Bundesgerichtshof Urteil, 20. März 2014 - 3 StR 424/13

bei uns veröffentlicht am20.03.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 4 2 4 / 1 3
vom
20. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. März
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 7. August 2013 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu der Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass zwei Jahre und sechs Monate der Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet - insoweit nicht näher ausgeführt - das Verfahren.
2
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts tragen die Feststellungen des Landgerichts die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes (§§ 211, 22 StGB).
3
1. Der Angeklagte unterhielt eine Beziehung zu der getrennt von ihm auf derselben Etage wohnhaften Nebenklägerin. Am Abend des 9. November 2012 kam es in der Wohnung des Angeklagten zu einem Streitgespräch, in dessen Verlauf die Nebenklägerin den insoweit uneinsichtigen Angeklagten erfolglos drängte, sich seiner Alkohol- und Aggressionsprobleme anzunehmen. Gegen 0.30 Uhr wollte die Nebenklägerin die Wohnung des Angeklagten verlassen. Dies verhinderte der alkoholisierte Angeklagte, indem er die bereits an der Tür befindliche Nebenklägerin an den Haaren zurückzog, sie im Wohnzimmer auf die Couch warf und sich auf sie setzte. Nunmehr entschlossen, die Nebenklägerin "durch anhaltendes Würgen zu quälen und sie sodann zu töten", begann der Angeklagte, sie mit beiden Händen am Hals zu würgen. Unter Todesdrohungen drückte er ihr über geraume Zeit hinweg in einer Vielzahl von Fällen den Hals bzw. den Kehlkopf zu, bis sie erschlaffte, und lockerte dann jeweils seinen Griff, um sie wieder zu Bewusstsein gelangen zu lassen. Hierdurch wollte der Angeklagte der Nebenklägerin besondere Leiden zufügen und "den Tötungsprozess hinauszögern".
4
Als es der Nebenklägerin gelang, ein Mobiltelefon zu ergreifen, äußerte der Angeklagte, nun sei sie "wirklich dran". Unter der Drohung, heute werde sie sterben, drückte er ihr mit seinen Knien ein Kissen auf das Gesicht, bis sie in Atemnot geriet. Auf ihr sitzend und ihr den Mund zuhaltend meldete er sich sodann telefonisch bei seiner Arbeitsstelle krank. Hierzu erklärte er der Nebenklägerin , er habe sich jetzt Zeit genommen, um sie weiter zu quälen; "dich wird eh keiner so fünf Tage vermissen." Auf ihre Frage, warum er kein Messer nehme , antwortete er, dass es damit keinen Spaß mache, er werde sie mit einem Messer entstellen und dann töten. Aus der Küche holte er Paketklebeband und fesselte damit die nun auf dem Boden liegende Nebenklägerin an Armen und Beinen.
5
Anschließend trank der Angeklagte zwei Flaschen Weißwein, eine davon nahezu in einem Zug. Darauf setzte er sich hin und schlief unwillkürlich ein. Die Nebenklägerin, die dies bemerkt hatte, konnte sich befreien und gegen 4.45 Uhr die Wohnung des Angeklagten verlassen.
6
2. Danach hatte der Angeklagte, bevor die weitere Ausführung seines Vorhabens infolge seines Einschlafens und der Flucht der Nebenklägerin fehlschlug , nach seiner Vorstellung bereits unmittelbar zu einer auf Verwirklichung seiner Tötungsabsicht gerichteten Handlung angesetzt (§ 22 StGB).
7
a) Zu Recht weist der Generalbundesanwalt allerdings darauf hin, dass der Angeklagte nach den Feststellungen noch keine Handlungen vorgenommen hatte, die nach seiner Vorstellung Tatbestandsmerkmale eines vorsätzlichen Tötungsdelikts verwirklichten. Weder wollte der Angeklagte durch die wiederholte Herbeiführung der Atemnot bereits den Tod der Nebenklägerin herbeiführen noch lässt sich den Urteilsgründen entnehmen, dass er mit einem solchen Geschehensablauf rechnete. Zutreffend geht der Generalbundesanwalt auch davon aus, dass ein als bloße Vorbereitung eines Tötungsdelikts zu bewertendes Handeln des Täters nicht allein deshalb bereits eine teilweise Verwirklichung des Mordtatbestands bedeutet, weil es von Grausamkeit im Sinne des § 211 StGB getragen war (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1990 - 1 StR 99/90, BGHSt 37, 40, 41).
8
b) Ein unmittelbares Ansetzen im Sinne des § 22 StGB liegt jedoch nicht erst dann vor, wenn der Täter bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands verwirklicht hat. In den Bereich des Versuchs einbezogen ist vielmehr auch ein für sich gesehen noch nicht tatbestandsmäßiges Handeln, soweit es nach der Vorstellung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerk- mals räumlich und zeitlich unmittelbar vorgelagert ist oder nach dem Tatplan im ungestörten Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden soll (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 16. September 1975 - 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 203 f.; vom 26. Oktober 1978 - 4 StR 429/78, BGHSt 28, 162, 163; vom 26. Januar 1982 - 4 StR 631/81, BGHSt 30, 363, 364; Beschluss vom 24. Juli 1987 - 2 StR 338/87, BGHSt 35, 6, 8 f.; Urteile vom 16. Januar 1991 - 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 296; vom 13. September 1994 - 1 StR 357/94, BGHSt 40, 257, 268 f.; Beschluss vom 14. März 2001 - 3 StR 48/01, NStZ 2001, 415, 416).
9
Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen jedoch stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles (BGH, Urteile vom 12. Dezember 2001 - 3 StR 303/01, NJW 2002, 1057; vom 27. Januar 2011 - 4 StR 338/10, NStZ 2011, 517). Ein wesentliches Abgrenzungskriterium ist das aus der Sicht des Täters erreichte Maß konkreter Gefährdung des geschützten Rechtsguts (BGH aaO, S. 518; Urteile vom 26. Januar 1982 - 4 StR 631/81, BGHSt 30, 363, 364; vom 13. September 1994 - 1 StR 357/94, BGHSt 40, 257, 268 f.; Beschluss vom 7. April 1983 - 1 StR 207/83, NStZ 1983, 462; Urteil vom 26. August 1986 - 1 StR 351/86, NStZ 1987, 20; Beschlüsse vom 2. August 1989 - 3 StR 239/89, StV 1989, 526; vom 15. Mai 1990 - 5 StR 152/90, NJW 1990, 2072, 2073). Auch die Dichte des Tatplans kann für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium Bedeutung gewinnen (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2001 - 3 StR 303/01, NJW 2002, 1057). So sind Handlungen , die keinen tatbestandsfremden Zwecken dienen, sondern wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden, nicht als der Annahme unmittelbaren Ansetzens entgegenstehende Zwischenakte anzusehen (BGH aaO, S. 1058; Urteil vom 30. April 1980 - 3 StR 108/80, NJW 1980, 1759).
10
c) Nach diesen Maßstäben hatte der Angeklagte dadurch, dass er die Nebenklägerin in der Absicht, sie zu töten, in seine Gewalt brachte und sie in Ausführung seines Tatplans zunächst quälte, nach seiner Vorstellung bereits unmittelbar zur Begehung eines das Mordmerkmal der Grausamkeit erfüllenden vorsätzlichen Tötungsdelikts angesetzt.
11
Zwar verweist der Generalbundesanwalt zutreffend darauf, dass das Urteil dazu schweigt, welche Vorstellungen der Angeklagte zum weiteren Fortgang des Geschehens in zeitlicher Hinsicht entwickelt hatte, und sich in diesem Zusammenhang insbesondere nicht mit dessen Äußerung auseinandersetzt, niemand werde die Nebenklägerin "so fünf Tage vermissen". Beides war indes deshalb entbehrlich, weil in den festgestellten Handlungen auch dann schon ein unmittelbares Ansetzen zu einer grausamen Tötung der Nebenklägerin läge , wenn der Angeklagte die nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlichen Gewaltakte noch weiter - selbst über erhebliche Zeit hinweg - hätte hinausschieben wollen. Denn bei der gebotenen wertenden Betrachtung der Gesamtumstände verliert hier das zur Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und Versuch grundsätzlich auch heranzuziehende Kriterium der zeitlichen Abfolge derart an Gewicht, dass auch eine vom Angeklagten etwa noch eingeplante längere Zeitspanne bis zur Verwirklichung seiner Tötungsabsicht den unmittelbaren Zusammenhang der bisherigen Körperverletzungen mit der beabsichtigten Einleitung des todbringenden Geschehens nicht in Frage stellen könnte.
12
So war die Nebenklägerin bereits ab dem Zeitpunkt, zu dem sich der Angeklagte ihrer in Tötungsabsicht bemächtigt hatte, unmittelbar und konkret an Leib und Leben gefährdet. Der Angeklagte hielt sie mittels körperlicher Gewalt in seiner Wohnung fest. Auch nach dessen Vorstellung verfügte sie damit über keine Möglichkeiten mehr, sich weiteren Tathandlungen zu entziehen oder schließlich den geplanten todbringenden Angriff abzuwehren. Diese Beschränkung der persönlichen Freiheit der Nebenklägerin stand in engem räumlichem und situativem Zusammenhang mit deren beabsichtigter Tötung, denn sie sollte gerade sicherstellen, dass der vom Angeklagten geplante Geschehensablauf ungestört Fortgang nehmen und ohne weitere Unterbrechungen in die Tatvollendung einmünden kann. Allein die zeitliche Streckung dieses Ablaufs ändert an dem situativen Zusammenhang nichts; sie war im Gegenteil wesentliches Element des Tatplans, der dahin ging, der Nebenklägerin vor der Herbeiführung ihres Todes zunächst langanhaltende Qualen zuzufügen. Die wiederkehrenden und nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen noch weiter beabsichtigten Misshandlungen der Nebenklägerin bedeuten deshalb auch keine Unterbrechungen des Geschehensablaufs zu tatbestandsfremden Zwecken, sondern stellen sich dar als untrennbare Bestandteile eines einheitlichen, auf den Tod der Nebenklägerin abzielenden Handelns. Selbständige Handlungsschritte unter Mitwirkung des Opfers, die durch dessen "vorzeitigen" Tod vereitelt worden wären (so der Fall BGH, Urteil vom 12. Dezember 2001 - 3 StR 303/01, NJW 2002, 1057), waren nach dem Tatplan des Angeklagten nicht vorgesehen.
Becker Pfister Schäfer Mayer Gericke

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Strafgesetzbuch - StGB | § 22 Begriffsbestimmung


Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

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(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

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aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
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Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

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einen Menschen tötet.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 48/01
vom
14. März 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwaltes, zu Ziffer 2. auf dessen Antrag, am
14. März 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 22. September 2000 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 3. der Urteilsgründe wegen versuchten Diebstahls verurteilt wurde;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Einziehung. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in zwei Fällen und versuchten Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt sowie einen Pkw Porsche 993 und 113.000 DM Bargeld eingezogen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg.
1. Soweit sich der Angeklagte mit Verfahrensrügen und der Sachrüge gegen seine Verurteilung wegen zweifachen vollendeten Diebstahls (Fälle II. 1. und 2. der Urteilsgründe) wendet, ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 2. Jedoch hält seine Verurteilung wegen versuchten Diebstahls im Fall II. 3. der Urteilsgründe materiell-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Nach den Feststellungen suchte der Angeklagte den Juwelier S. in dessen Geschäftsräumen auf, um diesem wertvollen Schmuck und Uhren zu entwenden. Sein Plan ging in erster Linie dahin, den Juwelier dazu zu bewegen , die Geschäftsräume unter der Mitnahme von Schmuck zu verlassen, um den Diebstahl dann außerhalb des Juweliergeschäfts ausführen zu können (UA S. 31). Als er merkte, daß der Juwelier seinem Vorschlag wenig Sympathie entgegenbrachte, war der Angeklagte fest entschlossen, jede sich bietende Gelegenheit und insbesondere jede Unachtsamkeit des Juweliers dazu auszunutzen , Uhren und Schmuck bereits in den Verkaufsräumen zu entwenden (UA S. 17). Hierzu kam es aufgrund der Aufmerksamkeit des Juweliers jedoch nicht. Der Angeklagte verließ daher die Geschäftsräume und wurde dabei von der zuvor verständigten Polizei festgenommen.
b) Es bestehen bereits Bedenken, ob sich das Landgericht rechtsfehlerfrei von dem Entschluß des Angeklagten überzeugt hat, bei sich bietender Gelegenheit den Diebstahl bereits in den Geschäftsräumen des Juweliers zu begehen , oder ob es sich insoweit nicht lediglich um eine Vermutung ohne hinreichende tatsächliche Grundlage im Beweisergebnis handelt. Denn das vom Landgericht insoweit für die Überzeugungsbildung maßgeblich herangezogene Argument, der in Trickdiebstählen erfahrene Angeklagte habe bei den vorangehenden Taten bewiesen, daß er problemlos aus dem Stand heraus handeln
kann und jederzeit in der Lage ist sich umzuorientieren, findet in den Feststellungen zu den weiteren abgeurteilten Taten keine hinreichende Stütze. Dies bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung. Auch auf Grundlage der vom Landgericht zum Tatentschluß des Angeklagten gewonnenen Überzeugung belegen die bisherigen Feststellungen nicht, daß sich der Angeklagte des versuchten Diebstahls schuldig gemacht hätte. Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dazu ist es nicht erforderlich, daß der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, daß er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und unmittelbar in die tatbestandliche Handlung einmünden. Das Versuchsstadium erstreckt sich deshalb auf Handlungen, die in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los" überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 26, 201, 202 ff.; 28, 162, 163; BGH NStZ 1993, 398; 1996, 38; 1999, 395, 396). Nach diesen Maßstäben ist nicht erkennbar, daß der Angeklagte, der den Diebstahl in erster Linie außerhalb der Geschäftsräume des Juweliers ausführen wollte, nach seiner Vorstellung von der Tat bereits unmittelbar zur Verwirklichung des Diebstahls innerhalb der Geschäftsräume angesetzt hätte. Denn das Landgericht hat keine Handlungen des Angeklagten festgestellt, die nach seinem Tatplan in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandsver-
wirklichung führen sollten, ohne daß es einer weiteren Entschlußfassung bedurft hätte. Der Angeklagte hatte noch nicht den unbedingten Entschluß gefaßt, Schmuck und Uhren aus den Geschäftsräumen des Juweliers zu entwenden. Vielmehr machte er die Tatausführung davon abhängig, daß sich eine entsprechende Gelegenheit bot. Was er sich hierunter im einzelnen vorstellte, teilt das Urteil zwar nicht mit. Ihm läßt sich aber entnehmen, daß der Angeklagte auf den Eintritt einer Situation hoffte, in welcher ihm durch das Verhalten des Juweliers der Zugriff auf geeignete Beutestücke ermöglicht wurde. Der Beginn der Tatausführung setzte damit nach dem Tatplan voraus, daß sich während des Aufenthalts des Angeklagten in den Geschäftsräumen Umstände ergaben, die der Angeklagte als günstig für die geplante Wegnahmehandlung beurteilte. Daß eine derartige Situation entstand und der Angeklagte subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los" überschritten hätte, kann dem Urteil nicht entnommen werden. Es ist nicht einmal festgestellt, daß der Juwelier dem Angeklagten Schmuckstücke zur Ansicht vorgelegt und diesem damit überhaupt einen Zugriff ermöglicht hätte. Danach können allein der Aufenthalt des Angeklagten in den Geschäftsräumen und das Führen von Verkaufsverhandlungen mit dem Juwelier noch nicht als unmittelbares Ansetzen zum Diebstahl gewertet werden, denn sie sollten nicht unmittelbar in die Wegnahmehandlung münden. Vielmehr bedurfte es hierfür noch eines weiteren Willensentschlusses des Angeklagten nach Eintritt einer ihm für die Tatausführung geeignet erscheinenden Situation (vgl. BGH NStZ 1993, 398; 1996, 38). Insoweit unterscheidet sich vorliegender Sachverhalt von der Fallgestaltung, die dem Urteil des 4. Strafsenats vom 6. Oktober 1977 - 4 StR 404/77 - zugrunde lag. Dort war der Täter bereits bei Betreten des Schmuckgeschäfts ohne innere Vorbehalte ent-
schlossen, sich unter Vorspiegelung von Kaufinteresse Schmuck vorlegen zu lassen und diesen sodann zu entweden.
c) Die Verurteilung wegen versuchten Diebstahls kann daher keinen Bestand haben. Dies führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Auch die Einziehungsanordnung muß aufgehoben werden, da nach den Feststellungen sowohl der Pkw Porsche, als auch die 113.000 DM Bargeld nur im Fall II. 3. der Urteilsgründe als Tatmittel Verwendung finden sollten. Kutzer Miebach Winkler von Lienen Becker

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 338/10
vom
27. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen banden- und gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit
Garantiefunktion u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Januar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten P. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten R. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 12. März 2010 werden verworfen.
Der Angeklagte P. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten R. die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen (§ 109 Abs. 2 i.V.m. § 74 JGG).
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils der banden- und gewerbsmäßigen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßigem Computerbetrug in sechs Fällen (Angeklagter P. ) bzw. in fünf Fällen (Angeklagter R. ) sowie der versuchten banden - und gewerbsmäßigen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten P. unter Einbeziehung der Strafe aus einer weiteren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren, den Angeklagten R. unter Einbeziehung einer weiteren Verurteilung zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts schlossen sich die Angeklagten Mitte 2009 einer Gruppe von Landsleuten an, die in großem Umfang so genannte „Skimming“-Taten verübte. Bei diesen Taten werden Daten der ECbzw. Kreditkarten von Bankkunden, die einen Geldautomaten benutzen, ausgelesen und auf Kartenrohlinge übertragen, mit denen anschließend unter Verwendung der ebenfalls erlangten persönlichen Geheimzahl (PIN) Geld von Geldautomaten abgehoben wird. Entsprechend der auf arbeitsteiliges Zusammenwirken mit überwiegend unbekannten Mittätern ausgelegten Planung ersetzten die Angeklagten bei verschiedenen Bankfilialen in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz jeweils das Kartenlesegerät des Türöffnungsmechanismus durch ein mit einem Speichermedium versehenes Lesegerät, mit dem die Daten der Kunden ausgelesen wurden. Mit getarnten Kameras wurden die Bankkunden sowohl beim Betreten der Bank als auch bei der PIN-Eingabe am Geldautomaten aufgenommen. Die so gewonnenen Daten wurden spätestens nach Abbau der Geräte an unbekannte Mittäter übergeben, die – was den Angeklagten bekannt war – die Daten umgehend auswerteten und – vermutlich per Internet – zu weiteren Mittätern nach Italien transferierten, denen die Datenlieferungen jeweils vorher angekündigt wurden. In Italien wurden im unmittelbaren Anschluss Kartenrohlinge mit den Datensätzen beschrieben und auf diese Weise Kartendoubletten hergestellt.
3
In den Fällen II. 2 bis II. 7 der Urteilsgründe (der Fall II. 2 war allerdings hinsichtlich des Angeklagten R. bereits Gegenstand der gegen diesen ergangenen einbezogenen Entscheidung) hoben mehrere unbekannte Mittäter sodann unter Verwendung der Kartendoubletten und der jeweils zugehörigen PIN an verschiedenen, überwiegend in Norditalien gelegenen Geldautomaten Bargeld in Höhe von insgesamt etwa 300.000 Euro von den Konten der Bankkunden ab. Im Fall II. 1 der Urteilsgründe übergaben die Angeklagten die Speichermedien mit den gewonnenen Daten zur Weiterleitung nach Italien an den hierfür zuständigen Mittäter in Dortmund. Das Landgericht hat nicht festgestellt, dass auch mit diesen Daten Kartendoubletten hergestellt wurden. Zu unberechtigten Abhebungen unter Verwendung der ausgespähten Daten konnte es schon deswegen nicht kommen, weil die Manipulation an dem Türöffner bereits am nächsten Tag bemerkt und die entsprechenden Kontensperrungen veranlasst wurden.

II.

4
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht ergeben.
5
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Dies gilt auch, soweit das Landgericht im Fall II. 1 der Urteilsgründe eine versuchte banden- und gewerbsmäßige Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion angenommen hat.
6
1. Nach § 22 StGB versucht eine Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Hierfür ist nicht erforderlich, dass der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, dass er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und unmittelbar in die tatbestandliche Handlung einmünden. Das Versuchsstadium erstreckt sich deshalb auch auf Handlungen, die in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren „Willensimpulses“ nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestands übergeht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, BGHSt 48, 34 m.w.N.). Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2001 – 3 StR 303/01, NJW 2002, 1057).
7
2. Gemessen daran ist die Würdigung des Landgerichts, die Angeklagten hätten spätestens mit der Weitergabe der Daten zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
8
a) Zu Recht hat das Landgericht auf das enge Ineinandergreifen der einzelnen einem festen Ablaufplan folgenden Tatbeiträge und auf den nach dem Tatplan engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Tatbeitrag der Angeklagten und dem Beschreiben der Kartenrohlinge durch andere Bandenmitglieder als eigentlicher Fälschungshandlung abgestellt. Die dem Auslesen der Daten und der Weitergabe der Speichermedien nachfolgenden Arbeitsschritte bis hin zu den – der Tatbestandsverwirklichung des § 152b StGB nachgelagerten – Abhebungen an den Geldautomaten mussten vonstatten gehen, bevor die Manipulation an den Lesegeräten in den Bankfilialen bemerkt wurde. Die schnelle zeitliche Abfolge wurde durch das eingespielte System von Tatbeiträgen gewährleistet , bei dem den in Italien sitzenden Mittätern die einzelnen Datenübersendungen jeweils avisiert wurden. Diese wussten dadurch bereits im Voraus, dass die Erbringung ihres eigenen Tatbeitrags unmittelbar bevorstand. Es bedurfte mithin keines neuen Willensimpulses bei einem der durch die Bandenabrede verbundenen Mittäter mehr, sondern die Angeklagten setzten mit der Wei- tergabe der Daten – was ihnen bewusst war – gleichsam einen automatisierten Ablauf in Gang, so dass auch unter dem Gesichtspunkt der konkreten nahen Rechtsgutsgefährdung (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2001 – 3 StR 303/01, aaO; Beschluss vom 2. August 1989 – 3 StR 239/89, BGHR StGB § 22 Ansetzen 11; Beschluss vom 7. Oktober 1993 – 4 StR 506/93, StV 1994, 240) die Annahme eines unmittelbaren Ansetzens geboten ist. Dass dem Beschreiben der Kartenrohlinge die Auswertung der Speichermedien durch Abgleich von Videoaufzeichnungen und ausgelesenen Kartendaten und die Übersendung der Daten nach Italien vorausgingen, stellt danach bei der gebotenen wertenden Betrachtung (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1980 – 3 StR 108/80, NJW 1980, 1759) keine diese Annahme hindernden Zwischenschritte dar (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Mai 1991 – 5 StR 4/91, BGHR StGB § 22 Ansetzen 14; Beschluss vom 11. Mai 2010 – 3 StR 105/10).
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b) Soweit der 2. Strafsenat in seinem Urteil vom 13. Januar 2010 (2 StR 439/09, NStZ 2010, 209) einen strafbaren Versuch des gewerbs- und bandenmäßigen Nachmachens von Zahlungskarten mit Garantiefunktion verneint hat, lag der Entscheidung ein vollkommen anders gelagerter Sachverhalt zu Grunde : Dort hatten sich die Angeklagten, ohne bereits über die aufzuspielenden Daten zu verfügen, lediglich darum bemüht, Kartenrohlinge zu erhalten; die aus Spanien kommende Sendung mit Kreditkartenrohlingen war jedoch bei der Ausgabestelle des Kurierdienstes in Deutschland angehalten und die Angeklagten waren bei dem Versuch, das Päckchen abzuholen, festgenommen worden. Ausgehend hiervon hat der 2. Strafsenat ausgeführt, dass ein Versuch des (gewerbs- und bandenmäßigen) Nachmachens von Zahlungskarten erst dann gegeben ist, wenn der Täter vorsätzlich und in der tatbestandsmäßigen Absicht mit der Fälschungshandlung selbst - also dem Herstellen der falschen Karte - beginnt (BGH aaO, Rz. 10). Er bezieht sich dabei zu Recht auf die von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung von Vorbereitungshandlungen zum strafbaren Versuch (BGH aaO, Rz. 9). Deshalb ist auch nach dieser Entscheidung das Beginnen mit der Fälschungshandlung als Beginnen im Sinne der allgemeinen Definition des unmittelbaren Ansetzens zu verstehen; hiervon sind auch vorgelagerte Handlungsakte umfasst, sofern diese nach der Tätervorstellung in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 22 Rn. 10 m.w.N.).
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Eine entsprechende Abgrenzung hat auch der 5. Strafsenat unter Bezugnahme auf das vorerwähnte Urteil des 2. Strafsenats vorgenommen (Beschluss vom 14. September 2010 - 5 StR 336/10). Seiner Entscheidung lag ein Sachverhalt zu Grunde, bei dem die Bemühungen des Täters, durch den Einsatz von Kartenlesegeräten in den Besitz der Daten zu gelangen, gescheitert war, weil die Lesegeräte bereits vor ihrem Abbau entdeckt und sichergestellt worden waren. Ausgehend hiervon hat der 5. Strafsenat ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung verneint, da der Täter die aufgezeichneten Datensätze noch nicht in seinen Besitz bringen und sie deshalb auch nicht an seine Mittäter, die in Italien die Herstellung der Kartendoubletten vornehmen sollten, übermitteln konnte (BGH, aaO, Rz. 4).
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Beide Entscheidungen stehen mithin der Annahme einer Versuchstat im Fall II. 1 der Urteilsgründe nicht entgegen, denn hier hätte die Weiterleitung der gewonnenen Daten nach der Vorstellung der Angeklagten bei ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Cierniak Mutzbauer