Bundesgerichtshof Urteil, 05. Feb. 2015 - 3 StR 504/14

bei uns veröffentlicht am05.02.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 5 0 4 / 1 4
vom
5. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 4. Juni 2014 werden verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Dagegen wenden sich die jeweils auf Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts übernahm der Angeklagte am 26. Juni 2013 unter ungeklärten Umständen im Rhein-Main-Gebiet gut elfeinhalb Kilogramm Amphetaminzubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von ca. 1.300 Gramm Amphetamin-Base, die in zwölf durchsichtige Plastikbeutel verpackt war und verstaute sie in einer ihm gehörenden Tasche, die sich wiederum im Kofferraum des von ihm gesteuerten, von einer dritten Person geleasten Personenkraftwagens befand. Über eine Fahrerlaubnis verfügt der Angeklagte nicht. Als er wegen zu schnellen Fahrens auf dem Gelände eines Autohofs von der Polizei kontrolliert wurde, fiel den Beamten auf, dass das Lichtbild und das Geburtsdatum auf dem vom Angeklagten vorgezeigten Führerschein nicht auf ihn zutrafen. Um eine anschließende Durchsuchung des Fahrzeugs zu verhindern, warf der Angeklagte den Fahrzeugschlüssel ca. 30 Meter weit weg, mit dem er zuvor über Funk das Auto verschlossen hatte. Nachdem die Polizeibeamten den Schlüssel wiedergefunden hatten, öffneten und durchsuchten sie den Pkw und fanden die Betäubungsmittel im Kofferraum.
3
Das Landgericht ist in der rechtlichen Würdigung des Urteils davon ausgegangen , dass der Angeklagte die Betäubungsmittel lediglich transportierte. Seiner Einlassung, er habe im Auftrag eines M. gehandelt, der ihm im Ge- genzug Schulden erlassen, 1.500 € bezahlen und Kokain geben wollte, hat es zwar nicht geglaubt, sich aber auch nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte selbst täterschaftlich mit den Betäubungsmitteln Handel trieb. Es hat die Tätigkeiten des Angeklagten folglich als Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln - jeweils in nicht geringer Menge - gewertet.
4
II. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
5
1. Soweit er eine Verletzung von § 261 StPO geltend macht, weil die Strafkammer bei der Wertung seiner Einlassung als Schutzbehauptung eine rein subjektive Gewissheit an die Stelle der notwendigen, auf Tatsachen gestützten Überzeugungsbildung gesetzt habe, greift er der Sache nach die Be- weiswürdigung an und kann insoweit mit einer Verfahrensbeanstandung nicht durchdringen.
6
Gleiches gilt im Ergebnis für die Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO: Auch insoweit beanstandet die Revision in erster Linie von ihr behauptete Fehler in der Beweiswürdigung, insbesondere eine unzureichende Begründung der von der Strafkammer gezogenen Schlussfolgerungen. Soweit der Beschwerdeführer weiter geltend macht, das Landgericht habe es unterlassen, durch Nachfragen weitergehende Aufklärung dazu zu betreiben, dass er in seiner Exploration Details angegeben habe, "die die Annahme einer langjährigen Drogenabhängigkeit rechtfertigten", ist eine Aufklärungsrüge damit nicht zulässig erhoben: Es fehlt schon an der Mitteilung eines bestimmten Beweisergebnisses, das sich durch die unterlassene Beweiserhebung ergeben hätte (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 30. September 2014 - 3 StR 351/14, juris).
7
2. Die umfassende Überprüfung des Urteils auf die erhobene Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Ausführung bedarf nur Folgendes:
8
a) Die Beweiswürdigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Die Heranziehung und Wertung der Beweismittel ist Sache des Tatgerichts, das sich im Wege der freien Beweiswürdigung eine persönliche Überzeugung von den entscheidungserheblichen Tatsachen zu verschaffen hat; seine Annahmen und Schlussfolgerungen müssen nicht zwingend sein, es reicht aus, dass sie möglich und nachvollziehbar sind. Die revisionsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind, was in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall ist, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, oder gegen Denkgesetze oder Erfah- rungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. September2012 - 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 77 mwN).
9
Gemessen an diesen Maßstäben ist es entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers zunächst nicht zu beanstanden, dass das Landgericht seiner Einlassung zum vermeintlichen Auftraggeber der Kurierfahrt nicht gefolgt ist. Die Annahme, dass in aller Regel bei einer Betäubungsmittellieferung des verfahrensgegenständlichen Umfangs zwischen Auftraggeber und Kurier Erreichbarkeiten ausgetauscht werden, ist nicht nur möglich, sondern äußerst naheliegend. Folglich konnte die Strafkammer die dies verneinende Einlassung des Angeklagten mit guten Gründen als Schutzbehauptung werten. Die dagegen vorgebrachten Angriffe des Beschwerdeführers beschränken sich auf eine eigene Würdigung seiner Einlassung, mit der er im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben kann.
10
Die Beweiswürdigung ist auch nicht widersprüchlich, weil die Strafkammer einerseits der - zur Entlastung vorgebrachten - Einlassung des Angeklagten zu seinem Auftraggeber nicht gefolgt ist, andererseits aber gleichwohl davon ausgegangen ist, dass er als Kurier der Betäubungsmittel fungierte. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich entnehmen, dass das Landgericht die Einlassung nicht zuletzt unter Beachtung des Zweifelssatzes jedenfalls insoweit den Feststellungen zugrunde gelegt hat, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel im Auftrag eines Dritten übernahm. Angesichts der in seiner Tasche verstauten großen Menge von Betäubungsmitteln lag es wiederum nahe, dass diese Betäubungsmittel sich nicht zufällig in dem von ihm gesteuerten Fahrzeug befanden und dass sie zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. Davon ausgehend war die Annahme, dass der Angeklag- te lediglich ein fremdes Geschäft unterstützte, diejenige, die ihn am wenigsten belastete.
11
Auch die Schlussfolgerungen, die die Strafkammer zur Übernahme der Betäubungsmittel gezogen hat, erweisen sich - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - als möglich und somit nicht als rechtsfehlerhaft. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass auf einem Rechtsfehler insoweit das Urteil auch nicht beruhen würde: Wer die Betäubungsmittel im Kofferraum des Fahrzeugs verstaute, ist für den Schuldspruch ersichtlich ohne Bedeutung; der Senat schließt angesichts der großen Menge der Betäubungsmittel und der teilweise einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten auch aus, dass es sich bei der Strafzumessung zu seinen Gunsten ausgewirkt hätte, wenn das Landgericht ihm geglaubt hätte, ein unbekannter Dritter habe die zwölf durchsichtigen Plastikbeutel mit Amphetamin auf offener Straße in seine im Kofferraum liegende Tasche gepackt.
12
b) Die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB erweist sich ebenfalls als frei von Rechtsfehlern. Der Generalbundesanwalt hat zutreffend ausgeführt, dass die Strafkammer jedenfalls das Vorliegen eines Hangs, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, mit tragfähiger Begründung verneint hat.
13
III. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtmittel der Staatsanwaltschaft, die die Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erstrebt, ist ebenfalls unbegründet.
14
Die Verfahrensrügen dringen aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durch.
15
Die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts zeigt keinen Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf. Der Umstand, dass die Strafkammer dem Angeklagten seine Einlassung zu seinem Auftraggeber nicht geglaubt hat, zwang es nicht dazu, deshalb von einem täterschaftlichen Handeltreiben des Angeklagten auszugehen. Dass sich das Landgericht diese Überzeugung nicht zu verschaffen vermocht hat, ist nach den oben dargelegten Grundsätzen vom Senat als Revisionsgericht hinzunehmen.
16
Soweit die Staatsanwaltschaft die Unvollständigkeit des Sachverhalts rügt, weil sich in der Tasche mit den Betäubungsmitteln auch ein Kurzmesser befunden habe, ist dieser Vortrag urteilsfremd und kann der Revision im Rahmen der Sachrüge - eine zulässige Verfahrensrüge hat die Staatsanwaltschaft insoweit nicht erhoben - nicht zum Erfolg verhelfen.
17
Schließlich erweisen sich auch die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts als rechtsfehlerfrei.
Becker Schäfer Mayer Gericke Spaniol

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Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 3 5 1 / 1 4
vom
30. September 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 30. September 2014
einstimmig beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 21. Februar 2014 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
In Ergänzung der Antragsschriften des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Die Rüge des Angeklagten A. , seine Ablehnungsgesuche gegen die erkennenden Richter seien zu Unrecht abgelehnt worden (Ziffer I.1. der Revisionsbegründung ), ist schon unzulässig, weil die Revision die dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter nicht mitteilt.
Die Rüge, sein Recht auf vollständige Akteneinsicht sei verletzt worden, weil ihm keine Einsicht in die Akten des Jobcenters gewährt worden sei (Ziffer I.2. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ), ist unbegründet, weil die Strafkammer diese Akten nicht beigezogen hat und folglich insoweit keine Akteneinsicht gewähren konnte und musste.
Die Rüge des Angeklagten A. , das Landgericht habe gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen, weil es den in einem Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls enthaltenen aufklärungsbedürftigen Anhaltspunkten nicht nachgegangen sei (Ziffer I.5. der Revisionsbegründung), ist unzulässig, weil die Revision nicht mitteilt, welche Beweiserhebungen die Strafkammer hätte durchführen sollen und zu welchem bestimmten Beweisergebnis diese geführt hätten. Letzteres gilt auch für die Aufklärungsrüge unter Ziffer I.6. der Revisionsbegründung. Ob der in dieser Rüge mitgeteilte Antrag auf Vernehmung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft mit rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt worden ist, bedarf keiner Entscheidung, weil die Beanstandung ausdrücklich als Aufklärungsrüge, nicht aber als Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO erhoben worden ist (zum Wahlrecht des Revisionsführers, die Ablehnung eines Beweisantrages mit der Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts oder / und mit der Aufklärungsrüge anzugreifen, vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - 3 StR 337/10, NStZ 2011, 471, 472; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 380).
Die Rüge des Angeklagten A. , sein Recht auf ein faires Verfahren und auf vollständige Akteneinsicht seien verletzt worden, weil ihm nicht die Einsicht in die Akten anderer Ermittlungsverfahren gegen ihn gewährt und das Verfahren nicht bis dahin ausgesetzt worden sei (Ziffer I.7. der Revisionsbegründung ) ist schon deshalb unzulässig, weil die Revision den zu diesem Antrag gehörenden Ablehnungsbeschluss der Strafkammer nicht mitteilt, sondern stattdessen - erneut - den Beschluss, mit dem der Aussetzungsantrag, der Gegenstand der Verfahrensrüge unter Ziffer I.6. der Revisionsbegründung ist, beschieden worden war.
Die Aufklärungsrüge des Angeklagten A. unter Ziffer I.8. der Revisionsbegründung ist unzulässig, weil die Revision nichts dazu vorträgt, was die Strafkammer zu der beantragten Beweiserhebung gedrängt haben könnte. Gleiches gilt für die vom Generalbundesanwalt nicht erörterte neunte Verfahrensbeanstandung , die aufgrund eines Zählfehlers des Verteidigers des Angeklagten ebenfalls mit der Ziffer I.8. versehen worden ist.
Die Rüge, der Antrag auf Vernehmung des Zeugen M. sei unter Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO mit unzureichender Begründung abgelehnt worden (Ziffer I.9. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ), ist unbegründet. Soweit die Strafkammer hierzu lediglich ausgeführt hat, die unter Beweis gestellte Tatsache stehe in keinem Zusammenhang mit der vorgeworfenen Tat, ist dies allerdings nicht rechtsbedenkenfrei: Die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit erfordert in aller Regel, dass der Beschluss konkrete Erwägungen darüber enthält, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indizoder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben ist (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 3 StR 135/13, NStZ 2014, 110 mwN). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt indes in Fällen, in denen die Bedeutungslosigkeit für jeden Verfahrensbeteiligten offensichtlich ist. So verhält es sich hier: Der Zeuge sollte bekunden, dass die Reparatur seines Fahrzeuges durch den Zeugen I. mangelhaft gewesen sei. Dass die durch den Zeugen I. durchgeführten Reparaturen Anlass zu Reklamationen geben konnten, hatte die Kammer indes bereits durch die Vernehmung des Schwagers des Angeklagten festgestellt. Angesichts dessen war offensichtlich, dass die Vernehmung des Zeugen - lediglich ein weiterer unzufriedener Kunde des I. - keinen Einfluss auf die Überzeugungsbildung der Strafkammer - auch nicht betreffend die Glaubwürdigkeit des Zeugen I. - haben konnte; die knappe Begründung der Strafkammer war deshalb ausreichend. Aus den gleichen Gründen würde das Urteil - wollte man die Begründung nicht ausreichen lassen - auf dem Verfahrensmangel nicht beruhen (vgl. zum Ganzen LR/Becker, aaO, § 244 Rn. 226 mwN).
Die Rüge unter Ziffer I.10. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ist ebenfalls unbegründet. Die Verteidigung hatte die Einholung eines fachpsychiatrischen/fachpsychologischen Sachverständigengutachtens dazu beantragt, dass der Angeklagte zur Tatzeit an einer bipolaren affektiven Störung sowie an pathologischer Spielsucht gelitten habe und deshalb seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit aufgehoben, jedenfalls aber erheblich eingeschränkt gewesen sei. Diesen Antrag habe die Strafkammer mit rechsfehlerhafter Begründung abgelehnt. In der Tat begegnet die Begründung des Landgerichts , die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei ein völlig ungeeignetes Beweismittel, weil es an Anknüpfungstatsachen fehle, erheblichen rechtlichen Bedenken: Bei der Beantwortung, ob ein Beweismittel völlig ungeeignet ist, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dies gilt auch für den Sachverständigenbeweis. Von völliger Ungeeignetheit kann deshalb etwa dann nicht ausgegangen werden, wenn der Sachverständige die erforderlichen Anknüpfungstatsachen aufgrund eigener Sachkunde selbst zu ermitteln vermag (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 1989 - 2 StR 541/89, StV 1990, 98, 99). Auch reicht es aus, wenn der Sachverständige hinsichtlich der Beweisfrage nur Möglichkeiten oder mehr oder weniger große Wahrscheinlichkeiten aufzeigen kann; denn auch solche Bekundungen eines Sachverständigen können Ein- fluss auf die Beweiswürdigung haben (LR/Becker, aaO, § 244 Rn. 239 mwN). Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist hier auch von einem Beweisantrag auszugehen. Mit der Nennung zweier Diagnosen, die der Sachverständige stellen soll, bezeichnet der Beweisantrag - schlagwortartig - Tatsachenbehauptungen , die über die bloße Schlussfolgerung der Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit hinausgehen. Auf einem etwaigen Verfahrensfehler beruht das Urteil indes nicht, weil ausgeschlossen werden kann, dass die Strafkammer - sachverständig beraten - zu der Überzeugung hätte gelangen können, der Angeklagte sei bei Begehung der Taten aufgrund einer bipolaren Störung und einer Spielsucht (je für sich oder in Kombination) in seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen: Aus dem von dem Angeklagten vorgelegten Attest ergibt sich, dass mit Blick auf die bipolare Störung depressive Erscheinungen imponieren, die im Zusammenhang mit dem gegen ihn geführten Strafverfahren stehen. Angesichts dessen kann insoweit eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit - für eine Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit ist angesichts des Krankheitsbildes ohnehin kein Raum - sicher ausgeschlossen werden. Auch "Pathologisches Spielen" oder "Spielsucht" stellt für sich genommen keine die Schuldfähigkeit erheblich einschränkende oder ausschließende krankhafte seelische Störung oder schwere andere seelische Abartigkeit dar. Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob der Betroffene durch seine "Spielsucht" gravierende psychische Veränderungen in seiner Persönlichkeit erfährt, die in ihrem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung gleichwertig sind. Nur wenn die "Spielsucht" zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen führt oder der Täter bei Beschaffungstaten unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat, kann ausnahmsweise eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB anzunehmen sein (BGH, Beschluss vom 17. September 2013 - 3 StR 209/13, juris Rn. 5 mwN). Solche Besonderheiten in der Persönlichkeit des Angeklagten sind nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Strafkammer - insbesondere auch mit Blick auf das planvolle Vorgehen des Angeklagten über einen längeren Zeitraum - nicht ersichtlich.
Die Rüge unter Ziffer I.11. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ist zulässig erhoben. Die in dem Ablehnungsbeschluss zitierte Anlage 5, deren Vortrag der Generalbundesanwalt vermisst, ist der Beweisantrag, den die Revision vollständig mitgeteilt hat. Die Rüge ist indes aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
Die von beiden Angeklagten erhobene Rüge, der Antrag auf erneute Vernehmung des Zeugen L. sei unter Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO mit unzureichender Begründung abgelehnt worden, ist unbegründet: Angesichts der rechtsfehlerfreien Ablehnung des Beweisbegehrens drängte auch unter Aufklärungsgesichtspunkten nichts zu der erneuten Vernehmung des Zeugen. Gleiches gilt hinsichtlich der unter Ziffer I.13. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. erhobenen Aufklärungsrüge. Auch insoweit hat die Strafkammer die Anträge des Angeklagten mit rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt; deshalb war sie nicht gedrängt, die Beweise gleichwohl zu erheben.
Hinsichtlich der Verfahrensbeanstandungen Ziffer I.14. und I.15. aus der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ist bereits die Stoßrichtung der Rügen unklar. Im Übrigen hat das Landgericht auch hier die Anträge der Verteidigung jeweils mit rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt.
Die Rüge unter Ziffer I.16. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ist unbegründet. Die Formulierung der Strafkammer, die Beweistatsache , dass das bei der Tat mitgeführte Messer sich bei zwei Kontrollen im März 2012 in der Ablage der Fahrertür befunden habe, lasse keinen Schluss darauf zu, wo sich das Messer während der Tat befunden habe, ist allerdings nicht rechtsbedenkenfrei, weil sich auch der Schluss hätte ziehen lassen, dem Angeklagten sei seine Einlassung, er habe das Messer erst nach der Tat in seine Jackentasche gesteckt, nicht zu widerlegen. Dem Beschluss lässt sich indes bei verständiger Würdigung entnehmen, dass die Kammer damit nur zum Ausdruck gebracht hat, dass das Beweisergebnis einen zwingenden Schluss nicht zulasse, sie den bloß möglichen Schluss aber nicht ziehen wollte.
Den Antrag auf Vernehmung einer Leumundszeugin (Ziffer I.17. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ) hat die Strafkammer zu Recht abgelehnt, weil sie sich zu der Beweiserhebung nicht gedrängt sehen musste. Angesichts der Vielzahl der Beweismittel, die die Aussage des Zeugen I. stützten, lag eine Situation "Aussage gegen Aussage" ohnehin nicht vor.
Becker Pfister RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 140/12
vom
20. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
20. September 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 29. September 2011 werden verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten hierdurch und durch das Rechtsmittel des Nebenklägers entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Der Nebenkläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die im Revisionsverfahren durch die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen jedoch die Staatskasse und der Nebenkläger je zur Hälfte. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger stützen ihre zu Unguns- ten des Angeklagten eingelegten Revisionen auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts; der Nebenkläger beanstandet zudem das Verfahren. Beide erstreben eine Verurteilung des Angeklagten auch wegen tateinheitlich hinzutretenden versuchten Totschlags. Der Nebenkläger ist außerdem der Meinung, dass das Landgericht den Angeklagten nicht der gefährlichen, sondern der schweren Körperverletzung hätte schuldig sprechen müssen. Sämtliche Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
2
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der sich unwohl fühlende Angeklagte nahm am Morgen des 20. Mai 2011 zwei Tabletten zu je 10 mg Diazepam ein. Um die Mittagszeit ging er zum Angeln. Nach seiner Rückkehr gegen 16.30 Uhr nahm er nochmals ein bis zwei dieser Tabletten zu sich und begab sich kurz darauf in eine Gaststätte, wo er Bier in nicht mehr feststellbarer Menge trank. Von dort ließ er sich zwischen 22.00 und 23.00 Uhr in bereits angetrunkenem Zustand mit dem Taxi zu einem Vereinslokal bringen. Das mittags eingesteckte Anglermesser, ein Klappmesser mit 7 cm langer Klinge, befand sich noch in seiner Hosentasche.
4
In dem Vereinslokal traf der Angeklagte auf den ihm flüchtig bekannten Nebenkläger. Dessen Cousin unterhielt, wie der Angeklagte wusste, eine Beziehung zu einer Frau C. , mit der sich der Angeklagte in seiner frühen Jugendzeit mehrfach getroffen hatte. Der Angeklagte trank Bier und Korn und unterhielt sich dabei über längere Zeit hinweg in freundschaftlicher Weise mit dem Nebenkläger. Auf wiederholte Versuche des Angeklagten, das Gespräch auf den Cousin und Frau C. zu lenken, reagierte der Nebenkläger indes abweisend. Hierdurch geriet der Angeklagte zunehmend "in Rage". Eine sich deswegen entwickelnde verbale Auseinandersetzung konnte ein anderer Gast durch beruhigendes Einwirken auf den Angeklagten zunächst beenden. Anschließend sprachen der Angeklagte und der Nebenkläger wiederum gemeinsam , zeitweise Arm in Arm an der Theke stehend, dem Alkohol zu.
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Gegen 2.00 Uhr flammte der Streit zwischen dem mittlerweile stark betrunkenen Angeklagten und dem Nebenkläger jedoch erneut auf. Der Nebenkläger wandte sich schließlich ab und ging zur Toilette. Als er den Gastraum wieder betrat, schnitt ihm der Angeklagte unvermittelt mit dem Anglermesser in die rechte Gesichtshälfte. Der Nebenkläger empfand dies wie einen Schlag, fiel zu Boden und versuchte wegzukrabbeln. Der Angeklagte folgte ihm und stach, ohne ein Wort zu äußern, über ihm stehend insgesamt dreizehn Mal wahllos im Bereich des Gesichts, der Schulter, des Rückens und des Gesäßes auf ihn ein. Anschließend lief er weg, ohne sich um den am Boden liegenden Verletzten zu kümmern. Ein Stich unterhalb des linken Schulterblatts drang mindestens 2,6 cm tief ein, eröffnete den Brustkorb, verletzte die Lunge und rief einen TeilPneumothorax hervor, der indes erfolgreich notfallmedizinisch behandelt werden konnte. Akute Lebensgefahr bestand nicht. Die weiteren Stiche, deren Tiefe das Landgericht nicht hat feststellen können, waren demgegenüber auch potentiell nicht lebensbedrohlich. Dem Nebenkläger verblieben vierzehn Narben im Rückenbereich, zwei davon aufgrund der bei der Notfallbehandlung angelegten Drainage, eine deutlich sichtbare 3 cm lange und ca. 0,5 cm breite Narbe an der rechten Wange sowie eine weitere von der Wange zum Halsbereich hinabführende Narbe im Gesicht.
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Infolge des genossenen Alkohols und der eingenommenen Medikamente war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit erheblich eingeschränkt. Gleichwohl erkannte der Angeklagte, dass die Messerstiche gegen den Nebenkläger allgemein geeignet waren, dessen Leben zu gefährden, da sie Körperhöhlen eröffnen, lebenswichtige innere Organe verletzen oder Arterien perforieren konnten.
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2. Demgegenüber hat sich das Landgericht nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte bei seinem Handeln mit tödlichen Verletzungen des Nebenklägers wenigstens rechnete und solche billigend in Kauf nahm. Seine Zweifel hieran gründet es auf die nachfolgenden Erwägungen:
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Zwar sei es zunächst ein deutliches, für einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz sprechendes Beweisanzeichen, dass der Angeklagte dem Nebenkläger insgesamt vierzehn, überwiegend gegen den Rumpfbereich gerichtete Messerstiche beigebracht habe, denn damit habe er Gewalthandlungen verübt, deren Lebensbedrohlichkeit allgemein bekannt sei. Insgesamt zeige der äußere Geschehensablauf jedoch auch Umstände auf, die gegen einen Tötungsvorsatz des Angeklagten sprächen. Diese seien mit in Bedacht zu nehmen, denn die Entscheidung über die innere Tatseite könne nicht allein anhand der Gefährlichkeit der Tathandlung getroffen werden, sondern erfordere eine umfassende Würdigung des gesamten objektiven und subjektiven Tatbildes.
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Eingeleitet habe der Angeklagte den Angriff mit einem Schnitt in die Wange des Nebenklägers, der für sich schon nicht als eine lebensbedrohliche Gewalthandlung angesehen werden könne. Von einem Einsatz des Messers gegen den Oberkörper des Nebenklägers habe er, obwohl möglich, abgesehen. Dies belege, dass es dem Angeklagten jedenfalls zunächst nur darum gegangen sei, dem Nebenkläger eine äußerlich sichtbare Verletzung beizubringen. Es sei aber auch nicht erweislich, dass der Angeklagte, als er anschließend auf den Körper des am Boden befindlichen Nebenklägers eingestochen habe, ent- gegen seiner ursprünglichen Willensrichtung nunmehr mit tödlichen Verletzungen des Nebenklägers gerechnet und solche billigend in Kauf genommen habe. Gegen einen solchen Vorsatzwechsel spreche einmal, dass die Stiche insgesamt unkoordiniert geblieben seien und sich auch gegen Körperteile gerichtet hätten, bei denen lebensbedrohliche Verletzungen nicht zu erwarten gewesen seien. Weiter habe die Länge der Messerklinge lediglich 7 cm betragen; nach deren Beschaffenheit sei auch die Einstichbreite verhältnismäßig gering geblieben. Zudem habe sich der Angeklagte einer bei einer Körpergröße von 1,76 m und einem Gewicht von 125 kg stark fettleibigen Person gegenüber gesehen, bei der vermehrt schützendes Fettgewebe zu erwarten gewesen sei. Schließlich sei, was den Stich in den Brustkorb betreffe, lediglich eine Tiefe von 2,6 cm sicher nachzuweisen; zugunsten des Angeklagten müsse davon ausgegangen werden, dass auch die anderen Stiche nicht tiefer reichten. Zumindest nicht für einen Tötungsvorsatz spreche, dass der Angeklagte die Tat ohne Sicherungstendenzen begangen, sich in einer alkoholenthemmten Atmosphäre spontan und ohne vorherige Planung zur Tat entschlossen und nicht über einen einsichtigen Beweggrund für die Tötung eines Menschen verfügt habe.
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Die Einlassung des Angeklagten bleibe unergiebig, denn dieser habe lediglich erklärt, sich an das Tatgeschehen nicht erinnern zu können. Ebenso wenig seien tatbegleitende Äußerungen des Angeklagten festzustellen, die einen Schluss auf seine Willensrichtung erlaubt hätten.
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II. Revision der Staatsanwaltschaft
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Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet, denn die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge deckt keine Rechtsfehler zugunsten oder zulasten (§ 301 StPO) des Angeklagten auf. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin begegnet die Beweiswürdigung, auf welcher die Überzeugung der Strafkammer gründet, es sei lediglich ein Körperverletzungs -, nicht aber ein auch nur bedingter Tötungsvorsatz festzustellen, keinen rechtlichen Bedenken.
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1. a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt , weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Da die Schuldformen des bedingten Vorsatzes und der bewussten Fahrlässigkeit im Grenzbereich eng beieinander liegen, müssen vor der Annahme bedingten Vorsatzes beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement , umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2010 - 3 StR 533/09, NStZ-RR 2010, 144, 145). Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage mit einzubeziehen sind (BGH, Urteile vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372).
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b) Kann der Tatrichter auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel an der subjektiven Tatseite nicht überwinden, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. April 2012 - 4 StR 599/11 mwN).
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c) Gleichermaßen Sache des Tatrichters ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- oder entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326). Dies muss insbesondere auch dann gelten, wenn der Tatrichter im Rahmen der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes Gewalthandlungen des Täters festgestellt hat, die für das Opfer objektiv lebensbedrohlich sind. Zwar hat der Bundesgerichtshof die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung als wesentlichen Indikator sowohl für das Wissens - als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes angesehen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443) und bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen das Vorliegen beider Elemente als naheliegend bezeichnet (BGH, Urteile vom 28. Januar 2010 - 3 StR 533/09, NStZ- RR 2010, 144; vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Tatrichter der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung bei der Prüfung der subjektiven Tatseite von Rechts wegen immer die ausschlaggebende indizielle Bedeutung beizumessen hätte. Darin läge vielmehr eine vom Einzelfall gelöste Festlegung des Beweiswerts und der Beweisrichtung eines im Zusammenhang mit derartigen Delikten immer wieder auftretenden Indizes, die einer unzulässigen Beweisregel nahekäme und deshalb dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) widerspräche.
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d) Nach alledem ist es bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes - nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise - aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven , für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten. Dies gilt auch für solche Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, die also dem Tatrichter, je nachdem, wie er sie im Einzelfall bewertet , rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen. So kann eine Alkoholbeeinflussung des Täters von Rechts wegen den Schluss auf eine verminderte Hemmschwelle gegenüber der Tötung eines Menschen oder auf fehlendes Bewusstsein von Umständen, die gegen einen tödlichen Ausgang des Geschehens sprechen, ebenso tragen wie umgekehrt den Schluss auf ein unüberlegtes Handeln, bei dem sich der Täter nahe liegender tödlicher Folgen nicht bewusst wird. Eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Der Tatrichter kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, den- selben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen, sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326).
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2. Daran gemessen ist gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts nichts zu erinnern. Sie beruht auf einer bewertenden Gesamtschau aller maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles. Die von der Strafkammer in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen sind weder lückenhaft, widersprüchlich oder unklar noch verstoßen sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze.
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Das Landgericht hat zunächst eine objektiv gefährliche Gewalthandlung des Angeklagten festgestellt und darin ein deutliches Indiz sowohl für das Wissens - als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes gesehen. Gleichwohl hat es sich im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung aller Tatumstände vom Vorliegen des - wie sich aus den Urteilsgründen hinreichend erschließt - erforderlichen Willenselementes nicht überzeugen können. Seine Zweifel hat es nicht nur auf die Beschaffenheit des verwendeten Messers gegründet , sondern auch darauf, dass der den Stichen gegen den Rumpf des Nebenklägers unmittelbar vorausgegangene Stich in die Wange offensichtlich nur von Verletzungsvorsatz getragen war, dass der Angeklagte die weiteren Stiche eher ungezielt führte, dass der Nebenkläger erkennbar über schützendes Fettgewebe verfügte und dass die nachweisbare Stichtiefe im Verhältnis zur Klingenlänge eher gering blieb, was ohne weiteres gegen wuchtig geführte Stiche spricht. Schließlich hat das Landgericht auch geprüft, ob die Motivlage, tatbegleitende Äußerungen oder Sicherungsmaßnahmen des Angeklagten zu einer anderen Beurteilung führen, und in diesem Zusammenhang Umstände, die für einen Tötungsvorsatz sprechen, rechtsfehlerfrei verneint.
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Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts hat das Landgericht in hinreichender Weise auch den Umstand in seine Betrachtung mit einbezogen, dass der Angeklagte unter dem Einfluss von Alkohol stand. In der Gesamtschau der Beweisanzeichen hat es die alkoholbedingte Enthemmung des Angeklagten als Hinweis auf eine unüberlegte Spontantat gesehen, die nicht für einen bedingten Tötungsvorsatz spreche. Diese tatrichterliche Bewertung ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Danach bedurfte es auch keiner besonderen Prüfung mehr, ob die Alkoholbeeinflussung - im Gegensatz dazu - deshalb ein den Angeklagten belastendes Indiz darstellt, weil er möglicherweise nicht mehr in der Lage war, die festgestellten gefahrmindernden Umstände zu erkennen, oder weil seine Hemmschwelle gegenüber der Tötung eines Menschen herabgesetzt gewesen sein könnte.
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III. Revision des Nebenklägers
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Auch die Revision des Nebenklägers bleibt ohne Erfolg.
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1. Die Rüge, das Landgericht habe seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO) dadurch verletzt, dass es davon absah, die in dem Vereinslokal zur Tatzeit als Bedienung tätige Zeugin Z. in der Hauptverhandlung zu vernehmen, ist unbegründet.
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a) Der Rüge liegt zugrunde: Die Zeugin war zum Hauptverhandlungstermin am 24. August 2008 trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Die Strafkammer beschloss zunächst die Vorführung der Zeugin, regte später aber an, stattdessen die Niederschriften über deren polizeiliche und richterliche Vernehmungen im Ermittlungsverfahren zu verlesen. Hiermit erklärten sich sämtliche Verfahrensbeteiligte einverstanden, weshalb die genannten Niederschriften nach entsprechendem Gerichtsbeschluss gemäß "§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO" verlesen wurden.
24
Nach Ansicht des Beschwerdeführers wäre das Landgericht gehalten gewesen, die Zeugin in der Hauptverhandlung zur Beschaffenheit der Tatwaffe zu vernehmen. Insoweit habe es sich ausweislich der Urteilsgründe ausschließlich auf die Einlassung des Angeklagten gestützt, der zwar geltend gemacht habe, sich an eine Auseinandersetzung mit dem Nebenkläger nicht erinnern zu können, aber eingeräumt habe, es könne sein, dass er sein Anglermesser mit orangefarbenem Griff und mit einer Klinge von ca. 7 cm Länge noch bei sich gehabt habe. Demgegenüber habe die Zeugin bei ihrer richterlichen Vernehmung ausgesagt, sie habe vor der Tat einen "gelb-silbernen" Gegenstand, nach ihrem Eindruck ein Klappmesser, "etwa 5 - 10 cm" aus der Hosentasche des Angeklagten herausragen gesehen. Wäre die Zeugin in der Hauptverhandlung vernommen worden, hätte sie - so der Beschwerdeführer - ausgesagt, dass es sich bei dem mitgeführten Messer nicht um das ihr bekannte orangefarbene Anglermesser des Angeklagten gehandelt habe, sondern um dessen ihr ebenfalls bekanntes gelbes, mit silbernen Verzierungen versehenes "Ausgehmesser". Dieses habe eine ca. 12 cm lange Klinge und diene dem Angeklagten nach eigenem Bekunden dazu, sich "Probleme vom Hals" zu halten.
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b) Anders als behauptet kann der Beschwerdeführer nicht aufzeigen, dass sich das Landgericht aufgrund des Inhalts der verlesenen Niederschriften dazu hätte gedrängt sehen müssen, durch Vernehmung der Zeugin weitere Ermittlungen zur Beschaffenheit der Tatwaffe anzustellen. Weder aus der Aussage der Zeugin bei der Polizei noch aus ihrer Aussage vor dem Ermittlungsrichter ergeben sich greifbare Anhaltspunkte dafür, dass sie Kenntnis davon gehabt hätte, über welche Messer der Angeklagte verfügte, wie diese im einzelnen beschaffen waren und wozu sie ihm dienten. Vor diesem Hintergrund ist das Landgericht nach Würdigung der Einlassung des Angeklagten und der Bekundungen der Zeugin zu dem revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Ergebnis gelangt, dass die der Zeugin mögliche Beschreibung der Tatwaffe der vom Angeklagten hierzu abgegebenen Erklärung nicht den Boden zu entziehen vermag.
26
2. Soweit der Beschwerdeführer mit der Sachrüge die Beweiswürdigung des Landgerichts zur inneren Tatseite des Angeklagten beanstandet, verweist der Senat auf die Ausführungen zur Revision der Staatsanwaltschaft (oben II.).
27
3. Die Rüge, das Landgericht hätte den Angeklagten statt der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) der schweren Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB) schuldig sprechen müssen, bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
28
IV. Revision des Angeklagten
29
Die Revision des Angeklagten ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Becker Schäfer Mayer
Gericke Spaniol

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.