Bundesgerichtshof Urteil, 04. März 2015 - 2 StR 400/14

bei uns veröffentlicht am04.03.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 4 0 0 / 1 4
vom
4. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. März 2015,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 2. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe freigesprochen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Erwerbs jugendpornographischer Schriften in drei Fällen und wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Von dem Vorwurf der Vergewaltigung bzw. der sexuellen Nötigung (Fall II. 2. der Urteilsgründe [Fall 1 der Anklage]) hat ihn das Landgericht aus rechtlichen Gründen und von einem weiteren Anklagevorwurf aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen den aus rechtlichen Gründen vorgenommenen Freispruch richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers, die jeweils die Verletzung materiellen Rechts rügen; der Nebenkläger rügt zudem die Verletzung formellen Rechts. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2
1. Nach den zu Fall II. 2. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen hielt sich der zum Tatzeitpunkt 15-jährige Nebenkläger in der Wohnung des Angeklagten auf. Er begab sich in das Badezimmer, zog dort seine Hose und Unterhose herunter und urinierte in die Toilettenschüssel. Der Angeklagte stand plötzlich unmittelbar hinter dem Nebenkläger, umfasste mit seiner linken Hand den entblößten Penis und "drückte einmal kurz zu, um sich hierdurch sexuelle Erregung zu verschaffen". Durch das Zudrücken empfand der Nebenkläger "für einen kurzen Augenblick leichte Schmerzen". Sodann "zog der Angeklagte derart am Glied des Nebenklägers, dass sich dieser - wie vom Angeklagten beabsichtigt - mit seinem Körper nach links umdrehen musste". Der Angeklagte ließ nunmehr den Penis los, hockte sich vor den Nebenkläger und führte kurzzeitig den Oralverkehr aus. Der Nebenkläger drehte sich weg und beendete damit den Oralverkehr.
3
2. Das Landgericht hat den Angeklagten im Fall II. 2. der Urteilsgründe aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Da die Feststellungen keine schutzlose Lage belegten, sei der Tatbestand gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht erfüllt. Eine Verurteilung gemäß § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB scheide aus, weil eine Zwangslage des Nebenklägers nicht festgestellt werden könne. Auch eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) komme nicht in Betracht, weil der Angeklagte "die Schwelle zu einer üblichen [gemeint: üblen] unangemessenen Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt werden muss, nicht überschritten" habe. Bei dem von dem Nebenkläger geschilderten "leichten Schmerz" habe es sich um eine - nicht tatbestandsmäßige - geringfügige und folgenlose Beeinträchtigung des Wohlbefindens gehandelt. Zudem seien keine Verletzungsfolgen festzustellen gewesen.

II.

4
Die auf den Freispruch im Fall II. 2. der Urteilsgründe wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
5
1. Die Staatsanwaltschaft hat zwar eingangs ihrer Revisionsbegründungsschrift keine Beschränkung erklärt und am Ende ihrer Ausführungen die (uneingeschränkte) Aufhebung des Urteils im Schuld- und Strafausspruch und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer zur erneuten Verhandlung und Entscheidung beantragt. Mit diesem umfassenden Revisionsantrag steht jedoch der übrige Inhalt der Revisionsbegründungsschrift nicht in Einklang. Daraus ergibt sich, dass die Revisionsführerin das Urteil ausschließlich im Fall II. 2. der Urteilsgründe für fehlerhaft hält. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung. Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV (vgl. auch Senat, Urteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285 mwN) versteht der Senat daher das gesamte Revisionsvorbringen dahin, dass die Staatsanwaltschaft das Urteil nicht angreifen will, soweit der Angeklagte verurteilt und aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden ist.
6
2. Der Freispruch des Landgerichts lässt besorgen, dass der Tatrichter einen falschen rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt hat.
7
a) Nach den Feststellungen verursachte der Griff des Angeklagten an den entblößten Penis des Geschädigten einen "leichten Schmerz". In diesem Fall war aber das körperliche Wohlbefinden des Geschädigten nicht nur ganz unerheblich beeinträchtigt. Dies würde für eine Verurteilung wegen Körperverletzung ausreichen auch wenn Verletzungsfolgen nicht festgestellt werden konnten (vgl. auch Senat, Urteil vom 22. November 1991 - 2 StR 225/91, insoweit in StV 1992, 106 nicht abgedruckt; BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2013 - 3 StR 323/13, NStZ-RR 2014, 11; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 223 Rn. 4, 6 mwN). Die recht unklaren Feststellungen des Landgerichts lassen aber weder erkennen, ob der Begriff "Schmerz" hier zutreffend verwendet ist und ob er vom Geschädigten selbst verwendet oder diesem - etwa als Vorhalt - vorgegeben wurde, noch verhalten sie sich zu dem erforderlichen Vorsatz des Angeklagten.
8
b) Auch ob die Tat als sexuelle Nötigung (vgl. Senat, Urteil vom 22. November 1991 - 2 StR 225/91, insoweit in StV 1992, 106 nicht abgedruckt; Fischer, aaO, § 177 Rn. 104) zu bewerten ist, wird der neue Tatrichter zu entscheiden haben. Selbst wenn der Nebenkläger aufgrund des vom Angeklagten sexuell motivierten Ziehens an seinem Penis mit einer Linksdrehung seines Körpers nachgeben musste, wäre damit der Tatbestand gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht ohne Weiteres erfüllt. Denn für die Annahme einer sexuellen Nötigung "mit Gewalt" ist erforderlich, dass der Täter physische Kraft entfaltet, um den als ernst erkannten oder erwarteten Widerstand des Opfers gegen die Vornahme sexueller Handlungen zu überwinden (vgl. auch Senat, Beschluss vom 31. Juli 2013 - 2 StR 318/13, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Gewalt 17). Dass der Angeklagte eine solche Zwangswirkung erzielen wollte, ist bisher nicht belegt.
9
c) Das Urteil ist im Fall II. 2. der Urteilsgründe mit den Feststellungen aufzuheben (vgl. dazu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 353 Rn. 15a mwN).

III.

10
Die - nach Auslegung - ebenfalls allein auf den Freispruch im Fall II. 2. der Urteilsgründe zulässig beschränkte Revision des Nebenklägers hat mit der Sachrüge aus den unter II. 2. ausgeführten Gründen Erfolg; auf die (unzulässige ) Verfahrensrüge kommt es nicht an. Fischer RiBGH Dr. Appl ist an Krehl der Unterschrift gehindert. Fischer Eschelbach Zeng

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 04. März 2015 - 2 StR 400/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 04. März 2015 - 2 StR 400/14

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 04. März 2015 - 2 StR 400/14 zitiert 6 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafgesetzbuch - StGB | § 182 Sexueller Mißbrauch von Jugendlichen


(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage 1. sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder2. diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorz

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 04. März 2015 - 2 StR 400/14 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 04. März 2015 - 2 StR 400/14 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2013 - 2 StR 318/13

bei uns veröffentlicht am 31.07.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 318/13 vom 31. Juli 2013 in der Strafsache gegen wegen sexueller Nötigung u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 31. Juli 2013 gemäß §

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2013 - 3 StR 323/13

bei uns veröffentlicht am 22.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 323/13 vom 22. Oktober 2013 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen räuberischer Erpressung u.a. hier: Revisionen der Angeklagten U. und R. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Besc

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juni 2014 - 2 StR 90/14

bei uns veröffentlicht am 11.06.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 90/14 vom 11. Juni 2014 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubs u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juni 2014, an der teilgenommen haben: Vorsi
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 04. März 2015 - 2 StR 400/14.

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2018 - 2 StR 495/17

bei uns veröffentlicht am 05.06.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 495/17 vom 5. Juni 2018 in der Strafsache gegen wegen sexueller Nötigung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:050618B2STR495.17.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Genera

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2017 - 2 StR 256/17

bei uns veröffentlicht am 05.09.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 256/17 vom 5. September 2017 in der Strafsache gegen wegen sexueller Nötigung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:050917B2STR256.17.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und de

Referenzen

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird eine Person über achtzehn Jahren bestraft, die eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.

(3) Eine Person über einundzwanzig Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch mißbraucht, daß sie

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
und dabei die ihr gegenüber fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 3 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(6) In den Fällen der Absätze 1 bis 3 kann das Gericht von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens der Person, gegen die sich die Tat richtet, das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 90/14
vom
11. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juni 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2013 wird als unbegründet verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels sowie die insoweit notwendigen Auslagen des Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen. Die Nebenklägerin trägt ihre Auslagen selbst.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete , zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts planten der Angeklagte und der gesondert Verfolgte B. einen Einbruch in ein Wohnhaus in Kronberg. Sie hatten den Tatort zuvor ausgekundschaftet und unter anderem auch in Erfahrung gebracht, dass die Bewohner tagsüber nicht zu Hause sein sollten. In Umsetzung ihres Tatplans begaben sie sich am 7. Juni 2013 gegen 14.15 Uhr zum Tatort. Sie führten eine Tasche mit Wechselkleidung mit sich; darüber hinaus zwei Strumpfmasken wegen der vor Ort vorhandenen Überwachungskameras sowie eine Rolle Klebeband, um ein Fenster vor dem Einschlagen abkleben zu können. Da sie sicher gehen wollten, dass tatsächlich niemand zu Hause war, klingelte der gesondert Verfolgte B. während sich der Angeklagte vor der Haustür postierte. Es öffnete die Zeugin St. , woraufhin der Angeklagte und B. ihren Tatplan spontan dahin erweiterten, nunmehr unter Überwältigung der Zeugin St. in das Haus einzudringen und nach Wertgegenständen Ausschau zu halten.
3
Der Angeklagte drängte die Zeugin sogleich ins Haus, fesselte sie mit einem im Flur entdeckten Strickschal an Händen und Beinen und warf ihr eine Wolldecke über den Kopf. Sodann begannen beide Täter das Haus nach Wertgegenständen zu durchsuchen. Die aufgefundene Beute (Schmuck und Bargeld ) verstauten sie in einer am Tatort aufgefundenen Sporttasche. Währenddessen rief die unter Atemnot leidende Zeugin um Hilfe und bat um Wasser. Der Angeklagte reichte ihr eine Tasse Kaffee, die die Zeugin mit ihrer aus der Fesselung befreiten rechten Hand ergriff und gegen eine Fensterscheibe warf. Sie rief nun laut um Hilfe. Der Angeklagte und der hinzukommende B. fesselten die Hände der Zeugin mit am Tatort aufgefundenen Kabelbindern fest auf ihren Rücken und verklebten ihr den Mund mit dem mitgeführten Klebeband. Anschließend setzten beide Täter die Durchsuchung fort und entdeckten weiteres Bargeld, das sie an sich nahmen. Als es an der Haustür klingelte, trugen die Täter die gefesselte Zeugin in den Keller und flüchteten aus dem Haus. Unterwegs entledigten sie sich sowohl der Tasche mit Wechselkleidung als auch der Tasche mit der Beute. Der Angeklagte konnte gegen 17.00 Uhr hinter einer naheliegenden Kleingartenanlage festgenommen werden. Beide Taschen wurden alsbald aufgefunden.
4
Die Zeugin erlitt infolge der strammen Fesselung starke Hämatome und Druckstellen an den Handgelenken. Eine traumatische Affektion verschiedener Nerven riefen Taubheitsgefühle in der rechten Hand und am linken Daumen hervor, die bis heute anhalten.
5
2. Die Kammer hat die Tat wegen der strammen Fesselung der Zeugin als „schweren Raub“ gemäߧ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB gewertet und unter Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verhängt.

II.


6
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist rechtswirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
7
1. Zwar hat die Staatsanwaltschaft eingangs ihrer Revisionsbegründungsschrift keine Beschränkung erklärt und am Ende ihrer Ausführungen die (uneingeschränkte) Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer zur erneuten Verhandlung und Entscheidung beantragt. Mit diesem den Schuld- und Strafausspruch umfassenden Revisionsantrag steht jedoch der übrige Inhalt der Revisionsbegründungsschrift nicht in Einklang. Daraus ergibt sich, dass die Revisionsführerin das Urteil deshalb für fehlerhaft hält, weil das Landgericht der Bemessung der Freiheitsstrafe zu Unrecht den Strafrahmen des minder schweren Falls nach § 250 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt und die Freiheitsstrafe daher unangemessen milde bemessen habe. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung. In einem solchen Fall ist nach ständiger Rechtsprechung das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 1989 - 3 StR 453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; Urteil vom 25. November 2003 - 1 StR 182/03, NStZ-RR 2004, 118; Löwe/Rosenberg-Franke, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 10).
8
Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung ist allein der Strafausspruch angefochten und der Schuldspruch vom Rechtsmittelangriff ausgenommen. Allein der Umstand, dass die Revisionsführerin nach Erhebung der allgemeinen Sachrüge einleitend ausgeführt hat, das Landgericht habe die Tat „insbesondere“ rechtsfehlerhaft als minder schweren Fall gewertet, zeigt mangels eines Hinweises auf einen weiteren Rechtsfehler des Urteils kein weitergehendes Angriffsziel der Revision auf. Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV versteht der Senat daher das gesamte Revisionsvorbringen dahin, dass die Staatsanwaltschaft den Schuldspruch nicht angreifen will (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013 - 4 StR 296/12 mwN).
9
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist auch rechtswirksam.
10
Voraussetzung für eine wirksame Beschränkung der Revision ist, dass sie sich auf Beschwerdepunkte bezieht, die nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 29. Februar 1956 - 2 StR 25/56, BGHSt 10, 100, 101; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 318 Rn. 6 mwN). Eine Beschränkung ist aber auch dann unwirksam, wenn die Gefahr besteht, dass die nach dem Teilrechtsmittel (stufenweise) entstehende Gesamtentscheidung nicht frei von inneren Widersprüchen bleiben kann (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 366; Beschluss vom 15. Mai 2001 - 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 35 und 38).
11
Die Beschränkung des Rechtsmittels ist nach diesen Grundsätzen wirksam.
12
Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung der Erörterungen zur Schuld- und Straffrage ergibt, was insbesondere dann der Fall wäre, wenn vom Landgericht strafmildernd gewertete und deshalb von der Revision angegriffene Umstände tatsächlich (auch) den Schuldspruch beträfen. Mit ihrer Revision rügt die Staatsanwaltschaft - neben zahlreichen anderen Einwendungen gegen die Vollständigkeit und Gewichtung einzelner Strafzumessungserwägungen - zwar auch eine rechtfehlerhafte Beweiswürdigung im Hinblick auf den von der Strafkammer als strafmildernd gewerteten Umstand, dass die Tatplanerweiterung des Angeklagten und seines Mittäters auf einem spontanen und erst vor Ort gefassten Entschluss beruhte. Die Feststellungen, dass es sich insoweit um eine Spontantat handelte, sind jedoch nicht tatbestandsrelevant. Der Tatvorsatz liegt unabhängig davon vor, wann der Tatentschluss gefasst wurde und zu welchem Zeitpunkt er in welchem Maße vor dem Eindringen der Täter in das Haus konkretisiert war, weshalb der Schuldspruch von dem Revisionsangriff in jedem Fall unberührt bliebe.
13
Bei einer Teilaufhebung wäre hier auch nicht zu befürchten, dass die stufenweise entstehende Gesamtentscheidung unter inneren Widersprüchen litte. Veränderte Feststellungen zum Zeitpunkt des konkreten Tatentschlusses des Angeklagten würden die Gesamtentscheidung lediglich modifizieren und nicht widersprüchlich erscheinen lassen.

III.


14
Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
15
1. Die den strafzumessungsrelevanten Feststellungen der Strafkammer zugrunde liegende Beweiswürdigung ist unter Berücksichtigung des revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs frei von Rechtsfehlern.
16
Dies gilt auch im Hinblick auf die Feststellung des Landgerichts, dass der Angeklagte und sein Mittäter zunächst nur einen Einbruchdiebstahl geplant und ihren Tatentschluss erst vor Ort auf die Ausführung eines Raubes erweitert haben, denn das Gericht hat sich auch insoweit seine Überzeugung auf einer ausreichenden objektiven Beweisgrundlage gebildet.
17
Zwar war es zur Überprüfung der Anwesenheit eines Hausbewohners nicht erforderlich, dass sich der Angeklagte beim Klingeln unmittelbar vor der Haustür postierte. Dieses Vorgehen ist aber nicht als derart ungewöhnlich risikoreich zu werten, dass es als gewichtiges Indiz für einen von vornherein geplanten Raub hätte gewertet werden müssen. Denn auch dann, wenn ein Täter nur einen Einbruch plant, kann er auf das unerwartete Öffnen der Tür durch einen Hausbewohner noch mit der unverdächtig erscheinenden Nachfrage nach einer angeblich dort wohnhaften Person reagieren. Für einen zunächst nur geplanten Einbruchdiebstahl sprach ohne Weiteres, dass der Angeklagte und sein Mittäter ausschließlich für einen Einbruch nützliche Gegenstände mit sich führten und demgegenüber keine Vorsorge für die Fesselung bzw. Ruhigstellung eines anwesenden Hausbewohners getroffen hatten. Zur Fesselung der Zeugin St. wurde ein vor Ort aufgefundener Schal verwendet. Nachdem sich diese Fesselung bereits nach kurzer Zeit als unzureichend erwiesen hatte, mussten der Angeklagte und sein Mittäter zunächst nach anderen Mitteln zur Fesselung suchen. Auch auf die Idee, das mitgeführte Klebeband zur Fesselung zu nutzen , kamen sie nicht.
18
2. Der Strafausspruch hält auch im Übrigen sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Rechtsfehler bei der Wahl des Strafrahmens zeigt auch die Revision nicht auf. Das Landgericht hat die erforderliche Gesamtschau vorgenommen und dabei alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt. In Anbetracht der zahlreichen strafmildernden Umstände (umfassendes Geständnis, junges Alter des Angeklagten, Unbestraftheit, Erstverbüßer, spontane Tatplanerweiterung, gewisser Dilettantismus und wenig vorausschauende Planung der Tat) ist daher die Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, auch wenn eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre.
19
3. Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft nicht ergeben (§ 301 StPO).
Fischer Krehl Eschelbach
Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 323/13
vom
22. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen räuberischer Erpressung u.a.
hier: Revisionen der Angeklagten U. und R.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am
22. Oktober 2013 gemäß § 349 Abs. 1, 2 und 4, § 354 Abs. 1, § 357 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten R. gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 21. März 2013 wird als unzulässig verworfen. 2. Auf die Revision des Angeklagten U. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn und die Mitangeklagten W. , K. und R. betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten jeweils der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung schuldig sind. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten U. wird verworfen. 4. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten - den Angeklagten K. unter Teilfreispruch im Übrigen - jeweils wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und den Angeklagten U. zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von sechs Monaten verurteilt sowie gegen die Angeklagten W. , K. und R. , gegen ersteren unter Einbeziehung eines vorausgegangenen Urteils (§ 31 Abs. 2 Satz 1, § 105 Abs. 2 JGG), jeweils zwei Wochen Jugendarrest verhängt. Gegen diese Entscheidung richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten U. und R. . Während sich das Rechtsmittel des Angeklagten R. als unzulässig erweist, hat die Revision des Angeklagten U. den aus der Beschlussformel ersichtlichen - auch zugunsten der Mitangeklagten wirkenden, § 357 StPO - Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Zu dem Rechtsmittel des Angeklagten R. hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausgeführt: "Die Revision des Angeklagten R. ist gemäß § 349 Abs. 1 StPO unzulässig, weil sich entgegen § 344 Abs. 1 Satz 1 StPO der Begründung des Revisionsantrags ein gemäß § 55 Abs. 1 JGG zulässiges Rechtsmittelziel nicht entnehmen lässt. Ausführungen dazu, dass die Schuldfrage rechtlich oder tatsächlich falsch vom Landgericht beantwortet wurde oder die Sanktion selbst rechtswidrig ist, enthält die Revisionsbegründung nicht. Werden im angefochtenen Urteil - wie hier - lediglich Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet, stellt es gemäß § 55 Abs. 1 JGG ein unzulässiges Ziel der Anfechtung dar, wenn nur die Auswahl der Maßnahmen angefochten wird, die Anordnung anderer oder weiterer Erziehungsmaßnahmen oder Zuchtmittel erreicht werden soll oder das Rechtsmittel sich gegen den Umfang der angeordneten Maßnahmen wendet; wobei es auch einen unzulässigen Angriff gegen den Umfang der Maßnahmen bedeutet, wenn mit dem Rechtsmittel nicht nur ein geringeres Ausmaß, sondern ein gänzliches Absehen davon erreicht werden soll. Wegen dieser sachlichen Beschränkung der Anfechtungsmöglichkeit, nach der die Anfechtung nur darauf gestützt werden kann, dass die Schuldfrage rechtlich oder tatsächlich falsch beantwortet oder die Sanktion selbst rechtswidrig ist, muss das Anfechtungsziel so eindeutig mitgeteilt werden, dass die Verfolgung eines unzulässigen Ziels sicher ausgeschlossen werden kann (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 - 1 StR 278/13 mwN). Diesen Anforderungen ist hier nicht genügt. Weder dem Antrag noch dem sonstigen Revisionsvorbringen lässt sich entnehmen, dass mit dem Rechtsmittel nicht ausschließlich ein unzulässiges Ziel verfolgt werden soll. Im Gegenteil wird im Rahmen der erhobenen Sachrüge ausschließlich die erfolgte Verhängung des Jugendarrests gerügt und ausgeführt, dass die Feststellungen die Verhängung eines Jugendarrests nicht trügen; dieser sei aus erzieherischen Gründen 'schädlich' (RB S. 2 ff.). Auch am Ende der Revision heißt es, dass 'die Verhängung des Jugendarrests den Feststellungen zur Persönlichkeit und Schuld widerspricht' (RB S. 5). Damit ist eindeutig zum Ausdruck gebracht , dass die Feststellungen und der Schuldspruch nicht angegriffen werden sollen, sondern sich die Revision allein gegen den Strafausspruch richtet. Dass die Maßnahme der Verhängung des Jugendarrests an sich gesetzeswidrig sei (Eisenberg JGG 16. Aufl. § 55 Rn. 48), macht die Revision gerade nicht geltend. Ferner ist auch der Aufhebungsantrag nicht genauer bestimmt und gibt - ebenso wenig wie der Schriftsatz, mit dem am 22. März 2013 Revision eingelegt worden ist - keinen Aufschluss in Bezug auf das Anfechtungsziel (OLG Celle NStZ-RR 2001, 121; BVerfG NStZ-RR 2007, 385)."
3
Dem schließt sich der Senat an.
4
2. Die Revision des Angeklagten U. führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Schuldspruchänderung.
5
Das Landgericht hat festgestellt, dass zunächst der Angeklagte U. den Geschädigten absichtlich anrempelte. Nachdem sich die vier Angeklagten im Kreis um den Geschädigten aufgebaut hatten, um dessen Flucht zu verhindern und um sich an der aufgebauten Drohkulisse zu beteiligen, versetzte der Angeklagte R. dem Geschädigten einen Schlag ins Gesicht, wodurch sich ein Brillenglas aus der Fassung löste; der Geschädigte erlitt jedoch keine Schmerzen. Dieser händigte schließlich auf Aufforderung eines Angeklagten sein Mobiltelefon aus, unter dessen Mitnahme die Angeklagten den Tatort verließen.
6
Diese rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen vollendeter gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht. Den Feststellungen ist bereits nicht hinreichend deutlich zu entnehmen , ob mit dem Schlag nicht nur die Brille des Geschädigten, sondern auch dessen Gesicht getroffen wurde. Darüber hinaus ist der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB in der Variante der vorliegend allein in Betracht kommenden körperlichen Misshandlung nur dann erfüllt, wenn die Schwelle zu einer üblen und unangemessenen Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt, überschritten wird (Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 223 Rn. 4 mwN). Bei einem Schlag in das Gesicht ist danach als körperliche Wirkung jedenfalls ein - wenn auch nur kurz anhaltendes - Schmerzempfinden zu verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1991 - 2 StR 225/91, juris Rn. 8).
7
Ein solches wurde ausdrücklich nicht festgestellt. Der Senat hat deshalb den Schuldspruch - auch bezüglich der Mitangeklagten, § 357 StPO - in versuchte gefährliche Körperverletzung geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen , da sich die Angeklagten gegen den Tatvorwurf in seiner abweichenden rechtlichen Bewertung nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.
8
3. Die Rechtsfolgenentscheidungen bleiben hiervon jeweils unberührt. Der Senat schließt angesichts der rechtsfehlerfreien tateinheitlichen Verurteilung wegen räuberischer Erpressung aus, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung mildere Sanktionen verhängt hätte.
9
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 StPO, §§ 74, 109 Abs. 2 Satz 1 JGG. Der geringe Teilerfolg des Rechtsmittels des Angeklagten U. rechtfertigt eine Ermäßigung der Gebühr und die Auferlegung eines Teils der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse nicht.
Becker Pfister Hubert Schäfer Spaniol

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 318/13
vom
31. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 31. Juli 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 13. März 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit er im Fall 17 (Ziffer II.2.i) der Urteilsgründe verurteilt wurde, und im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 17 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexueller Nötigung und in vier Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, soweit er verurteilt wurde, mit der Sachrüge. Das Rechts- mittel führt zur Aufhebung des Urteils hinsichtlich der Verurteilung im Fall 17 und des Ausspruchs über die Gesamtstrafe; im Übrigen ist es unbegründet.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts begab sich der Angeklagte am Abend des Tattags in das Kinderzimmer der Geschädigten. Er veranlasste sie, das Oberteil ihrer Bekleidung hochzuziehen, und entblößte seinen Unterleib. Dann fasst er der Geschädigten an die Brüste und begann sich selbst zu befriedigen. Er fragte die Geschädigte, ob sie sein Geschlechtsteil anfassen wolle, was diese ablehnte. Während die Geschädigte aus Ekel ihre Augen schloss, nahm er ihre Hand, führte diese an sein erigiertes Glied und "machte Onanierbewegungen". Als der Angeklagte seine Hand fortnahm, hörte die Geschädigte mit diesen Bewegungen auf. "Daraufhin ergriff der Angeklagte erneut ihre Hand und setzte die von ihm geführten Onanierbewegungen fort".
3
Das Landgericht hat dies rechtsfehlerhaft als sexuelle Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen gemäß §§ 177 Abs. 1 Nr. 1, 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB bewertet. Für die Annahme einer sexuellen Nötigung "mit Gewalt" ist erforderlich, dass der Täter physische Kraft entfaltet, um den als ernst erkannten oder erwarteten Widerstand des Opfers gegen die Vornahme sexueller Handlungen zu überwinden; das Opfer muss durch die Handlung des Täters einem körperlich wirkenden Zwang ausgesetzt sein (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 2009 – 4 StR 88/09; NStZ-RR 2009, 202 f.). Die Feststellungen des Landgerichts ergeben jedoch nur, dass der Angeklagte die Hand der Geschädigten geführt hat. Nimmt das Opfer die unerwünschten sexuellen Handlungen hin, ohne Widerstand zu leisten, so liegt keine Gewalt im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor (vgl. BGH, Urteil vom 7. Januar 1997 – 1 StR 726/96, NStZ-RR 1997, 199).
4
Die Aufhebung des Urteils im Fall 17 zwingt auch zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.