Bundesgerichtshof Urteil, 01. Aug. 2018 - 5 StR 30/18

bei uns veröffentlicht am01.08.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 30/18
vom
1. August 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Verdachts der Erpressung
ECLI:DE:BGH:2018:010818U5STR30.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. August 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Prof. Dr. Mosbacher, Köhler als beisitzende Richter,
Richter am Landgericht als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt E. als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Rechtsanwalt S. , Rechtsanwältin B. als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Rechtsanwalt Br. als Verteidiger des Angeklagten P. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. Juli 2017 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es die Angeklagten A. , M. und P. betrifft.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten A. vom Vorwurf der banden- und
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gewerbsmäßigen Erpressung in 14 Fällen sowie der räuberischen Erpressung in zwei Fällen, den Angeklagten M. vom Vorwurf der banden- und gewerbsmäßigen Erpressung in 13 Fällen sowie der räuberischen Erpressung und den Angeklagten P. vom Vorwurf der banden- und gewerbsmäßigen Erpressung in drei Fällen sowie der räuberischen Erpressung freigesprochen. Ihnen wird vorgeworfen, im Berliner Rotlichtmilieu Prostituierte und Zuhälter zur Zahlung von „Standgeldern“ gezwungen zu haben. Die gegen die Freisprüche gerichteten und auf die Verletzung formellen sowie materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.
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1. Allerdings verfehlen die von der Beschwerdeführerin erhobenen Verfahrensrügen – insoweit werden die Rechtsmittel vom Generalbundesanwalt auch nicht vertreten – sämtlich die Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Denn die Staatsanwaltschaft hat durchgehend für die revisionsgerichtliche Beurteilung erforderliche Unterlagen nicht vorgelegt. Betroffen sind namentlich Niederschriften von Zeugenvernehmungen, auf die sie sich in ihrer Revisionsbegründung maßgebend bezogen hat.
2. Die Revisionen dringen jedoch mit der Sachrüge durch. Das angefoch3 tene Urteil entspricht nicht den Anforderungen, die nach § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.

a) Soweit das Landgericht hinsichtlich des Großteils der Anklagevorwürfe
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darauf abstellt, dass schon die dort beschriebenen Verhaltensweisen die für den Tatbestand der Erpressung erforderliche „Benennung oder konkludente Inaussichtstellung empfindlicher Übel“ nicht beschreibe (UA S. 7 f.), verkennt es, dass es nach unveränderter Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung Aufgabe des Gerichts ist, unabhängig von etwaigen, die Wirksamkeit der An- klage nicht betreffenden Mängeln der Anklageschrift, „zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind“ (§ 244 Abs. 2 StPO).

b) Ein grundlegender Mangel des Urteils liegt bereits darin, dass es nicht
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hinreichend erkennen lässt, welche Straftaten den einzelnen Angeklagten zur Last gelegt werden. Im Blick darauf, dass es sich um mehrere Angeklagte gehandelt hat, hätte das Landgericht zunächst die individuellen Anklagevorwürfe gegen jeden von ihnen nach Ort, Zeit und Begehungsweise aufzeigen müssen (vgl. BGH, Urteile vom 26. April 1990 – 4 StR 24/90, BGHSt 37, 21, 22; vom 5. August 1997 – 5 StR 210/97, NStZ-RR 1997, 374; MüKo-StPO/Wenske, 2016, § 267 Rn. 484 mwN). In einer geschlossenen Darstellung hätte es dann die als erwiesen angesehenen Tatsachen feststellen und davon ausgehend darlegen müssen, dass sich diese Vorwürfe entweder aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen nicht bestätigt haben (vgl. BGH, Urteil vom 5. August 1997 – 5 StR 210/97, aaO). Es ist Aufgabe der Urteilsgründe, dem Revisionsgericht auf diese Weise eine umfassende Nachprüfung der freisprechenden Entscheidung zu ermöglichen (BGH, Urteil vom 26. April 1990 – 4 StR 24/90, aaO mwN). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nur unvollkommen gerecht.
aa) Das Landgericht beginnt – ohne Bezeichnung der Anklagevorwürfe –
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mit hypothetischen Ausführungen dazu, welche Feststellungen sich mit den vorhandenen Beweismitteln „allenfalls“ hätten treffen lassen. Danach wären die Angeklagten A. und M. im Zeitraum von September 2014 bis November 2015 im Rotlichtmilieu in der straße in Berlin tätig gewesen. In diesem Straßenabschnitt sich prostituierende Frauen bzw. deren Zuhälter hätten bis zu 120 € pro Frau und Woche an den Angeklagten M. , teils auch an den Angeklagten P. gezahlt, die sie möglicherweise an den Angeklagten A. weitergereicht hätten. Auf die Zahlungspflicht wären die Frauen durch andere Prostituierte bzw. deren Zuhälter hingewiesen worden. Ausdrückliche oder konkludente Drohungen hätten die Angeklagten nicht ausgesprochen. Bei Zahlung wären die jeweilige Frau und ihr Zuhälter von anderen dort tätigen Frauen und Zuhältern nicht behelligt geworden. Die Empfänger der Gelder wären im Gegenzug für die Zahlungen erreichbar gewesen, um den Frauen bei Belästigungen zu helfen, was die Zuhälter teilweise genutzt hätten, um sich weniger vor Ort aufzuhalten und anderen Tätigkeiten nachzugehen.
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Danach werden Zahlungsvorgänge dargestellt, die sich zu den einzel- nen, weiterhin nicht beschriebenen Anklagevorwürfen „allenfalls“ bzw. „möglicherweise“ hätten nachweisen lassen. Diese (womöglich) feststellbaren Taten wären nach Auffassung des Landgerichts nicht strafbar, weil die Angeklagten nicht selbst Repressalien gegen die sich prostituierenden Frauen und Zuhälter angedroht oder je selbst durchgeführt hätten. Die bloße Entgegennahme von Zahlungen gegen die Gewährung von Schutz stelle aber keine Erpressung dar, sofern diese nicht durch Drohung mit einem empfindlichen Übel erzwungen würden.
Es schließen sich Ausführungen an, wonach mit Ausnahme dreier
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(Tatziffern 1, 4 und 11) von insgesamt 16 Tatvorwürfen schon der Anklageschrift keine Strafbarkeit entnommen werden könne. Dort werde zwar den einzelnen Taten die Behauptung vorangestellt, dass die meist sprachunkundigen, auf Prostitutionseinnahmen angewiesenen Frauen bzw. deren Zuhälter die „Standgelder“ nur zahlten, weil die Angeklagten vor dem Hintergrund einerallgemeinen , milieuspezifischen Drohkulisse durch ihren „Ruf“, Gerüchte über Repressalien oder am Strich postierte „Aufpasser“ zumindest konkludent, aber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hätten, dass die Frauen eine Vertreibung vom Straßenstrich, zum Teil sogar unter Anwendung von Gewalt zu fürchten hätten. Dies ersetze jedoch nicht die konkrete Feststellung aller Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes für jede einzelne Tat. Zu den Tatziffern 2, 3, 5 und 6 werden in diesem Zusammenhang Auszüge aus der Anklageschrift wiedergegeben und gewürdigt.
In einem weiteren Abschnitt legt das Landgericht dar, dass sich zu den
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– erneut nur stichpunktartig wiedergegebenen – Tatvorwürfen 1, 4 und 11 in der Anklageschrift konkret beschriebene Drohungen der Angeklagten nicht hätten erweisen lassen, weswegen diese insoweit aus tatsächlichen Gründen freizusprechen gewesen seien. Das Urteil endet mit Erwägungen dazu, dass mit den zur Verfügung stehenden Beweismitteln weder die in der Anklageschrift be- hauptete „allgemeine milieuspezifische Drohkulisse“ noch etwaige konkrete Drohungen hätten festgestellt werden können, die schon im Anklagesatz jedoch nicht enthalten gewesen seien.
bb) Das Landgericht setzt die Anklagevorwürfe demnach im Einzelnen
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als bekannt voraus und baut die weiteren Erörterungen auf dieser Unterstellung auf. Die Urteilsbegründung ist damit in weiten Teilen aus sich heraus nicht verständlich. Soweit anhand der Urteilsgründe eine sachlich-rechtliche Prüfung möglich ist, gilt Folgendes: (1) Das Verlangen von „Standgeldern“ stellt, was das Landgericht im
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Grundsatz nicht verkennt, eine Verfügung über öffentlichen Straßenraum dar, die Privatpersonen – für jedermann erkennbar – nicht zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2010 – 5 StR 328/09, NJW 2010, 1615, 1616). Wird Prostitu- ierten und ihren Zuhältern für den Fall der Nichtzahlung solcher „Standgelder“ eine „Vertreibung“ angekündigt, so kann dies eine Drohung mit einem empfind- lichen Übel im Sinne von § 253 Abs. 1 StGB darstellen. Eine solche Drohung muss dabei nicht direkt ausgesprochen werden, es genügt vielmehr, wenn sie versteckt „zwischen den Zeilen“ erfolgt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 6. No- vember 2008 – 4 StR 495/08, NStZ 2009, 263, 264). Die Herstellung und Aus- nutzung einer „Drohkulisse“ kann namentlich unter den besonderen Verhältnis- sen des Rotlichtgewerbes genügen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 6. November 2008 – 4 StR 495/08, aaO).
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Legt man die hypothetischen Darlegungen des Landgerichts zu den einzelnen Zahlungsvorgängen (UA S. 5 f.) als festgestellt zugrunde, so haben sich in der straße prostituierende, aus Osteuropa kommende Frauen bzw. ihre Zuhälter teils über Monate, teils über Wochen insgesamt beträchtliche Geldbeträge an die Angeklagten gezahlt. Da Schenkungen als Zahlungsgrund auszuschließen sind, kann dieser Umstand, zumal im Rotlichtmilieu, bereits für sich genommen als Beweisanzeichen dafür gewertet werden, dass die Zahlungen nicht freiwillig erfolgt sind. Soweit das Landgericht demgegenüber von Dienstleistungsvereinbarungen (telefonische Erreichbarkeit der Angeklagten, um den Frauen bei Belästigungen zu helfen, bei gleichzeitiger „Entlastung“ der Zuhälter der Frauen im Blick auf eigene Schutztätigkeiten, UA S. 5) ausgeht bzw. solche als nicht ausschließbar ansieht, beruht dies auf einer lückenhaften Würdigung. Ferner hat das Landgericht hierdurch rechtsfehlerhaft zugunsten der zu den Tatvorwürfen schweigenden Angeklagten Geschehensabläufe unterstellt, für deren Vorliegen keine hinreichenden Anhaltspunkte bestanden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 6. März 1986 – 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 34; vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, jeweils mwN).
(a) Entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts hat sich
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das Landgericht für ihre wesentlich aus der Aussage eines Zeugen abgeleitete Annahme freiwilliger Dienstvereinbarungen insgesamt nur unzureichend mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass einige Frauen über Zuhälter verfügten und damit jedenfalls bei einer Prostitutionstätigkeit außerhalb der straße keines zusätzlichen Schutzes bedurften. Warum gleichwohl gerade in der straße ergänzender, für die Zuhälter und Frauen unter beträchtlichen Ein- kommenseinbußen „erkaufter“ Schutz gerade durch die Angeklagten notwendig gewesen sein sollte, legt das Landgericht nicht schlüssig dar.
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(b) Ferner wären die in den Urteilsgründen auszugsweise mitgeteilten Anklagevorwürfe zu den Tatziffern 3, 5 und 6 im Fall ihres Nachweises entgegen der Auffassung der Strafkammer schwerlich mit der Annahme freiwillig abgeschlossener Dienstverträge unter Gleichberechtigten zu vereinbaren.
Gemäß Anklagevorwurf zu Tatziffer 3 hat der Zuhälter die Zahlungen
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entrichtet, weil „seine“ Frauen sonst aus der straße vertrieben worden wären. Soweit das Landgericht eine Verknüpfung mit einer Vertreibung speziell durch die Angeklagten oder auf deren Veranlassung vermisst, hätte es erörtern müssen, dass die Vertreibung bei einer Nichtzahlung gerade an die Angeklag- ten befürchtet wurde. Eine „Vertreibung“ durch unbeteiligte Dritte bei Zahlungs- säumnissen gegenüber den Angeklagten liegt unter solchen Vorzeichen nicht nahe.
Nach dem Anklagevorwurf zu Tatziffer 5 haben die Angeklagten A. und
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M. bei der Einforderung von Zahlungen deutlich gemacht, dass sie „die Straße als die ihre betrachteten“. Dies spricht deutlich für eine einseitig auferlegte Zahlungspflicht im Sinne eines „Standgeldes“.
Nach dem Anklagevorwurf zu Tatziffer 6 hat der Angeklagte A. (wohl
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aufgrund von Zahlungsrückständen) wütend zu einem Zuhälter gesagt, er werde schon sehen, was passiere, wenn die betroffene Prostituierte ohne Zahlung weiter auf der straße arbeite. Die Wertung des Landgerichts, der – wütende – Angeklagte habe womöglich nur vor den Folgen warnen wollen, wenn die Prostituierte ohne den Schutz des Angeklagten würde auskommen müssen, drängt sich abermals nicht auf.
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(2) Soweit das Landgericht Beweise erhoben und gewürdigt hat, widerstreiten diese im Wesentlichen gleichfalls der Annahme von einvernehmlich abgeschlossenen Dienstverträgen.
So ergibt sich aus der verlesenen Aussage des Zuhälters K. , es sei
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ein Mann namens Mu. (der Angeklagte P. ) zu ihm gekommen und habe ihm mitgeteilt, dass er sich im Gebiet von einem Mo. (Angeklagter A. ) befinde und er an diesen zahlen müsse; für den Fall der Nichtzahlung befürchtete er Repressalien (UA S. 9 f.). Dies findet Bestätigung in den Angaben der Zeugin T. , wonach bei Beginn ihrer Tätigkeit in der straße ein Mann vorbeigekommen sei, der gesagt habe, sie könne dort nicht ohne Weiteres stehen; die Zuhälter K. und G. hätten daraufhin Erkundigungen eingeholt , woraufhin durch K. an den Angeklagten P. gezahlt worden sei (UA S. 10). Nach Aussage der Zeugin Ba. ist sie wegen Zahlungsrückständen angeschrien worden, wonach sie dem Anrufer nochmal Geld gegeben habe , bevor sie nach Ungarn zurückgegangen sei (UA S. 11). In einem abgehörten Telefongespräch hat diese Zeugin gegenüber ihrem Zuhälter R. angegeben , sie gehe davon aus, „Mom. “ (der Angeklagte A. oder der Angeklagte M. ) werde sie „niederschlagen“ bzw. „umbringen“, weil nicht gezahlt wor- den sei (UA S. 12).
Auch wenn diesen Vorgängen konkrete Drohungen von Seiten der An20 geklagten nicht zu entnehmen bzw. in Bezug auf den Zeugen K. nach Auffassung der Strafkammer nicht erwiesen sind, hätte der Erörterung bedurft, wa- rum die Zeugen bei Nichtzahlung Gewaltmaßnahmen bis hin zum „Umbringen“ fürchteten. Die Annahme, dass sie insoweit nur grundlos „spekuliert“ haben könnten (UA S. 12), widerspricht jeglicher Lebenserfahrung und überspannt die an die tatrichterliche Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen.
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Der Senat besorgt nach alledem, dass sich das Landgericht durch seine Art des Vorgehens den Blick auf die gebotene Gesamtschau aller relevanten Tatsachen verstellt hat. Auf die Gesamtumstände hatte die Anklage mit ihrem Hinweis auf eine „allgemeine, milieuspezifischen Drohkulisse“ aber maßgebend abgestellt.

c) Der Generalbundesanwalt beanstandet ferner mit Recht, dass die Ur22 teilsgründe keine Feststellungen zu Werdegang und Vorleben sowie zur Persönlichkeit der Angeklagten enthalten:
„Derartige Feststellungen sind zwar in erster Linie bei verurtei- lenden Erkenntnissen notwendig, um nachvollziehen zu können , ob der Tatrichter die wesentlichen Anknüpfungstatsachen für die Strafzumessung (§ 46 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StGB) ermittelt und berücksichtigt hat. Aber auch bei freisprechenden Urteilen ist der Tatrichter aus sachlich-rechtlichen Gründen zumindest dann zu solchen Feststellungen verpflichtet , wenn diese für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können und deshalb zur Überprüfung des Freispruchs durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler hin notwendig sind (vgl. BGH, Urteile vom 13. Oktober 1999 – 3 StR 297/99, NStZ 2000, 91; vom 14. Februar 2008 – 4 StR 317/07, NStZ-RR 2008, 206, 207; vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314, 315; vom 25. Oktober 2012 – 4 StR 170/12, NStZ-RR 2013, 52). Die Notwendigkeit, die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten umfassend in den Blick zu nehmen, nähere Feststellungen zu dessen Lebenslauf, Werdegang und Persönlichkeit zu treffen sowie diese in den Urteilsgründen darzulegen , richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalles (BGH, Urteil vom 21. November 2013 – 4 StR 242/13). Eine entsprechende Notwendigkeit ergibt sich hier bereits aus den den Angeklagten zum Vorwurf gemachten Straftaten. Ihnen liegt ersichtlich die Motivation zugrunde, in den Besitz von erheblichen Geldern zu gelangen. Daher liegt es nahe, dass den wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten Bedeutung auch für die Beurteilung der Tatvorwürfe zukommen
kann. Darüber hinaus bedarf es unter dem Gesichtspunkt der den Anklagevorwürfen immanenten erheblichen kriminellen Energie der Feststellung, ob die Angeklagten bereits in der Vergangenheit mit ähnlichen Straftaten in Erscheinung getreten sind und in ihren Werdegängen Hinweise für die Einbindung in die organisierte Kriminalität im Bereich des Rotlichtmilieus vor- handen sind.“ 3. Die Sache bedarf danach insgesamt neuer Verhandlung und Ent23 scheidung.
Mutzbauer Schneider König
Mosbacher Köhler

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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Zum Bestimmen im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB bei
freiwilliger Ausübung der Straßenprostitution.
BGH, Urteil vom 10. Februar 2010 – 5 StR 328/09
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 10. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Zuhälterei
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Februar
2010, an der teilgenommen haben:
Richter Dr. Brause als Vorsitzender,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Bellay
alsbeisitzendeRichter,
Richterin am Amtsgericht
alsVertreterinderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S. ,
Rechtsanwältin G.
alsVerteidiger,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. Januar 2009 im Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Zuhälterei zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Revision führt zu dem im Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der im offenen Strafvollzug befindliche C. beherrschte 2006 über einen „Stellvertreter“ und mehrere „Wirtschafter“ einen lukrativen Teil der Berliner Straßenprostitution (Bereich „Eilat“). Dabei war eine Pension Anlaufstelle und im Wesentlichen Leistungsort von bis zu 16 Prostituierten, deren Dienstleistungen hinsichtlich Standplatz, Arbeitszeit, Art der Sexualpraktiken und den zu erzielenden Mindestvergütungen im Einzelnen festgelegt waren: Die Arbeitszeit betrug sechs Tage pro Woche, Pausen waren hinsichtlich Zeit und Pausenpartner festgelegt, ebenso die freien Tage. Es durften nur gewöhnliche Sexualpraktiken wie Vaginal- und Oralverkehr unter Verwendung von Kondomen angeboten werden, und es waren Kontaktverbote zu Mitgliedern der Gruppierung und anderen Personen einzuhalten. Die Prostituierten waren verpflichtet, durchgehend – auch für freie Tage – ein „Standgeld“ von 30 € pro Tag an die Pension zu zahlen, ohne dass eine ausdrückliche Zuordnung dieses Betrages zu den dort vorgehaltenen Dienstleistungen erfolgte. Konnte das „Standgeld“ nicht bezahlt werden, wurde der offen stehende Betrag als „Blockschuld“ notiert. Für jeden folgenden Tag, an dem eine Prostituierte ihre „Blockschuld“ nicht vollständig abgetragen hatte, erhöhte sich das „Standgeld“ auf 35 €. Es kam vor, dass Frauen nur noch für Blockschulden arbeiteten. Ferner waren Zimmermieten (20 € pro halbe Stunde ) und Strafgelder bei Verfehlungen (20 € für Verspätungen oder vorzeitigem Gehen bei Unwohlsein) zu entrichten. Sofern den Prostituierten die Nutzung anderer Unterkünfte oder Hausbesuche überhaupt gestattet worden war, musste eine Art Mietausfallentschädigung für die Pension von 15 € pro halber Stunde bezahlt werden.
4
In der Pension war während der Arbeitszeiten durchgehend mindestens ein „Wirtschafter“ bzw. der „Stellvertreter“ anwesend. Er kontrollierte mit Strichlisten den Zeitpunkt des Arbeitsbeginns und des Arbeitsendes, die Pausenzeiten und die einzelnen Zimmerbesuche. Weiterhin kassierte er von den Frauen die „Standgelder“, die Zimmermiete und gegebenenfalls die „Mietausfallentschädigungen“ sowie Strafgelder. Darüber hinaus waren immer einige Mitglieder der Tätergruppe in einer nahe gelegenen Gastwirtschaft präsent. Sie unternahmen ferner Kontrollfahrten mit dem Auto, die vom „Stellvertreter“ oder den „Wirtschaftern“ geplant worden waren. Diese Maßnahmen dienten neben dem Schutz des eigenen Herrschaftsbereichs und dem Schutz der Frauen vor Übergriffen vor allem auch der Kontrolle der Einhaltung der Regeln durch die Frauen. Auch bei kleineren Regelverstößen der Prostituierten setzten die „Wirtschafter“ oder der „Stellvertreter“ Strafgelder fest (UA S. 13).
5
Allein aus den von den Prostituierten erhobenen „Standgeldern“ und den Zimmermieten wurden ca. 18.000 € im Monat erzielt. Aus diesen Einnahmen wurden die Ausgaben für den Betrieb der Pension und „Zahlungen an höhere Kreise der Berliner Unterwelt bestritten“ (UA. S. 11); im Übrigen verblieben sie bei den „Wirtschaftern“, dem „Stellvertreter“ und C. selbst.
6
Darüber hinaus wurde die Berufsausübung der Prostituierten von „männlichen Ansprechpartnern“ geregelt, die die herkömmlichen Aufgaben eines Zuhälters erfüllten. Jeder Prostituierten musste grundsätzlich ein solcher „Ansprechpartner“ zugeordnet sein. Gegenüber den anderen Mitgliedern der Gruppe war dieser die allein maßgebende Person für alle Belange, die „seine“ Frau(en) betrafen. So war er dafür verantwortlich, dass jene die Regeln einhielten und musste sie notfalls zwangsweise durchsetzen, wobei sich diese Funktion – anders als die des „Stellvertreters“ und der „Wirtschafter“ – eher auf die Zeit bezog, in der die Frauen nicht arbeiteten. Je nach Ausgestaltung der Beziehung konnte die Tätigkeit des „Ansprechpartners“ unterschiedlich intensiv ausfallen (UA S. 12). Auch Verhandlungen über konkrete Bedingungen der Tätigkeit, z. B. eine Veränderung des Standplatzes, wurden ausschließlich unter den Männern ohne Zuziehung der Frauen geführt (UA S. 8).
7
2. C. gestattete W. , der Lebensgefährtin des Bruders des Angeklagten, die Ausübung der Prostitution zunächst ohne „männlichen Ansprechpartner“. Nach einem Überfall auf W. wurde dieser Umstand unter den anderen Prostituierten bekannt und es entstand darüber Unmut. Deshalb wollte C. dies ändern. Zur gleichen Zeit – Juni 2006 – wollte K. , eine Bekannte des Angeklagten, wegen besserer Verdienstmöglichkeiten und der Freundschaft mit W. von einem Club in die Straßenprostitution im Bereich „Eilat“ wechseln. Der Angeklagte sprach deshalb mit C. , der auf die Notwendigkeit eines „männlichen Ansprechpartners“ verwies. Es ginge auf keinen Fall, dass K. ohne „Ansprechpartner“ „stünde“. Schon die Situation der W. sei nach dem Überfall schwierig.
8
Die beiden Frauen wünschten jedoch keinen fremden Mann als Ansprechpartner , der gegebenenfalls ihre Eigenständigkeit und ihre Verdienstmöglichkeiten hätte beeinträchtigen können. Sie kamen mit dem Angeklagten überein, dass dieser die von C. als notwendig erachtete Funktion bei ihnen übernehmen solle.
9
Die Tätigkeit der beiden Frauen wurde am 5. Dezember 2006 nach Verhandlungen des Angeklagten mit C. und dem diesem vermutlich übergeordneten A. beendet (UA S. 15). Dem war ein Streit wegen Urlaubs vorausgegangen, der nicht geschlichtet werden konnte.
10
3. Das Landgericht hat – einer insoweit vom Verteidiger vorformulierten Einlassung des Angeklagten folgend – angenommen, der Angeklagte selbst habe den Prostituierten W. und K. keine Anweisungen gegeben, sie nicht überwacht oder sie in irgendeiner Weise drangsaliert (UA S. 15) und nicht von deren Einnahmen profitiert. Im Verhältnis zur Tätergruppe trat der Angeklagte jedoch wie ein normaler „männlicher Ansprechpartner“ auf und war in ihre Belange eingebunden. Die Bedingungen, unter denen die Frauen tätig waren, einschließlich der Regeln, Zahlungspflichten und Überwachungsmaßnahmen waren dem Angeklagten bekannt (UA S. 14 f.).
11
4. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat die Strafkammer hinsichtlich des „Stellvertreters“ des C. und der „Wirtschafter“ eine Haupttat nach § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB (auch) zum Nachteil von W. und K. angenommen. Auf die Freiwilligkeit der Unterwerfung unter die Regeln der Organisatoren der Straßenprostitution könne es nicht ankommen , weil die Einwilligung der Prostituierten rechtlich unwirksam sei. Der Angeklagte habe zu deren Taten Beihilfe geleistet. „Ohne das Hinzutreten eines ‚männlichen Aufpassers’ hätte in der konkreten Situation (…) W. die Prostitution (…) nicht fortführen und K. die Prostitution dort nicht aufnehmen können. So aber ermöglichte der Angeklagte die fortdauernde bzw. neu beginnende Unterwerfung von W. und K. unter die bestehenden Strukturen und trug so zu deren Fortführung … bei“ (UA S. 20).

II.


12
Die Revision bleibt zum Schuldspruch erfolglos. Die Verfahrensrügen greifen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführten Erwägungen nicht durch. Auf die Sachrüge sind folgende Ausführungen veranlasst:
13
1. Die Urteilsfeststellungen belegen, dass das von C. und seinen Mittätern in dem von ihnen kontrollierten Berliner Straßenteil errichtete „Regime“ den Tatbestand der dirigierenden Zuhälterei zum Nachteil der dort tätigen Prostituierten gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB verwirklichte. Dies gilt auch bei der im Lichte des Prostitutionsgesetzes gebotenen einschränkenden Auslegung des Tatbestandes (vgl. hierzu BGHSt 48, 314).
14
a) Zu einer strafrechtlich relevanten Beeinträchtigung des Selbstbestimmungsrechts ungeeignet sind danach allerdings Regelungen der Prostitutionsausübung , die auch hinsichtlich der Erbringung anderer Dienstleistungen wirksam zu vereinbaren gewesen wären (BGH aaO S. 319). Mithin scheidet die Festlegung von Zeit, Ort und Mindestentgelten als „Bestimmen“ im Sinne der Strafvorschrift grundsätzlich aus. Für die Festsetzung von Mie- ten und sonstigen Zahlungspflichten gilt im Prinzip nichts anderes, sofern deren Erfüllung in einem angemessenen Zusammenhang mit Leistungen der Organisatoren der Prostitution stehen, wie dem Aufsuchen und der Nutzung von Räumlichkeiten, dem Fernhalten von Störern und dem Schutz vor zudringlichen Freiern.
15
b) Das von den Haupttätern errichtete und den Prostituierten auferlegte „Regelwerk“ enthielt demgegenüber jedoch mehrere wesentliche Bestimmungen , die im Rahmen eines „legalen“ Arbeitsverhältnisses oder auch bei selbständiger Berufsausübung nicht wirksam zu vereinbaren gewesen wären und denen in ihrer Gesamtheit (vgl. BGHSt 48, 314, 317; BGH NStZ 1986, 358) eine Eignung zur Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Prostituierten ohne Weiteres innewohnte. Im Rahmen der hierfür gebotenen Gesamtschau der festgestellten Regelungen hat das Landgericht ohne Rechtsfehler maßgeblich sowohl auf willkürlich auferlegte Zahlungspflichten zugunsten der Tätergruppe als auch die den Prostituierten drohenden Sanktionen im Falle von Regelverstößen abgestellt. Hierdurch wurden sie zur nachhaltigen Prostitutionsausübung angehalten und in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt (vgl. BGHSt aaO).
16
aa) Das Landgericht hat bei seiner Bewertung der durch die Tätergruppe aufgestellten Regelungen zu Recht ganz wesentlich auf die Erhebung von „Standgeld“ abgestellt. Die „Standgelder“, aus denen sich die männliche Tätergruppe weitgehend finanzierte, begründeten eine finanzielle Abhängigkeit der Prostituierten. In diesem Sinne waren diese täglich anfallenden Zahlungspflichten geeignet, die Prostituierten zu nachhaltiger Prostitutionstätigkeit zu veranlassen. Diesen „Standgeldern“ standen auch keine Gegenleistungen gegenüber. Vielmehr bot die Tätergruppe – wie das Landgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei festgestellt hat – letztlich nur eine ihr nicht zustehende Verfügung über öffentlichen Straßenraum an. Dies gilt erst recht, wenn „Standgelder“ auch für freie Tage erhoben wurden. In diesem Zusammenhang durfte das Tatgericht ferner auch die „Blockschulden“ berücksichti- gen. Diese bildeten die fortgeschriebenen Summen aus ausgefallenen „Standgeldern“ und anderen mangels ausreichender Einnahmen der Prostituierten an den Vortagen unerfüllten Zahlungspflichten.
17
bb) Die Strafkammer hat rechtsfehlerfrei insbesondere die getroffene Vereinbarung berücksichtigt, nach der die vorzeitige Beendigung der Dienstleistung wegen Unwohlseins Strafgelder auslöst. Diese ist hier sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) und mithin unwirksam. Gleiches gilt für die Androhung von Strafgeldern im Fall von Verspätungen aus nicht verschuldeten oder gar zwingenden persönlichen Gründen.
18
cc) Die – schon für sich faktisch einen Arbeitszwang begründenden – willkürlichen Zahlungspflichten und Sanktionen wurden ergänzt durch engmaschig kontrollierte und abermals durch Strafgelder bewehrte Verhaltenspflichten , die als weitere unangemessene Arbeitsbedingungen die persönliche Freiheit der Prostituierten beeinträchtigten. In dieser Weise sanktioniert waren Kontaktgebote (Pausengestaltung nur mit bestimmten Personen) und das Verbot von Kontakten mit anderen Frauen und allen Männern, derentwegen Unruhe im „Geschäftsablauf“ oder Konkurrenz entstehen konnte. Den Prostituierten war zudem erst nach Genehmigung erlaubt, außerhalb der Pension die Dienstleistungen anzubieten. Schließlich war eine autonome Beendigung der Tätigkeit im genannten Straßenteil nicht ohne Weiteres möglich. Das erweist der Umstand, dass es für die Aufgabe der Tätigkeit von Seiten der Prostituierten W. und K. zuvor Rücksprachen des Organisators mit einer ihm übergeordneten Person bedurfte.
19
2. Entgegen der Auffassung der Revision scheidet eine Haupttat zum Nachteil der Prostituierten W. und K. nicht deswegen aus, weil sie im „Innenverhältnis“ zu dem als ihrem „Ansprechpartner“ fungierenden Angeklagten besser gestellt waren als andere im Bereich „Eilat“ tätige Prostituierte. Sie unterlagen nämlich ebenso wie jene dem insgesamt gegen § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB verstoßenden Regelwerk der Haupttäter und der dieses Regelwerk absichernden „engmaschigen Überwachung“ durch den „Stellvertreter“ und die „Wirtschafter“. Dass das Landgericht konkret verhängte Sanktionen gegen sie nicht festzustellen vermochte, steht der Annahme eines Bestimmens im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB dabei nicht entgegen. Anders läge es nur dann, wenn die Sanktionsmöglichkeiten bei Regelverstößen ihnen gegenüber nicht vollzogen worden wären, in Wahrheit also nur „leere Drohungen“ dargestellt hätten. Dafür bieten die Feststellungen jedoch keinen Anhaltspunkt.
20
3. Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen eine Beihilfehandlung des Angeklagten im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB angenommen und sich von dessen Gehilfenvorsatz überzeugt. Namentlich liegt nicht etwa nur eine Unterstützung der genannten Prostituierten vor, die als Hilfeleistung für eine notwendige Teilnahme durch die Opfer (Fischer, StGB 57. Aufl. § 181a Rdn. 26) straflos wäre. Denn der Angeklagte hat nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen in Kenntnis des Regelwerks, sämtlicher Überwachungsmaßnahmen und der Sanktionsmöglichkeiten auch im Gefüge der Mitglieder der Gruppe die Rolle des „männlichen Ansprechpartners“ übernommen. Wie ihm bewusst war, leistete er hierdurch einen Beitrag für das reibungslose Funktionieren des Gesamtsystems und damit auch der dirigierenden Zuhälterei zum Nachteil der von ihm betreuten Prostituierten. Hierfür hat das Landgericht zu Recht auf den Umstand abgestellt, dass sich der Organisator C. gehalten sah, wegen der nach dem Überfall auf die Prostituierte W. entstandenen Unruhe dieser sowie der Prostituierten K. einen „Ansprechpartner“ zur Seite zu stellen.

III.


21
Der Strafausspruch hat – auch eingedenk des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGHSt 34, 345, 349) – keinen Bestand. Das Landgericht hat die Strafe dem zweifach (§ 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 StGB) gemilderten Strafrahmen entnommen und auf zahlreiche mil- dernde Umstände abgestellt, so auch darauf, dass ein Unterwerfen der Geschädigten unter einen fremden männlichen Aufpasser eine noch stärkere Einschränkung ihres Selbstbestimmungsrechts mit sich gebracht hätte. Indes besorgt der Senat die Annahme eines zu großen Schuldumfangs, weil das Landgericht von einem „wesentlichen Tatbeitrag“ (UA S. 20) zu Lasten der beiden Prostituierten ausgegangen ist, obgleich sich der Angeklagte – nach den ausdrücklichen Feststellungen der Strafkammer – nur für einen begrenzten Zeitraum und lediglich als „Scheinaufpasser“ zu deren Gunsten gerierte. Hinzu kommt, dass sich einige der von der Tätergruppe erlassenen Regelungen auch zum Schutz der Prostituierten auswirkten, namentlich der Kondomzwang , die Vorgabe von Mindestvergütungen und dass die beiden betroffenen Prostituierten über auskömmliche Einkünfte verfügten.
22
Bei dem hier lediglich vorliegenden Wertungsfehler wird die neu berufene Strafkammer die Strafe auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen festzusetzen haben. Diese können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen und die zur Entscheidung über die Bewährungsfrage neu notwendig sind.
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(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 495/08
vom
6. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Nötigung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 6. November 2008 gemäß §§ 349
Abs. 2 und 4, 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 14. Mai 2008 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben , dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.

Gründe:


1
Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 14. Dezember 2005 wegen Vergewaltigung in neun Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Landau vom 8. Juni 2004 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt worden. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, da keine der Tatbestandsalternativen des § 177 Abs. 1 StGB durch die vom Landgericht insoweit getroffenen Feststellungen belegt war.
2
Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil hat das Landgericht den Angeklagten wegen Nötigung in neun Fällen unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von zwei Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Zweibrücken vom 24. April 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch.
4
Sie ergeben, dass der Angeklagte die Zeugin B. in neun Fällen in Gegenwart weiterer Mitangeklagter zur Durchführung des Oral- und/oder Vaginalverkehrs , in einem Fall (Tat 26c) gleichzeitig mit dem Mitangeklagten Ba. , genötigt hat (§ 240 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 und 2 Nr. 1 StGB). Die Zeugin hat die sexuellen Handlungen nicht freiwillig vorgenommen. Sie war zwar illegal eingereist, um in Deutschland der Prostitution nachzugehen; sie lehnte aber, wie der Angeklagte wusste, "Sex mit mehreren Personen gleichzeitig oder nacheinander oder die Ausübung sexueller Handlungen in Anwesenheit weiterer Personen" entschieden ab. Dem Angeklagten war bei den jeweiligen Taten bewusst, dass die Zeugin seinem Ansinnen nur deswegen nachkam, weil ihr von ihm und anderen Mitgliedern der Gruppe um den Angeklagten J. wiederholt zumindest konkludent angedroht worden war, sie im Falle der Widersetzlichkeit zu den äußerst gewaltbereiten Zuhältern zurückzubringen, denen sie zuvor ausgeliefert gewesen war. Vor diesen hatte sie deshalb große Angst, weil sie ihren damaligen Freund getötet hatten. Eine solche Drohung muss nicht direkt ausgesprochen werden, es genügt vielmehr, wenn sie versteckt "zwi- schen den Zeilen" erfolgt (vgl. Träger/Altvater in LK 11. Aufl. § 240 Rdn. 56), wie dies vor der Tat 3a geschehen ist. Der Angeklagte und die Mitangeklagten Ba. und S. haben der Zeugin durch ihre Äußerungen unmissverständlich klargemacht, dass sie nur so lange vor den gewaltbereiten Zuhältern sicher sei, wie sie den sexuellen Wünschen der Gruppe nachkomme.
5
Außerdem schürten der Angeklagte und weitere Mitangeklagte die Angst der Zeugin vor Abschiebung und langzeitiger Inhaftierung sowohl in Deutschland als auch in ihrem Heimatland, mit der sie im Falle des Bekanntwerdens ihres illegalen Aufenthalts rechnete, indem sie drohten, sie der Polizei auszuliefern [UA 14, 48].
6
Diese Drohkulisse wurde während des gesamten Tatzeitraums aufrechterhalten. Wie der Senat in dem Beschluss vom 4. April 2007 - 4 StR 345/06 (= NJW 2007, 2341 ff.; NStZ 2008, 50 ff.) im Einzelnen ausgeführt hat, wird dadurch noch keine schutzlose Lage der Zeugin im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB begründet. Für die Erfüllung des Nötigungstatbestandes reicht die ausdrückliche oder konkludente Androhung der geschilderten Übel dagegen aus, auch soweit sie nicht vom Angeklagten selbst ausgesprochen wurde; denn diese ist ihm zuzurechnen.
7
2. Die Bemessung der Einzelstrafen weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf; der Gesamtstrafausspruch hat dagegen keinen Bestand.
8
Die Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe ist, wie die Revision zutreffend rügt, rechtsfehlerhaft erfolgt. Das Landgericht hätte die Einzelstrafen von drei Jahren sowie einem Jahr und sechs Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Landau vom 8. Juni 2004 erneut in die Gesamtstrafe einbeziehen müs- sen, auch wenn die vom Landgericht Landau verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten mittlerweile vollständig vollstreckt ist. Grundsätzlich hat nach Aufhebung einer Gesamtstrafe in der erneuten Hauptverhandlung die Gesamtstrafbildung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Verhandlung zu erfolgen. Dies gilt nicht nur in dem speziellen Fall, in dem die Urteilsaufhebung gerade wegen fehlerhaft unterbliebener nachträglicher Gesamtstrafbildung erfolgt ist. Vielmehr ist regelmäßig so zu verfahren, damit einem Revisionsführer ein durch nachträgliche Gesamtstrafbildung erlangter Rechtsvorteil nicht durch sein Rechtsmittel genommen wird (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 2001, 645; BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 1999 - 4 StR 200/99 - und vom 18. Januar 2000 - 4 StR 633/99; vgl. auch Fischer StGB 55. Aufl. § 55 Rdn. 37a m.w.N.).
9
Durch die rechtsfehlerhafte Gesamtstrafbildung ist der Angeklagte nicht ausschließbar beschwert. Auch wenn das Landgericht einen Härteausgleich vorgenommen hat, liegt es nahe, dass gegen den Angeklagten bei zutreffender Gesamtstrafbildung eine Gesamtfreiheitsstrafe verhängt worden wäre, deren Höhe die Summe der Gesamtstrafen aus dem vorliegenden Urteil und dem des Landgerichts Landau nicht erreicht hätte.
10
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO zu entscheiden. Die nachträgliche Gesamtstrafbildung aus den nunmehr rechtskräftigen neun Einzelstrafen und den Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Landau obliegt danach dem nach § 462 a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht.
11
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Freiheitsstrafe von zwei Monaten, die das Amtsgericht Zweibrücken mit Urteil vom 24. April 2008 wegen einer am 16. August 2007 begangenen Straftat gegen den Angeklagten verhängt hat, wegen der Zäsurwirkung des Urteils des Landgerichts Landau nicht gesamtstraffähig ist. Im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 StPO wird bei der Bildung der neuen Gesamtstrafe weiterhin zu beachten sein, dass diese nur so hoch bemessen werden darf, dass sie die Summe der in den beiden landgerichtlichen Urteilen verhängten Gesamtfreiheitsstrafen abzüglich der zweimonatigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Zweibrücken nicht übersteigt (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Fehler 1).
12
4. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels ist von dem für das Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht zusammen mit der abschließenden Sachentscheidung zu treffen (vgl. BGH NJW 2005, 1205, 1206). Obwohl der Angeklagte das Urteil auch hinsichtlich des Schuldspruchs angegriffen und mit seinem Rechtsmittel lediglich einen Teilerfolg zur Gesamtstrafe erzielt hat, erscheint es nicht gänzlich ausgeschlossen, dass im Nachverfahren das Gewicht der Rechtsfolge so gemildert wird, dass es unbillig wäre, dem Angeklagten die gesamten Rechtsmittelkosten aufzuerlegen.
13
Die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen waren gemäß § 473 Abs. 1 Satz 2 StPO dem Angeklagten aufzuerlegen. Dem steht nicht entgegen, dass der Angeklagte nur wegen eines nicht nebenklagefähigen Delikts verurteilt worden ist, da der Schuldspruch die Nebenklägerin im Sinne des § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO betrifft (vgl. BGHSt 38, 93; BGH bei Kusch NStZ 1997, 71, 74; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 473 Rdn. 10).
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 107/09
vom
18. August 2009
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Verdachts des schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. August
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München II vom 12. September 2008 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den Angeklagten betrifft. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Am 16. November 2007 wurde der damals 70 Jahre alte K. in seiner Wohnung in Holzkirchen von zwei Tätern überfallen und gefesselt. Die Täter entwendeten Uhren und Schmuck im Wert von über 10.000,-- €. K. wurde erst nach Stunden befreit. Anklage und Eröffnungsbeschluss gingen davon aus, dass der Angeklagte einer der Täter war, bei dem anderen Täter soll es sich um den gegenwärtig in Jordanien aufhältlichen gesondert verfolgten S. handeln. Die Strafkammer konnte sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nicht von der Täterschaft des Angeklagten überzeugen und hat ihn freigesprochen.
2
Hiergegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das auch vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg, da die Beweiswürdigung der Strafkammer rechtlicher Überprüfung nicht standhält.
3
1. Dem Tatverdacht gegen den Angeklagten liegen, ohne dass an dieser Stelle die Urteilsgründe vollständig nachzuzeichnen wären, nicht zuletzt folgende Beweisanzeichen zu Grunde:
4
a) Der Angeklagte wird von den beiden Mitangeklagten A. und B. (hinsichtlich derer die Staatsanwaltschaft keine Revision eingelegt hat) als Täter bezeichnet. Die Mitangeklagten waren an der Planung und Vorbereitung der Tat als Einbruch beteiligt. Die Gewalttätigkeiten waren nach der Beweiswürdigung der Strafkammer ein den Mitangeklagten nicht zurechenbarer Exzess. Sie wurden nach der Tat, wie sie angeben, vom Angeklagten und S. , über den Tatablauf im Detail informiert; die Beute wurde noch am gleichen Tag von A. verkauft.
5
b) Auf der Außenseite eines Teilstücks des Klebebandes, mit dem der Geschädigte gefesselt worden war, wurde eine Mischspur mit DNA-Merkmalen des Angeklagten gefunden.
6
c) In der Wohnung des Angeklagten wurden drei Schmuckschatullen gefunden , die aus der Tat stammen.
7
d) Zwischen dem Angeklagten und A. fanden am Tattag innerhalb von etwa zwei Stunden vier Telefongespräche statt.
8
e) Eine unbeteiligte, zufällige Zeugin (Frau Br. ) hat am Tattag in der Nähe des Tatorts zwei Männer beobachtet. In der Hauptverhandlung war sie „zu 80%“ sicher, dass es sich bei einem dieser Männer aus näher dargelegten Gründen (z. B. wegen der Nase, der hohen Stirn, der Statur) um den Angeklagten handelt.
9
2. Die Strafkammer hat diesen Erkenntnissen letztlich kein entscheidendes Gewicht beigemessen. Ohne dass auch insoweit die Urteilsgründe hier vollumfänglich nachzuzeichnen wären, hält sie die genannten Anhaltspunkte im Kern aus folgenden Gründen nicht für hinreichend tragfähig:
10
a) Es sprächen „starke“ Anhaltspunkte für eine Täterschaft von S. . Die entsprechenden Angaben der Mitangeklagten würden durch näher dargelegte objektive Beweismittel gestützt. Daraus folge jedoch nicht „zwangsläufig“, dass auch die Angaben der Mitangeklagten zur Tatbeteiligung des Angeklagten richtig seien.
11
b) Hinsichtlich der DNA-Spuren hat der Angeklagte angegeben, zwar am Tattag mit seinem Pkw und A. nach Holzkirchen gefahren zu sein, jedoch um ein Regal zu transportieren. Dort sei man zunächst zusammen in ein Cafe gegangen, dann habe ihn A. mit anderen, Unbekannten verlassen. Später sei er wieder gekommen und habe gesagt, mit dem Regal klappe es nicht. Dann sei man gemeinsam nach München zurückgefahren. Das Klebeband habe A. auf der Fahrt nach Holzkirchen auf der Mittelkonsole des Pkws abgelegt. Die Bedienung der Gangschaltung sei dadurch ausgeschlossen gewesen, weshalb er, H. , das Klebeband weggelegt habe. Dadurch müsse die DNA-Spur entstanden sein. Dieses Vorbringen, so die Strafkammer, sei nicht zu widerlegen.
12
c) Die Schmuckkassetten habe ihm A. im Rahmen eines Geschäfts über einen (aus der Tat stammenden) Ring überlassen, welches ihm A. angeboten habe, um den Ärger des Angeklagten über den nicht stattgefunden Transport des Regals zu besänftigen. Für diese Version, so die Strafkammer, spreche, dass ein Freund des Angeklagten sie bestätigt habe. Dieser Freund sei unmittelbar, nachdem der Angeklagte die entsprechende Aussage gemacht habe, in die Hauptverhandlung gerufen worden. Eine Absprache sei daher ausgeschlossen. Dass die Mutter des Angeklagten im Rahmen einer Hausdurchsuchung, bei der die Schatullen gefunden wurden , den Angeklagten mit der Lüge zu entlasten versucht hatte, die Schatullen gehörten ihr, ändere nichts.
13
d) Hinsichtlich der Telefongespräche am Tattag gibt der Angeklagte an, es sei dabei immer nur um Benzingeld für die Fahrt wegen des (letztlich gescheiterten ) Regaltransports gegangen. Dies bewertet die Strafkammer als nicht „vollkommen wirklichkeitsfremd“.
14
e) Die Strafkammer geht davon aus, dass es sich bei den von Frau Br. gesehenen Männern um die Täter handelt. Gegen ihre Annahme, bei einem dieser Männer habe es sich mit erheblicher - wenn auch nicht letzter - Sicherheit um den Angeklagten gehandelt, spreche, dass sie bei der Polizei gesagt habe, die Männer seien 30 bis 40 Jahre alt gewesen, eher 40 Jahre, während sie den Angeklagten in der Hauptverhandlung für 30 Jahre alt geschätzt habe. Ebenso spreche gegen die Zuverlässigkeit der Wiedererkennung, dass sie angegeben habe, der in Rede stehende Mann habe ausgewaschene blaue Jeans getragen; dies sei unvereinbar mit der Angabe A. s , wonach der Angeklagte bei der Tat dunkelblaue Jeans getragen habe.
15
3. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten überwunden hätte. Das Revisionsgericht prüft nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft , widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt, oder wenn, im Falle eines Freispruchs, an das Maß der zur Verurteilung erforderlichen Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr., vgl. zuletzt zusammenfassend BGH, Urt. vom 18. März 2009 - 1 StR 549/08 m.w.N.).
16
a) Die genannten Erwägungen der Strafkammer werden schon jeweils für sich genommen diesen Maßstäben nicht in vollem Umfang gerecht:
17
(1) Die Strafkammer hält die Angaben der Mitangeklagten hinsichtlich S. für glaubhaft, hinsichtlich des Angeklagten letztlich nicht. Der Tatrichter ist allerdings nicht gehindert, einer Auskunftsperson teilweise zu glauben und teilweise nicht. Dies verlangt jedoch eine nachvollziehbare Begründung, die sich mit allen wesentlichen Gesichtspunkten auseinandersetzt (st. Rspr., vgl. d. Nachw. bei Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 261 Rdn. 83, Fußn. 358, 359). Daran fehlt es hier. Es wäre erkennbar in die Erwägungen einzubeziehen gewesen, dass die Angaben A. s insoweit vom Angeklagten bestätigt werden, als auch er angibt, am Tattag mit diesem nach Holzkirchen gefahren zu sein. A. wusste nach den Feststellungen, dass an diesem Tag dort die von ihm (mit) geplante und vorbereitete Tat durchgeführt werden sollte. Es wäre zu erörtern gewesen, ob und warum davon auszugehen ist, dass er in Holzkirchen zugleich ein Regal holen wollte und zu diesem Zweck sich der Hilfe eines nicht an der Tat Beteiligten bediente. Ebenso wäre zu erörtern gewesen, ob es ein nachvollziehbares Motiv für A. und den anderen Mitangeklagten gibt, hinsichtlich der nämlichen, von zwei Personen begangenen Tat bezüglich eines Mittäters (S. ) die Wahrheit zu sagen und eine andere Person als Mittäter frei zu erfinden und zudem den ihnen bekannten Angeklagten zu Unrecht zu belasten. Ohne die Erörterung dieser Gesichtspunkte beruht die - nicht notwendig ausgeschlossene - Erwägung der Strafkammer zur nur teilweisen Glaubhaftigkeit der Angaben über die beiden Täter auf lückenhafter Grundlage.
18
(2) Diese Lücken gelten in gleicher Weise für die Angaben hinsichtlich des Klebebandes und den Zweck der Fahrt, bei der nach Angaben des Angeklagten die in Rede stehende Spur entstanden ist. Hinzu kommt, dass es sich jedenfalls ohne genaue Beschreibung des Klebebandes keinesfalls von selbst versteht, dass das Klebeband auf der Mittelkonsole die Bedienung der Gangschaltung ausgeschlossen (der Angeklagte habe nach seiner - nach Auffassung der Strafkammer nicht zu widerlegenden - Aussage wegen des Klebebandes „nicht schalten gekonnt“) oder jedenfalls nachhaltig erschwert hätte. Im Übrigen führt der Generalbundesanwalt (unter zutreffendem Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, z.B. BGHSt 34, 29, 34; BGH NStZ-RR 2003, 371) zutreffend aus, dass Einlassungen des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, nicht ohne weiteres als „unwiderlegbar“ hinzunehmen und den Feststellungen zuGrunde zu legen sind. Der Tatrichter hat vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses darüber zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeu- gungsbildung zu beeinflussen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen , für deren Vorliegen es außer der nicht widerlegbaren, aber auch durch nichts gestützten Angaben des Angeklagten keine Anhaltspunkte bestehen.
19
(3) Auch hinsichtlich der Schmuckschatullen ist die Beweiswürdigung lückenhaft. Die Würdigung der Strafkammer stützt sich im Kern darauf, dass eine Absprache mit dem Zeugen nicht möglich gewesen wäre. Dies wäre nur dann ohne weitere Begründung tragfähig, wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung , in der er die von seinem Freund dann bestätigten Angaben gemacht hat, erstmals erkannt hätte, dass die Frage nach den Schatullen Bedeutung haben kann. Dies wäre zu erörtern gewesen. Die Schatullen waren bei der Hausdurchsuchung gefunden worden, die Brisanz dieses Fundes war, ohne dass auch dies nachvollziehbar gewürdigt wäre, von der Mutter des Angeklagten offenbar sofort erkannt worden. Unter diesen Umständen versteht es sich nicht von selbst, dass dem Angeklagten der Fund der Schatullen unbekannt war oder dass er ihn für irrelevant gehalten hätte. Dann aber ist bei der Frage, ob die Möglichkeit einer Absprache mit seinem Freund bestand, nicht allein auf den Zeitraum zwischen der Angabe des Angeklagten in der Hauptverhandlung zu den Schatullen und der Vernehmung des Freundes hierzu in der Hauptverhandlung abzustellen.
20
(4) Hinsichtlich der Telefongespräche fehlt es an der Erörterung der nahe liegenden Frage, warum über das doch eher einfach strukturierte Thema des Benzingeldes - nach Angaben des Angeklagten soll es um 20,-- € gegangen sein - kurz hintereinander gleich vier Gespräche erforderlich waren und warum dies nicht auf der gemeinsamen Rückfahrt besprochen worden ist.
21
(5) Die Beweiswürdigung hinsichtlich der Zeugin Br. ist unklar. Die Zeugin beschreibt einen Mann, der am Tatort und nach Bewertung der Strafkammer ein Täter war. Die Aussage von A. , dass der Angeklagte am Tatort war, hält die Strafkammer im Ergebnis für falsch. Unter diesen Umständen wird nicht deutlich, warum gerade die Aussage A. s zum Farbton der Hose, die der Angeklagte „bei Begehung der Tat“ getragen habe, geeignet ist, die Würdigung der Aussage von Frau Br. zu beeinflussen.
22
b) Sind aber schon eine Reihe von Erwägungen der Strafkammer zu einzelnen Beweisanzeichen für sich genommen nicht tragfähig begründet, kann auch das auf einer - hier ohnehin etwas pauschalen - Gesamtwürdigung aller Erkenntnisse beruhende Ergebnis keinen Bestand haben. In diesem Zusammenhang weist der Senat auf Folgendes hin: Wie auch die Strafkammer nicht verkennt, deuten „gewichtige Gesichtspunkte“ auf den Angeklagten als Täter. Allein daraus, dass ein bestimmtes Ergebnis deshalb nicht fern oder sogar nahe liegt, folgt jedoch nicht, dass der Tatrichter im Einzelfall nicht auch rechtsfehlerfrei zu einem anderen Ergebnis kommen kann (BGH NStZ-RR 2009, 248, 249; NStZ 2009, 264). Verwirft er jedoch die nahe liegenden Deutungsmöglichkeiten und führt zur Begründung seiner Zweifel an der Täterschaft eines Angeklagten nur Schlussfolgerungen an, für die es nach der Beweisaufnahme entweder keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, oder die (zwar nicht als denknotwendig ausgeschlossen, aber doch) als eher fern liegend zu betrachten sind, so muss im Rahmen der Gesamtwürdigung erkennbar werden, dass sich der Tatrichter dieser besonderen Konstellation bewusst ist. Andernfalls besteht nämlich die Besorgnis, dass er überspannte Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt hat (BGH NStZ–RR 2009, 248, 249).
23
Die Sache bedarf nach alledem neuer Verhandlung und Entscheidung, ohne dass es noch auf Weiteres ankäme.
Nack Wahl Elf Graf Jäger

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 170/12
vom
25. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung
–,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof – bei der
Verkündung –
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 6. Dezember 2011, soweit es den Angeklagten S. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Magdeburg zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Totschlags aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Das – vom Generalbundesanwalt vertretene – Rechtsmittel hat schon mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die verfahrensrechtlichen Beanstandungen der Staatsanwaltschaft nicht ankommt.

I.


3
1. Die zugelassene Anklage hat dem Angeklagten zur Last gelegt, am 16. September 2009 in seiner Wohnung mittels stumpfer Gewalt so auf den Kopf des am 12. Februar 2008 geborenen Sohnes seiner Lebensgefährtin Christin H. , Jason H. , eingewirkt zu haben, dass dieser ausgedehnte Hautunterblutungen im Gesicht sowie infolge des Abrisses von zwei Brückenvenen sich über die gesamte rechte Großhirnhalbkugel erstreckende exzessive Blutungen unter die harte Hirnhaut erlitt, die eine operative Entlastung am selben Tag erforderten und woran Jason H. trotz einer weiteren Operation am 22. September 2009 verstarb. Dem Angeklagten sei dabei bewusst gewesen , dass er bei einer derart erheblichen Gewalteinwirkung auf den Kopf eines Kleinkindes dessen Tod verursachen könne, was ihm gleichgültig gewesen sei. Der Kindesmutter wurde in der Anklage nur eine Misshandlung von Jason am 12. oder 13. Juli 2009 zur Last gelegt. Auch sie wurde – von der Staatsanwaltschaft nicht angegriffen – freigesprochen.
4
2. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat bestritten. In der Hauptverhandlung hat er zunächst ausgesagt, dass das spätere Tatopfer, nachdem Christin H. die Wohnung verlassen hatte, zu schreien und so stark zu strampeln begonnen habe, dass ihm, dem Angeklagten, das Kind, das er auf seinem Arm habe beruhigen wollen, aus Kopf- bzw. Brusthöhe auf die hart gepolsterte Couch gefallen sei. Er sei bei dem Versuch, Jason aufzufangen , mit seinem vollen Körpergewicht von neunzig Kilogramm auf diesen gefallen. Danach sei Jason plötzlich ganz ruhig gewesen und habe seinem Eindruck nach nicht mehr geatmet, woraufhin er seine Lebensgefährtin und kurz darauf den Notarzt angerufen habe. Den Vorwurf, Jasons Kopf gegen die Stirnwand des Kinderbettes geschlagen zu haben, hat der Angeklagte in Abredegestellt und sodann weiter ausgesagt, er habe Jason zwei- bis dreimal für ca. zehn Sekunden kräftig geschüttelt und dabei das Gleichgewicht verloren. Im Fallen auf das Kind habe er dessen Kopf mit seinem Knie getroffen. Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 17. September 2009 hatte sich der Angeklagte demge- genüber dahin eingelassen, er habe den schreienden Jason aus dem Kinderbett gehoben und auf die Couch gesetzt, um dem Kind etwas zu trinken zu holen. Als er zurückgekommen sei, habe er gesehen, dass Jason auf der Couch umgefallen sei und die Augen verdreht habe. Dann habe er, der Angeklagte , seine Freundin angerufen und den Notarzt alarmiert. In einer weiteren Vernehmung bei der Polizei am 5. Oktober 2009 hatte der Angeklagte ähnliche Angaben gemacht und diese dahin ergänzt, Jason habe nach dem Fall auf die Couch die Augen „verleiert“ und in Abständen nach Luft geschnappt. Einer Ret- tungssanitäterin gegenüber hatte der Angeklagte noch in der Wohnung angegeben , Jason habe im Kinderbett geschrien und sei dann plötzlich – noch im Bett – umgefallen; von einem Sturz hat er nichts erwähnt.
5
3. Die Strafkammer hat sich von der Richtigkeit der „auch nur im Rahmen einer Verständigung“ abgegebenen Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht überzeugen können. Vor diesem Hintergrund vermittle die Einlassung den Eindruck einer konstruierten Aussage mit dem Ziel, das Geschehen unter Inkaufnahme des geringstmöglichen Schuldvorwurfs zu erklären.

II.


6
Der Freispruch hat keinen Bestand. Die Ausführungen des Landgerichts werden den gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellenden Anforderungen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
7
1. Zum einen enthalten die Urteilsgründe keine Feststellungen zu Werdegang , Vorleben und Persönlichkeit des Angeklagten.
8
a) Solche Feststellungen sind zwar in erster Linie bei verurteilenden Erkenntnissen notwendig, um nachvollziehen zu können, ob der Tatrichter die wesentlichen Anknüpfungstatsachen für die Strafzumessung (§ 46 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StGB) ermittelt und berücksichtigt hat. Aber auch bei freisprechenden Urteilen ist der Tatrichter aus sachlich-rechtlichen Gründen zumindest dann zu solchen Feststellungen verpflichtet, wenn diese für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können und deshalb zur Überprüfung des Freispruchs durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler hin notwendig sind; das ist auch dann der Fall, wenn vom Tatrichter getroffene Feststellungen zum Tatgeschehen ohne solche zu den persönlichen Verhältnissen nicht in jeder Hinsicht nachvollziehbar und deshalb lückenhaft sind (vgl. dazu BGH, Urteile vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314, 315; vom 13. Oktober 1999 – 3 StR 297/99, NStZ 2000, 91, und vom 14. Februar 2008 – 4 StR 317/07, NStZ-RR 2008, 206, 207). So liegt es hier.
9
b) Die Notwendigkeit, die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten umfassend in den Blick zu nehmen und nähere Feststellungen zu dessen Lebenslauf, Werdegang und Persönlichkeit zu treffen und in den Urteilsgründen darzulegen, ergibt sich im vorliegenden Fall bereits aus der ihm zum Vorwurf gemachten Straftat. Sie beruht auf einer Handlung, die sich im familiären, häuslichen Bereich ereignet haben soll. Ist ein solcher Vorwurf, wie hier, von erheblichem Gewicht, liegt es nahe, dass der Persönlichkeitsentwicklung der Beteiligten , insbesondere des der Tat Beschuldigten, und seinen individuellen Lebensumständen Bedeutung auch für die Beurteilung des Tatvorwurfs zukommen kann. Dies gilt nicht nur, wenn der Verdacht einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung besteht, sondern gleichermaßen, wenn der Vorwurf eine Gewalttat im Verhältnis von Eltern bzw. Erziehungsberechtigten zu ihren Kindern zum Gegenstand hat. Schon deshalb waren insoweit detaillierte Feststel- lungen geboten, die genaueren Aufschluss über die Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Lebensumstände hätten geben können, was gegebenenfalls – etwa im Hinblick auf eine mögliche Überlastungssituation – Rückschlüsse auf den Tatvorwurf zugelassen hätte.
10
c) Auch vor dem Hintergrund der wenigen zum Tatvorwurf getroffenen Feststellungen hätten die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten nicht unerörtert bleiben dürfen. Danach zeigten sich bei Jason am Vormittag des 16. September 2009 blaue Flecken im Gesicht. Auf der Festplatte des Computers der Mutter des Tatopfers wurde ein von dem Angeklagten am 11./12. September 2009 aufgenommener Videofilm sichergestellt, auf dem Jason mit massiven Hämatomen zu sehen ist. Dass eingehende Feststellungen zum persönlichen Hintergrund – auch unter Berücksichtigung der gegen die Mutter des Tatopfers erhobenen Vorwürfe der Misshandlung von Schutzbefohlenen – hier möglicherweise geeignet gewesen wären, angesichts der schwierigen Beweislage den gegen den Angeklagten erhobenen Tatvorwurf zu erhellen, liegt jedenfalls nicht fern.
11
2. Das Landgericht hat auch keine den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil entsprechende Würdigung der Beweise vorgenommen.
12
a) Es ist regelmäßig verfehlt, die Einlassung des Angeklagten und die Aussagen sämtlicher Zeugen und Sachverständigen der Reihe nach und in ihren Einzelheiten mitzuteilen. Das kann die Besorgnis begründen, der Tatrichter sei davon ausgegangen, eine breite Darstellung der erhobenen Beweise könne die gebotene eigenverantwortliche Würdigung ersetzen. Darin liegt regelmäßig ein Rechtsfehler (BGH, Beschluss vom 6. Mai 1998 – 2 StR 57/98, NStZ 1998, 475; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 – 3 StR 417/03, wistra 2004, 150). Vielmehr muss eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung eine Abwägung und Gewichtung der einzelnen Beweise enthalten (BGH, Beschluss vom 6. Mai 1998 – 2 StR 57/98, aaO). Eine solche lassen die Urteilsgründe hier nicht erkennen.
13
b) Die Ausführungen des Landgerichts durften sich nicht darin erschöpfen , die Einlassungen des Angeklagten in der Hauptverhandlung und im Ermittlungsverfahren ebenso wie die Aussagen seiner Lebensgefährtin in wesentlichen Teilen wörtlich in die Urteilsgründe aufzunehmen. Entsprechendes gilt für die Bekundungen der gerichtsmedizinischen Sachverständigen, denen die Strafkammer zwar ausweislich der Urteilsgründe gefolgt ist, deren Erkenntnisse aber weder im Hinblick auf einzelne den Angeklagten belastende Indiztatsachen gewichtet oder mit dem Beweisergebnis im Übrigen in Beziehung gesetzt werden.
14
c) Ferner begegnet die – losgelöst vom Ergebnis der Beweisaufnahme im Übrigen – erfolgte Bewertung der Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung vor dem Hintergrund der in den Urteilsgründen erwähnten Verständigung als nicht glaubhaft durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
15
Wie der Bundesgerichtshof schon mehrfach betont hat, darf eine Verständigung über das Strafmaß nicht dazu führen, dass ein so zustande gekommenes Geständnis dem Schuldspruch zu Grunde gelegt wird, ohne dass sich der Tatrichter von dessen Richtigkeit überzeugt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 1 StR 464/02, BGHSt 48, 161, 167). Auch für die Bewertung eines Geständnisses gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Senatsbeschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291, 303; zur Darlegung in den Urteilsgründen BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 – 2 StR 156/98, NJW 1999, 370, 371 mwN). Mag die Bewertung der Strafkammer , die Einlassung des Angeklagten vermittle den Eindruck eines mit einem bestimmten Ziel zusammengestellten Konstrukts, danach für sich genommen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden sein, so liegt, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, der Rechtsfehler darin, dass das Landgericht bei dieser Erwägung stehen geblieben ist und die einander widersprechenden Einlassungen des Angeklagten weder im Einzelnen einer Bewertung unterzogen noch mit dem übrigen Beweisergebnis in Beziehung gesetzt hat. Damit hat es sich den Blick dafür verstellt, dass Teile der Angaben des Angeklagten , etwa in Zusammenschau mit den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen, geeignet sein könnten, diesen im Sinne des Anklagevorwurfs zu belasten. Abgesehen davon hätte es im vorliegenden Fall – über die Mindestanforderungen des § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO hinaus (vgl. MeyerGoßner , StPO, 55. Aufl., § 267 Rn. 23a mwN) – der Mitteilung von Einzelheiten zum Inhalt der erwähnten Verständigung bedurft, um die Beweiswürdigung der Strafkammer zum Einlassungsverhalten des Angeklagten ausreichend auf Rechtsfehler überprüfen zu können (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 6. November 2007 – 1 StR 370/07, BGHSt 52, 78, 82 ff.).

III.


16
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 242/13
vom
21. November 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der schweren räuberischen Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. November
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Richter am Amtsgericht
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 19. Dezember 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Das – vom Generalbundesanwalt vertretene – Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


3
1. Die zugelassene Anklage hat dem Angeklagten zur Last gelegt, in Halle am 11. Januar 2012 gegen 1.45 Uhr mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter den Zeugen N. am Kragen gepackt und am Hals festgehalten zu haben. Während einer der Täter mit einem pistolenähnlichen Gegenstand auf den Kopf des Zeugen gezielt habe, habe der andere dem Opfer mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Nachdem der Geschädigte zu Boden gegangen sei, habe ein Täter im Einvernehmen mit dem anderen dem Opfer mehrfach mit den beschuhten Füßen gegen den Oberkörper und die Oberschenkel getreten. Aus Angst vor weiterer Gewaltanwendung habe N. der Aufforderung der Täter Folge geleistet und ihnen seine schwarze Ledergeldbörse im Wert von 15 € samt Bargeld in Höhe von ca. 20 €, die Per- sonaldokumente, ein weißes Handy „Sony Ericsson“ im Wert von 80 €, seine Brille im Wert von 900 €, seine Winterjacke im Wert von 70 € sowie einen weißen iPod nebst dazugehörigem Kopfhörer im Wert von 230 € herausgegeben. Der Angeklagte habe die erbeuteten Gegenstände anschließend veräußert, um den Erlös für sich zu verwenden.
4
2. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat bestritten. Er habe am 11. Januar 2012 in den Vormittagsstunden ein Handy „Sony Ericsson“ und einen iPod von H. , den er aus gemeinsamer Strafhaft kenne, günstig für ca. 20 € bis 30 € erworben. Er sei davon ausgegangen, dass diese Gegenstände H. gehörten. In den Nachmittags- bzw. Abendstunden desselben Tages habe er Handy und iPod in einem An- und Verkaufsgeschäft weiterverkauft und dabei etwa 20 € bis 30 € Gewinn gemacht.
5
3. Das Landgericht hat die Tat als solche durch die Vernehmung des Geschädigten N. festgestellt; das erbeutete Handy sowie einen iPod habe der Angeklagte am Tattag in einem An- und Verkaufsgeschäft veräußert. Die Einlassung des Angeklagten hat es nicht zu widerlegen vermocht : Entscheidend sei, dass N. keinen der Täter wiedererkennen könne. Eine Vernehmung des H. sei nicht beantragt worden und auch nicht von Amts wegen geboten. Die Strafkammer würde „allein“ aus den Angaben eines eventuellen Mittäters nicht den Schluss ziehen, dass der Angeklagte an dem Überfall beteiligt gewesen sei. Eine Verurteilung wegen Hehlerei komme mangels Nachweises des subjektiven Tatbestandes nicht in Betracht; auch insoweit hätte die Vernehmung von H. nicht ausgereicht , um dem Angeklagten nachzuweisen, er habe gewusst, dass das Handy bei einer Straftat erbeutet worden sei.

II.


6
Der Freispruch hat keinen Bestand.
7
1. Die Aufklärungsrüge, die Strafkammer hätte H. vernehmen müssen (§ 244 Abs. 2 StPO), ist allerdings unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO); es fehlt die Angabe der ladungsfähigen Anschrift dieses Zeugen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Mai 2003 – 5 StR 120/03, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 40, und vom 12. Juli 2006 – 5 StR 236/06, NStZ 2006, 713; Urteil vom 9. Dezember 2008 – 5 StR 412/08, NStZ 2009, 468; Becker in LöweRosenberg , 26. Aufl., § 244 Rn. 368).
8
2. Das Rechtsmittel hat jedoch mit der Sachrüge Erfolg. Die Ausführungen des Landgerichts werden den gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellenden Anforderungen nicht gerecht, weil die Urteilsgründe keine Feststellungen zu Werdegang, Vorleben und Persönlichkeit des Angeklagten enthalten.
9
a) Derartige Feststellungen sind zwar in erster Linie bei verurteilenden Erkenntnissen notwendig, um nachvollziehen zu können, ob der Tatrichter die wesentlichen Anknüpfungstatsachen für die Strafzumessung (§ 46 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StGB) ermittelt und berücksichtigt hat. Aber auch bei freisprechenden Urteilen ist der Tatrichter aus sachlich-rechtlichen Gründen zumindest dann zu solchen Feststellungen verpflichtet, wenn diese für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können und deshalb zur Überprüfung des Freispruchs durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler hin notwendig sind (vgl. BGH, Urteile vom 13. Oktober 1999 – 3 StR 297/99, NStZ 2000, 91, vom 14. Februar 2008 – 4 StR 317/07, NStZ-RR 2008, 206, 207, vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314, 315, und vom 25. Oktober 2012 – 4 StR 170/12, NStZ-RR 2013, 52).
10
b) Die Notwendigkeit, die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten umfassend in den Blick zu nehmen, nähere Feststellungen zu dessen Lebenslauf , Werdegang und Persönlichkeit zu treffen sowie diese in den Urteilsgründen darzulegen, richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalles. Hier ergibt sie sich bereits aus der dem Angeklagten zum Vorwurf gemachten Straftat. Ihr liegt ersichtlich die Motivation der Täter zu Grunde, in den Besitz von Gegenständen zu gelangen, die sich rasch versilbern lassen. Daher liegt es nahe, dass den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten Bedeutung auch für die Beurteilung des Tatvorwurfs zukommen kann. Darüber hinaus bedarf es unter dem Gesichtspunkt der entfalteten erheblichen Gewalt der Feststellung , ob eine dahin gehende Bereitschaft in der bisherigen Entwicklung des Angeklagten angelegt ist. Der Wesenszug der hier zu beurteilenden Tat, die rasche Versilberung einer nicht sehr hohen Beute zu einem geringen Preis in einem An- und Verkaufsgeschäft am Tag der Tat, legt zudem den Gedanken an Beschaffungskriminalität nahe; hierzu bedurfte es ebenfalls der ergänzenden Feststellungen.
11
c) Auch vor dem Hintergrund der vom Angeklagten in der Hauptverhandlung vorgebrachten Einlassung hätten seine persönlichen Verhältnisse nicht unerörtert bleiben dürfen. Danach hatte er bereits Strafhaft verbüßt, so dass vom Vorliegen verwertbarer Vorstrafen auszugehen ist.
12
3. Für die neue Verhandlung der Sache weist der Senat auf Folgendes hin:
13
a) Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird sich um die Vernehmung des vom Angeklagten benannten H. zu bemühen haben. Der Senat gibt zudem zu bedenken, ob nicht eine Aufklärung der näheren Umstände, unter denen das Opfer den Führerschein und den Personalausweis zurückerhalten hat, weiteren Erkenntnisgewinn verspricht.
14
b) Auch eine (eindeutige) Verurteilung wegen Hehlerei oder – auf alternativer Tatsachengrundlage – eine (wahlweise) Verurteilung wegen der in der schweren räuberischen Erpressung enthaltenen (einfachen) Erpressung gemäß § 253 StGB und der Hehlerei nach § 259 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 1984 – 1 StR 103/86, bei Holtz, MDR 1986, 793: Wahlfeststellung zwischen dem im Raub enthaltenen Diebstahl und Hehlerei; Urteil vom 20. Februar 1974 – 3 StR 1/74, NJW 1974, 804: Betrug oder Hehlerei) wäre hier zulässig, da es sich unter den hier gegebenen Umständen um dieselbe prozessuale Tat handelt (vgl. BGH, Urteile vom 29. September 1987 – 4 StR 376/87, BGHSt 35, 60, 65 f., und vom 22. Dezember 1987 – 1 StR 423/87, BGHSt 35, 172, 174 f.; Beschlüsse vom 7. Juli 1999 – 1 StR 262/99, NStZ 1999, 523, und vom 22. Dezember 2011 – 4 StR 606/11, wistra 2012, 148, 149). Im Übrigen hat die Staatsanwaltschaft die wirtschaftliche Verwertung der erbeuteten Gegenstände in den konkreten Anklagesatz aufgenommen und im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen nach den Tatumständen näher konkretisiert.
15
c) Entgegen einer missverständlichen Formulierung der Strafkammer (UA 7: „wusste“) reicht zur Erfüllung des subjektiven Tatbestands der Hehlerei – neben der in § 259 Abs. 1 StGB vorausgesetzten Bereicherungsabsicht – be- dingter Vorsatz aus (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 259 Rn. 24 f.).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin