Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2012 - 4 StR 170/12

bei uns veröffentlicht am25.10.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 170/12
vom
25. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung
–,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof – bei der
Verkündung –
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 6. Dezember 2011, soweit es den Angeklagten S. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Magdeburg zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Totschlags aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Das – vom Generalbundesanwalt vertretene – Rechtsmittel hat schon mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die verfahrensrechtlichen Beanstandungen der Staatsanwaltschaft nicht ankommt.

I.


3
1. Die zugelassene Anklage hat dem Angeklagten zur Last gelegt, am 16. September 2009 in seiner Wohnung mittels stumpfer Gewalt so auf den Kopf des am 12. Februar 2008 geborenen Sohnes seiner Lebensgefährtin Christin H. , Jason H. , eingewirkt zu haben, dass dieser ausgedehnte Hautunterblutungen im Gesicht sowie infolge des Abrisses von zwei Brückenvenen sich über die gesamte rechte Großhirnhalbkugel erstreckende exzessive Blutungen unter die harte Hirnhaut erlitt, die eine operative Entlastung am selben Tag erforderten und woran Jason H. trotz einer weiteren Operation am 22. September 2009 verstarb. Dem Angeklagten sei dabei bewusst gewesen , dass er bei einer derart erheblichen Gewalteinwirkung auf den Kopf eines Kleinkindes dessen Tod verursachen könne, was ihm gleichgültig gewesen sei. Der Kindesmutter wurde in der Anklage nur eine Misshandlung von Jason am 12. oder 13. Juli 2009 zur Last gelegt. Auch sie wurde – von der Staatsanwaltschaft nicht angegriffen – freigesprochen.
4
2. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat bestritten. In der Hauptverhandlung hat er zunächst ausgesagt, dass das spätere Tatopfer, nachdem Christin H. die Wohnung verlassen hatte, zu schreien und so stark zu strampeln begonnen habe, dass ihm, dem Angeklagten, das Kind, das er auf seinem Arm habe beruhigen wollen, aus Kopf- bzw. Brusthöhe auf die hart gepolsterte Couch gefallen sei. Er sei bei dem Versuch, Jason aufzufangen , mit seinem vollen Körpergewicht von neunzig Kilogramm auf diesen gefallen. Danach sei Jason plötzlich ganz ruhig gewesen und habe seinem Eindruck nach nicht mehr geatmet, woraufhin er seine Lebensgefährtin und kurz darauf den Notarzt angerufen habe. Den Vorwurf, Jasons Kopf gegen die Stirnwand des Kinderbettes geschlagen zu haben, hat der Angeklagte in Abredegestellt und sodann weiter ausgesagt, er habe Jason zwei- bis dreimal für ca. zehn Sekunden kräftig geschüttelt und dabei das Gleichgewicht verloren. Im Fallen auf das Kind habe er dessen Kopf mit seinem Knie getroffen. Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 17. September 2009 hatte sich der Angeklagte demge- genüber dahin eingelassen, er habe den schreienden Jason aus dem Kinderbett gehoben und auf die Couch gesetzt, um dem Kind etwas zu trinken zu holen. Als er zurückgekommen sei, habe er gesehen, dass Jason auf der Couch umgefallen sei und die Augen verdreht habe. Dann habe er, der Angeklagte , seine Freundin angerufen und den Notarzt alarmiert. In einer weiteren Vernehmung bei der Polizei am 5. Oktober 2009 hatte der Angeklagte ähnliche Angaben gemacht und diese dahin ergänzt, Jason habe nach dem Fall auf die Couch die Augen „verleiert“ und in Abständen nach Luft geschnappt. Einer Ret- tungssanitäterin gegenüber hatte der Angeklagte noch in der Wohnung angegeben , Jason habe im Kinderbett geschrien und sei dann plötzlich – noch im Bett – umgefallen; von einem Sturz hat er nichts erwähnt.
5
3. Die Strafkammer hat sich von der Richtigkeit der „auch nur im Rahmen einer Verständigung“ abgegebenen Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht überzeugen können. Vor diesem Hintergrund vermittle die Einlassung den Eindruck einer konstruierten Aussage mit dem Ziel, das Geschehen unter Inkaufnahme des geringstmöglichen Schuldvorwurfs zu erklären.

II.


6
Der Freispruch hat keinen Bestand. Die Ausführungen des Landgerichts werden den gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellenden Anforderungen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
7
1. Zum einen enthalten die Urteilsgründe keine Feststellungen zu Werdegang , Vorleben und Persönlichkeit des Angeklagten.
8
a) Solche Feststellungen sind zwar in erster Linie bei verurteilenden Erkenntnissen notwendig, um nachvollziehen zu können, ob der Tatrichter die wesentlichen Anknüpfungstatsachen für die Strafzumessung (§ 46 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StGB) ermittelt und berücksichtigt hat. Aber auch bei freisprechenden Urteilen ist der Tatrichter aus sachlich-rechtlichen Gründen zumindest dann zu solchen Feststellungen verpflichtet, wenn diese für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können und deshalb zur Überprüfung des Freispruchs durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler hin notwendig sind; das ist auch dann der Fall, wenn vom Tatrichter getroffene Feststellungen zum Tatgeschehen ohne solche zu den persönlichen Verhältnissen nicht in jeder Hinsicht nachvollziehbar und deshalb lückenhaft sind (vgl. dazu BGH, Urteile vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314, 315; vom 13. Oktober 1999 – 3 StR 297/99, NStZ 2000, 91, und vom 14. Februar 2008 – 4 StR 317/07, NStZ-RR 2008, 206, 207). So liegt es hier.
9
b) Die Notwendigkeit, die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten umfassend in den Blick zu nehmen und nähere Feststellungen zu dessen Lebenslauf, Werdegang und Persönlichkeit zu treffen und in den Urteilsgründen darzulegen, ergibt sich im vorliegenden Fall bereits aus der ihm zum Vorwurf gemachten Straftat. Sie beruht auf einer Handlung, die sich im familiären, häuslichen Bereich ereignet haben soll. Ist ein solcher Vorwurf, wie hier, von erheblichem Gewicht, liegt es nahe, dass der Persönlichkeitsentwicklung der Beteiligten , insbesondere des der Tat Beschuldigten, und seinen individuellen Lebensumständen Bedeutung auch für die Beurteilung des Tatvorwurfs zukommen kann. Dies gilt nicht nur, wenn der Verdacht einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung besteht, sondern gleichermaßen, wenn der Vorwurf eine Gewalttat im Verhältnis von Eltern bzw. Erziehungsberechtigten zu ihren Kindern zum Gegenstand hat. Schon deshalb waren insoweit detaillierte Feststel- lungen geboten, die genaueren Aufschluss über die Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Lebensumstände hätten geben können, was gegebenenfalls – etwa im Hinblick auf eine mögliche Überlastungssituation – Rückschlüsse auf den Tatvorwurf zugelassen hätte.
10
c) Auch vor dem Hintergrund der wenigen zum Tatvorwurf getroffenen Feststellungen hätten die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten nicht unerörtert bleiben dürfen. Danach zeigten sich bei Jason am Vormittag des 16. September 2009 blaue Flecken im Gesicht. Auf der Festplatte des Computers der Mutter des Tatopfers wurde ein von dem Angeklagten am 11./12. September 2009 aufgenommener Videofilm sichergestellt, auf dem Jason mit massiven Hämatomen zu sehen ist. Dass eingehende Feststellungen zum persönlichen Hintergrund – auch unter Berücksichtigung der gegen die Mutter des Tatopfers erhobenen Vorwürfe der Misshandlung von Schutzbefohlenen – hier möglicherweise geeignet gewesen wären, angesichts der schwierigen Beweislage den gegen den Angeklagten erhobenen Tatvorwurf zu erhellen, liegt jedenfalls nicht fern.
11
2. Das Landgericht hat auch keine den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil entsprechende Würdigung der Beweise vorgenommen.
12
a) Es ist regelmäßig verfehlt, die Einlassung des Angeklagten und die Aussagen sämtlicher Zeugen und Sachverständigen der Reihe nach und in ihren Einzelheiten mitzuteilen. Das kann die Besorgnis begründen, der Tatrichter sei davon ausgegangen, eine breite Darstellung der erhobenen Beweise könne die gebotene eigenverantwortliche Würdigung ersetzen. Darin liegt regelmäßig ein Rechtsfehler (BGH, Beschluss vom 6. Mai 1998 – 2 StR 57/98, NStZ 1998, 475; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 – 3 StR 417/03, wistra 2004, 150). Vielmehr muss eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung eine Abwägung und Gewichtung der einzelnen Beweise enthalten (BGH, Beschluss vom 6. Mai 1998 – 2 StR 57/98, aaO). Eine solche lassen die Urteilsgründe hier nicht erkennen.
13
b) Die Ausführungen des Landgerichts durften sich nicht darin erschöpfen , die Einlassungen des Angeklagten in der Hauptverhandlung und im Ermittlungsverfahren ebenso wie die Aussagen seiner Lebensgefährtin in wesentlichen Teilen wörtlich in die Urteilsgründe aufzunehmen. Entsprechendes gilt für die Bekundungen der gerichtsmedizinischen Sachverständigen, denen die Strafkammer zwar ausweislich der Urteilsgründe gefolgt ist, deren Erkenntnisse aber weder im Hinblick auf einzelne den Angeklagten belastende Indiztatsachen gewichtet oder mit dem Beweisergebnis im Übrigen in Beziehung gesetzt werden.
14
c) Ferner begegnet die – losgelöst vom Ergebnis der Beweisaufnahme im Übrigen – erfolgte Bewertung der Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung vor dem Hintergrund der in den Urteilsgründen erwähnten Verständigung als nicht glaubhaft durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
15
Wie der Bundesgerichtshof schon mehrfach betont hat, darf eine Verständigung über das Strafmaß nicht dazu führen, dass ein so zustande gekommenes Geständnis dem Schuldspruch zu Grunde gelegt wird, ohne dass sich der Tatrichter von dessen Richtigkeit überzeugt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 1 StR 464/02, BGHSt 48, 161, 167). Auch für die Bewertung eines Geständnisses gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Senatsbeschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291, 303; zur Darlegung in den Urteilsgründen BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 – 2 StR 156/98, NJW 1999, 370, 371 mwN). Mag die Bewertung der Strafkammer , die Einlassung des Angeklagten vermittle den Eindruck eines mit einem bestimmten Ziel zusammengestellten Konstrukts, danach für sich genommen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden sein, so liegt, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, der Rechtsfehler darin, dass das Landgericht bei dieser Erwägung stehen geblieben ist und die einander widersprechenden Einlassungen des Angeklagten weder im Einzelnen einer Bewertung unterzogen noch mit dem übrigen Beweisergebnis in Beziehung gesetzt hat. Damit hat es sich den Blick dafür verstellt, dass Teile der Angaben des Angeklagten , etwa in Zusammenschau mit den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen, geeignet sein könnten, diesen im Sinne des Anklagevorwurfs zu belasten. Abgesehen davon hätte es im vorliegenden Fall – über die Mindestanforderungen des § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO hinaus (vgl. MeyerGoßner , StPO, 55. Aufl., § 267 Rn. 23a mwN) – der Mitteilung von Einzelheiten zum Inhalt der erwähnten Verständigung bedurft, um die Beweiswürdigung der Strafkammer zum Einlassungsverhalten des Angeklagten ausreichend auf Rechtsfehler überprüfen zu können (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 6. November 2007 – 1 StR 370/07, BGHSt 52, 78, 82 ff.).

III.


16
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2012 - 4 StR 170/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2012 - 4 StR 170/12

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2012 - 4 StR 170/12 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2012 - 4 StR 170/12 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2012 - 4 StR 170/12 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2007 - 1 StR 370/07

bei uns veröffentlicht am 06.11.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 370/07 vom 6. November 2007 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. November 2007 beschlossen : Auf die Revision des Angeklagten L. wir

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Feb. 2008 - 4 StR 317/07

bei uns veröffentlicht am 14.02.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 317/07 vom 14. Februar 2008 in der Strafsache gegen wegen versuchter sexueller Nötigung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Februar 2008, an der teilgenommen h

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Jan. 2003 - 1 StR 464/02

bei uns veröffentlicht am 15.01.2003

Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ___________________ StPO § 261 Bei der Verurteilung eines Angeklagten aufgrund von Geständnissen der Mitangeklagten , die Gegenstand einer verfahrensbeendenden Absprache sind, muß die Glaubhaftigk
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2012 - 4 StR 170/12.

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Mai 2014 - 2 StR 70/14

bei uns veröffentlicht am 28.05.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 S t R 7 0 / 1 4 vom 28. Mai 2014 in der Strafsache gegen wegen des Verdachts der Vergewaltigung u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Mai 2014, an der teilgenommen h

Bundesgerichtshof Urteil, 01. Aug. 2018 - 5 StR 30/18

bei uns veröffentlicht am 01.08.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 30/18 vom 1. August 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen Verdachts der Erpressung ECLI:DE:BGH:2018:010818U5STR30.18.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vo

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Aug. 2017 - 4 StR 127/17

bei uns veröffentlicht am 17.08.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 127/17 vom 17. August 2017 in der Strafsache gegen wegen fahrlässiger Körperverletzung ECLI:DE:BGH:2017:170817U4STR127.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17.

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Sept. 2015 - 1 StR 12/15

bei uns veröffentlicht am 01.09.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 1 2 / 1 5 vom 1. September 2015 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. September 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: Auf die Revis

Referenzen

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 317/07
vom
14. Februar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter sexueller Nötigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Februar
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin Erna Waltraud B. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 20. Februar 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf der versuchten sexuellen Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin rügen mit ihren hiergegen gerichteten Revisionen die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft, deren Revision vom Generalbundesanwalt vertreten wird, beanstandet ferner das Verfahren. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


2
1. Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten Folgendes zur Last gelegt :
3
Der Angeklagte habe sich am 20. August 2006 gegen 19 Uhr auf dem Ostfriedhof in Gelsenkirchen der 86jährigen Nebenklägerin Erna B. von hinten genähert, als diese auf ihr Fahrrad steigen wollte, um nach Hause zu fahren. Er habe der Nebenklägerin mit beiden Händen den Hals fest zuge- drückt. Er habe die deshalb unter akuter Atemnot leidende Nebenklägerin, die versucht habe, sich zur Wehr zu setzen, in Richtung eines Gebüschs bei einem neu angelegten Gräberfeld geschoben und geäußert: "Wenn Sie hier nicht wollen , dann gehen wir in die Büsche. Vorwärts!" Er habe die Nebenklägerin über einen schmalen Weg in Richtung des Feldes geschoben, wobei diese zu Fall gekommen sei. Der Angeklagte habe versucht, die Nebenklägerin hochzuheben , was diese habe verhindern können. Als die Nebenklägerin vorgegeben habe, "sie könne nicht mehr", sie müsse Tabletten einnehmen, habe der Angeklagte sie auf den Rasen gebracht. Dort habe die Nebenklägerin sich an die Zeugin F. wenden können, worauf der Angeklagte von ihr abgelassen habe.
4
2. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat bestritten und sich dahin eingelassen, er habe an jenem Tage eine dreiviertel Flasche Chantré getrunken , sei danach spazieren gegangen und habe sich dann auf eine Friedhofsbank gesetzt. Die Nebenklägerin, die ein Fahrrad geschoben habe, sei vor ihm unvermittelt in die Knie gesunken. Er sei ihr mit zwei schnellen Schritten zu Hilfe geeilt und habe ihr von hinten unter die Arme um den Brustkorb gegriffen, um sie aufzufangen. Die Nebenklägerin habe sich am Fahrrad festgehalten, so dass der Lenker eingeknickt sei, weshalb sie vom sandigen Weg in Richtung des frischen Gräberfeldes auf den Mulchbereich abgekommen seien. Er habe beruhigend auf die panisch wirkende Nebenkl ägerin eingeredet und ihr gesagt, dass er nur helfen wolle. Die Nebenklägerin habe geäußert, sie habe ihre Herztabletten nicht genommen. Dann habe er die Stimme von Frau F. gehört , die er gebeten habe, einen Krankenwagen zu rufen. Er habe darauf bestanden , dass neben dem Krankenwagen auch die Polizei gerufen werde, weil er wegen seiner Vorstrafen nachteilige Konsequenzen befürchtet habe.
5
3. Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und zur Begründung ausgeführt, es habe "zwar im Detail gewisse Zweifel" an der Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten, habe dessen Einlassung aber nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit zu widerlegen vermocht.
6
Die Bekundungen der Nebenklägerin und die der ebenso wie diese glaubwürdigen Zeugin F. seien "in einem entscheidenden Punkt - nämlich in der Frage, von wessen Initiative die Hilfeleistung der Zeugin F. ausging -" nicht miteinander in Einklang zu bringen. Die Zeugin F. habe, als sie gesehen habe, dass die Nebenklägerin zusammengebrochen sei, nach ihren Bekundungen "sofort hinübergerufen, ob sie helfen könne". Demgegenüber habe die Nebenklägerin bekundet, sie sei es gewesen, die um Hilfe gerufen und Frau F. dadurch veranlasst habe hinzuzukommen. Das Landgericht hat hierzu u.a. ausgeführt, dass sich der Widerspruch plausibel dadurch erklären lasse, dass die Nebenklägerin, entsprechend der Einlassung des Angeklagten und der Beobachtung der Zeugin F. , einen Schwächeanfall erlitten habe , hierdurch verwirrt gewesen sei und den gesamten Geschehensablauf falsch verstanden haben könnte. Im Hinblick darauf, dass der Polizeibeamte S. bei seinem Eintreffen am Tatort den Eindruck gehabt habe, die Nebenklägerin sei verwirrt gewesen, erscheine nicht ausgeschlossen, dass die nach ihren Angaben unter Bluthochdruck leidende Nebenklägerin einen Schwächeanfall erlitten habe. Deshalb sei die Möglichkeit von Fehlwahrnehmungen bzw. -deutungen des Gechehens durch die Nebenklägerin nicht auszuschließen.

II.


7
Der Freispruch hat keinen Bestand.
8
1. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
a) Die Ausführungen des Landgerichts werden den gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellenden Anforderungen nicht gerecht.
10
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen nicht getroffen werden können. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (st. Rspr., vgl. BGHSt 37, 21, 22; BGH wistra 2004, 105, 109 jew. m.w.N.). Dem genügt das angefochtene Urteil nicht.
11
Das Urteil enthält keine Feststellungen zur Person des Angeklagten. Solche Feststellungen sind zwar in erster Linie bei verurteilenden Erkenntnissen notwendig, um nachvollziehen zu können, dass der Tatrichter die wesentlichen Anknüpfungstatsachen für die Strafzumessung (§ 46 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 StGB) ermittelt und berücksichtigt hat; aber auch bei freisprechenden Urteilen ist der Tatrichter aus sachlich-rechtlichen Gründen zumindest dann zu solchen Feststellungen verpflichtet, wenn diese zur Überprüfung des Freispruchs durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler hin notwendig sind (vgl. BGH NStZ 2000, 91). So liegt es hier. Der Angeklagte will wegen der wegen seiner Vorstrafen befürchteten nachteiligen Konsequenzen darauf bestanden haben, dass die Polizei gerufen werde. Welcher Art diese Vorstrafen sind und wie lange sie zurückliegen, wird im Urteil jedoch nicht mitgeteilt. Nach den vom Angeklagten geäußerten Befürchtungen liegt es nahe, dass es sich um einschlägige Vorstrafen handelt, die Aufschluss über die Täterpersönlichkeit geben könnten.
12
Zudem fehlt eine geschlossene Darstellung derjenigen Tatsachen, die das Landgericht für erwiesen hält. Ohne Angaben insbesondere zu den örtlichen Verhältnissen in dem Bereich des Ostfriedhofs, in dem es zu dem Zusammentreffen des Angeklagten mit der Nebenklägerin kam, und dazu, wo diese schließlich am Boden gelegen hat, ist dem Senat die Überprüfung, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht, nicht möglich.
13
b) Die Beweiswürdigung ist zudem lückenhaft. Die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass sich das Urteil nicht dazu verhält, in welchen Details das Landgericht "gewisse Zweifel" an der Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten hatte und aus welchen Gründen die Umstände, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme Schlüsse auch zu Ungunsten des Angeklagten ermöglichen, auch in einer Gesamtschau nicht ausreichten, die Einlassung , die Nebenklägerin habe einen Schwächeanfall erlitten, zu widerlegen.
14
Soweit das Landgericht meint, es könne nicht als gegen den Angeklagten sprechendes Indiz gewertet werden, dass er die nach seiner Einlassung erstmals auf dem Friedhofsweg in die Knie gesunkene Nebenklägerin nicht zurück auf die näher gelegene Bank, sondern bis auf den Mulchbereich verbracht haben will (UA 6), lässt es außer Acht, dass sich der Angeklagte nach den insoweit übereinstimmenden Bekundungen der Nebenklägerin und der vom Landgericht für glaubwürdig erachteten Zeugin F. mit der Nebenklägerin entgegen seiner Einlassung nicht im Bereich des Mulches vor den Gräbern, sondern "inmitten der frischen Gräber" aufhielt, als die Zeugin F. hinzukam (UA 5).
15
Bedenken begegnet auch die Erwägung des Landgerichts, für den vom Angeklagten behaupteten Schwächeanfall der Nebenklägerin spreche, dass die Zeugin F. und der Zeuge S. den Eindruck hatten, die Nebenklägerin sei verwirrt gewesen. Insoweit hätte die zumindest ebenso nahe liegende Möglichkeit der Erörterung bedurft, dass die Nebenklägerin deshalb verwirrt gewesen ist, weil sie zuvor von dem Angeklagten gewürgt und von dem Weg vor dem Friedhof bis zu den frischen Gräbern verbracht worden war.
16
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet zudem mit einer auf die Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) gestützten Rüge zu Recht, dass es das Landgericht unterlassen hat, durch Verlesung der Urteile Beweis über die den Verurteilungen des Angeklagten durch das Landgericht Mönchengladbach vom 31. Mai 1996 und das Landgericht Essen vom 17. Januar 2001 zu Grunde liegenden Taten zu erheben (vgl. auch BGHSt 43, 106).
17
Das Landgericht Mönchengladbach hatte den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte im August 1995 in den frühen Morgenstunden eine 18 Jahre alte Frau vom Rad gestoßen, ihr ein Küchenmesser an den Hals gelegt und sie gezwungen, sich vollständig zu entkleiden. Er verlangte von ihr, vor ihm niederzuknien und den Oralverkehr zu vollziehen, und zwang sie, ihm einen Zungenkuss zu geben. Dann griffen Polizeibeamte ein, die von Nachbarn alarmiert worden waren.
18
Das Landgericht Essen hatte den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen schlug der Angeklagte im Juli 1998 einen damals zwölf Jahre alten Jungen zunächst bewusstlos, packte ihn im Nacken und zerrte ihn in ein Gebüsch. Unter der Drohung, dem Jungen das Genick zu brechen, erzwang der Angeklagte den Oral- und den Analverkehr.
19
Das Landgericht hätte sich zu der Verlesung dieser Urteile gedrängt sehen müssen, zumal diese - wenn auch nicht durch einen förmlichen Beweisantrag - im Hauptverhandlungstermin vom 20. Februar 2007 von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war. Dass die einschlägigen Vorverurteilungen, insbesondere auch die Feststellungen zu der Vorgehensweise des Angeklagten , für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Nebenklägerin von Bedeutung sein können, liegt auf der Hand.
Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Ernemann
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________
Bei der Verurteilung eines Angeklagten aufgrund von Geständnissen der Mitangeklagten
, die Gegenstand einer verfahrensbeendenden Absprache sind,
muß die Glaubhaftigkeit dieser Geständnisse in einer für das Revisionsgericht
nachprüfbaren Weise gewürdigt werden. Dazu gehören insbesondere das Zustandekommen
und der Inhalt der Absprache.
BGH, Beschluß vom 15. Januar 2003 - 1 StR 464/02 - LG München I

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 464/02
vom
15. Januar 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Untreue
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2003 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten E. wird das Urteil des Landgerichts München I vom 10. April 2002, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Dem Angeklagten E. liegt zur Last, den Mitangeklagten F. und Z. bei Untreuehandlungen zu Lasten der BBV-Immobilien-Fonds GmbH (im folgenden BBVI) im Zusammenhang mit der Errichtung des Gewerbe- und Dienstleistungszentrums in Clarenberg/Frechen Beihilfe geleistet zu haben. Das Landgericht hat deshalb den Angeklagten E. wegen Beihilfe zur Untreue zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Den Mitangeklagten F. hat es wegen Untreue in drei Fällen unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Mitangeklagte Z. ist wegen Untreue in vier Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Schließlich hat das Landgericht den Angeklagten S. wegen Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, wobei es die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat. Die drei Mitangeklagten F. , Z. und S. haben gegen das Urteil keine Rechtsmittel eingelegt. Der Angeklagte E. wendet sich gegen seine Verurteilung mit seiner auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: 1. Die Mitangeklagten F. und Z. waren Geschäftsführer der BBVI, einer Tochter der Bayerischen Beamten- und Lebensversicherung AG (BBV). Geschäftszweck der BBVI war u.a. das Auflegen von geschlossenen Immobilienfonds. Mit dem Ziel, durch den Erwerb geeigneter Immobilienobjekte weitere Immobilienfonds aufzulegen, wurden zahlreiche Kommanditgesellschaften gegründet, deren Komplementärin die BBVI war. Kommanditisten dieser KG's waren in der Regel die Angeklagten F. und Z. . Im April 1994 schlossen der Angeklagte Z. für die BBVI und der anderweitig verfolgte M. einen Vertrag zur Gründung der BBV Immobilien -Fonds GmbH & Co Frechen KG (im folgenden Frechen KG). Aus dieser ging später der geschlossene BBVI-Immobilien-Fonds GmbH & Co. Nr. 16 KG hervor. An der Frechen KG war M. als Kommanditist mit einem Kapitalanteil von neun Zehntel beteiligt. Zwischen den Mitangeklagten Z. und F. und M. wurde vereinbart, daß dieser eine Abfin-
dung erhalten solle, wenn er als Kommanditist ausscheide. Von dem Abfindungsguthaben sollte aber ein Drittel an den Mitangeklagten Z. ausge- zahlt werden, der seinerseits diesen Betrag zur Hälfte mit dem Mitangeklagten F. teilen wollte. Im September 1994 schlossen die Angeklagten F. und Z. für die Frechen KG mit der Firma i. , Niederlassung Leverkusen, einen Generalunternehmervertrag für die schlüsselfertige Erstellung des Gewerbeparks Clarenberg/Frechen zum Pauschalfestpreis von Netto 44.900.000 DM. Niederlassungsleiter der Firma i. war in diesem Zeitraum der Angeklagte E. . Nach Beendigung der Bauarbeiten erstellte der Mitangeklagte S. für die Firma i. eine Rechnung vom 27. Juni 1995 mit einer vorläufigen Abrechnungssumme von 47.825.945,44 DM netto. In der Rechnung waren ergänzend zur Auftragssumme Mehr- und Minderkosten sowie Nachträge enthalten. Als sich herausstellte, daß die Abfindung für M. höher ausfallen würde als ursprünglich angenommen, vereinbarten die Mitangeklagten Z. und F. , den für die Abfindung erforderlichen Betrag, aber auch den eigenen Anteil daran, aus dem Gesellschaftsvermögen der BBVImmobilien -Fonds GmbH & Co. Frechen KG zu entnehmen und dies über die Firma i. abzuwickeln. Der Mitangeklagte Z. bat den Angeklagten E. , die Schlußrechnung mit einer Gesamtabrechnungssumme auszustellen, die ca. dreizehn Millionen DM höher liegen sollte als die Rechnung vom 27. Juni 1995. Der Angeklagte E. forderte den Mitangeklagten S. auf, sich Nachträge für tatsächlich nicht erbrachte Bauleistungen im Wert von ca. zwölf Millionen DM einfallen zu lassen. Er wies den Mitangeklagten S. darauf hin, diese Summe bliebe nicht bei der Firma i. und müsse noch mit der finanzierenden Bank der Frechen KG abgestimmt werden. Der Mitange-
klagte S. gab einem freien Mitarbeiter der Firma i. Hinweise, wie die Nachträge gestaltet werden sollten. Mit Fax-Schreiben vom 2. und 9. November 1995 (E. an Z. ) sowie vom 6. November 1995 (Z. an E. ) stimmten der Angeklagte E. und der Mitangeklagte Z. den Inhalt der Nachträge ab, um welche die ursprüngliche Rechnung für das Bauvorhaben Clarenberg/Frechen erhöht werden sollte. Der Angeklagte E. und der Mitangeklagte S. wußten, daß den Nachträgen keine tatsächlichen Bauleistungen bzw. berechtigte Mehrforderungen zugrunde lagen und nahmen daher in Kauf, daß der Mitangeklagte Z. dem Gesellschaftsvermögen der Frechen KG durch Zahlungsanweisungen auf eine überhöhte Schlußrechnung der Firma i. Nachteile zufügte. Die Firma i. erteilte der Frechen KG am 4. Dezember 1995 die Schlußrechnung für den Gewerbepark Clarenberg /Frechen über 60.680.148 DM netto zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer. In der Schlußrechnung bestätigte er, die Firma i. habe bereits 63.020.000 DM Abschlagszahlungen inklusive der anteiligen Mehrwertsteuer erhalten. 2. Diese Feststellungen beruhen auf den Geständnissen der Mitangeklagten F. , Z. und S. . Hierzu ist in den Urteilsgründen folgendes ausgeführt:
a) Der Angeklagte F. erklärte, daß er prinzipiell im Sinne der Anklage schuldig sei, jedoch die Daten in der Anklageschrift von der Realität abwichen. Er ließ durch seinen Verteidiger eine schriftliche Erklärung vorlegen, in welcher von ihm eingeräumt wurde, kollusiv mit dem Mitangeklagten Z. zum eigenen Vorteil zusammengearbeitet zu haben. Die Abschöpfungssumme zu seinen Gunsten habe allenfalls sechs Millionen DM betragen. Er wolle aber aus prozeßökonomischen und familiären Gründen zu einer Abkürzung des Verfahrens beitragen.

b) Der Angeklagte Z. ließ durch seinen Verteidiger vortragen, daß die Anklage im Sinne eines Geständnisses richtig sei. De facto sei der Kaufpreis bei den einzelnen Objekten erhöht worden. Von den zurückgeflossenen Geldbeträgen habe er ca. elf Millionen DM behalten und ca. zehn Millionen an F. weitergegeben. Der Angeklagte Z. erklärte, daß das Vorbringen seines Verteidigers richtig sei.
c) Der Angeklagte S. ließ durch seinen Verteidiger eine schriftliche Stellungnahme als Einlassung verlesen und erklärte glaubhaft, die schriftliche Einlassung sei richtig. Zum Objekt Clarenberg gab er auch mündlich glaubhaft an, er sei für die technische und der Angeklagte E. die kaufmännische Abwicklung des Objekts verantwortlich gewesen. Er habe die Rechnung vom 27. Juni 1995 erstellt, die auch sein Diktatzeichen trage. In dieser Rechnung seien Mehrkosten bereits berücksichtigt worden. Der Angeklagte E. sei an ihn herangetreten und habe geäußert, er solle sich wegen der Nachträge etwas einfallen lassen. Er, S. , habe daraufhin mit dem freien Mitarbeiter gesprochen, in welcher Weise Nachträge dargestellt werden könnten.
d) Der Angeklagte E. ließ sich bezüglich des Objektes Clarenberg dahin ein, daß er von Z. angerufen und gebeten worden sei, Kosten einzurechnen, die bei diesem, Z. , angefallen, aber noch nicht erfaßt worden seien. Er habe vermutet, es handele sich um Nebenkosten. Der Angeklagte S. habe mit dem Architekten die Nachträge abgestimmt. Es sei ihm klargewesen, daß Nachträge in Höhe von zwölf Millionen DM in der Rechnung der Firma i. nichts zu suchen gehabt hätten. Er habe keine eigenen Vorteile gehabt.
e) Das Landgericht hat seine Überzeugung nicht auf die Einlassung des Angeklagten E. gestützt, denn es ist wörtlich ausgeführt: „Aufgrund der in-
soweit glaubhaften Angaben der Angeklagten Z. und S. bezüglich des Objekts Clarenberg und der verlesenen Schriftstücke (Rechnungen, FaxSchreiben , Kalkulationsnotizen, Verfügung vom 9. April 2001, Nr. 1 bis 12 als Anlage des Protokolls) ist das Gericht davon überzeugt, daß die Angeklagten E. und S. wußten, daß den Nachträgen in der Schlußrechnung vom 4. Dezember 1995 in Höhe von insgesamt zwölf Millionen DM keine äquivalenten Bauleistungen der Firma i. entgegenstanden und damit billigend in Kauf nahmen, daß die Geschäftsführer der BBVI-Nr. 16 KG das Gesellschaftsvermögen durch Zahlung der unberechtigten Nachforderungen schädigten. Der Angeklagte E. wußte, daß bereits in der Schlußrechnung vom 27. Juni 1995 Mehrkosten in Höhe von 2.491.000 DM netto berücksichtigt waren. Anhaltspunkte für weitere berechtigte Mehrkosten in Höhe von ca. zwölf Millionen DM hatte er nicht, als er den Mitangeklagten S. bat, sich Nachträge in entsprechender Höhe einfallen zu lassen“.

II.

Die Revision macht u.a. geltend, das Landgericht habe die Verurteilung des Angeklagten E. ohne weitere Beweisaufnahme allein auf die Geständnisse seiner Mitangeklagten gestützt. Weder im Hauptverhandlungsprotokoll noch in den Urteilsgründen sei dargelegt, daß diese Geständnisse aufgrund einer verfahrensbeendenden Absprache abgegeben worden seien, an der sich der Angeklagte E. nicht beteiligt habe. Die Strafkammer habe mehrere Verfahrensfehler begangen, weil die Absprache gegen die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Maßstäbe für die Zulässigkeit von Absprachen im Strafverfahren verstoße. Das Urteil enthalte aber auch sachlich-rechtliche Darstellungsmängel. Der von der Strafkammer der Verurteilung des Angeklagten E. zugrunde
liegende Sachverhalt sei aufgrund der unzureichend dargelegten Beweiswürdigung einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht zugänglich. Der Beschwerdeführer trägt dazu - ohne daß die Staatsanwaltschaft dem in ihrer Gegenerklärung entgegen getreten ist - im einzelnen vor, es habe im Zwischenverfahren auf Betreiben der Strafkammer ein Gespräch zur Vorbereitung der Hauptverhandlung stattgefunden, an dem die drei Berufsrichter, von jedem Angeschuldigten zumindest ein Verteidiger sowie Vertreter der Staatsanwaltschaft teilnahmen. In diesem Gespräch hätten die Mitglieder der Kammer betont, sie wollten eine „schlanke“ Hauptverhandlung ohne zeitraubende Beweisaufnahme durchführen, die durch Geständnisse erheblich abgekürzt werden könnte. Die Berufsrichter hätten für den Fall von Geständnissen Strafhöchstgrenzen in Aussicht gestellt. Am ersten Hauptverhandlungstag sei die Sitzung unterbrochen worden, um zwischen den Berufsrichtern, den Schöffen, den Verteidigern sowie dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft im Beratungszimmer ein vertrauliches Gespräch zu führen. Von den Angeklagten habe an diesem Gespräch keiner teilgenommen. In diesem Gespräch sei erneut die Möglichkeit erörtert worden, auf die Beweiserhebung zu verzichten und statt dessen die Verurteilung lediglich auf geständige Einlassungen der Angeklagten sowie einige im Selbstleseverfahren einzuführende Urkunden zu stützen. Die Strafkammer habe ihre Erwartungen zum Strafmaß erneuert. Der Verteidiger des Angeklagten E. habe auch an diesem Gespräch teilgenommen, habe aber keine geständige Einlassung zugesagt. Der Inhalt der verfahrensbeendenden Absprache sei in öffentlicher Hauptverhandlung nicht wiederholt und auch im Sitzungsprotokoll nicht vermerkt worden.

III.


Es kann offen bleiben, ob der Strafkammer Verfahrensfehler unterlaufen sind, insbesondere, ob es eine mit den Grundsätzen von BGHSt 43, 195 ff nicht vereinbare verfahrensbeendende Absprache mit den Angeklagten F. , Z. und S. gegeben hat. Denn die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge ergibt, daß die Beweiswürdigung lückenhaft ist. Sie besteht im wesentlichen aus der teilweisen Wiedergabe der von den Verteidigern verlesenen Erklärungen dieser drei Angeklagten. Die Strafkammer ist damit ihrer Pflicht nicht ausreichend nachgekommen, in den Urteilsgründen ihre Überzeugungsbildung darzulegen. Der Beschwerdeführer beanstandet mit Recht, es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb die Strafkammer die Geständnisse der Mitangeklagten Z. und S. als glaubhaft bewertet und auch darauf ihre Überzeugung von der Beihilfehandlung des Angeklagten E. gestützt hat. Das Urteil kann deshalb, soweit es den Angeklagten E. betrifft, schon aufgrund dieses sachlich-rechtlichen Mangels keinen Bestand haben. 1. Für die Verwertung von Geständnissen als Grundlage einer Verurteilung gilt allgemein, daß der Tatrichter nicht gehindert ist, dem Geständnis eines Angeklagten Glauben zu schenken und seine Feststellungen darauf zu gründen, auch wenn dieser den Anklagevorwurf nur pauschal einräumt. Für die Bewertung eines Geständnisses gilt der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (BGHSt 39, 291, 303). Der Tatrichter muß, will er die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein. Wann und unter welchen Umständen er diese Überzeugung gewinnen darf oder nicht, kann ihm aber grundsätzlich nicht vorgeschrieben werden. Die Freiheit der tatrichterlichen Würdigung stößt aber dort auf Grenzen , wo der Angeklagte nicht etwa die Sachverhaltsannahmen der Anklage als richtig bestätigt, sondern sich vielmehr, ohne den Sachverhalt einzuräumen, auf eine Stellungnahme beschränkt, die gleichsam ein bloß prozessuales An-
erkenntnis oder eine nur formale Unterwerfung enthält (BGH NStZ 1999, 92 m. w. Nachw.). 2. Der Tatrichter ist auch nicht gehindert, ein Geständnis für glaubhaft zu halten, wenn der Angeklagte dieses erst ablegt, nachdem ihm für diesen Fall ein bestimmtes Strafmaß in Aussicht gestellt wird. Hier gilt folgendes:
a) Wie der Bundesgerichtshof bereits betont hat, darf eine Absprache über das Strafmaß nicht dazu führen, daß ein so zustande gekommenes Geständnis dem Schuldspruch zugrunde gelegt wird, ohne daß sich das Gericht von dessen Richtigkeit überzeugt. Das Gericht bleibt dem Gebot der Wahrheitsfindung verpflichtet. Das Geständnis muß daher auf seine Glaubhaftigkeit überprüft werden; sich hierzu aufdrängende Beweiserhebungen dürfen nicht unterbleiben (BGHSt 43, 195, 204 m. w. Nachw.).
b) Dies gilt um so mehr, wenn sich das Strafverfahren gegen mehrere Angeklagte richtet, von denen nicht alle ein Geständnis ablegen. Bei der Verurteilung eines Angeklagten aufgrund von Geständnissen der Mitangeklagten, die Gegenstand einer verfahrensbeendenden Absprache sind, muß die Glaubhaftigkeit dieser Geständnisse in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise gewürdigt werden. Dazu gehören insbesondere das Zustandekommen und der Inhalt der Absprache. Denn bei dieser Sachlage besteht unter anderem die Gefahr, daß die Mitangeklagten den Nichtgeständigen zu Unrecht belasten , weil sie sich dadurch für die eigene Verteidigung Vorteile versprechen. Dieses Problem besteht überall dort, wo "Aufklärungsgehilfen" Vorteile gewährt werden, etwa bei der Kronzeugenregelung oder der Strafmilderung nach § 31 BtMG. In einem solchen Fall ist das Gericht zum einen zu besonderer Rücksichtnahme auf die Verteidigungsinteressen des nicht geständigen Angeklagten verpflichtet, zum anderen hat der Tatrichter die Geständnisse der anderen
Angeklagten kritisch zu würdigen (so zutreffend Kuckein/Pfister, FS aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens des BGH S. 641, 657 m. w. Nachw.). Maßgeblich für die Bewertung ist die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Geständnisse. Dies schließt auch das Zustandekommen, den Inhalt und gegebenenfalls das Scheitern einer verfahrensbeendenden Absprache mit ein. Nur so kann das Revisionsgericht überprüfen, daß sich die geständigen Angeklagten durch ein Geständnis gegen die Zusage einer - im Einzelfall nicht schuldangemessenen - Strafe nicht nur eigene Vorteile verschafft, sondern sich auch zu Lasten des nicht geständigen Angeklagten eingelassen haben. Fehlen solche Darlegungen in den Urteilsgründen, so kann dies ein sachlich-rechtlicher Fehler sein. Dessen ungeachtet bleibt es bei der Verpflichtung, die Absprache in die Hauptverhandlung einzuführen und im Hauptverhandlungsprotokoll festzuhalten (BGHSt 43, 195, 205f.). 3. Hier lassen die Urteilsgründe besorgen, daß es sich bei den Mitangeklagten F. , Z. und S. um nur pauschale "Geständnisse" aufgrund einer nicht offengelegten verfahrensbeendenden Absprache gehandelt hat. Darin liegt hier ein durchgreifender Erörterungsmangel.
a) Zwar haben sich von vier Angeklagten drei "im Sinne der Anklage für schuldig erklärt". Der Angeklagte F. hat sich aber lediglich "prinzipiell" im Sinne der Anklageschrift für schuldig erklärt. Seiner einschränkenden Aussage, die "Abschöpfungssumme zu seinen Gunsten" habe allenfalls sechs Millionen DM betragen, ist die Strafkammer nicht näher nachgegangen. Denn nach der Einlassung des Angeklagten Z. hat dieser von den zurückgeflossenen zwölf Millionen ca. zehn Millionen an F. weitergeleitet. Die Erklärung des Angeklagten F. , er wolle aus familiären Gründen zur Abkürzung der Beweisaufnahme beitragen, läßt besorgen, die Verfahrensbeteiligten hätten sich
nach der Abgabe der Erklärungen der Verteidiger um eine nähere Aufklärung des Sachverhalts nicht mehr bemüht, um die angesichts der angerichteten Schäden und der einzubeziehenden Verurteilung kaum noch angemessene, aber möglicherweise vorher zugesagte Gesamtstrafe, nicht zu gefährden. Soweit das Geständnis des Angeklagten Z. mitgeteilt wird, verteidigt sich dieser damit, er habe den größten Teil der veruntreuten Gelder an den Angeklagten F. weitergeleitet. So bleibt letztlich offen, welchen Tatbeitrag und welchen persönlichen Vorteil die Strafkammer der von ihr festgesetzten Strafe zugrunde gelegt hat. Zu dem Tatvorwurf der Beihilfe des Angeklagten E. enthält das mitgeteilte Geständnis keinerlei Ausführungen. Auch dies läßt besorgen, daß die Strafkammer sich hinsichtlich der Beihilfehandlung des Angeklagten E. maßgeblich auf das in eigener Sache abgegebene Geständnis des Angeklagten Z. gestützt hat und eine weitere Prüfung des den Angeklagten E. betreffenden Sachverhalts nicht erfolgt ist.
b) Das Geständnis des Angeklagten S. sowie dessen zusätzliche mündliche Einlassung enthalten lediglich Ausführungen dazu, daß der Angeklagte E. an ihn herangetreten sei und geäußert habe, er solle sich wegen der Nachträge etwas einfallen lassen. Zu dem Widerspruch gegenüber der Einlassung des Angeklagten E. , er habe vermutet, es handele sich um Nebenkosten , die beim Angeklagten Z. angefallen seien, ist dem Geständnis des Angeklagten S. nichts zu entnehmen. 4. Ein Beruhen des Urteils auf der Beweiswürdigungslücke kann der Senat nicht ausschließen, auch wenn der Angeklagte E. angegeben hat, ihm sei klar gewesen, daß die Nachträge in Höhe von zwölf Millionen DM in der Rechnung der Firma i. „nichts zu suchen gehabt“ hätten. Dies läßt sich jedenfalls nicht ohne weiteres als uneingeschränktes eigenes Geständnis die-
ses Angeklagten hinsichtlich seiner Beihilfe zur Untreue verstehen. Denn der Zusammenhang seiner Einlassung verdeutlicht, daß er zugleich von tatsächlich angefallenen Kosten ausging, die noch nicht erfaßt seien. Dem entspricht, daß die Strafkammer für das Wissen des Angeklagten E. um das Nichtvorhandensein „äquivalenter Bauleistungen“ in Höhe von zwölf Millionen DM nicht etwa auch auf dessen eigene Einlassung abhebt, sondern - neben Urkunden - auf die von ihr für glaubhaft erachteten Angaben der Mitangeklagten.
Der neue Tatrichter wird sich demnach gegebenenfalls näher mit der Einlassung des Angeklagten E. auseinandersetzen müssen. Will er diese - etwa auch nur teilweise - für widerlegt halten und sich dabei u.a. auf die Geständnisse von Mitangeklagten stützen, so müssen diese auch im Lichte ihres Zustandekommens gewürdigt werden.
Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit Elf

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 370/07
vom
6. November 2007
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. November 2007 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des
Landgerichts Stuttgart vom 26. Februar 2007, soweit es ihn betrifft
, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Verfahren richtete sich zunächst gegen fünf Angeklagte. Ein Angeklagter - S. - wurde nach Abtrennung seines Verfahrens aufgrund seines dann abgegebenen Geständnisses frühzeitig abgeurteilt. Später verurteilte das Landgericht die übrigen vier Angeklagten - T. , L. , G. und T a. - mit dem angefochtenen Urteil zu Freiheitsstrafen und zwar den Beschwerdeführer L. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren. Die Revision dieses Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
Mit einer Verfahrensrüge beanstandet der Angeklagte die fehlende Auseinandersetzung damit, dass der Belastungszeuge seine Angaben aufgrund einer allein mit ihm getroffenen Urteilsabsprache gemacht hat (Verstoß gegen § 261 StPO).
3
1. Dem liegt Folgendes zu Grunde:
4
a) Nach den Urteilsfeststellungen erteilte der frühere Mitangeklagte und spätere Zeuge S. dem Angeklagten T. den Auftrag zur gewaltsamen Durchsetzung einer „nicht einklagbaren“ Geldforderung gegen den Zeugen A. . T. bediente sich bei der - letztlich erfolglosen - Umsetzung dann seinerseits dreier weiterer Personen, der Angeklagten L. , G. und Ta. , die den wirtschaftlichen Hintergrund der Aktion nicht im Einzelnen kannten.
5
T. , L. , G. und Ta. haben sich in der gegen sie gerichteten Hauptverhandlung entweder zur Sache überhaupt nicht oder abweichend vom Tatvorwurf eingelassen. Entscheidende Grundlage für wesentliche Feststellungen der Strafkammer insbesondere zum Tathintergrund und zur Vorgeschichte waren die Angaben des Auftraggebers S. . Dieser hat „vor der Kammer als Angeklagter und nach Abtrennung des Verfahrens und rechtskräftiger Verurteilung als Zeuge glaubhaft ausgesagt. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass S. insoweit die Unwahrheit gesagt haben könnte. Zwar hat die Strafkammer die genauen Hintergründe der Auseinandersetzung zwischen S. und dem Geschädigten nicht klären können. Dafür dass S. s Angaben aber jedenfalls insoweit den Tatsachen entsprachen, als er eine rechtlich nicht durchsetzbare Forderung mit Gewalt durchsetzen wollte, spricht bereits , dass er insoweit die gleichen Angaben im Verfahren gegen sich gemacht hat und sich dadurch belastete“. Eine weitergehende Würdigung dieser Aussa- ge, die Darstellung der Umstände ihres Zustandekommens sowie die Auseinandersetzung damit enthalten die Urteilsgründe nicht.
6
b) Zur Aussageentstehung teilt die Revisionsbegründung Folgendes mit (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO):
7
Das Verfahren richtete sich zunächst - wie bereits bekannt - gegen die fünf Angeklagten S. , T. , L. , G. und Ta. . Am ersten Verhandlungstag machten die Angeklagten nur Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen. Danach kam es zu Verständigungsgesprächen , die jedoch zu keinem gemeinsamen Ergebnis führten. Zu Beginn des zweiten Verhandlungstags wurde das Verfahren gegen den Angeklagten S. abgetrennt und sofort fortgesetzt. Das Verfahren gegen die übrigen Angeklagten wurde unterbrochen und dessen Fortsetzung um 13.30 Uhr verfügt. Die Angeklagten L. , G. , Ta. und T. verließen den Gerichtssaal.
8
In der nunmehr allein gegen den Angeklagten S. fortgeführten Hauptverhandlung gab der Vorsitzende die Erklärung ab, „dass die Beteiligten Verständigungsgespräche geführt haben, und zwar des Inhalts, dass der Angeklagte im Falle eines Geständnisses im Sinne der Anklageschrift eine maximale Freiheitsstrafe (Strafobergrenze ) von drei Jahren drei Monaten zu erwarten hat und dass er auf Herausgabe der sichergestellten 3.750 Euro verzichtet; dieser Betrag soll als Schmerzensgeld zu Gunsten des Geschädigten A. dienen“.
9
Die Verteidiger des Angeklagten S. gaben daraufhin folgende von ihnen schriftlich vorformulierte und von ihnen unterschriebene Erklärung ab: „Ich gestehe, daß ich eine auf dem Rechtsweg meiner Ansicht nach nicht durchsetzbare Geldforderung von mir gegen A. dadurch durchsetzen wollte, daß ich andere Personen dazu veranlasste, gegen ihn Druck auszuüben, wobei ich billigend in Kauf nahm, daß dies durch Einsatz von Gewalt und Schlägen erfolgen würde. Es ging mir nicht darum, den Zeugen A. von der Geltendmachung irgendwelcher eigener Forderungen abzuhalten. Ich habe T. die Adresse des A. genannt, woraufhin A. am 18. März 2006 in Frankfurt am M. von mehreren Personen aufgesucht und geschlagen wurde. Ich bedaure mein Verhalten zutiefst und bin damit einverstanden, daß der bei mir sichergestellte Gesamtgeldbetrag, der der Firma Te. GmbH gehört, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ich bin, in Höhe von 3.750 Euro nicht an mich, sondern an den Geschädigten A. als Schmerzensgeld für die erlittenen Verletzungen herausgegeben wird“.
10
Der Angeklagte S. akzeptierte diese Erklärung als eigene.
11
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft gab eine Erklärung zu einer möglichen Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 StPO ab im Hinblick auf Ermittlungsergebnisse aus der Vernehmung des Zeugen U. .
12
Nach Verlesung des Bundeszentralregisterauszugs hinsichtlich des Angeklagten S. , den Schlussvorträgen, der Gewährung des letzten Wortes, in dem sich der Angeklagte den Ausführungen seiner Verteidiger anschloss, und der Beratung wurde das Urteil verkündet. Nach Belehrung verzichteten sowohl der Angeklagte, als auch die Staatsanwaltschaft auf Rechtsmittel.
13
Die Hauptverhandlung gegen die übrigen vier Angeklagten, darunter der Beschwerdeführer, wurde noch am selben Tag fortgesetzt. Am neunten der insgesamt 13 Verhandlungstage wurde S. als Zeuge zur Sache gehört. Durch diese Vernehmung kann auch - im Wege des Vorhalts - über den Inhalt der in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren für ihn abgege- benen Erklärung sowie über seine Verurteilung Beweis erhoben worden sein - weshalb auch eine weitere, schon auf eine fehlende Erhebung dieser in den Urteilsgründen teilweise erwähnten Vorgänge abzielende Rüge der Verletzung des § 261 StPO nicht trägt.
14
2. Vor diesem, erst durch das vom Revisionsvorbringen erhellten Hintergrund erweist sich die Beweiswürdigung des Landgerichts als lückenhaft. Dies aufzudecken, bedurfte es in diesem Fall - anders als in der Sache BGHSt 48, 161, 166 - der Erhebung einer Verfahrensrüge. In den Urteilsgründen ist zwar erwähnt, dass die Angaben des Zeugen S. auf ein Geständnis in dem gegen ihn gerichteten - abgetrennten - Verfahren zurückgehen. Die Strafkammer hebt bei der Bewertung der Glaubwürdigkeit sogar ausdrücklich auf die Konstanz seiner Angaben als Angeklagter und Zeuge ab. Sie verschweigt aber zwei maßgebliche Punkte und setzt sich in der Konsequenz damit auch nicht auseinander. - Die Strafkammer teilt schon nicht mit, dass sich der Angeklagte in dem gegen ihn gerichteten Verfahren zur Sache überhaupt nicht persönlich eingelassen, sondern nur eine von den Verteidigern verfasste und verlesene Erklärung pauschal bestätigt hat. - Vor allem teilt die Strafkammer aber nicht mit, dass das „Geständnis“ des Zeugen S. in dem gegen ihn gerichteten Verfahren auf einer verfahrensbeendenden Absprache beruhte und wie diese zustande kam.
15
Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint der Hinweis auf die Konstanz der Angaben des Zeugen im Hinblick auf dessen Glaubwürdigkeit nämlich in einem ganz anderen Licht. Dies hätte der Erörterung bedurft.
16
Zwar ist ein Geständnis, das aufgrund einer verfahrensbeendenden Absprache abgegeben wurde, nicht von vorneherein unglaubwürdig. Dies ist im Grundsatz auch bei einer von den Verteidigern vorformulierten, vom Angeklagten lediglich pauschal übernommenen Erklärung nicht ausgeschlossen. Allerdings bedürfen von Anderen für Angeklagte vorformulierte und von diesen nur summarisch bestätigte Geständnisse generell besonders kritischer Betrachtung hinsichtlich ihrer Substanz, ihrer Übereinstimmung mit dem Ermittlungsergebnis sowie dahingehend, ob sie wirklich als von dem jeweiligen Angeklagten stammend , als von diesem akzeptiert angesehen werden können. Legt der Angeklagte ein Geständnis ab, so soll er dies im Grundsatz mit eigenen Worten tun (vgl. auch RiStBV Nr. 45 Abs. 2), gegebenenfalls ergänzend zu der von seinem Verteidiger verlesenen Erklärung. Auch insoweit gilt jedoch der Grundsatz der freien richterlichen Überzeugungsbildung. Bei Geständnissen, die auf Verfahrensabsprachen beruhen, muss diese aber in ihren Grundlagen und deren Darstellung in den Urteilsgründen besonderen Anforderungen genügen (vgl. BGHSt 50, 40, 49; BGH NJW 2007, 2424; BGH, Beschl. vom 13. Juni 2007 - 3 StR 162/07 - Rdn. 18).
17
Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Vereinbarung im Verfahren gegen den späteren Zeugen S. einer unzulässigen (vgl. BGHSt 50, 40, 50) Absprache über Elemente des Schuldspruchs (Erpressung, hier räuberische versuchte, aber versucht nur mangels Erlangung des Vermögensvorteils) zumindest sehr nahe kommt. Denn die dem Angeklagten in den Mund gelegte Formulierung „eine auf dem Rechtsweg meiner Ansicht nach nicht durchsetzbaren Geldforderung von mir gegen A. “ besagt noch nichts über die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils und den Vorstellungen des damaligen Angeklagten hierüber. Immerhin gab der Angeklagte T. , der in der Hauptverhandlung zur Sache schwieg, im Ermittlungsverfahren noch an (UA S. 10), S. habe ihm erzählt, der Geschädigte habe 39.000,-- € Schulden bei ihm. Den Vorschlag, dies gerichtlich geltend zu machen, habe er nur abgelehnt, weil dies zu zeitaufwändig sei. Für das jetzt der Revision zugrundeliegende Urteil ist das nicht von unmittelbarer Bedeutung. In diesem wird noch hinreichend deutlich festgestellt, dass S. einen rechtswidrigen Vermögensvorteil erstrebte.
18
Von Bedeutung in diesem Verfahren ist jedoch, dass dem Geständnis des S. der Sache nach eine verfahrensbeendende Absprache zu Lasten Dritter, auch des Beschwerdeführers L. , zugrunde lag. Der Senat hat in BGHSt 48, 161 entschieden, dass bei der Verurteilung eines Angeklagten aufgrund von Geständnissen der Mitangeklagten, die Gegenstand einer verfahrensbeendenden Absprache waren, die Glaubhaftigkeit dieser Geständnisse in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise gewürdigt werden muss. Dazu gehören insbesondere das Zustandekommen und der Inhalt der Absprache. Denn bei dieser Sachlage besteht die Gefahr, dass die Mitangeklagten den Nichtgeständigen zu Unrecht belasten, weil sie sich dadurch für die eigene Verteidigung Vorteile versprechen. In einem solchen Fall hat der Tatrichter die Geständnisse der anderen Angeklagten kritisch zu würdigen (Kuckein/Pfister, FS aus Anlass des fünfzigjährigen Bestehens des BGH S. 641, 657 m.w.N.). Maßgeblich für die Bewertung ist die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Geständnisse. Dies schließt auch das Zustandekommen, den Inhalt - einschließlich von der Staatsanwaltschaft zugesagter Einstellungen gemäß § 154 StPO - und gegebenenfalls das Scheitern einer verfahrensbeendenden Absprache mit ein. Nur so kann das Revisionsgericht überprüfen, dass sich die geständigen Angeklagten durch ein Geständnis gegen die Zusage einer - im Einzelfall nicht schuldangemessenen - Strafe nicht nur eigene Vorteile verschafft, sondern sich auch zutreffend eingelassen haben. Für den hier vorliegenden Fall, dass der geständige frühere Mitangeklagte nach rechtskräftigem Abschluss seines Verfahrens als Zeuge gehört wird, gilt nichts anderes. Im vorlie- genden Fall kommt die Zusage der Staatsanwaltschaft zur Einstellung eines weiteren - drohenden - Ermittlungsverfahrens gemäß § 154 StPO hinzu.
19
Nach den Gründen des angefochtenen Urteils kommt den Angaben des Zeugen S. insbesondere im Hinblick auf die Hintergründe der Tat und deren Vorgeschichte ausschlaggebende Bedeutung zu. Andere indizielle Tatsachen , wie etwa Passagen aus der Telefonüberwachung, hat die Strafkammer zum Teil erst vor dem Hintergrund seiner Angaben bewerten können (vgl. UA S. 10 unten).
20
Der Senat vermag deshalb nicht auszuschließen, dass das Urteil auch gegen den Angeklagten L. auf der lückenhaften Erörterung des Hintergrunds des „Geständnisses“ des S. in dem gegen ihn gerichteten Verfahren und damit der lückenhaften Bewertung seiner Angaben als Zeuge in diesem Verfahren beruht.
21
Die Sache bedarf daher schon deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung. Auf die übrigen Rügen kommt es daher nicht mehr an. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Graf

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.