Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 3 5 1 / 1 4
vom
30. September 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 30. September 2014
einstimmig beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 21. Februar 2014 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
In Ergänzung der Antragsschriften des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Die Rüge des Angeklagten A. , seine Ablehnungsgesuche gegen die erkennenden Richter seien zu Unrecht abgelehnt worden (Ziffer I.1. der Revisionsbegründung ), ist schon unzulässig, weil die Revision die dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter nicht mitteilt.
Die Rüge, sein Recht auf vollständige Akteneinsicht sei verletzt worden, weil ihm keine Einsicht in die Akten des Jobcenters gewährt worden sei (Ziffer I.2. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ), ist unbegründet, weil die Strafkammer diese Akten nicht beigezogen hat und folglich insoweit keine Akteneinsicht gewähren konnte und musste.
Die Rüge des Angeklagten A. , das Landgericht habe gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen, weil es den in einem Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls enthaltenen aufklärungsbedürftigen Anhaltspunkten nicht nachgegangen sei (Ziffer I.5. der Revisionsbegründung), ist unzulässig, weil die Revision nicht mitteilt, welche Beweiserhebungen die Strafkammer hätte durchführen sollen und zu welchem bestimmten Beweisergebnis diese geführt hätten. Letzteres gilt auch für die Aufklärungsrüge unter Ziffer I.6. der Revisionsbegründung. Ob der in dieser Rüge mitgeteilte Antrag auf Vernehmung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft mit rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt worden ist, bedarf keiner Entscheidung, weil die Beanstandung ausdrücklich als Aufklärungsrüge, nicht aber als Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO erhoben worden ist (zum Wahlrecht des Revisionsführers, die Ablehnung eines Beweisantrages mit der Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts oder / und mit der Aufklärungsrüge anzugreifen, vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - 3 StR 337/10, NStZ 2011, 471, 472; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 380).
Die Rüge des Angeklagten A. , sein Recht auf ein faires Verfahren und auf vollständige Akteneinsicht seien verletzt worden, weil ihm nicht die Einsicht in die Akten anderer Ermittlungsverfahren gegen ihn gewährt und das Verfahren nicht bis dahin ausgesetzt worden sei (Ziffer I.7. der Revisionsbegründung ) ist schon deshalb unzulässig, weil die Revision den zu diesem Antrag gehörenden Ablehnungsbeschluss der Strafkammer nicht mitteilt, sondern stattdessen - erneut - den Beschluss, mit dem der Aussetzungsantrag, der Gegenstand der Verfahrensrüge unter Ziffer I.6. der Revisionsbegründung ist, beschieden worden war.
Die Aufklärungsrüge des Angeklagten A. unter Ziffer I.8. der Revisionsbegründung ist unzulässig, weil die Revision nichts dazu vorträgt, was die Strafkammer zu der beantragten Beweiserhebung gedrängt haben könnte. Gleiches gilt für die vom Generalbundesanwalt nicht erörterte neunte Verfahrensbeanstandung , die aufgrund eines Zählfehlers des Verteidigers des Angeklagten ebenfalls mit der Ziffer I.8. versehen worden ist.
Die Rüge, der Antrag auf Vernehmung des Zeugen M. sei unter Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO mit unzureichender Begründung abgelehnt worden (Ziffer I.9. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ), ist unbegründet. Soweit die Strafkammer hierzu lediglich ausgeführt hat, die unter Beweis gestellte Tatsache stehe in keinem Zusammenhang mit der vorgeworfenen Tat, ist dies allerdings nicht rechtsbedenkenfrei: Die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit erfordert in aller Regel, dass der Beschluss konkrete Erwägungen darüber enthält, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indizoder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben ist (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 3 StR 135/13, NStZ 2014, 110 mwN). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt indes in Fällen, in denen die Bedeutungslosigkeit für jeden Verfahrensbeteiligten offensichtlich ist. So verhält es sich hier: Der Zeuge sollte bekunden, dass die Reparatur seines Fahrzeuges durch den Zeugen I. mangelhaft gewesen sei. Dass die durch den Zeugen I. durchgeführten Reparaturen Anlass zu Reklamationen geben konnten, hatte die Kammer indes bereits durch die Vernehmung des Schwagers des Angeklagten festgestellt. Angesichts dessen war offensichtlich, dass die Vernehmung des Zeugen - lediglich ein weiterer unzufriedener Kunde des I. - keinen Einfluss auf die Überzeugungsbildung der Strafkammer - auch nicht betreffend die Glaubwürdigkeit des Zeugen I. - haben konnte; die knappe Begründung der Strafkammer war deshalb ausreichend. Aus den gleichen Gründen würde das Urteil - wollte man die Begründung nicht ausreichen lassen - auf dem Verfahrensmangel nicht beruhen (vgl. zum Ganzen LR/Becker, aaO, § 244 Rn. 226 mwN).
Die Rüge unter Ziffer I.10. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ist ebenfalls unbegründet. Die Verteidigung hatte die Einholung eines fachpsychiatrischen/fachpsychologischen Sachverständigengutachtens dazu beantragt, dass der Angeklagte zur Tatzeit an einer bipolaren affektiven Störung sowie an pathologischer Spielsucht gelitten habe und deshalb seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit aufgehoben, jedenfalls aber erheblich eingeschränkt gewesen sei. Diesen Antrag habe die Strafkammer mit rechsfehlerhafter Begründung abgelehnt. In der Tat begegnet die Begründung des Landgerichts , die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei ein völlig ungeeignetes Beweismittel, weil es an Anknüpfungstatsachen fehle, erheblichen rechtlichen Bedenken: Bei der Beantwortung, ob ein Beweismittel völlig ungeeignet ist, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dies gilt auch für den Sachverständigenbeweis. Von völliger Ungeeignetheit kann deshalb etwa dann nicht ausgegangen werden, wenn der Sachverständige die erforderlichen Anknüpfungstatsachen aufgrund eigener Sachkunde selbst zu ermitteln vermag (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 1989 - 2 StR 541/89, StV 1990, 98, 99). Auch reicht es aus, wenn der Sachverständige hinsichtlich der Beweisfrage nur Möglichkeiten oder mehr oder weniger große Wahrscheinlichkeiten aufzeigen kann; denn auch solche Bekundungen eines Sachverständigen können Ein- fluss auf die Beweiswürdigung haben (LR/Becker, aaO, § 244 Rn. 239 mwN). Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist hier auch von einem Beweisantrag auszugehen. Mit der Nennung zweier Diagnosen, die der Sachverständige stellen soll, bezeichnet der Beweisantrag - schlagwortartig - Tatsachenbehauptungen , die über die bloße Schlussfolgerung der Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit hinausgehen. Auf einem etwaigen Verfahrensfehler beruht das Urteil indes nicht, weil ausgeschlossen werden kann, dass die Strafkammer - sachverständig beraten - zu der Überzeugung hätte gelangen können, der Angeklagte sei bei Begehung der Taten aufgrund einer bipolaren Störung und einer Spielsucht (je für sich oder in Kombination) in seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen: Aus dem von dem Angeklagten vorgelegten Attest ergibt sich, dass mit Blick auf die bipolare Störung depressive Erscheinungen imponieren, die im Zusammenhang mit dem gegen ihn geführten Strafverfahren stehen. Angesichts dessen kann insoweit eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit - für eine Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit ist angesichts des Krankheitsbildes ohnehin kein Raum - sicher ausgeschlossen werden. Auch "Pathologisches Spielen" oder "Spielsucht" stellt für sich genommen keine die Schuldfähigkeit erheblich einschränkende oder ausschließende krankhafte seelische Störung oder schwere andere seelische Abartigkeit dar. Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob der Betroffene durch seine "Spielsucht" gravierende psychische Veränderungen in seiner Persönlichkeit erfährt, die in ihrem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung gleichwertig sind. Nur wenn die "Spielsucht" zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen führt oder der Täter bei Beschaffungstaten unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat, kann ausnahmsweise eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB anzunehmen sein (BGH, Beschluss vom 17. September 2013 - 3 StR 209/13, juris Rn. 5 mwN). Solche Besonderheiten in der Persönlichkeit des Angeklagten sind nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Strafkammer - insbesondere auch mit Blick auf das planvolle Vorgehen des Angeklagten über einen längeren Zeitraum - nicht ersichtlich.
Die Rüge unter Ziffer I.11. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ist zulässig erhoben. Die in dem Ablehnungsbeschluss zitierte Anlage 5, deren Vortrag der Generalbundesanwalt vermisst, ist der Beweisantrag, den die Revision vollständig mitgeteilt hat. Die Rüge ist indes aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
Die von beiden Angeklagten erhobene Rüge, der Antrag auf erneute Vernehmung des Zeugen L. sei unter Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO mit unzureichender Begründung abgelehnt worden, ist unbegründet: Angesichts der rechtsfehlerfreien Ablehnung des Beweisbegehrens drängte auch unter Aufklärungsgesichtspunkten nichts zu der erneuten Vernehmung des Zeugen. Gleiches gilt hinsichtlich der unter Ziffer I.13. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. erhobenen Aufklärungsrüge. Auch insoweit hat die Strafkammer die Anträge des Angeklagten mit rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt; deshalb war sie nicht gedrängt, die Beweise gleichwohl zu erheben.
Hinsichtlich der Verfahrensbeanstandungen Ziffer I.14. und I.15. aus der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ist bereits die Stoßrichtung der Rügen unklar. Im Übrigen hat das Landgericht auch hier die Anträge der Verteidigung jeweils mit rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt.
Die Rüge unter Ziffer I.16. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ist unbegründet. Die Formulierung der Strafkammer, die Beweistatsache , dass das bei der Tat mitgeführte Messer sich bei zwei Kontrollen im März 2012 in der Ablage der Fahrertür befunden habe, lasse keinen Schluss darauf zu, wo sich das Messer während der Tat befunden habe, ist allerdings nicht rechtsbedenkenfrei, weil sich auch der Schluss hätte ziehen lassen, dem Angeklagten sei seine Einlassung, er habe das Messer erst nach der Tat in seine Jackentasche gesteckt, nicht zu widerlegen. Dem Beschluss lässt sich indes bei verständiger Würdigung entnehmen, dass die Kammer damit nur zum Ausdruck gebracht hat, dass das Beweisergebnis einen zwingenden Schluss nicht zulasse, sie den bloß möglichen Schluss aber nicht ziehen wollte.
Den Antrag auf Vernehmung einer Leumundszeugin (Ziffer I.17. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ) hat die Strafkammer zu Recht abgelehnt, weil sie sich zu der Beweiserhebung nicht gedrängt sehen musste. Angesichts der Vielzahl der Beweismittel, die die Aussage des Zeugen I. stützten, lag eine Situation "Aussage gegen Aussage" ohnehin nicht vor.
Becker Pfister RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 337/10
vom
13. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Januar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 3. Mai 2010 wird verworfen. 2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.


1
Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten vorgeworfen, er sei am 11. März 2009 gegen 20.40 Uhr in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit zwei unbekannten Personen in einem von ihm gesteuerten Pkw zu einer Tankstelle in S. gefahren, um diese zu überfallen. Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend habe er im Pkw gewartet, während sich seine Mittäter in die Tankstelle begeben und die dort anwesende Kassiererin mit einem Elektroschockgerät bedroht hätten, weshalb sich diese der Mitnahme der Kasse mit 1.457 € Bargeld nicht widersetzt habe. Anschließend habe der Angeklagte die beiden Unbekannten wieder in den Pkw aufgenommen und sei mit ihnen geflohen. Die Beute habe man unter sich aufgeteilt.
2
Das Landgericht hat den Angeklagten von diesem Vorwurf des besonders schweren Raubes freigesprochen. Es hat zwar einen äußeren Geschehensablauf wie in der Anklage beschrieben festgestellt, sich aber nicht davon überzeugen können, dass es der Angeklagte war, der als der dritte Täter das Fluchtfahrzeug steuerte. Wohl gebe es Beweisanzeichen für die Täterschaft des schweigenden Angeklagten. Neben dem Standort des Fluchtfahrzeugs sei ein "frischer" Zigarettenrest mit DNA-Spuren nach dem Muster des Angeklagten sichergestellt worden, außerdem hätten zwei Zeugen das Fluchtfahrzeug als dunkel und mit kurzem Heck beschrieben, was auf den Pkw des Angeklagten zutreffe. Indes blieben bei zusammenfassender Würdigung Zweifel deshalb, weil sich der Fundort des Zigarettenrests, dessen genaue Altersbestimmung nicht möglich sei, neben der örtlichen Durchgangsstraße befinde, so dass der Angeklagte ihn auch im Vorbeifahren weggeworfen haben könnte. Die auf eine Vielzahl von Fahrzeugen zutreffende Beschreibung des Pkw habe ohnehin nur sehr geringen Beweiswert.
3
Gegen den Freispruch wendet sich die auf die Sachrüge und eine Verfahrensrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

II.


4
Die Rüge, das Landgericht habe es zu Unrecht abgelehnt, die beim Diensteanbieter (§ 3 Nr. 6 Buchst. a TKG) erhobenen Verkehrsdaten des Mobiltelefons des Angeklagten für den Zeitraum der Tat in die Hauptverhandlung einzuführen, ist unzulässig.
5
1. Der Rüge liegt zugrunde:
6
Am 11. Juni 2009 ordnete das Amtsgericht Verden im Ermittlungsverfahren die Erhebung der beim Diensteanbieter gespeicherten Verkehrsdaten des Mobiltelefonanschlusses des Angeklagten (§ 3 Nr. 30 TKG) für den Zeitraum 11. März 2009, 00.00 Uhr bis 24.00 Uhr, an. Am 23. Juni 2009 übermittelte der Diensteanbieter die entsprechenden Daten an die zuständige Polizeibehörde und teilte mit, die Auskunft enthalte "sämtliche Daten, die gemäß § 113a TKG seit dem 01. 01. 2008 für 180 Tage erhoben und gespeichert werden".
7
In der Hauptverhandlung am 30. April 2010 beantragte die Staatsanwaltschaft , zum Beweis dafür, dass der Angeklagte "sich am 11. März 2009 zwischen 20.00 Uhr und 21.25 Uhr dem Tatort näherte und sich … um 20.25 Uhr … im Bereich des Tatorts befand …", im Wege des Urkundenbeweises die vom Diensteanbieter in einer Datei übermittelten Verkehrsdaten zu verlesen oder im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung einzuführen, "hilfsweise den zuständigen Sachbearbeiter" zu vernehmen. Das Landgericht wies den Antrag mit Beschluss vom 3. Mai 2010 zurück. Die beantragte Beweiserhebung sei unzulässig, denn die erhobenen Standortdaten seien aus Rechtsgründen nicht verwertbar. Das Bundesverfassungsgericht habe mit Urteil vom 2. März 2010 (1 BvR 256/08 u.a., NJW 2010, 833) die §§ 113a, 113b TKG insgesamt und § 100g StPO insoweit für nichtig erklärt, als nach § 113a TKG gespeicherte Verkehrsdaten erhoben werden dürfen. Damit scheide auch die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts durch Beschluss vom 11. März 2008 (1 BvR 256/08, BVerfGE 121, 1; im Folgenden bis zur Entscheidung in der Hauptsache verlängert) als wirksame Rechtsgrundlage für die Erhebung der Daten aus. Nach Abwägung der Interessen der Strafverfolgung und des individuellen Grundrechtsschutzes des Angeklagten (Art. 10 Abs. 1 GG) sei ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen.
8
2. Gegen die Ablehnung ihres Antrags wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Aufklärungsrüge (a). Diese genügt nicht den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (b).
9
a) Ist ein Beschwerdeführer der Ansicht, der Tatrichter habe einen Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt, so steht es ihm grundsätzlich frei, entweder die Verletzung des Beweisantragsrechts zu rügen oder geltend zu machen, das Gericht habe durch die Nichterhebung des Beweises seine aus § 244 Abs. 2 StPO folgende Aufklärungspflicht verletzt (BGH, Urteil vom 25. März 1998 - 3 StR 686/97, NJW 1998, 2229; Urteil vom 11. September 1997 - 4 StR 287/97, NStZ 1998, 79; Urteil vom 18. Januar 1984 - 2 StR 360/83, NStZ 1984, 329). Hier hat sich die Beschwerdeführerin für eine Aufklärungsrüge entschieden. Sie verweist darauf, dass das Landgericht die beantragte Beweiserhebung von Amts wegen hätte vornehmen müssen, und bezeichnet § 244 Abs. 2 StPO als verletzt. Für die Erhebung der Aufklärungsrüge spricht im Übrigen auch, dass es zumindest zweifelhaft erscheint, ob der Antrag vom 30. April 2010 überhaupt als Beweisantrag zu werten ist, denn zum einen spricht das genannte Beweisthema (Aufenthalt des Angeklagten zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts ) eher für die Darlegung eines Beweisziels als für die konkrete Behauptung eines Beweisertrags, der durch die Nutzung der benannten Beweismittel unmittelbar erlangt werden kann; zum anderen teilt der Antrag nicht mit, beim Eintritt welcher Bedingung der "hilfsweise" benannte - weder nach Namen noch nach Funktion näher individualisierte - Zeuge vernommen werden soll.
10
b) Die Erhebung einer zulässigen Aufklärungsrüge setzt unter anderem voraus, dass der Beschwerdeführer die Umstände mitteilt, aufgrund derer sich der Tatrichter zu der beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 81 mwN). Wird beanstandet, dass eine Urkunde nicht verlesen oder im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist, so ist es daher in aller Regel erforderlich , dass die Revision den Wortlaut der Urkunde wiedergibt (Becker in: Löwe -Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 368 mwN); denn nur dann ist das Revisionsgericht in der Lage zu prüfen, ob sich das Tatgericht aufgrund seiner Aufklärungspflicht zur Beweisaufnahme über den Urkundeninhalt hätte gedrängt sehen müssen.
11
Danach entspricht die von der Beschwerdeführerin erhobene Aufklärungsrüge nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Beschwerdeführerin teilt den Wortlaut der Urkunde, deren Verlesung sie vermisst, nicht mit. Es entzieht sich deshalb einer Überprüfung durch den Senat, ob die Verlesung überhaupt zur Sachaufklärung hätte beitragen können (vgl. MeyerGoßner aaO Rn. 13).
12
Die Darstellung des Urkundeninhalts war hier auch nicht etwa deswegen entbehrlich, weil "hilfsweise" die Vernehmung eines Zeugen zum selben Beweisthema beantragt worden war; denn dieser sollte ersichtlich allein Angaben zu der in der Urkunde enthaltenen Auskunft des Diensteanbieters machen.
13
Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin auch nicht den Inhalt des Beschlusses vom 11. Juni 2009 mitteilt, durch den das Amtsgericht Verden die Erhebung der Verkehrsdaten angeordnet hatte. Auch dies wäre erforderlich gewesen. Das Landgericht musste sich nur dann zur Einführung der Verkehrsdaten in die Hauptverhandlung gedrängt sehen, wenn diese unter den gesetzlichen Voraussetzungen nach Maßgabe der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts rechtmäßig erhoben worden und daher verwertbar waren. Ohne Kenntnis des Anordnungsbeschlusses vermag der Senat dies eben- falls nicht zu prüfen. Zwar hat die Revision den Ablehnungsbeschluss des Landgerichts vom 3. Mai 2010 vorgelegt, in dem sich Ausführungen zum Inhalt des Anordnungsbeschlusses finden. Dem Senat ist aber nicht erkennbar, ob sich der Wortlaut der Anordnung in dem dort wiedergegebenen Inhalt erschöpft. Sollte das der Fall sein, wäre ihm mangels hinreichender Begründung der Anordnung und fehlender Prüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses durch das Landgericht deren eigenständige Beurteilung im Revisionsverfahren nicht möglich. In diesem Falle hätte die Beschwerdeführerin zusätzlich den Ermittlungsstand zum Zeitpunkt der Anordnung mitteilen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2002 - 3 StR 122/02, BGHSt 47, 362, 365 ff.).

III.


14
Die Überprüfung des Urteils auf die in allgemeiner Form erhobene Sachrüge lässt keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten erkennen.
Becker von Lienen Hubert
Schäfer Mayer

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 135/13
vom
1. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
zu 2.: Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 4. auf dessen Antrag - am
1. Oktober 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 19. Oktober 2012, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten Sch. wir das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II.1 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die insoweit getroffenen Feststellungen aufrecht erhalten. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehende Revision des Angeklagten Sch. wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Den Angeklagten Sch. hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen wenden sich die Revisionen der Beschwerdeführer. Der Angeklagte S. erhebt mehrere Verfahrensbeanstandungen und rügt die Verletzung materiellen Rechts; der Angeklagte Sch. erhebt die allgemeine Sachrüge.

I.


2
Die Revision des Angeklagten S. hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Dieser liegt zugrunde:
3
Die Strafkammer hat festgestellt, dass der Angeklagte als Mittäter zusammen mit dem Mitangeklagten J. in Österreich mindestens 1,5 kg Heroin erworben und diese durch einen Kurier nach Deutschland habe bringen lassen, wo sie gewinnbringend verkauft werden sollten. Von dem Umstand, dass sich in dem "kofferartigen Behältnis", das die Angeklagten in Österreich übernommen und an den Kurier übergeben hätten, Heroin befunden habe, hat sich das Landgericht - da trotz polizeilicher Überwachung die observierenden Beamten die Betäubungsmittel nicht gesehen hätten - insbesondere dadurch überzeugt, dass der Mitangeklagte J. zeitnah zu dieser Fahrt nach Österreich nur sechs Tage später dem gesondert Verfolgten M. ca. 500 Gramm Heroin zum Verkauf an Drittabnehmer und zum teilweisen Eigenkonsum überbracht habe. Der Mitangeklagte J. hat dazu erklärt, das Heroin habe zwar ihm gehört, aber nicht aus Österreich gestammt.
4
Vor diesem Hintergrund beanstandet der Angeklagte S. zu Recht, das Landgericht habe einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).
5
1. Der Angeklagte S. hat in der Hauptverhandlung unter anderem beantragt, Telefonate, aufgezeichnete Innenraumgespräche aus dem vom Mitangeklagten J. genutzten PKW sowie GPS-Aufzeichnungen für diesen PKW in Augenschein zu nehmen, zum Beweis der Tatsache, dass der Mitangeklagte J. schon vor der Fahrt nach Österreich ein Treffen mit einem Betäubungsmittellieferanten in Rotterdam vereinbart hatte, er nach der Wiedereinreise aus Österreich von Augsburg aus direkt nach Rotterdam gefahren sei, dass er selbst, der Angeklagte S. , sich bei dieser Fahrt nicht in dem Auto befunden habe, und dass der Mitangeklagte J. von Rotterdam aus direkt zu der Adresse in Emstek gefahren sei, die auch der Kurier aus Österreich angesteuert habe. Erklärtes Beweisziel dieses Antrages war es, eine gleichwertige Alternative zu der von der Strafkammer angenommenen Indizienkette dergestalt aufzuzeigen, dass der Mitangeklagte J. das Heroin auch in Rotterdam - und damit ohne Beteiligung des Angeklagten S. - erworben und von dort in die Bundesrepublik eingeführt haben könnte.
6
Das Landgericht hat diesen Beweisantrag mit folgender Begründung als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos zurückgewiesen: "Ob J. auch an- dere Möglichkeiten hatte, sich Heroin zu beschaffen, ist kein zwingender Schluss dafür, dass das sichergestellte Heroin nicht auch aus der 'ÖsterreichFahrt' stammen kann."
7
2. Diese Begründung trägt die Zurückweisung des Beweisantrags nicht.
8
Zwar ist es dem Tatgericht grundsätzlich nicht verwehrt, Indiz- oder Hilfstatsachen als für die Entscheidung bedeutungslos zu betrachten, wenn es aus diesen eine mögliche Schlussfolgerung, die der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Tatsache so, als sei sie erwiesen , in das aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme erlangte Beweisergebnis einzustellen und im Wege einer prognostischen Betrachtung zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung - gegebenenfalls in Anwendung des Zweifelssatzes - in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220).
9
Der Beschluss, mit dem das Tatgericht die Erhebung eines Beweises wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache ablehnt, hat zum einen den Antragsteller sowie die weiteren Prozessbeteiligten so weit über die Auffassung des Gerichts zu unterrichten, dass diese sich auf die neue Verfahrenslage einstellen und gegebenenfalls noch in der Hauptverhandlung das Gericht von der Erheblichkeit der Beweistatsache überzeugen oder aber neue Anträge mit demselben Beweisziel stellen können; zum anderen muss er dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob der Beweisantrag rechtsfehlerfrei zurückgewiesen worden ist und ob die Feststellungen und Erwägungen des Ablehnungsbeschlusses mit denjenigen des Urteils übereinstimmen. Deshalb ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Januar 2000 - 3 StR 410/99, NStZ 2000, 267, 268; vom 7. April 2011 - 3 StR 497/10, NStZ 2011, 713, 714). Nach diesen Maßstäben erweist es sich in aller Regel als rechtsfehlerhaft , wenn die Ablehnung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit allein auf die inhaltsleere Aussage gestützt wird, die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache lasse keinen zwingenden sondern lediglich einen möglichen Schluss zu, den das Gericht nicht ziehen wolle (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2006 - 4 StR 251/06, NStZ-RR 2007, 84, 85; LR/Becker, aaO, § 244 Rn. 225).
10
So verhält es sich hier. Die Strafkammer hat keine konkreten Erwägungen mitgeteilt, aufgrund derer sie das von ihr bisher gefundene Beweisergebnis - das Heroin stammte aus Österreich - durch die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht als erschüttert angesehen hat. In der pauschalen Begründung, weitere Beschaffungsmöglichkeiten des Mitangeklagten J. ließen keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass das Heroin nicht doch - und damit unter Beteiligung des Angeklagten S. - in Österreich erworben worden sei, liegt - wie dargelegt - ein Rechtsfehler, der vorliegend umso schwerer wiegt, weil der Angeklagte erklärtermaßen mit seinem Beweisantrag nur Tatsachen aufzeigen wollte, die einen nach seinem Vortrag gleichwertigen möglichen Schluss auf ein anderes, für ihn günstigeres Geschehen - der Mitangeklagte habe die Betäubungsmittel allein in den Niederlanden erworben - erlauben sollten. Das Landgericht hätte deshalb - gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes "in dubio pro reo" - konkret darlegen müssen, warum die aufgezeigte andere Beschaffungsmöglichkeit seine ebenfalls nur auf Indizien beruhende Schluss- folgerung, das Heroin stamme aus Österreich, nicht in entscheidungserheblicher Weise entkräften konnte. Dies gilt hier insbesondere, weil der in der Beweiswürdigung als bedeutsam herangezogene enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Beschaffung und Einfuhr einerseits und der Sicherstellung der Betäubungsmittel andererseits in beiden Sachverhaltsalternativen gleichermaßen bestand.
11
3. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Weder vermag der Senat zu prüfen, ob das Landgericht im Rahmen seiner ihm obliegenden antizipierenden Würdigung den unter Beweis gestellten Behauptungen rechtsfehlerfrei keine Bedeutung zugemessen hat, noch kann ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller sein Prozessverhalten auf eine den Anforderungen entsprechende Begründung des Ablehnungsbeschlusses in einer für den Schuldspruch erheblichen Weise hätte einrichten können.

II.


12
Die Revision des Angeklagten Sch. hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
13
1. Im Fall II.1 der Urteilsgründe hält die tateinheitlich ausgesprochene Verurteilung wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
14
Das Landgericht hat insoweit festgestellt, der Angeklagte Sch. sei im April 2011 zusammen mit dem Mitangeklagten J. nach Rotterdam gefahren, wo dieser von seinem Lieferanten für 26.000 € ein Kilogramm Kokain erworben habe. Diese Betäubungsmittel hätten sie selbst oder - "was wahrscheinlicher sein dürfte" - unter Einschaltung eines unbekannt gebliebenen Kuriers am frühen Morgen des Folgetages in die Bundesrepublik eingeführt. Der Angeklagte Sch. habe dem Mitangeklagten J. durch seine Anwesenheit Sicherheit bei dem Geldtransport vermittelt und ihm geholfen, den Eindruck einer unverdächtigen Urlaubsreise zu erwecken.
15
Diese Feststellungen tragen zwar die Verurteilung wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, nicht aber die wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Voraussetzung der Strafbarkeit wegen Beihilfe zu einer Straftat ist, dass der Gehilfe durch eine Handlung die Verwirklichung des Tatbestandes durch den Haupttäter objektiv fördert (SSW-StGB/Murmann, 1. Aufl., § 27 Rn. 3). Dies wird indes durch die Feststellungen nicht belegt. Da die Strafkammer sich nicht davon hat überzeugen können, dass der Angeklagte Sch. zusammen mit dem Mitangeklagten J. das in Rotterdam übernommene Kokain selbst in die Bundesrepublik Deutschland einführte - anders ist die Wendung, dass die Einfuhr durch einen unbekannt gebliebenen Kurier wahrscheinlicher sei, nicht zu verstehen - hätte es konkreter Feststellungen dazu bedurft, dass und gegebenenfalls durch welche Handlung der Angeklagte Sch. die mittels eines Kuriers vollzogene Einfuhrtat des Mitangeklagten J. gefördert haben könnte. Daran fehlt es.
16
2. Der Senat schließt angesichts des in dem angefochtenen Urteil mitgeteilten Beweisergebnisses aus, dass in einem neuen Rechtsgang insoweit wei- tere, den Angeklagten Sch. belastende Feststellungen getroffen werden könnten, und ändert den Schuldspruch entsprechend. Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs nötigt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafe, weil diese aus dem nach § 27, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG bemessen worden ist. Die Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II.1 der Urteilsgründe bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Die hierzu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können jedoch bestehen bleiben; das neue Tatgericht kann insoweit weitere, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen treffen.
Becker RiBGH Hubert und RiBGH Mayer befinden sich im Urlaub und sind daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

5
Auch "Pathologisches Spielen" oder "Spielsucht" stellt für sich genommen keine die Schuldfähigkeit erheblich einschränkende oder ausschließende krankhafte seelische Störung oder schwere andere seelische Abartigkeit dar. Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob der Betroffene durch seine "Spielsucht" gravierende psychische Veränderungen in seiner Persönlichkeit erfährt, die in ihrem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung gleichwertig sind. Nur wenn die "Spielsucht" zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen führt oder der Täter bei Beschaffungstaten unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat, kann ausnahmsweise eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB anzunehmen sein (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2004 - 5 StR 411/04, BGHSt 49, 365, 369 ff.; Beschluss vom 9. Oktober 2012 - 2 StR 297/12, NJW 2013, 181 f., je mwN).

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.