet werden und das bebaute Grundstück schlüsselfertig erwerben. Die Endfinanzierung – nach Zwischenfinanzierung durch die BVB – sollte durch die Berlin Hyp (künftig: BerlinHyp) erfolgen. Für die Einwerbung der Fondsgelder wurde ein Prospekt von der Firma GFC
GFC) in (künftig: Abstimmung mit Mitarbeitern der E -G entwickelt. Nach den Angaben im Prospekt sollte über die eingezahlten Eigenmittel nur mit Zustimmung eines Mittelkontrolleurs verfügt werden dürfen. Auf eine vom Angeklagten S als Vertreter der E B GmbH als Verkäuferin und zugleich für die D als Käuferin in Anspruch genommene Freistellung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) war im Prospekt nicht hingewiesen.
Am 11. Mai 1995 war das Kommanditkapital vollständig gezeichnet, wobei sogar eine Überzeichnung von 10 % erreicht wurde. Insgesamt übernahmen 340 Anleger Kommanditanteile in Höhe von 32,5 Mio. DM.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte S Gelände das der ehemaligen im Stile einer Moschee erbauten Zigarettenfabrik „Yenidze“ in Dresden mit notariellem Vertrag vom 21. November 1991 für die am 22. November 1991 ins Handelsregister eingetragene T GmbH & Co. KG erworben. Neben Auflagen des Denkmalschutzes enthielt der Vertrag auch eine Garantie der Anzahl der in dem Objekt durch Mieter oder Betreiber zu beschäftigenden Arbeitnehmer (100 im ersten Bauabschnitt, weitere 100 im zweiten Bauabschnitt und 300 Arbeitnehmer nach Inbetriebnahme). Ebenso war eine Investitionssumme in Höhe von 80 Mio. DM festgeschrieben. Die Einhaltung beider Verpflichtungen wurde durch eine Vertragsstrafe gesichert.
Im Herbst 1993 entschlossen sich der Angeklagte S und seine Mitgeschäftsführer Ra und B , das Projekt als geschlossenen Immobilienfonds zu vermarkten. Auch insoweit wurde die Einwerbung der Kommanditisten der G übertragen, die gegenüber der T eine Plazierungsgarantie übernahm. Für den Fonds T war – wie im Prospekt angekündigt – ein Mittelverwendungskontrolleur eingesetzt. Einen Hinweis auf die vertragsstrafenbewehrte Investitions- und Ar-
beitsplatzgarantie enthielt der Prospekt nicht. Bereits im Dezember 1993 war der Fonds voll gezeichnet. Insgesamt beteiligten sich 315 Anleger mit einer Gesamteinlage von 31,3 Mio. DM.
Zunächst geriet die D im Jahre 1995 in eine Liquiditätskrise, die dadurch bedingt war, daß in Berlin die erzielbaren Mieten deutlich zurückgingen. Im Herbst 1995 wurden die Kommanditisten auf ihre Nachschußpflicht in Höhe von 50 % der Pflichteinlagen in Anspruch genommen. Im November 1995 kündigte die BerlinHyp ihre Endfinanzierungszusage hinsichtlich der D . Auch die T geriet in den Strudel der Liquiditätskrise der E -G . Die BerlinHyp kündigte dort gleichfalls im November 1995 ihre Endfinanzierungszusage.
2. Das Landgericht hat eine Strafbarkeit wegen Betruges aus tatsächlichen Gründen verneint. Die Angeklagten hätten darauf vertrauen dürfen , daß ungeachtet der zwischenzeitlich aufgetretenen Liquiditätsprobleme die beiden Fonds hätten realisiert werden können. Die angeklagten Bankmitarbeiter hätten die Kreditvorlagen sorgfältig geprüft; dies ergebe sich insbesondere aus der Aussage der Zeugin, die ihren Vorgesetzten in dieser Kreditangelegenheit zugearbeitet habe. Auch der Angeklagte S habe sich im Hinblick auf zu erwartende anderweitige Vermögenszuflüsse darauf verlassen dürfen, daß die von ihm geleitete E -G die Verluste der B -T aus dem Jahre 1993 würde überwinden können.
Ebensowenig habe sich der Angeklagte S eines Kapitalanlagebetrugs nach § 264a StGB schuldig gemacht. Die Abbedingung der Sicherungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 MaBV sei schon deshalb kein hinweispflichtiger Umstand, weil durch die Einschaltung eines Mittelverwendungskontrolleurs und die Erklärung der BVB, die Gelder nur nach Baufortschritt freizugeben, eine gleichwertige Sicherheit bestanden habe. Hinsichtlich des Fonds T hätte allerdings auf die vertragsstrafenbewehrten Arbeitsplatz - und Investitionsgarantien hingewiesen werden müssen. Diese
seien zwar erhebliche Tatsachen im Sinne des § 264a StGB. Insofern lasse sich jedoch die Einlassung des Angeklagten S nicht widerlegen, er habe die Information nicht für wesentlich erachtet, weil nach seinem Konzept die Erfüllung dieser Verpflichtungen gesichert gewesen sei.

II.


Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die eine Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen, sind unbegründet.
1. Die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.

a) Die umfassende Zubilligung eines Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 StPO gegenüber dem Zeugen Bl war nicht rechtsfehlerhaft. Abgesehen davon, daß die Beurteilung der Verfolgungsgefahr im tatrichterlichen Ermessen steht (BGHR StPO § 55 Abs. 1 Auskunftsverweigerung 2), liegen die Voraussetzungen einer umfassenden Auskunftsverweigerung vor, weil gegen den Zeugen hinsichtlich des Komplexes T ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges geführt wurde. Beide Projekte sind schon allein deshalb wirtschaftlich eng miteinander verflochten, weil sie maßgebend von der E -G getragen wurden und deren wirtschaftliche Situation das Schicksal beider Fonds maßgeblich beeinflußte. Aus der möglichen Überschuldung der E -G leitet die Staatsanwaltschaft den Betrugsvorwurf her. Es liegt deshalb nahe, daß belastende Angaben des Zeugen zum TatkomplexD auch Rückschlüsse auf die Vermögenssituation des Fonds T und insbesondere auf die subjektive Tatseite hätten erlauben können.

b) Die Beweisantragsrügen, mit denen die Staatsanwaltschaft die Ablehnung der Einvernahme der Anleger beanstandet, sind unzulässig. Die Rügen sind nicht in der Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erhoben. Zu ihrer Begründung teilt die Staatsanwaltschaft – häufig auszugsweise – Schrei-
ben oder interne Vermerke mit. Abgesehen davon, daß schon die Vollständigkeit dieser Aktenbestandteile aus sich heraus nicht verifiziert werden kann, begegnet diese Form der Materialaufbereitung aus anderen Gründen durchgreifenden Bedenken. Die Staatsanwaltschaft selektiert insoweit das von ihr für entscheidungserheblich gehaltene Urkundenmaterial, als sie zwar möglicherweise belastende Textteile in ihre Revisionsbegründung einbezieht, möglicherweise entlastende Dokumente, mit denen sie sich ansatzweise auseinandersetzt, dem Revisionsgericht aber vorenthält, wie etwa das von der Revision erwähnte Gutachten der C . Damit ist das Vollständigkeitsgebot des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO verletzt.
Zudem sind die Beweisantragsrügen aus einem weiteren Grund unzulässig. Die Staatsanwaltschaft trägt insoweit vor, daß die Erhebung der Beweise – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht nur der Vervollständigung des äußeren Tatgeschehens gedient habe, sondern sich hieraus auch Rückschlüsse auf die innere Tatseite hätten ergeben können. Dann allerdings hätte die Staatsanwaltschaft, der dieses – aus ihrer Sicht bestehende – Mißverständnis über die Reichweite der Beweisanträge aus der Begründung der Ablehnungsbeschlüsse bewußt war, eine Klarstellung ihres Beweisziels vornehmen müssen (BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 37). Daß sie jeweils zu den die Beweisanträge zurückweisenden Gerichtsbeschlüssen eine solche Erklärung abgegeben hat, trägt die Staatsanwaltschaft jedoch nicht vor.

c) Die Ablehnung der Einvernahme des Zeugen He ist aus Rechtsgründen gleichfalls nicht zu beanstanden. Die Staatsanwaltschaft hat diesen bei der BVB beschäftigten Zeugen zum Beweis der Tatsache benannt , im Immobiliengeschäft der neuen Länder tätigen Personen sei es bekannt , daß mit der Treuhandanstalt vertraglich vereinbarte vertragsstrafenbewehrte Investitionsgarantien nur durch solche Investitionen erfüllt werden könnten, die im Anlagevermögen aktivierungsfähig seien. Diesen Antrag hat das Landgericht zurückgewiesen, weil diese Tatsache für die Entscheidung
ohne Bedeutung sei (§ 244 Abs. 3 StPO). Dabei hat es zutreffend darauf abgestellt , daß sich weder aus der Auffassung dieses Zeugen noch anderer Personen ein Schluß darauf ziehen lasse, welche Kenntnis der Angeklagte S von der Rechtsauffassung dieses nicht konkreten Personenkreises hatte. Die im übrigen in das Wissen des Zeugen gestellten Behauptungen sind Rechtsfragen, die keinem Zeugenbeweis zugänglich sind.

d) Die weiterhin von der Staatsanwaltschaft erhobene „allgemeine Aufklärungsrüge“ ist nicht zulässig ausgeführt. Es fehlt die Angabe bestimmter Beweistatsachen, die mit einem bestimmt bezeichneten Beweismittel hätten bewiesen werden können. Die Rüge der Staatsanwaltschaft erschöpft sich demgegenüber in allgemeinen Erwägungen, welche Ermittlungen noch hätten durchgeführt werden können.
2. Auch die sachlichrechtlichen Beanstandungen der Staatsanwaltschaft sind unbegründet.

a) Die Angriffe der Staatsanwaltschaft gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts bleiben erfolglos. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Die revisionsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH NStZ 2002, 48 m.w.N.). Einen solchen Mangel zeigen die Revisionen der Staatsanwaltschaft nicht auf.
aa) Die Beweiswürdigung zur wirtschaftlichen Ausgangssituation der beiden Fonds ist nicht lückenhaft. Das Landgericht setzt sich im gebotenen Umfang mit der wirtschaftlichen Entwicklung der E -G auseinander. Dabei bedarf es keiner ins einzelne gehenden Darstellung, die auf sämtliche Bilanzpositionen eingeht. Solches würde die Urteilsgründe überfrachten. Sie dienen nicht der Dokumentation sämtlicher in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zur wirtschaftlichen Situation des Unternehmens, son-
dern sie sollen dem Revisionsgericht die Überprüfung der Beweiswürdigung auf etwaige Rechtsfehler ermöglichen (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 12). Der Tatrichter hat die wesentlichen wirtschaftlichen Daten der Unternehmen darzustellen und zu bewerten.
Dem ist das Landgericht in ausreichendem Maße nachgekommen. Es teilt mit, daß die E -G im Jahre 1993 im Zusammenhang mit einer Investition in Spanien Verluste in Höhe von 30 Mio. DM erlitten sowie wegen Ankaufs einer Beteiligung weitere 10 Mio. DM Verbindlichkeiten aufgebaut hatte. Demgegenüber stellt das Landgericht – auf die seinerzeitige Auffassung eines Wirtschaftsprüfers gestützt – auf die zu erwartenden Gewinne aus anderen Immobilienprojekten in Höhe von 23 Mio. DM sowie in den Folgejahren auf die zu erwartenden Erträge in Höhe von 38 Mio. und 15 Mio. DM ab. Weiterhin berücksichtigt es das Vermögen des Angeklagten S in Höhe von 41 Mio. DM, der maßgeblich als Hauptgesellschafter und Geschäftsführer wirtschaftlich hinter der Gruppe stand und im Mai 1995 eine persönliche Bürgschaft in Höhe von 79 Mio. DM übernahm.
bb) Das Landgericht geht rechtsfehlerfrei davon aus, daß die Fonds – was ihre Kalkulation auf dem seinerzeitigen Wissensstand anging – lebensfähig gewesen wären. Das Landgericht bezieht sich insoweit auf die konkret zu erwartenden Mieten, die es ersichtlich für erzielbar eingeschätzt hat. Den Zusammenbruch der beiden Fonds erklärt die Strafkammer aus dem Verfall der Immobilienpreise und Mieten in den neuen Ländern und Berlin ab Mitte des Jahres 1995. Diese Wertung des Landgerichts begegnet aus Rechtsgründen keinen Bedenken.
cc) Im Ergebnis führt auch die Würdigung des Landgerichts zu den Gutachten der Sachverständigen We und Pa nicht zu einem den Bestand des Urteils gefährdenden Fehler in der Beweiswürdigung. Hierzu teilt das Landgericht nur mit, daß diese Gutachter von einer Überschuldung der E -H ausgingen. Den Grund für eine Überschuldung sahen die
Sachverständigen in den für die Mietgarantien zu treffenden Rückstellungen in der Bilanz. Allerdings folgt das Landgericht insoweit den Gutachtern nicht, weil diese die zugrundegelegten Werte nicht auf der Grundlage einer eigenen Prüfung ermittelt, sondern diese Daten ungeprüft aus den Berechnungen des Sachverständigen K entnommen hätten. Bedenklich ist dabei die daran anknüpfende Schlußfolgerung des Landgerichts, daß allein aus diesem Grunde die Aussagen der Sachverständigen We und Pa nicht geeignet seien, die Ergebnisse des Sachverständigen K zu erschüttern. Warum die aus demselben Datenmaterial gezogenen Schlußfolgerungen der Sachverständigen We und Pa schon deshalb unzuverlässig sein sollen , erschließt sich dem Senat nicht.
Letztlich gefährdet der Widerspruch jedoch den Bestand des Urteils nicht, weil die Ausführungen des Landgerichts zur subjektiven Tatseite jedenfalls rechtlicher Überprüfung standhalten. Insofern kommt es auch nicht entscheidend darauf an, wie ein Sachverständiger in einer ex-post Betrachtung eine Überschuldung beurteilt. Für den Vorwurf des Betruges ist maßgeblich der Zeitpunkt der Einwerbung der Anleger. Dies erfordert eine Betrachtung der Vermögenssituation zu diesem Zeitpunkt.
Das Landgericht erfüllt bei seiner Beweiswürdigung im Ergebnis die Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an die Feststellung des subjektiven Tatbestands zu stellen sind. Danach kann bei komplexen Entscheidungsprozessen gerade im Zusammenhang mit Kreditgewährungen bei der Prüfung der insoweit allein in Betracht kommenden Vorsatzform des „dolus eventualis“ nicht allein auf die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts abgestellt werden. Maßgeblich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls, bei denen insbesondere die Motive und die Interessenlage der Angeklagten zu beachten sind (BGHSt 46, 30, 34 f.; 48, 331, 346 ff.). Diesem Maßstab wird die Beweiswürdigung des Landgerichts gerecht. Es hat in Rechnung gestellt, daß insbesondere von den angeklagten Bankmitarbeitern Liquiditätsprobleme gesehen wurden. Da-
bei haben diese – was das Landgericht insbesondere der Aussage der Zeugin E entnimmt – auf der Grundlage der von dieser Zeugin erstellten Entscheidungsvorschläge eine kaufmännisch vertretbare Lösung gesucht. Daß die Angeklagten zwischenzeitlich gezweifelt haben, spricht insoweit nicht für einen (bedingten) Betrugsvorsatz, sondern tendenziell eher dagegen , weil die Angeklagten sich ersichtlich ihre Entscheidung nicht einfach gemacht haben. Hinzu kommt, daß durch Wirtschaftsprüfer zweimal für die E -G eine positive Zukunftsprognose gestellt wurde. Auf dieser Tatsachengrundlage konnte das Landgericht rechtsfehlerfrei von einem fehlenden Vorsatz bei den Angeklagten P , Mi und R ausgehen. Bezüglich des Angeklagten S hat das Landgericht ebenso rechtlich bedenkenfrei dem Gesichtspunkt besonderes Gewicht beigemessen , daß er selbst eine persönliche Bürgschaft in Höhe von 79 Mio. DM eingegangen ist. Damit hat er sein gesamtes Vermögen, das vom Landgericht auf 41 Mio. DM beziffert wurde, gefährdet. So hätte der Angeklagte S gehandelt, nicht wenn er ernstlich mit dem Scheitern der Projekte gerechnet hätte.
Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft spricht nicht entscheidend dagegen, daß hinsichtlich der übernommenen Vermietungsgarantien keine Bankhinterlegungen vorgenommen oder jedenfalls keine umfänglichen bilanziellen Rückstellungen getroffen worden sind. Das Landgericht hat diesen Gesichtspunkt gesehen und zutreffend erörtert. Insoweit kommt es allein darauf an, ob das zum Zeitpunkt der Einwerbung der Anleger bestehende Finanzierungssystem die Stellung solcher Mietgarantien erlaubt hätte. Nach der seinerzeitigen Finanzplanung hätten Gelder vorgesehen sein müssen , die eine solche bankunterlegte Garantie ermöglicht hätten. Dies hat das Landgericht rechtsfehlerfrei bejaht. Eine Bankgarantie brauchte die E - G erst nach Fertigstellung, mithin also im Zeitpunkt der Vermietbarkeit der projektierten Büroräume. Deshalb kann aus dem Fehlen der Bereitstellung einer Bankgarantie nicht auf einen Betrugsvorsatz geschlossen werden.

b) Auf der Grundlage seiner rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung zum Betrugsvorwurf geht das Landgericht zutreffend davon aus, daß bei den Angeklagten Mi , P und R auch kein Vergehen der Untreue zu Lasten der BVB vorliegt. Eine Strafbarkeit nach § 266 StGB scheidet im vorliegenden Fall schon deshalb aus, weil eine Pflichtwidrigkeit der Angeklagten zum Zeitpunkt der Vergabe der Kredite zumindest in subjektiver Hinsicht nicht festgestellt werden konnte.

c) Das Vorliegen eines Kapitalanlagebetrugs gemäß § 264a StGB hinsichtlich des Angeklagten S hat das Landgericht gleichfalls rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Danach wird bestraft, wer im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Anteilen über erhebliche Umstände in Prospekten falsche Angaben macht oder nachteilige Tatsachen verschweigt (§ 264a Abs.1 Nr.1 StGB).
aa) Das Tatbestandsmerkmal des erheblichen Umstands im Sinne dieser Vorschrift erfüllen nur solche Gesichtspunkte, die nach der Art des Geschäfts für einen durchschnittlichen Anleger von Bedeutung sein können. Dabei liegt es auf der Hand, daß Prospektangaben schon ihrer Funktion nach nicht auf Vollständigkeit angelegt sein können (Cramer in Schönke /Schröder, StGB 26. Aufl. § 264a Rdn. 28 f.). Eine allzu weitgehende Umfänglichkeit der gegebenen Informationen wäre für den Herausgeber des Prospekts kaum handhabbar und für den Anleger oftmals nicht mehr überschaubar. Die Offenbarungspflicht ist daher auf die wertbildenden Umstände zu beschränken, die nach den Erwartungen des Kapitalmarkts für die Anleger bei ihrer Investitionsentscheidung von Bedeutung sind (vgl. Tiedemann in LK 11. Aufl. § 264a Rdn. 49). Dabei darf kein – im übrigen für den Prospektherausgeber praktisch auch nicht erkennbarer – alle möglichen Anlegerinteressen berücksichtigender subjektiver Maßstab angelegt werden. Vielmehr ist eine verobjektivierte Betrachtungsweise geboten. Maßgeblich ist der verständige, durchschnittlich vorsichtige Kapitalanleger, in dessen Rolle sich
der Herausgeber des Prospekts zu versetzen hat (vgl. BGHSt 30, 285, 293 zu § 265b Abs. 1 Nr. 1 StGB).
bb) Das Landgericht hat die Befreiung von der sich aus § 7 Abs. 1 Satz 1 MaBV ergebenden Pflicht rechtsfehlerfrei als nicht zu offenbarende Tatsache im Sinne von § 264a Abs. 1 StGB angesehen. Nach der Art des Anlageobjekts betraf dieser Gesichtspunkt keinen für die Kaufentscheidung erheblichen Umstand. Zwar erlaubte diese Vertragsgestaltung eine vorfällige Zahlung, was grundsätzlich die Rechtsstellung der Anleger hätte beeinträchtigen können. Eine solche Möglichkeit ist jedoch für gewerbliche Vorhaben durch die Makler- und Bauträgerverordnung ausdrücklich vorgesehen. Das hiermit verbundene Risiko wurde durch die Einsetzung eines Mittelkontrolleurs reduziert. Im übrigen bewirkte gerade die vorfällige Zahlung sogleich höhere steuerliche Verlustzuweisungen, auf die es den Anlegern ersichtlich aus steuerlichen Gründen ganz wesentlich ankam und die der Kapitalmarkt bei derartigen Anlageformen auch erwartet.
cc) Hinsichtlich des Vorhabens T stellen die vertragsstrafenbewehrte Investitionsverpflichtung und Arbeitsplatzgarantie, die in den Prospekten verschwiegen wurden, allerdings solche erhebliche Umstände im Sinne des § 264a Abs. 1 StGB dar. Dies ergibt sich schon daraus, daß aufgrund der Vertragsstrafe im Falle einer unzureichenden Verwirklichung des Projekts hohe Verbindlichkeiten hätten entstehen können. Diese Umstände waren deshalb zu offenbaren.
Insoweit hat das Landgericht aber rechtlich bedenkenfrei die subjektive Tatseite verneint. Die Erheblichkeit eines anlagerelevanten Umstands ist ein normatives Tatbestandsmerkmal (Tiedemann in LK 11. Aufl. § 264a Rdn. 66). Dies bedeutet, daß der Täter nicht nur die tatsächlichen Umstände kennen, sondern zugleich die rechtliche Wertung der Erheblichkeit nachvollziehen muß (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 264a Rdn. 20). Ob diese Voraussetzung im Einzelfall gegeben ist, unterliegt tatrichterlicher Würdi-
gung, die das Revisionsgericht bis zur Grenze der Vertretbarkeit noch hinzunehmen hat. Danach erscheint es unbedenklich, wenn das Landgericht insoweit der Einlassung des Angeklagten S gefolgt ist, er habe diese Verpflichtung gegenüber der Treuhandanstalt nicht für wesentlich gehalten, weil schon nach der Konzeption der T diese Vorgaben erfüllt worden wären. Da sich dann nicht die Frage einer Belastung mit einer Vertragstrafe gestellt hätte, mag dieser Umstand nach der Vorstellung des Angeklagten S tatsächlich von untergeordneter Bedeutung gewesen sein. Jedenfalls überspannt das Landgericht im vorliegenden Fall noch nicht in einem rechtlich bedenklichen Umfang die Anforderungen an den Nachweis des Tatvorsatzes, wenn es insoweit aufgrund der Angaben des Angeklagten S nicht auszuschließen vermochte, daß dieser die gegenüber der Treuhandanstalt abgegebenen Garantien als nicht erheblich ansah.
Häger Gerhardt Raum Brause Schaal

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.