Bundesgerichtshof Urteil, 09. Okt. 2013 - 2 StR 297/13

bei uns veröffentlicht am09.10.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 297/13
vom
9. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen ausbeuterischer Zuhälterei u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung am
25. September 2013 in der Sitzung am 9. Oktober 2013, an der teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof bei Bekanntgabe der
Verfügung,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Vertreter der Nebenklägerin A. ,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 11. Februar 2013, auch soweit es die Mitangeklagte R. betrifft und soweit beide Angeklagten verurteilt worden sind, mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die Revision der Nebenklägerin A. gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen. Die Nebenklägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen ausbeuterischer Zuhälterei in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit dirigistischer Zuhälterei und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und mit vorsätzlicher Körperverletzung (Fall 1 der Urteilsgründe), sowie wegen versuchten schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in Tat- einheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall 2 der Urteilsgründe), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Angeklagte R. hat es wegen Beihilfe zur ausbeuterischen Zuhälterei in Tateinheit mit dirigistischer Zuhälterei zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Im Übrigen hat das Landgericht beide Angeklagten freigesprochen.
2
Die Revision des Angeklagten S. , mit der er eine Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg. Von der Aufhebung erfasst wird auch die Verurteilung der nichtrevidierenden Mitangeklagten R. .
3
Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision, mit der sich die Nebenklägerin A. gegen den Teilfreispruch beider Angeklagten wendet, ist unbegründet.

A.

4
Die Revision des Angeklagten S. ist begründet.

I.

5
1. Der Verurteilung des Angeklagten liegen folgende Feststellungen des Landgerichts zugrunde:
6
Der Angeklagte war mit der Mitangeklagten R. befreundet, die in einer Wohnung im ersten Stock des Hauses Sch. der Prostitution nachging. Im März 2012 bezog die Geschädigte M. ein Zimmer im zweiten Stock und ging dort auf Veranlassung einer Frau namens J. ebenfalls der Prostitution nach. Der Angeklagte hatte zwischenzeitlich beschlossen, sich als gewerblicher Zimmervermieter zu betätigen, und besprach mit dem Vermieter des Hauses, die Wohnung im ersten und eine weitere im vierten Stock des Hauses anzumieten. Er plante, die einzelnen Zimmer dieser Wohnungen selbständig an Prosituierte unterzuvermieten, deren sämtliche Einkünfte an sich zu nehmen und ihnen nur nach Gutdünken Geld zum Eigenbedarf zuzuweisen; den überwiegenden Teil ihrer Einkünfte wollte er für sich selbst verwenden.
7
a) In Umsetzung dieses Plans "kaufte" der Angeklagte die Geschädigte M. für 1.400 € von J. ab. Er einigte sich mit der Geschädigten dahin , dass diese ab dem 20. März 2012 in der Wohnung im ersten Stock arbeiten und dafür die Hälfte ihrer Einnahmen an den Angeklagten abgeben sollte. Die Geschädigte nahm ihre Arbeit auf, hatte aber vom 20. März bis zum 26. April 2012 ihre sämtlichen Einnahmen der Mitangeklagten R. zu übergeben, die die Gelder jeweils an den Angeklagten weiterleitete. Die Preise bezüglich der Art und Dauer ihrer sexuellen Dienstleistungen waren ihr vorgegeben. Die Geschädigte hatte keinen Überblick über ihre Einnahmen. Sie konnte weder lesen noch schreiben; auch das Rechnen sowie die deutsche Sprache beherrschte sie nur rudimentär. In dem genannten Zeitraum überwies sie mit Hilfe des Angeklagten bei drei Gelegenheiten 100 €, 130,50 € und 145 € an ihre Familie in B. .
8
Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt während ihres Aufenthalts hatte die Geschädigte keine Lust mehr, in dem Haus Sch. zu arbeiten. Der Angeklagte teilte ihr daraufhin mit, dass sie erst gehen könne, wenn sie das Geld, das er für sie bezahlt habe, abgearbeitet habe; sie könne allerdings ihre Schwester zum Weiterarbeiten schicken. Da die Schwester der Geschädigten dies ablehnte, blieb die Geschädigte in der Sch. . Zu einem weiteren nicht feststellbaren Zeitpunkt schlug der Angeklagte die Geschädigte min- destens einmal mit der flachen Hand ins Gesicht, schubste sie gegen die Wand und trat sie, weil er den Verdacht hegte, sie liefere nicht ihren gesamten Verdienst an ihn ab. Am 22. April 2012 unterschrieb die Geschädigte einen Untermietvertrag (Tagesmietpreis von 75 € für ein Zimmer) und einen weiteren Vertrag , in dem sie erklärte, dem Angeklagten 1.300 € zu schulden.
9
b) In Umsetzung seines Plans "kaufte" der Angeklagte auch die Geschädigte St. , die bislang in einem anderen Haus der Prostitution nachging, von einem Y. und einer weiteren Person. Die Geschädigte bezog am 27. März 2012 ein Zimmer im ersten Stock des Hauses Sch. und ging jedenfalls drei Tage lang der Prostitution nach. Ihre gesamten Einnahmen hatte sie der Mitangeklagten R. zu übergeben, die die Gelder an den Angeklagten S. weiterleitete. Am 31. März 2012 wurde bei der Geschädigten eine Schwangerschaft festgestellt. Sie verbrachte unter wechselnder Aufsicht der Mitangeklagten R. , der Nebenklägerin A. und der Geschädigten M. zwei Tage im Krankenhaus. Nach ihrer Rückkehr weigerte sie sich, der Prostitution nachzugehen. Der Angeklagte verlangte ihre Weiterarbeit und verbot ihr in der Folgezeit, das Haus zu verlassen, was die Mitangeklagte R. und die Nebenklägerin A. überwachten. Am 4. April 2012 unterzeichnete sie einen Darlehnsvertrag über 7.000 € und am 13. April 2012 einen Untermietvertrag (Tagesmietpreis von 75 € für ein Zimmer). Nach einem am 10. April 2012 erfolgten Schwangerschaftsabbruch floh die Geschädigtezu Y. , der sie aber zu dem Angeklagten zurückbrachte. Am 25. April 2012 gelang der Geschädigten wiederum die Flucht. Der Angeklagte spürte sie auf und brachte sie zurück. In Anwesenheit der Mitangeklagten R. , der Geschädigten M. sowie der Nebenklägerin A. und der Zeugin T. M. schlug er auf die Geschädigte St. mit der Faust ein. Nachdem sie zu Boden gegangen war, trat er weiter mit Schuhen auf sie ein, um ihr klar zu machen, dass sie im Haus zu bleiben und der Prostitution nachzugehen habe. Das Verprügeln in Gegenwart der anderen Frauen diente aber auch dazu , diesen eindrucksvoll deutlich zu machen, was passieren werde, wenn sie weglaufen und ihre vertraglichen Verpflichtungen ihm gegenüber nichterfüllen würden. Später ging der Angeklagte mit der Geschädigten in ein Nebenzimmer und prügelte gemeinsam mit dem hinzugerufenen Zeugen H. weiter auf sie ein.
10
2. Die Handlungen zum Nachteil der Geschädigten St. hat das Landgericht als tateinheitlich begangene ausbeuterische und dirigistische Zuhälterei (§ 181a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB) - (Fall 1) - sowie als versuchten schweren Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (§ 232 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Nr. 1, § 22, 23 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4) - (Fall 2) - gewertet.
11
Die Handlungen zum Nachteil der Geschädigten M. hat das Landgericht als tateinheitlich begangene ausbeuterische Zuhälterei (§ 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB), schweren Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (§ 232 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB) und vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 StGB) gewertet und Tateinheit zu den zum Nachteil der Geschädigten St. im Fall 1) erfolgten Handlungen angenommen.

II.

12
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.
13
1. Die Verurteilung hat im Ergebnis keinen Bestand, auch wenn die Annahme einzelner tateinheitlich verwirklichter Straftatbestände an sich nicht zu beanstanden ist. Im Einzelnen ergibt sich dies aus Folgendem:
14
a) Der Schuldspruch wegen ausbeuterischer Zuhälterei gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB zum Nachteil der Geschädigten St. und M. begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
15
Eine Ausbeutung liegt vor, wenn dem Opfer in objektiver Hinsicht ein erheblicher Teil der Einnahmen entzogen wird und dies zu einer gravierenden Beschränkung der persönlichen und wirtschaftlichen Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit führt, die geeignet ist, dem Opfer die Lösung aus der Prostitution zu erschweren (Fischer, StGB, 60. Aufl. § 181a Rdn. 7). Zwar setzt eine solche Annahme im Regelfall Feststellungen zur Höhe der Einnahmen und Abgaben der Prostituierten voraus (BGH, Urteil vom 20. Oktober 1988 - 4 StR 413/88, NStZ 1989, 67). Allerdings steht das Fehlen exakter Feststellungen zu Einnahmen und Ausgaben einer Verurteilung wegen ausbeuterischer Zuhälterei nicht zwingend entgegen. Wenn - wie hier - die Prostituierten ihre gesamten Einnahmen abgeben müssen und nur gelegentlich geringe Summen zur Weiterleitung an ihre Familie zurückerhalten, ist ohne Weiteres von einer Ausbeutung im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB auszugehen (vgl. Senatsurteil vom 21. Juli 1993 - 2 StR 160/93, NStZ 1994, 32, 33 und vom 3. März 1999 - 2 StR 608/98, NStZ 1999, 349, 350; BGH, Beschluss vom 20. April 2004 - 4 StR 67/04). Ob und inwieweit es sich bei den Zahlungen der Geschädigten auch um eine Begleichung von Mietverbindlichkeiten handelte, kann dabei offen bleiben. Eine Ausbeutung der Geschädigten bestand jedenfalls darin, dass sie ungeachtet möglicherweise bestehender konkreter Mietverbindlichkeiten täglich ihre gesamten Einnahmen an den Angeklagten abgeben mussten.
16
b) Auch die Annahme einer dirigistischen Zuhälterei zu Lasten der Nebenklägerin St. im Fall 1) hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Der rechtlichen Würdigung des Landgerichts ist zwar nicht zu entnehmen, von welcher Variante des § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB es ausgegangen ist.
17
Die Feststellungen belegen aber, dass der Angeklagte jedenfalls im Sinn der 3. Variante des § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB „Maßnahmen getroffen“ hat, die die Geschädigte davon abhalten sollten, die Prostitution aufzugeben. Erfasst werden hiervon Vorkehrungen, die das Opfer in seiner Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen geeignet und darauf gerichtet sind, ihm den Weg aus der Prostitution zu verbauen (BGH, Beschluss vom 9. April 2002 - 4 StR 66/02, StV 2003, 163; Beschluss vom 13. November 2001 - 4 StR 408/01). Dass es sich hier so verhält, kann den Urteilsgründen noch entnommen werden. Nachdem die Geschädigte wegen Blutungen ins Krankenhaus eingeliefert worden war, befürchtete der Angeklagte, sie könne weglaufen und die Prostitution aufgeben. Er ließ sie deshalb tagsüber von der Mitangeklagten R. und der Nebenklägerin A. und in der Nacht von der Geschädigten M. bewachen. Die Geschädigte fühlte sich durch diese Maßnahmen nach wie vor in der Prostitution festgehalten. Erst nach ihrer Rückkehr in das Haus Sch. weigerte sie sich, fortan der Prostitution nachzugehen.
18
c) Die Annahme eines schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten M. begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
19
aa) Im Hinblick auf die zum Nachteil der Geschädigten M. abgeurteilte vorsätzliche Köperverletzung begegnet schon die den Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
20
Die Beweiswürdigung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatgerichts; der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt aber, ob dem Tatgericht dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung - wie hier - widersprüchlich ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238; Urteil vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147; Urteil vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 928).
21
Das Landgericht stützt seine Feststellung, dass der Angeklagte die Geschädigte mindestens einmal mit der flachen Hand ins Gesicht schlug, sie gegen die Wand schubste und trat, allein auf die geständige Einlassung des Angeklagten (UA S. 79). Dies widerspricht aber der Wiedergabe der im Rahmen der Beweiswürdigung geschilderten Einlassung des Angeklagten, der zwar eine Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin A. und der Geschädigten St. eingeräumt, im Übrigen aber ausdrücklich erklärt habe, mit Ausnahme dieser zwei von ihm eingestandenen Fälle keine der Frauen geschlagen zu haben (UA S. 45, 47, 48).
22
bb) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Menschenhandels gemäß „§ 232 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB“ zu Lasten der Geschädigten M. begegnet sachlich-rechtlichen Bedenken. Dabei ist schon nicht nachzuvollziehen, warum die Strafkammer § 232 Abs. 1 StGB - dessen Voraussetzungen durch die Feststellungen zudem nicht belegt werden - neben dem ausgeurteilten schweren Menschenhandel des § 232 Abs. 4 StGB als angewandte Vorschrift erwähnt hat. § 232 Abs. 4 StGB ist ein keine Qualifikation des § 232 Abs. 1 StGB, sondern ein eigenständiger Straftatbestand mit von § 232 Abs. 1 StGB unabhängigen Voraussetzungen. Im Übrigen hat das Landgericht im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung schon nicht erkennen lassen, von welcher Variante des § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB es ausgegangen ist.
23
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB sind indes in keiner Variante belegt. Der Angeklagte hat zwar die Geschädigte zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt einmal ins Gesicht geschlagen, geschubst und getreten und insofern Gewalt im Sinne des § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB angewandt. Ungeachtet dessen, dass für diese Feststellung der Strafkammer - wie zuvor ausgeführt - schon eine Tatsachengrundlage fehlt, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, dass die Geschädigte zu diesem Zeitpunkt die Prostitution überhaupt aufgeben oder einschränken wollte und die erfolgten Schläge sie daher zur Fortsetzung der Prostitution veranlassen sollten. Die Gewalthandlung erfolgte vielmehr ausdrücklich allein als Sanktion dafür, dass der Angeklagte vermutete, die Geschädigte gebe ihre Einnahmen nicht vollständig an ihn ab. Weitere Gewalthandlungen oder auch Drohungen gegenüber der Geschädigten sind nicht festgestellt. Soweit am 25. April 2012 Gewalthandlungen gegen die Geschädigte St. erfolgten und diese dazu dienten, auch die Geschädigte M. einzuschüchtern, ist ebenfalls nicht festgestellt , dass die Geschädigte die Prostitution zu diesem Zeitpunkt aufgeben wollte.
24
Auch der Einsatz einer „List“ im Sinne des § 232Abs. 4 Nr. 1 StGB ist nicht mit Feststellungen der Strafkammer belegt. Der Angeklagte brachte zwar die Geschädigte überhaupt nur durch eine Täuschung zur Aufnahme der Prostitution in seinen Räumlichkeiten, indem er ihr vorspiegelte, sie müsse nur die Hälfte ihrer Einnahmen an ihn abgeben. Dieses Verhalten begründet aber noch keine „List“ im Sinne des § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB, die ein Ausschalten des Widerstands des Opfers gegen die Prostitution durch täuschende Machenschaften erfordert. Das lediglich unredliche und arglistige Schaffen eines Anreizes gegenüber einer Person, die sich frei für oder gegen eine Prostitutionsaufnahme oder -fortsetzung entscheiden kann, genügt zur Verwirklichung des Verbre- chenstatbestands nicht (vgl. Urteil vom 3. Juni 1980 - 1 StR 192/80; BGH, Urteil vom 20. Oktober 1997 - 3 StR 266/76, BGHSt 27, 28; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 232 Rn. 28).
25
Zwar hat der Angeklagte die Geschädigte, die zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt keine Lust mehr hatte, im Haus Sch. zu arbeiten , auch dazu gebracht, gleichwohl zu bleiben, indem er ihr mitteilte, sie könne erst dann gehen, wenn sie das Geld, das er für sie bezahlt habe, abgearbeitet habe. Dies und der Umstand, dass sie weiter arbeitete, belegen jedoch keine durch „List“ veranlasste Fortsetzung der Prostitution.
26
2. Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen schweren Menschenhandels und tateinheitlicher vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten M. ; hiervon erfasst wird auch die rechtlich nicht zu beanstandende tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen ausbeuterischer Zuhälterei zum Nachteil beider Geschädigten sowie wegen dirigistischer Zuhälterei zum Nachteil der Geschädigten St. (Fall 1 der Urteilsgründe).
27
Die Aufhebung des Schuldspruchs zwingt auch zur Aufhebung des - für sich genommen nicht zu beanstandenden - Schuldspruchs im Fall 2) der Urteilsgründe wegen versuchten schweren Menschenhandels sowie gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten St. , da insoweit Tateinheit mit der unter Fall 1) abgeurteilten ausbeuterischen Zuhälterei zum Nachteil der Geschädigten M. besteht.
28
Die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts, das demgegenüber Tatmehrheit angenommen hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Strafkammer hat zwar im Ansatz bedacht, dass dasvon dem Angeklagten jeweils verwirklichte Dauerdelikt der Zuhälterei mehrere Handlungen zum Nach- teil verschiedener Frauen zur Tateinheit verklammern kann, wenn - wie hier - von demselben Täter zeitgleich auf mehrere Geschädigte in denselben Räumlichkeiten eingewirkt wird (Senatsbeschluss vom 1. August 2003 - 2 StR 186/03, BGHSt 48, 314, 322; Senatsurteil vom 15. Juli 2005 - 2 StR 131/05, NStZ-RR 2007, 46, 47). Es hat dementsprechend die ausbeuterische Zuhälterei zum Nachteil der Geschädigten M. und St. , auf die der Angeklagte zeitgleich in derselben Wohnung einwirkte und die er gemeinsam von der Mitangeklagten R. abkassieren ließ, zutreffend als einheitliche Tat gewertet. Auch hat das Landgericht bedacht, dass die Zuhälterei als minder schweres Dauerdelikt den zum Nachteil verschiedener Frauen begangenen Menschenhandel nicht zur Tateinheit verklammern kann.
29
Der unter Fall 2) abgeurteilte versuchte schwere Menschenhandel richtete sich indes nicht nur gegen die Geschädigte St. , sondern gleichzeitig auch gegen die Geschädigte M. . Nach den Feststellungen diente die in ihrer Gegenwart am 25. April 2012 erfolgte körperliche Züchtigung der Geschädigten St. auch dazu, der Geschädigten M. deutlich zu machen, was passieren werde, wenn sie weglaufen und ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Angeklagten nicht nachkommen würde. Die Tat fand mithin nicht nur während einer gleichzeitigen Anwesenheit beider Geschädigten in denselben Räumlichkeiten statt, sondern diente konkret dazu, die im Zeitraum vom 20. März bis 26. April 2012 erfolgten Ausbeutung der GeschädigtenM. zu fördern. Zwischen der zu deren Nachteil begangenen ausbeuterischen Zuhälterei und dem unter Fall 2) abgeurteilten versuchten schweren Menschenhandel in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Lasten der Geschädigten St. besteht daher Tateinheit.
30
3. Gemäß § 357 StPO erfasst die Aufhebung des Schuldspruchs gegen den Angeklagten S. im Fall 1) der Urteilsgründe auch die Verurteilung der nicht revidierenden Mitangeklagten R. wegen Beihilfe der zum Nachteil der Geschädigten St. erfolgten tateinheitlich begangenen ausbeuterischen und dirigistischen Zuhälterei.

B.

31
Die Revision der Nebenklägerin A. gegen den Teilfreispruch beider Angeklagten ist unbegründet.

I.

32
1. Die Anklage hat den Angeklagten S. und R. unter Anklagepunkt 3 Folgendes zur Last gelegt: Der Angeklagte S. habe die Nebenklägerin A. dazu gewonnen, in seiner Wohnung als Prostituierte zu arbeiten. Er habe mit ihr eine Tagesmiete von 75 € und die Abgabe der hälftigen Einnahmen vereinbart. Tatsächlich habe die Nebenklägerin in der Zeit vom Oktober 2011 bis zum 27. April 2012 ihre gesamten Einnahmen in Höhe von rund 39.400 € der Mitangeklagten R. zur Weiterleitung an den Angeklagten abgeben müssen ; lediglich 150 € bis 300 € monatlich seien ihr verblieben. Aus Furcht vor Gewalttätigkeiten des Angeklagten habe sie ihren Wunsch, nach B. zurückzukehren , nur einmal im Februar 2012 geäußert.
33
Unter Anklagepunkt 46 und 47 hat die Anklage dem Angeklagten S. darüber hinaus zur Last gelegt, die Nebenklägerin in mindestens zwei Fällen geschlagen zu haben, weil sie an schlechten Tagen die Tagesmiete nicht erwirtschaftet hatte.
34
2. Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass die Nebenklägerin im vorgenannten Zeitraum in der Wohnung im ersten Stock des Hauses Sch. als Prostituierte gearbeitet hat. Dazu, in welchem Umfang die Nebenklägerin A. über ihre Einnahmen hat eigenständig verfügen können und wer wann möglicherweise an ihren Einnahmen partizipiert hat, hat das Gericht keine sicheren Feststellungen treffen können, ebenso wenig zu stattgefundenen Gewalttätigkeiten. Zwar habe der Angeklagte eingeräumt, die Nebenklägerin einmalig geschlagen zu haben. Dies sei aber nach Zeit, Ort und Anlass unbestimmt geblieben. Die Angaben der Nebenklägerin, die mit der Mitangeklagten R. befreundet gewesen sei und zusammen mit dieser auch die Überwachung anderer Prostituierten übernommen habe, seien an zahlreichen Stellen in sich widersprüchlich und durch Übertreibungen gekennzeichnet gewesen. Auffällig sei auch gewesen, dass es die Nebenklägerin vermieden habe, konkrete Angaben zu machen und bei bestimmten Themen nur sehr zurückhaltend und ausweichend geantwortet habe, weshalb ihre Angaben insbesondere auch im Hinblick auf die erfahrenen Schläge durch den Angeklagten insgesamt nicht glaubhaft gewesen seien.

II.

35
1. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
36
Soweit die Nebenklägerin rügt, der Vorsitzende habe sie in der Wahrnehmung ihrer Opferrechte verletzt, da ihre Vernehmung wegen Verhinderung ihres Beistands nur in Anwesenheit von dessen nicht eingearbeitetem Vertreter stattgefunden habe, ist nicht ersichtlich, dass das Urteil auf einem solchen Rechtsfehler beruhen könnte.
37
Die erhobene Aufklärungsrüge ist bereits unzulässig, weil keine bestimmte Beweistatsache behauptet wird.
38
2. Der Teilfreispruch hält auch sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.
39
Sieht der Tatrichter von einer Verurteilung ab, weil er Zweifel nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt insoweit nur, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn er an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147; Urteil vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238).
40
a) Diesen Anforderungen wird die dem Freispruch zugrundeliegende Beweiswürdigung gerecht. Die Strafkammer hat sich von den, den Angeklagten insoweit vorgeworfenen Taten vornehmlich aufgrund der in der Aussage der Nebenklägerin enthaltenen, in den Urteilsgründen im Einzelnen dargestellten Widersprüchen und Übertreibungen im Ergebnis nicht überzeugen können. Die Beweiswürdigung lässt dabei keinen Rechtfehler erkennen.
41
b) Bedenken bestehen zwar gegen die Beweiswürdigung im Hinblick auf eine weitere mögliche Körperverletzung des Angeklagten. Dieser hat nach den Feststellungen eingeräumt, er habe die Nebenklägerin jedenfalls einmal im Frühjahr 2012 mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, weil diese hinter seinem Rücken einer anderen Prostituierten Unwahrheiten über ihn erzählt habe (UA S. 45). Ein entsprechendes Geschehen hat auch die Mitangeklagte R. geschildert (UA S. 34 f., 41). Die Beweiswürdigung hierzu ist lückenhaft. Dies führt aber nicht zum Erfolg der Revision der Nebenklägerin, denn die vom Angeklagten geschilderte Tat ist von der zugelassenen Anklage und damit auch nicht von der Kognitionspflicht des Tatgerichts nicht umfasst.
42
Gegenstand der zugelassenen Anklage sind zwei zu Lasten der Nebenklägerin erfolgten Körperverletzungshandlungen. Diese werden lediglich dahin konkretisiert, dass der Angeklagte die Nebenklägerin in mindestens zwei Fällen geschlagen habe, wenn sie an schlechten Tagen die Tagesmiete nicht erwirtschaftete. Der Anklage ist weiter zu entnehmen, dass dies in der Zeit von Oktober 2011 bis Februar 2012 stattgefunden habe. Zwar wird für die unter Anklagepunkt 3 den Angeklagten vorgeworfene Tat ein darüber hinaus gehender Zeitraum bis 27. April 2012 genannt. In Bezug auf die beiden allein dem Angeklagten S. vorgeworfenen Körperverletzungshandlungen wird dieser Zeitraum aber durch die Anklage selbst eingeschränkt, denn danach soll die Nebenklägerin ab Februar 2012 unter dem „Eindruck der Gewalttätigkeiten“ des Angeklagten gestanden haben. Als „Gewalttätigkeiten“ des Angeklagten schildert die Anklage nur das zweimalige Schlagen des Angeklagten.
43
Die vom Angeklagten eingeräumte Tat weicht daher sowohl im Hinblick auf ihren Anlass als auch den Zeitraum von der Tatschilderung der Anklage ab. Zwar braucht nicht jede Veränderung oder Erweiterung des Tatgeschehens die Identität zwischen Anklage und abgeurteilter Tat aufzuheben (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 1994 - 3 StR 457/93, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 8), wenn die in der Anklage beschriebene Tat unabhängig von dieser Tatmodalität nach anderen Merkmalen individualisiert und dadurch weiterhin als einmaliges, unverwechselbares Geschehen gekennzeichnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2000 - 4 StR 245/00, BGHSt 46, 130, 133; Urteil vom 28. Mai 2002 - 5 StR 55/02; Beschluss vom 13. März 1996 - 3 StR 43/96, BGHR StPO, § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 19). Eine solche weitere Umgrenzung des dem Ange- klagten pauschal vorgeworfenen „Schlagens“ der Nebenklägerin enthält die Anklage aber nicht. Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng

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Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

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Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

Strafgesetzbuch - StGB | § 232 Menschenhandel


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Strafprozeßordnung - StPO | § 200 Inhalt der Anklageschrift


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Strafgesetzbuch - StGB | § 181a Zuhälterei


(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer 1. eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder2. seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort,

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Tenor I. Der Angeklagte wird wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, wegen schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in zwei Fällen, hiervon in einem Fall in Tateinheit mit ausbeuterischer Zuhälterei, sowie wegen eines weiteren Falls

Referenzen

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder
2.
seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben,
und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird auch bestraft, wer die in Absatz 1 Nr. 1 und 2 genannten Handlungen oder die in Absatz 2 bezeichnete Förderung gegenüber seinem Ehegatten oder Lebenspartner vornimmt.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer eine andere Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, oder wer eine andere Person unter einundzwanzig Jahren anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt, wenn

1.
diese Person ausgebeutet werden soll
a)
bei der Ausübung der Prostitution oder bei der Vornahme sexueller Handlungen an oder vor dem Täter oder einer dritten Person oder bei der Duldung sexueller Handlungen an sich selbst durch den Täter oder eine dritte Person,
b)
durch eine Beschäftigung,
c)
bei der Ausübung der Bettelei oder
d)
bei der Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen durch diese Person,
2.
diese Person in Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft oder in Verhältnissen, die dem entsprechen oder ähneln, gehalten werden soll oder
3.
dieser Person rechtswidrig ein Organ entnommen werden soll.
Ausbeutung durch eine Beschäftigung im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b liegt vor, wenn die Beschäftigung aus rücksichtslosem Gewinnstreben zu Arbeitsbedingungen erfolgt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen solcher Arbeitnehmer stehen, welche der gleichen oder einer vergleichbaren Beschäftigung nachgehen (ausbeuterische Beschäftigung).

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer eine andere Person, die in der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Weise ausgebeutet werden soll,

1.
mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt oder
2.
entführt oder sich ihrer bemächtigt oder ihrer Bemächtigung durch eine dritte Person Vorschub leistet.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn

1.
das Opfer zur Zeit der Tat unter achtzehn Jahren alt ist,
2.
der Täter das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung wenigstens leichtfertig in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
In den Fällen des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn einer der in Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Umstände vorliegt.

(4) In den Fällen der Absätze 1, 2 und 3 Satz 1 ist der Versuch strafbar.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder
2.
seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben,
und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird auch bestraft, wer die in Absatz 1 Nr. 1 und 2 genannten Handlungen oder die in Absatz 2 bezeichnete Förderung gegenüber seinem Ehegatten oder Lebenspartner vornimmt.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer eine andere Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, oder wer eine andere Person unter einundzwanzig Jahren anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt, wenn

1.
diese Person ausgebeutet werden soll
a)
bei der Ausübung der Prostitution oder bei der Vornahme sexueller Handlungen an oder vor dem Täter oder einer dritten Person oder bei der Duldung sexueller Handlungen an sich selbst durch den Täter oder eine dritte Person,
b)
durch eine Beschäftigung,
c)
bei der Ausübung der Bettelei oder
d)
bei der Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen durch diese Person,
2.
diese Person in Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft oder in Verhältnissen, die dem entsprechen oder ähneln, gehalten werden soll oder
3.
dieser Person rechtswidrig ein Organ entnommen werden soll.
Ausbeutung durch eine Beschäftigung im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b liegt vor, wenn die Beschäftigung aus rücksichtslosem Gewinnstreben zu Arbeitsbedingungen erfolgt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen solcher Arbeitnehmer stehen, welche der gleichen oder einer vergleichbaren Beschäftigung nachgehen (ausbeuterische Beschäftigung).

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer eine andere Person, die in der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Weise ausgebeutet werden soll,

1.
mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt oder
2.
entführt oder sich ihrer bemächtigt oder ihrer Bemächtigung durch eine dritte Person Vorschub leistet.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn

1.
das Opfer zur Zeit der Tat unter achtzehn Jahren alt ist,
2.
der Täter das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung wenigstens leichtfertig in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
In den Fällen des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn einer der in Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Umstände vorliegt.

(4) In den Fällen der Absätze 1, 2 und 3 Satz 1 ist der Versuch strafbar.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder
2.
seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben,
und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird auch bestraft, wer die in Absatz 1 Nr. 1 und 2 genannten Handlungen oder die in Absatz 2 bezeichnete Förderung gegenüber seinem Ehegatten oder Lebenspartner vornimmt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 66/02
vom
9. April 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Zuhälterei u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. April 2002 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 5. Oktober 2001 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Zuhälterei in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und bestimmt, daß ihm vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg, weil das Landgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen der Verurteilung wegen Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 StGB) nicht ausreichend dargetan hat.
1. Tat zum Nachteil W. (Fall II.1 der Urteilsgründe)
Das Landgericht nimmt an, daû der Angeklagte die Geschädigte bei der Ausübung der Prostitution "überwacht" und "Maûnahmen" getroffen hat, die die Geschädigte "davon abhalten sollten, die Prostitution aufzugeben" (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 1. und 3. Alt. StGB). Der Tatbestand der dirigierenden Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) setzt in allen Begehungsweisen eine bestimmende Einfluûnahme auf die Prostitutionsausübung voraus; eine bloûe Unterstützung reicht nicht aus. Das Verhalten muû vielmehr geeignet sein, die Prostituierte in Abhängigkeit vom Täter zu halten, ihre Selbstbestimmung zu beeinträchtigen, sie zu nachhaltigerer Prostitutionsausübung anzuhalten oder ihre Entscheidungsfreiheit in sonstiger Weise nachhaltig zu beeinflussen (BGH StV 2000, 357, 361; BGHR StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 2 Dirigieren 2; Senatsbeschluû vom 13. November 2001 - 4 StR 408/01). Daû es sich hier so verhält, kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht mit genügender Sicherheit entnommen werden.

a) Soweit es das “Überwachen” im Sinne der ersten Alternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB anlangt, teilt das Urteil nicht mit, daû der Angeklagte irgendwelche organisatorischen Maûnahmen getroffen hat, die dazu dienten, die Geschädigte zu kontrollieren und “bei der Prostitutionsausübung” zu beaufsichtigen (zum Begriff des Überwachens Horn in SK-StGB 6. Aufl. 42. Lfg. § 181 a Rdn. 11; Laufhütte in LK-StGB 11. Aufl. § 181 a Rdn. 5; jew. m.Rspr.Nachw.). Zwar heiût es dazu im Rahmen der rechtlichen Würdigung, der Angeklagte sei "regelmäûig vorbeigekommen ..., um zu sehen, ob sie gearbeitet hat" (UA 45). Doch findet dies keine Grundlage in den insoweit getroffenen Feststellungen. Denn danach erhielt er von der Geschädigten zwar je-
weils 100 bis 200 DM ausgehändigt, dies allerdings nur "wenn er vorbeikam" (UA 12, ebenso UA 28; Hervorhebung durch den Senat), ohne daû die Häufigkeit der Besuche festgestellt werden konnte. Damit ist nicht belegt, wie es das Merkmal des Überwachens voraussetzt, daû der Angeklagte kontrollierte, wie und was die Geschädigte verdiente (vgl. BGH NStZ 1982, 379; 1986, 358 f. m.krit.Anm. Nitze; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 181 a Rdn. 6 a).
Im übrigen sind die dazu bisher getroffenen Feststellungen so allgemein gehalten, daû sie auch deshalb dem Senat nicht die Prüfung erlauben, ob das Landgericht – und zwar auch in der gebotenen zusammenfassenden Würdigung der einzelnen Maûnahmen des Angeklagten (vgl. BGH NJW 1987, 3209, 3210) – die Voraussetzungen der angewendeten Tatbestandsalternative zu Recht angenommen hat. So erwähnt das Urteil zwar, der Angeklagte habe die Geschädigte ªbei Widerspruch oder Ungehorsam (geschlagen), zunehmend auch ohne besonderen Anlaûº (UA 12). Einzelheiten hierzu teilt das Urteil aber nicht mit. Deshalb bleibt nicht nur offen, welche und gegebenenfalls wie viele Körperverletzungshandlungen dem Schuldspruch in diesem Fall zugrunde liegen. Vielmehr fehlt auch der Nachweis, daû objektiv und auch subjektiv der notwendige Zusammenhang dieser ªMaûnahmenº des Angeklagten gerade mit der Ausübung der Prostitution durch die Geschädigte besteht (Überwachen ªbei der Ausübung der Prostitutionº).

b) Die Feststellungen belegen auch nicht, daû der Angeklagte im Sinne der 3. Alternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB Maûnahmen getroffen hat, die die Geschädigte davon abhalten sollten, die Prostitution aufzugeben. Erfaût werden hiervon Vorkehrungen, die das Opfer in seiner Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen geeignet und darauf gerichtet sind, ihm den Weg aus der
Prostitution zu verbauen (Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 181 a Rdn. 10). Insoweit fehlt es an jeglichem Hinweis, daû die Geschädigte überhaupt beabsichtigte, aus der Prostitution auszusteigen. Ob dies schon für sich der Annahme dieser Tatbestandsalternative entgegensteht (verneinend Horn aaO Rdn. 13; Lenckner/Perron aaO; Laufhütte aaO Rdn. 7), bedarf hier keiner Entscheidung. Voraussetzung wäre jedenfalls, daû die Geschädigte sich vom Angeklagten gerade in der Prostitution durch Zwang oder Drohung festgehalten fühlte (vgl. BGH NStZ 1994, 32). Daû die Geschädigte sich von dem Angeklagten trennen wollte, genügt jedenfalls nicht.

c) Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daû das Landgericht nach den bisher getroffenen Feststellungen zu Recht die 2. Alternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht angenommen hat, weil ein Bestimmen "anderer Umstände der Prostitutionsausübung" noch nicht darin zu erblicken ist, daû die Geschädigte dem Angeklagten "die Gelder nicht freiwillig gegeben hat,... sondern nur, weil der Angeklagte sie mit Schlägen und Drohungen unter Druck gesetzt hat" (UA 28). Ob der Angeklagte sich insoweit der Erpressung oder räuberischen Erpressung schuldig gemacht hat, wird der neue Tatrichter zu prüfen haben, es sei denn, daû er Anlaû sieht, das Verfahren insoweit mit Blick auf den Zeitablauf und die ± angesichts der zahlreichen Widersprüche in der Aussage der Geschädigten als der im wesentlichen einzigen unmittelbaren Belastungszeugin ± Schwierigkeit der Beweislage nach § 154 Abs. 2 StPO einzustellen.
2. Tat zum Nachteil B. (Fall II. 2 der Urteilsgründe)
Das Urteil hält rechtlicher Prüfung auch nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten sowohl der ausbeuterischen als auch der dirigistischen Zuhälterei zum Nachteil der Geschädigten B. nach § 181 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB für schuldig befunden hat.

a) Die Voraussetzungen der ausbeuterischen Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB) sind nicht hinreichend dargetan. Der Begriff der Ausbeutung verlangt ein planmäûiges und eigensüchtiges Ausnutzen der Prostitutionsausübung als Erwerbsquelle, das zu einer spürbaren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Prostituierten führt (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 180 a Abs. 2 Nr. 2 Ausbeuten 1 und StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 1 Ausbeuten 3). Die Beantwortung der Frage, ob eine spürbare Verschlechterung der Vermögenslage in diesem Sinne vorliegt, setzt grundsätzlich Feststellungen zur Höhe der Einnahmen und Abgaben der Prostituierten voraus (vgl. BGH NStZ 1989, 67 f.; Laufhütte in LK aaO Rdn. 3 m.w.N.). Jedenfalls für den Anfang des nach dem Urteil angenommenen Tatzeitraumes belegen die Feststellungen ein Ausbeuten in diesem Sinne nicht. Danach hat der Angeklagte zumindest bis zum Ausscheiden von "Jenny" aus dem von ihr zusammen mit der Geschädigten B. betriebenen Wohnungsbordell im März 2000 aufgrund einer Vereinbarung mit der Geschädigten die Hälfte der Einnahmen von "J. " erhalten sollen und tatsächlich "in der Folgezeit von der Zeugin B. 100,00 - 300,00 DM täglich ausgehändigt" bekommen. Demgegenüber behielt die Geschädigte aber "ihre eigenen Einnahmen, die zwischen 8.000,00 - 10.000,00 DM pro Monat lagen, für sich" (UA 16), wobei nach dem Zweifelsgrundsatz die von dem Angeklagten vereinnahmten Gelder mit dem Mindest- und die der Geschädigten
verbleibenden Einnahmen aus der Prostitution mit dem in Betracht kommenden Höchstbetrag anzusetzen sind. Abgesehen davon, daû das Landgericht nicht klären konnte, wie hoch die Einnahmen von "J. " genau waren (UA 16, 39), genügen diese Angaben nicht, um eine fühlbare Beschneidung des Lebensstandards der Geschädigten, den sie sonst gehabt hätte (vgl. Lenckner/Perron aaO Rdn. 4 m.N.), feststellen zu können. Die Rechtsprechung hat dies angenommen , wenn die Abgaben 50 % der Einnahmen ausmachen (vgl. BGH NStZ 1989, 67 f.; 1999, 350, 351). Daû es sich so verhält, liegt hier jedenfalls nicht so nahe, daû auf eine nähere Erörterung verzichtet werden konnte.
Es belegt die Ausbeutung im Sinne des § 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB auch nicht, daû die Geschädigte ab Mitte November 1999 monatlich 200 DM auf einen Sparkassenkredit des Angeklagten und dessen "Handy-Unkosten von 300,00 - 500,00 DM im Monat" (UA 19) bezahlte und das Landgericht ohne Angabe genauer Beträge feststellt, daû die Geschädigte seit April 2000 "für sämtliche Zahlungsverpflichtungen des Angeklagten" aufkam (UA 21). Bei all diesen Leistungen kann zudem nicht auûer Betracht bleiben, daû es die Geschädigte selbst war, die den Angeklagten an sich zu binden suchte, die ihm deshalb von sich aus die finanzielle Beteiligung anbot und die sich auch zur Übernahme seiner Zahlungsverpflichtungen veranlaût sah, nachdem der Angeklagte im Einvernehmen mit ihr seine eigene Erwerbstätigkit aufgegeben hatte, damit er sich mehr um sie kümmern könne. Das Einvernehmen stellt zwar für sich das Merkmal der Ausbeutung nicht in Frage (Laufhütte aaO Rdn. 4). Wohl aber begründet die besondere Beziehung zwischen der Geschädigten und dem Angeklagten Zweifel, daû die Geschädigte die finanziellen Leistungen auf der Grundlage eines Abhängigkeitsverhältnisses erbracht hat. Darauf kommt es jedoch an, weil das bloûe Ausgehaltenwerden selbst bei er-
heblichen Leistungen nicht genügt (BGH NStZ 1982, 507; 1983, 220). Soweit die Geschädigte dem Angeklagten schlieûlich Vermögenswerte, insbesondere Fahrzeuge, "schenkte" (UA 20, 21), die sie im Rahmen der Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann von diesem erhalten hatte, steht dies in keinem erkennbaren Zusammenhang mit ihrer Prostitutionsausübung und hat schon deshalb für die Frage der Ausbeutung auûer Betracht zu bleiben.

b) Die Feststellungen belegen aber auch nicht die Annahme dirigierender Zuhälterei nach den vom Landgericht angenommenen Tatbestandsvarianten der Nr. 2 des § 181 a Abs. 1 StGB. Die Feststellungen ergeben allerdings, daû - was die Revision auch nicht in Zweifel zieht - die Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten auch "von Gewalt geprägt" war (UA 22). Das Urteil macht aber nicht deutlich, worin das Landgericht eine "Überwachung" der Geschädigten im Sinne diese Vorschrift sieht. Daû er der Geschädigten verbot auszugehen (UA 22), genügt für sich noch nicht, zumal es ihr ersichtlich trotz des ªVerbotsº ohne weiteres möglich war, die Wohnung zu verlassen (vgl. BGH NStZ 1994, 32). Soweit das Landgericht darin zugleich Maûnahmen sieht, die dazu dienen sollten, sie im Sinne der 3. Alternative von der Aufgabe der Prostitution abzuhalten (UA 45), steht dem schon entgegen, daû es gerade nicht feststellen konnte, "daû der Angeklagte konkret versucht hätte, die Zeugin B. an einem Ausstieg aus der Prostitution zu hindernº (UA 44). Deshalb kann auch keine der fünf im einzelnen festgestellten tätlichen Übergriffe als eine solche tatbestandsmäûige Maûnahme angesehen werden, weil dem Angeklagten bei keiner dieser Auseinandersetzungen bekannt war, daû die Geschädigte einen Ausstieg plante (UA 44). Zudem wies der jeweils aktuelle Anlaû für die Tätlichkeiten nach den dazu getroffenen Feststellungen
auch nicht den spezifischen Zusammenhang mit der Ausübung der Prostitution aus.

c) Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Prüfung, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt der 2. Alternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB, die noch nicht notwendigerweise deshalb ausscheidet, weil sich die Geschädigte B. nach den bisher getroffenen Feststellungen dem Angeklagten im wesentlichen freiwillig unterworfen hat (vgl. BGH NJW 1987, 3209, 3210; Lackner /Kühl StGB 24. Aufl. § 181 a Rdn. 4). Im übrigen wird der neue Tatrichter auch Gelegenheit haben, den Tatzeitraum des vom Schuldspruch erfaûten tatbestandmäûigen Verhaltens genau zu bestimmen und das Konkurrenzverhältnis der jeweils für sich rechtsfehlerfrei festgestellten Körperverletzungshandlungen klarzustellen. Der Angeklagte ist zwar nicht dadurch beschwert, daû das Landgericht ihn nur wegen rechtlich einer Tat der Körperverletzung verurteilt hat. Es bleibt aber offen, ob dem Schuldspruch sämtliche geschilderten Körperverletzungshandlungen zugrundeliegen, was im Schuldspruch kenntlich zumachen ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goûner StPO 45. Aufl. § 260 Rdn. 26 m.N.). Im übrigen weist der Senat vorsorglich darauf hin, daû nicht jede Körperverletzung , die gelegentlich einer zuhälterischen Beziehung erfolgt, deshalb in Tateinheit zu § 181 a StGB steht.
3. Schlieûlich hält auch der Maûregelausspruch nach §§ 69, 69 a StGB der rechtlichen Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat die Anordnung der Maûregel damit begründet, der Angeklagte habe "seine Fahrerlaubnis miûbraucht" , indem er sein Fahrzeug genutzt habe, "um die Geschädigten an abgelegene Orte zu verbringen und sie dort körperlich zu miûhandeln" (UA 49). Diese Erwägung trägt die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht. Voraussetzung
ist, daû der Täter die Tat "bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat" (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB). Einen solchen Zusammenhang der dem Angeklagten angelasteten Straftaten mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs ergeben die getroffenen Feststellungen nicht. Nach der Rechtsprechung besteht ein solcher Zusammenhang nicht schon dann, wenn der Täter mit seinem Fahrzeug zum Tatort fährt, sofern dadurch nicht die tatbestandliche Handlung selbst gefördert wird (BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 8). Ob hiernach durch die Belassung der Fahrerlaubnis Gefahren für die Allgemeinheit erwachsen würden, denen durch die Entziehung der Fahrerlaubnis zu begegnen ist (vgl. BGHR aaO Entziehung 5), bedarf einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls. Sollte der neue Tatrichter wiederum die Entziehung der Fahrerlaubnis anordnen, bedürfte auch die Bemessung der Dauer der Sperrfrist nach § 69 a einer eingehenderen Begründung. Maûstab ist allein die voraussichtliche Dauer der Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines Kraftfahr-
zeugs, nicht dagegen, ob die Sperrfrist mit Blick auf die Tatschuld "angemessen" (UA 49) ist (st. Rspr.; BGHR StGB § 69 a Abs. 1 Dauer 1 f).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 354/03
vom
30. März 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. März
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 14. März 2003 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Freiburg zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten erneut vom Vorwurf der Vergewaltigung zum Nachteil der Nebenklägerin S. freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Nebenklägerin. Diese beanstandet die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


1. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 29. September 1998 - 1 StR 416/98 - das erste in dieser Sache ergangene Urteil des Landgerichts vom 28. November 1997 auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin hin aufgehoben, soweit der Angeklagte von dem jetzt noch in Rede stehenden Tatvorwurf freigesprochen worden war. In der ersten Hauptverhandlung hatte sich das Landgericht nicht davon überzeugt, daß der Angeklagte gemeinsam mit einem unbekannten Mittäter namens J. die Zeugin
S. am 19. August 1996 gegen 20.30 Uhr in der Parkanlage hinter dem Sch. -Gymnasium in Bad Sä. überfallen habe, wobei beide Täter abwechselnd jeweils den Oral- und Vaginalverkehr erzwungen hätten (Anklage vom 13. April 1997). In einer mit diesem Verfahren verbundenen weiteren Anklage war dem Angeklagten darüber hinaus vorgeworfen worden, an einem nicht näher feststellbaren Tag in der zweiten Augusthälfte 1996 wiederum mit einem unbekannten Mittäter namens J. und ebenfalls im Sch. park in Bad Sä. eine weitere, allerdings unbekannt gebliebene Frau zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Diese hatte sich später anonym bei einer Frauenberatungsstelle gemeldet, war danach aber nicht mehr in Erscheinung getreten. Auch von diesem Tatvorwurf hat das Landgericht den Angeklagten mit seinem ersten Urteil vom 28. November 1997 freigesprochen. Insoweit ist jenes Urteil rechtskräftig.
Hinsichtlich des Vorwurfs der Vergewaltigung zum Nachteil der Zeugin S. konnte das Landgericht seinerzeit Zweifel nicht überwinden, ob der Angeklagte bei seinem früheren, später widerrufenen Geständnis diejenige Tat geschildert habe, welche der Zeugin widerfahren sei. Auch die Identifizierung des Angeklagten durch die Zeugin sei nicht verläßlich genug, um Unstimmigkeiten zwischen den Tatschilderungen der Zeugin und des Angeklagten in seiner früheren geständigen Einlassung vernachlässigen zu können.
2. Das Landgericht hat sich auch in der erneuten Hauptverhandlung nicht davon zu überzeugen vermocht, daß es der Angeklagte war, der die Zeugin S. mit einem unbekannten Mittäter vergewaltigt hat. Zwar sei die Zeugin S. , wie von ihr geschildert, Opfer einer Vergewaltigung geworden ; es lasse sich jedoch nicht feststellen, daß der Angeklagte die Tat be-
gangen habe. Das später widerrufene Geständnis des Angeklagten im Ermittlungsverfahren beziehe sich zwar wahrscheinlich auf eine tatsächlich verübte Tat, obwohl dies nicht als völlig zwingend erscheine. Es bestünden aber erhebliche Zweifel an der Identität der von dem Angeklagten einerseits und der Zeugin andererseits jeweils geschilderten Tatabläufe. Unterschiede hätten sich bei den Angaben hinsichtlich des Ausgangspunkts der Tat und der Gehrichtung des Opfers, dessen Kleidung und Haarfarbe, der Kleidung der Täter, des Tattags und der Ausübung von Oralverkehr ergeben. Diese Abweichungen könnten auch nicht mit der Überlegung relativiert werden, daß die Begehung zweier vergleichbarer Vergewaltigungstaten durch jeweils zwei (andere) Täter in Bad Sä. in kurzem zeitlichem Abstand wenig wahrscheinlich sei. Die Strafkammer konnte sich von der Täterschaft des Angeklagten auch nicht aufgrund seiner Identifizierung als Täter durch dieZeugin S. überzeugen. Die Identifizierung bei der Wahllichtbildvorlage sei aufgrund von Unsicherheiten bei der Beschreibung der Barttracht des Angeklagten nicht sicher gewesen. Auch in der Hauptverhandlung hätten sich Unsicherheiten in bezug auf die Barttracht und die Lage der Narbe im Gesicht des Angeklagten ergeben.

II.


Das freisprechende Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es weist im wesentlichen die gleichen rechtlichen Fehler bei der Beweiswürdigung auf wie das seinerzeit aufgehobene erste landgerichtliche Urteil. Die Beweiswürdigung leidet wiederum unter Erörterungsmängeln, beachtet nicht in jeder Hinsicht die für sie geltenden Maßgaben und überspannt die an die tatrichterliche Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen.
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; kann er die erforderliche Gewißheit nicht gewinnen und zieht er die hiernach gebotene Konsequenz und spricht frei, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Revisionsgericht die Beweisergebnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Ein Urteil kann indes dann keinen Bestand haben, wenn die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist. Dies ist etwa der Fall, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht berücksichtigt oder naheliegende Schlußfolgerungen nicht erörtert , wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 1999, 338, 339; NJW 2002, 2188, 2189).
Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen , wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft (BGH NStZ 2002, 656, 657). Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es nicht, sie jeweils einzeln abzuhandeln. Auf solche einzelnen Indizien ist der Grundsatz "in dubio pro reo" nicht isoliert anzuwenden. Das einzelne Beweisanzeichen ist vielmehr mit allen anderen Indizien in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Erst die Würdigung des gesamten Beweisstoffes entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglich-
keit, daß sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (BGH NStZ-RR 2000, 45).
2. Die Strafkammer mußte ihrer Beweiswürdigung die Aussage der Zeugin S. zugrunde legen und prüfen, ob diese glaubhaft ist und ob die Zeugin den Angeklagten überzeugungskräftig als Täter identifiziert hat. Dabei hat die Kammer jedoch nicht hinreichend bedacht, daß der Zweifelssatz nicht schon auf das einzelne Indiz, sondern erst bei der abschließenden Überzeugungsbildung aufgrund der gesamten Beweislage anzuwenden ist. Bereits vor der Gesamtschau aller Beweise hat das Landgericht hier wesentliche Beweisanzeichen für die Täteridentifikation - wie die Lage der Narbe, die Barttracht, den Geruch und weitere Identifizierungsmerkmale - jeweils einzeln unter Zugrundelegung des Zweifelssatzes als „nicht völlig zwingend“ und deshalb nicht überzeugend erachtet. Das läßt besorgen, daß es bei der Gesamtwürdigung solche Indizien nicht hinreichend einbezogen hat, denen es für sich gesehen keinen „zwingenden“ Beweiswert beigemessen hat. Darüber hinaus hat es einzelne Beweisanzeichen und naheliegende Möglichkeiten nicht erschöpfend oder überhaupt nicht erörtert.

a) Die Strafkammer hat sich zur Identifizierung des Angeklagten durch die Zeugin S. mit dem Beweisanzeichen der Narbe befaßt, dabei aber die Angaben der Zeugin zur Lage der Narbe im Gesicht eines der Täter und das tatsächliche Vorhandensein einer Narbe unter dem linken Auge des Angeklagten nicht erschöpfend gewürdigt.
Das Landgericht sieht in dem Umstand, daß ein Tatopfer einen Täter an einer Narbe wieder erkennt, grundsätzlich ein starkes Indiz für die Richtigkeit
der Identifizierung; das gelte unabhängig von etwaigen Abweichungen hinsichtlich deren genauer Lage. Es hält den Wert der Wiedererkennung hier aber deshalb für gemindert, weil die Zeugin auch nach der Gegenüberstellung mit dem Angeklagten bei der fehlerhaften Beschreibung der Lage der Narbe geblieben ist und darauf beharrt hat, diese habe sich über dem linken Auge befunden. In diesem Zusammenhang läßt es allerdings unberücksichtigt, daß die Zeugin den Angeklagten in der Hauptverhandlung "zu 100 %" identifiziert hat. Zudem erörtert es nicht, welche Bedeutung der Aussage der Zeugin zur Lage der Narbe gerade vor dem Hintergrund zukommt, daß diese bei ihrer Beschreibung insoweit auch später blieb, obwohl sie spätestens nach der ersten Gegenüberstellung in der Hauptverhandlung im November 1997 naheliegenderweise die tatsächliche Lage der Narbe unter dem linken Auge gekannt haben müßte. Wenn die Zeugin dennoch den Täter mit einer über dem Auge liegenden Narbe beschrieben hat, liegt die Erklärung nahe, daß sie diese aus ihrer Erinnerung beschrieben hat, die jedoch nicht in jeder Hinsicht verläßlich war. Dabei war zu bedenken, daß die beiden Täter die liegende Zeugin auch kopfseitig von oben festgehalten haben. Wie dem Senat aus der Befassung mit dem ersten, aufgehobenen Urteil des Landgerichts bekannt ist, war dort festgestellt , daß sich die Zeugin inzwischen (damals, in jener Hauptverhandlung) nicht mehr sicher war, wo am Auge des Täters sich die Narbe genau befunden habe. Diese Besonderheiten hätte die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer in ihre Bewertung einbeziehen müssen.

b) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist auch hinsichtlich des Beweisanzeichens der Barttracht unvollständig und wird den Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung nicht vollends gerecht.
Die ZeuginS. hat auch in der erneuten Beweisaufnahme gleichbleibend bestätigt, daß einer der Täter - ihres Erachtens der Angeklagte - keinen Bart getragen habe. Daneben hat sie aber den unbekannten Mittäter mit einem leicht an den Mundwinkeln herabwachsenden Schnurrbart beschrieben. Der Angeklagte hatte im Rahmen seines (später widerrufenen) Geständnisses angegeben, daß er zur Tatzeit zumindest einen Oberlippenbart getragen habe, welcher sicher an den Seiten etwas länger ausgeprägt gewesen sei. Danach hat die Zeugin einem der Täter einen Bart zugeordnet, der nach der Form der Barttracht des Angeklagten zur Tatzeit entsprechen konnte. Die Möglichkeit, daß die Zeugin den von ihr tatsächlich erwähnten Bart versehentlich dem falschen Täter zugeordnet haben könnte, wird vom Landgericht als spekulativ bezeichnet, ohne die besondere Anspannung der Zeugin in der Tatsituation und den Umstand zu würdigen, daß sie aus der Erinnerung zwei Täter zu beschreiben hatte, denen sie bestimmte Merkmale zuordnen mußte.

c) Darüber hinaus setzt sich das Landgericht wie im ersten Urteil mit dem besonderen Merkmal der Stimme des Angeklagten nicht hinreichend auseinander , obwohl die Zeugin die Stimme des entsprechenden Täters als näselnd beschrieben hat. Auch fehlt eine Erörterung der Sprache des Angeklagten im Hinblick auf den von der Zeugin beschriebenen „fehlenden Dialekt“. Gerade diese Umstände können nicht aufgrund einer nach Ansicht des Landgerichts methodisch unzulänglichen früheren Wahllichtbildvorlage wiedererkannt werden. Dies gilt auch für den von der Zeugin erstmals als Wiedererkennungsmerkmal erwähnten Geruch des Angeklagten. Das Urteil enthält keine Angaben zu den konkreten Abständen zwischen dem Angeklagten und der Zeugin in der jetzigen Hauptverhandlung und damit den Geruchswahrnehmungsmöglichkeiten. Weiter fehlt eine Würdigung im Hinblick auf Alter, Größe
und Haarfarbe des Angeklagten. Schließlich wird nicht darauf eingegangen, inwieweit die Zeugin den Angeklagten anhand der Augen wiedererkannt haben will. In dem ersten, aufgehobenen Urteil ist von einem hängenden Augenlid die Rede, einem Merkmal, mit dem sich das Tatgericht damals fehlerhaft nicht auseinandergesetzt hatte. Nunmehr wird dieser Umstand vom Landgericht ebenso wie die Gesichtsform nicht einmal mehr erwähnt. Das Urteil läßt schließlich eine Auseinandersetzung mit der beschriebenen erheblichen Alkoholisierung des Täters vermissen, während im ersten Urteil immerhin noch die insoweit übereinstimmenden Angaben von Angeklagtem und Zeugin festgestellt worden waren. Auch dies wäre als Indiz im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen gewesen.

d) Überdies ist die Annahme des Landgerichts nicht tragfähig, die Identifizierungsleistung der Zeugin verliere deswegen an Wert, weil sich der Angeklagte seinerzeit aufgrund der von der Zeugin gegebenen, in der Zeitung abgedruckten Täterbeschreibung nach deren Lektüre gestellt habe. Es liegt nahe, daß ein Zeuge eine Person als Täter identifiziert, die er zuvor beschrieben hat und die der Beschreibung entspricht, und zwar unabhängig davon, ob diese sich selbst gestellt hat oder nicht. Dies kann sogar ein Hinweis auf die Verläßlichkeit der Identifizierung sein. Sollte die Strafkammer hingegen gemeint haben , ein etwaiges Wissen des Identifizierungszeugen um die Selbstgestellung könne die Identifizierungsleistung beeinflussen, hätte dies klar zum Ausdruck gebracht und begründet werden müssen.
3. Auch die Würdigung der Einlassung des Angeklagten leidet unter Erörterungsmängeln und ist deshalb nicht tragfähig.

a) Der Senat hatte beanstandet, daß das Motiv des Angeklagten für den Widerruf seines bei mehreren Vernehmungen wiederholten Geständnisses nicht genügend gewürdigt worden sei. Die Schilderung der zeitlichen Abläufe und näheren Umstände des Widerrufs hat er als nicht ausreichend erachtet. Im ersten Urteil hatte das Landgericht als Grund für den Widerruf erwähnt, der Angeklagte habe mit einer Freiheitsstrafe von etwa drei Jahren gerechnet. Nachdem sein Anwalt ihm dann aber gesagt habe, daß ihn eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren erwarte, sei ihm das doch zuviel gewesen. Das jetzige Urteil erwähnt diese Umstände nicht mehr. Die Strafkammer führt aus, es sei nicht völlig unwahrscheinlich, daß sich der Angeklagte aufgrund seiner traumatischen sexuellen Erfahrungen mit seinem Vater in eine Opferrolle hineingesteigert haben könnte, aufgrund deren er dann ein solches Geständnis unabhängig von seinem tatsächlichen Wahrheitsgehalt abgelegt haben könnte, um - wie er erklärt hat - seinem Vater „eins auszuwischen“.
Diese Erklärung des Angeklagten für sein widerrufenes Geständnis, dem "Vater eins auszuwischen", mag, auch wenn das eher fern liegt, möglicherweise geeignet sein, das - dann falsche - Geständnis gegenüber der Polizei zu erklären, nicht ohne weiteres jedoch das zuvor nach Lektüre des Presseartikels gegenüber der Zeugin St. abgegebene. Das hätte der Erörterung bedurft.

b) Das Landgericht würdigt bei der Prüfung des Wahrheitsgehalts der früheren geständigen Einlassung des Angeklagten nicht ausreichend deren Aussagequalität.
Auch ein frei erfundenes Geständnis, um dem Vater „eins auszuwischen“ , birgt die Gefahr der fehlenden Konstanz insbesondere dann, wenn das
Tatgeschehen so genau wie hier beschrieben worden ist. Eine Erklärung dafür, warum das widerrufene Geständnis des Angeklagten durch Beständigkeit und Detailtreue auch in Nebensächlichkeiten gekennzeichnet ist, führt die Strafkammer nicht an. Sie geht daran vorbei, daß sich der Angeklagte das Geständnis sehr spontan überlegt haben muß, wenn er nach dem Lesen des Zeitungsartikels mit der Täterbeschreibung noch am selben Tag zunächst gegenüber der Zeugin St. die Tat eingestanden und sich in der Nacht der Polizei gestellt hat. Dies hätte der näheren Bewertung bedurft.
c) Die Beweiswürdigung zum Aufenthalt des Angeklagten zum Tatzeitpunkt ist nicht tragfähig. Zwar nimmt das Landgericht nicht an, der Angeklagte habe ein Alibi nachweisen können, weil er am Spätnachmittag des 19. August 1996 persönlich bei seinem Arbeitgeber gekündigt habe. Das Landgericht hält es aber "für sehr unwahrscheinlich", daß sich der Angeklagte danach noch nach Bad Sä. begeben und dort die Vergewaltigung begangen habe (UA S. 19). Es konnte jedoch keine Feststellungen dazu treffen, wann genau und wo der ZeugeL. den Angeklagten nach dem Besuch des Arbeitgebers mit dem Fahrzeug abgesetzt hat. Dieser hat sich nur noch daran erinnert, daß die Fahrt zum Arbeitgeber zwischen 17.00 Uhr und 20.00 Uhr stattgefunden und der Angeklagte sich dort ca. ein- bis eineinhalb Stunden aufgehalten habe. Da die Tat gegen 20.30 Uhr geschehen sein soll, konnte aus diesen Angaben keine tragfähige Folgerung auf die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit einer anschließenden Vergewaltigung in Bad Sä. gezogen werden.

d) Indem das Landgericht es als nicht "völlig zwingend" erachtet, daß das Geständnis der Wahrheit entspreche und der Angeklagte auch an der Tat zum Nachteil der Zeugin S. beteiligt gewesen sei, hat es den Grundsatz der freien Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft angewandt: Für die Beantwortung
der Schuldfrage kommt es allein darauf an, ob der Tatrichter die Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangen kann oder nicht. Der Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Sachverhalts nicht aus; vielmehr gehört es gerade zu ihrem Wesen, daß sie sehr häufig objektiv möglichen Zweifel ausgesetzt bleibt. Der Tatrichter ist aber nicht gehindert, an sich mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimmten Tatsachen zu ziehen. Sie müssen allerdings tragfähig sein (BGHSt 10, 208, 209 f.; 41, 376, 380; BGH, Urt. v. 4. September 2003 - 3 StR 224/03). Da das Landgericht auch im Blick auf andere Beweisumstände an sich mögliche Schlüsse als „nicht völlig zwingend“ bewertet oder Beweisanzeichen als „kein zwingendes Indiz“ charakterisiert (etwa UA S. 19), steht angesichts der hier vorliegenden besonderen Umstände zu besorgen, daß es die Anforderungen an die Überzeugungsbildung überspannt haben könnte.
4. Das Landgericht hat eine naheliegende Möglichkeit nicht ausdrücklich gewürdigt, die sich aus der Zusammenschau des widerrufenen Geständnisses des Angeklagten und der Aussage der Zeugin S. ergibt. Diese erklärt möglicherweise die von der Strafkammer hervorgehobenen Differenzen zwischen den beiden Tatschilderungen und kann ihnen den beweismindernden Wert hinsichtlich der Bekundungen der Zeugin weitgehend nehmen.
Die Strafkammer hat offen gelassen, ob dem später widerrufenen Geständnis des Angeklagten ein wirkliches Ereignis zugrunde liegt. Einerseits hält sie es für wahrscheinlich, daß das Geständnis wegen der Detailliertheit und Konstanz der Angaben über einen längeren Zeitraum und mehrere Vernehmungen hinweg der Wahrheit entspreche. Sachverständig beraten führt sie andererseits aus, es sei nicht völlig unwahrscheinlich, daß der Angeklagte ein
solches Geständnis „unabhängig von seinem Wahrheitsgehalt abgelegt“ haben könnte. Wie bereits im ersten, aufgehobenen Urteil ist die Strafkammer davon ausgegangen, daß das widerrufene Geständnis des Angeklagten deshalb fragwürdig sei, weil es in wesentlichen Punkten von den Angaben der Geschädigten abweiche. Insbesondere habe der Angeklagte den Ausgangspunkt, von dem aus und die Gehrichtung, in welcher er und sein Mittäter das Opfer verfolgten , anders als die Zeugin beschrieben. Differenzen bestünden darüber hinaus hinsichtlich der Schilderung der Kleidung des Opfers und der Täter sowie des Tathergangs in seinen Einzelheiten.
Das Geständnis des Angeklagten wäre jedoch nur dann ohne jeden Beweiswert , wenn davon auszugehen wäre, daß es erfunden war. Liegt ihm hingegen ein wahrer, wenn auch nicht der angeklagte Sachverhalt zugrunde, bestünde zwischen den Angaben der Zeugin hinsichtlich des Tathergangs und der geständigen Einlassung des Angeklagten möglicherweise kein wirklicher Widerspruch, weil beide dann verschiedene, aber reale Geschehensabläufe beschrieben haben könnten. Die vom Landgericht hervorgehobenen Differenzen hinsichtlich der Schilderungen etwa zur Kleidung des Opfers (Hose oder Rock, roter Slip) verlören dann weitgehend ihre Bedeutung für die Würdigung der Aussage der Zeugin S. und deren Wiedererkennung des Angeklagten. Das Landgericht hätte sich deshalb die Frage vorlegen müssen, ob das später widerrufene, aber detailreiche und von Konstanz gekennzeichnete Geständnis des Angeklagten zwar eine andere Tat betraf, er aber dennoch auch die - von ihm dann nicht gestandene - Tat zum Nachteil der Zeugin S. begangen hat. Es hätte in Betracht ziehen müssen, ob der Angeklagte aufgrund der veröffentlichten Täterbeschreibung nach Begehung einer zweiten Tat zunächst nach seiner Gestellung nur Anlaß sehen konnte, lediglich eine der
Taten zu gestehen. Auf diese Möglichkeit könnte hindeuten, daß innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums an demselben Ort zwei Vergewaltigungen mit derselben Vorgehensweise von jeweils zwei Tätern begangen worden sein könnten. Dabei hätte jeweils einer der Täter nach den insoweit übereinstimmenden Angaben sowohl der Zeugin als auch des Angeklagten eine Tätowierung mit dem Motiv einer Spinne aufgewiesen. Der zweite Täter, der die Tat zum Nachteil der Zeugin S. mit begangen hat, hätte dann ebenso wie der Angeklagte , der die Tat zum Nachteil des unbekannten Opfers gestanden und beschrieben hätte, eine Narbe am Auge. Würde das Landgericht also beide Schilderungen - das frühere Geständnis des Angeklagten, aber auch die Tatschilderung der Zeugin S. - unter diesen Umständen für nicht widersprüchlich und für glaubhaft halten, müßte es sich fragen, ob es sich auf solcher Grundlage davon überzeugen kann, daß der Angeklagte auch die von ihm nicht gestandene Tat zum Nachteil der Nebenklägerin begangen hat. Die Abweichungen in den Tatschilderungen könnten dann nicht mehr gegen eine solche Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten im Fall zum Nachteil der Nebenklägerin ins Feld geführt werden. Der Identifizierungsleistung der Zeugin käme dann für die Wiedererkennung in der Hauptverhandlung und auch in bezug auf die Wahllichtbildvorlage möglicherweise ein höherer Beweiswert zu.
Daß der Angeklagte von dem Vorwurf der zweiten Vergewaltigung zum Nachteil des unbekannten Opfers rechtskräftig freigesprochen ist, hindert nicht dessen Erörterung und etwaige indizielle Bewertung im Blick auf den noch in Rede stehenden Anklagevorwurf. Der rechtskräftige Freispruch verbraucht die Strafklage und steht fortan einer Sanktionierung wegen der nämlichen Tat ent-
gegen. Eine Tatsachenbindung gehört aber nicht zum Wesen der Rechtskraft (vgl. BGHSt 43, 106, 108 f.; Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. Einl. Rdn. 170, 188).

III.


Auf diesen sachlich-rechtlich erheblichen Beweiswürdigungsmängeln kann das Urteil beruhen. Es ist nicht auszuschließen, daß das Landgericht bei ihrer Vermeidung die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen hätte.

IV.


Die Sache muß somit neu verhandelt und entschieden werden. Der Senat verweist sie an ein anderes Landgericht zurück (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO; vgl. im übrigen Bd. III Bl. 713 ff. der Strafakten).
Nack Boetticher Schluckebier Herr Richer am BGH Hebenstreit Elf ist erkrankt und deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 478/04
vom
11. Januar 2005
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. Januar 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 21. Juni 2004 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Würzburg zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


I.

Der Angeklagte wurde vom Vorwurf freigesprochen, am 28./29. September 2001 die 51 Jahrealte H. Habgier aus ermordet zu haben. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben mit der Sachrüge Erfolg; die Beweiswürdigung ist nicht rechtsfehlerfrei. 1. Am frühen Abend des 28. September 2001 suchte Frau H. am Grenzübergang Hegyeshalom - Nickelsdorf eine Mitfahrgelegenheit; sie hatte
ihre Reisegruppe verlassen, da sie wegen ihres abgelaufenen Passes nicht von Österreich nach Ungarn einreisen durfte. Sie konnte im Pkw des Angeklagten mitfahren, der auf dem Weg in seinen Wohnort Sch. (Kreis Hof) war. Unterwegs tankte er an der Tankstelle Suben (Österreich) und kaufte dort auch Coca-Cola und drei Isolierbänder der (verbreiteten) Marke "Coroplast" : er bezahlte mit Karte. 2. Am 6. Oktober 2001 wurde die Leiche von Frau H. mit durchschnittener Kehle und anderen massiven Schnittverletzungen etwa 40 Kilometer von Sch. entfernt bei T. (Kreis Kulmbach) im Gebüsch gefunden. Sie war vollständig bekleidet, Spermaspuren gab es nicht. Es fehlten 300 bis 400 DM Bargeld, ein Koffer und einige andere Gegenstände. Im weiteren Verlauf ergab sich anhand des Madenbefalls der Leiche, daß sie spätestens seit dem Nachmittag des 29. Septembers 2001 (Tag nach ihrer Fahrt mit dem Angeklagten) am Fundort gelegen hatte. Wesentlich genauer ließ sich auch der Todeszeitpunkt nicht bestimmen. Im weiteren Verlauf wurde an der Leiche eine kleine Schnittwunde "an der Kleinfingerseite des rechten Unterarms in Höhe des Handgelenks" festgestellt, in der Partikel von "Coroplast"Isolierband waren. 3. Der Angeklagte wurde am 23. November 2001 durch Videoaufnahmen von der Grenze ermittelt und machte am 23. und 30. November 2001 nähere Angaben zur Sache. Er legte auch Unterlagen vor (z. B. sein Notizbuch, Kontounterlagen und Nachweise über Telefongespräche), gab einen Hinweis zu einem Ermittlungsansatz und schickte der Polizei bis zum 1. Dezember 2001 insgesamt dreimal ein Fax mit ergänzenden Ausführungen. Danach machte er keine Angaben mehr. Bereits am 23. November 2001 berichtete er von sich aus
- der Polizei konnte dies noch nicht bekannt sein - er habe in Suben getankt, dort auch Getränke gekauft und möglicherweise mit Karte bezahlt. Vom Kauf von Isolierbändern sagte er dabei nichts. Solange er Angaben machte, wurde er zu dem erst später in den Blickpunkt der Ermittlungen geratenen Thema Isolierbänder auch nicht befragt.
4. Die Strafkammer hält die "Isolierband-Erkenntnisse" zwar für gewichtig , gleichwohl könnten diese letztlich weder für sich noch in einer Gesamtschau mit allen sonstigen Erkenntnissen einen Zusammenhang des Angeklagten mit der Tat hinreichend belegen. Sie hat dazu unter anderem erwogen: Das Verschweigen des Kaufs sei bedeutungslos, weil es "möglich (sei), daß sich der Angeklagte am 23. November 2001 nicht ... erinnerte, diese Bänder gekauft zu haben, gegebenenfalls weil dies für ihn ein alltäglicher ... Vorgang war. Immerhin hat der Angeklagte durch seine Aussage die Beamten erst darauf gebracht ... nachzuprüfen ... (und) ... zu entdecken, daß ... Isolierband gekauft wurde". Es sei auch "nicht ausgeschlossen, daß Frau H. von dem Angeklagten eines oder mehrere der in Suben erworbenen Bänder überlassen erhielt , eventuell um etwas zu reparieren". Es fiele zwar auf, daß er bei der Polizei davon nichts gesagt habe; Isolierband habe bei seinen Vernehmungen aber noch keine Rolle gespielt.

II.

Kann der Tatrichter nicht die erforderliche Gewißheit gewinnen und spricht den Angeklagten daher frei, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt
nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd erscheinen" mag. Es gibt im Strafprozeß keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewißheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht. Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z. B. hinsichtlich der generellen Bewertung von Aussageverhalten oder hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert oder nur eine von mehreren gleich nahe liegenden Möglichkeiten erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannte Anforderungen gestellt sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlußfolgerung nicht gezogen ist, ohne daß konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. August 2003 - 1 StR 111/03 = NStZ-RR 2003, 371 ; BGH NStZ 2004, 35, 36 m. w. N.)

III.

An alledem gemessen, sind die genannten Erwägungen der Strafkammer insgesamt nicht rechtsfehlerfrei.
1. Zu Recht ist sie davon ausgegangen, daß das Aussageverhalten des Angeklagten hinsichtlich der Isolierbänder einer Beweiswürdigung zugänglich ist. Zwar dürfen aus unterschiedlichem Einlassungsverhalten bei mehreren Vernehmungen oder in verschiedenen Verfahrensabschnitten als solchem keine Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten gezogen werden (st. Rspr. vgl. BGH NStZ 1999, 47 m. w. N.). Soweit sich der Angeklagte aber grundsätzlich zur Sache geäußert hat und nur zu bestimmten Punkten eines einheitlichen Geschehens keine Angaben gemacht hat, kann dies zu seinem Nachteil berücksichtigt werden (BGH aaO; Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 41 jew. m. w. N.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob Fragen nicht beantwortet wurden oder ob der Vernommene, wie hier, von sich aus einen Vorgang schildert und dabei einen wesentlichen Punkt eines einheitlichen Geschehens nicht nennt (Schoreit aaO m. w. N.; vgl. auch BVerfG - Beschluß vom 29. November 2004 - 2 BvR 1034/02). 2. Die Frage, ob der Angeklagte den Kauf der Isolierbänder vergessen oder bewußt verschwiegen hat, betrifft eine "innere Tatsache", so daß im wesentlichen nur Rückschlüsse möglich sind (vgl. BGH NStZ 2003, 596 f. m. w. N.). Hiervon geht auch die Strafkammer aus, ihre Erwägungen sind aber unvollständig , weil sie möglicherweise bedeutsame Gesichtspunkte nicht erkennbar einbezieht:
a) Die Strafkammer stellt auf die Alltäglichkeit des Einkaufs von Isolierband in Verbindung mit dem Zeitablauf ab. Wenn ein Autofahrer auf einer längeren Fahrt beim Tanken auch Getränke kauft, ist dies aber nicht weniger alltäglich , als wenn er bei dieser Gelegenheit drei Rollen Isolierband kauft. Hinzu kommt, daß auch die übrigen Aussagen des Angeklagten sehr präzise und detailreich sind. So hat er etwa genau geschildert, wie ihm Frau H. berichtet
habe, daß sie sich an ihrem Koffer leicht verletzt ("geratscht") habe. Allerdings habe er selbst nicht bemerkt, daß sie geblutet habe, auch nicht als sie "Brot oder Brötchen" und "ein Stück Obst" aß und den Abfall in Papiertaschentücher wickelte. Ähnlich genau hat er am 23. November 2001 die Frage nach Körperkontakten mit FrauH. beantwortet. Sie habe ihm beim Aussteigen Geld für die Fahrt hingehalten, er habe dies aber abgelehnt und ihren Arm zurückgeschoben. In einem Fax an die Polizei vom 25. November 2001 hat er einen weiteren Körperkontakt - nicht ganz leicht verständlich - so geschildert: Er habe beim Aussteigen die Reisetasche von FrauH. mit aus dem Auto herausgereicht. Da die Tasche "verklemmt" gewesen sei, sei seine Hand abgerutscht und er habe sich deshalb an der Hand von Frau H. gekratzt. Die Strafkammer hätte daher das Schweigen hinsichtlich des Kaufs der Isolierbänder nicht mit Vergessen eines alltäglichen Vorgangs erklären dürfen, ohne sich damit auseinander zu setzen, daß der Angeklagte sowohl speziell zum Einkauf an der Tankstelle als auch sonst zur Fahrt eine Reihe - teilweise sehr alltäglicher - Details genau geschildert hat.
b) Unabhängig vom Aussageverhalten ist objektivierbar, ob für jemanden der Einkauf mehrerer Isolierbänder auf der Heimreise alltäglich ist. Die Urteilsgründe ergeben nicht, daß der Angeklagte häufig Isolierbänder brauchen oder kaufen würde. Der Hinweis, "gegebenenfalls" sei dies für ihn alltäglich, spricht vielmehr dagegen, daß sich diese Bewertung auf konkrete Anhaltspunkte stützt. Im übrigen bedeutet Schweigen des Angeklagten - unabhängig davon, ob daraus ansonsten Schlüsse gezogen werden dürfen (III 1) - nicht, daß zu seinen Gunsten von Annahmen auszugehen ist, für die es keine konkreten Anhaltspunkte gibt (vgl. Schoreit aaO Rdn. 40 m. w. N.).

c) Wieso Hypothesen zu Gang und Ergebnissen der Ermittlungen für den Fall, daß der Angeklagte seinen Aufenthalt in Suben nicht erwähnt hätte, den Schluß ermöglichen sollen, er hätte sich an den Kauf von Isolierband nicht erinnert, ist weder ausdrücklich dargelegt noch sonst klar erkennbar. Der Senat geht dem aber deshalb nicht näher nach, weil schon die Annahme, ohne den Angeklagten wäre der Kauf von Isolierband unbekannt geblieben, nicht rechtsfehlerfrei begründet ist. Der Angeklagte hatte als letzter das Opfer eines Kapitalverbrechens lebend gesehen und war mit ihm über Stunden Auto gefahren. Ermittlungen bei den Tankstellen an der Strecke liegen daher nicht fern. Sind bereits mehrere Wochen vergangen, ist die Überprüfung von Kartenzahlungen eine der wenigen Möglichkeiten, Hinweise dafür zu gewinnen, wer an der Tankstelle war. Es versteht sich nicht von selbst, daß die Polizei diese Ermittlungsansätze nicht ohnehin erkannt hätte. Daher hätte sich die Strafkammer mit beiden Möglichkeiten auseinandersetzen müssen, ehe sie von der ihrer Beweiswürdigung zugrundegelegten Auffassung ausgeht.
d) Auch für die Annahme, der Angeklagte, habe Frau H. möglicherweise Isolierband geschenkt, sind keine konkreten Anhaltspunkte erkennbar. Dies zeigt schon die Annahme, der Angeklagte habe ihr "eventuell" deshalb Isolierband geschenkt, damit sie "etwas" reparieren kann. Die Überlegungen der Strafkammer zu dem Grund, warum der Angeklagte davon nichts erzählt haben könnte, sind unvollständig. Ausführungen zu einer etwaigen Übergabe von Isolierband wären zwar nicht im Zusammenhang mit dem bis dahin nicht angesprochenen Thema "Isolierband" zu erwarten gewesen, wohl aber im Zusammenhang mit der Frage nach "Körperkontakten". Der Angeklagte hat sehr genaue Angaben zu - flüchtigen - Körperkontakten mit Frau H. gemacht , die er sogar noch mit einem Fax ergänzt hat (vgl. oben III 2 a). Einen
entsprechenden Körperkontakt bei der Übergabe von Isolierband hat er dagegen nicht erwähnt.
3. Im Kern sieht die Strafkammer nach alledem unter zum Teil auch lükkenhafter Würdigung des Aussageverhaltens des Angeklagten nicht unerhebliche konkrete Verdachtsmomente wegen nur denktheoretischer Möglichkeiten als entkräftet an. Dies führt zur Aufhebung des Urteils, ohne daß es auf weiteres noch ankäme.

IV.

Der Senat sieht jedoch Anlaß zu folgenden Hinweisen: 1. Die Strafkammer hat geprüft, ob der Angeklagte gegen Mitternacht zu Hause war, weil er vorher kaum Zeit gehabt hätte, Frau H. zu töten und nach T. zu bringen. Die Möglichkeit, daß er gegen Mitternacht zu Hause war, und dies erst anschließend getan hätte, sei praktisch ausgeschlossen. Es fehlten konkrete Anhaltspunkte dafür, daß er sie "über ... Regensburg hinaus transportierte". Es gibt jedoch außer den Angaben des Angeklagten auch keine Anhaltspunkte für ein Ende der Fahrt am Autohof Regensburg. Angaben des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, können den Feststellungen nicht ohne weiteres als unwiderlegt zu Grunde gelegt werden, sondern ihre Richtigkeit muß erst anhand des übrigen Beweisergebnisses überprüft werden (vgl. Schoreit aaO Rdn. 28 m. w. N.).
2. Die danach bisher nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossene Möglichkeit, daß der Angeklagte der Täter war, obwohl er um gegen Mitternacht in Sch. wirkt war, sich auf die mögliche Bedeutung weiter Teile des Beweisergebnisses aus: Die Familie des Angeklagten - Frau und Kinder - war in dieser Nacht bei seiner Schwiegermutter in München. Hätte er dies zuvor gewußt, käme es weder darauf an, ob er um Mitternacht in Sch. war, noch darauf, ob die Ehefrau gegen Mitternacht in Sch. angerufen und mit ihm gesprochen hat (a). Hätte er vom Aufenthalt in München nichts gewußt, könnte es etwas bedeutsamer sein, ob er in der fraglichen Zeit zu Hause war. Hätte er nämlich erwartet, daß seine Frau zu Hause wäre, wäre es aus seiner Sicht möglicherweise schwieriger gewesen, sich wieder zu entfernen. Daher könnte es ihn mittelbar entlasten, wenn er gegen Mitternacht zu Hause gewesen wäre. Nur dann könnte das genannte Telefongespräch als Beleg für seine Anwesenheit in Sch. überhaupt Bedeutung gewinnen (b).
a) Die Strafkammer folgt ohne weiteres den Angaben der Schwiegermutter , der Angeklagte hätte nicht gewußt, daß seine Familie in München war. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil die Strafkammer andere Angaben der Schwiegermutter für unstimmig und daher unglaubhaft hält. Wird einem Zeugen nur teilweise geglaubt, bedarf dies einer eingehenden Begründung (BGH NStZ-RR 2003, 332 f. m. w. N.), die bisher fehlt. Sonstige Erkenntnisse, die ohne nähere Begründung klar belegten, daß der Angeklagte von der Abwesenheit seiner Familie überrascht wurde, liegen ebenfalls nicht vor:
Bei seiner ersten Vernehmung hat er angegeben, er wisse nicht, ob seine Frau da war, als er nach Hause kam. Das spricht nicht dafür, daß ihre Abwesenheit für ihn überraschend (und daher einprägsam) war. Der Angeklagte hat in diesem Zusammenhang seinen Notizkalender vorgelegt, in dem unter dem 28. September 2001 "Ki-Mün" steht, ist, was "Kinder" oder "Kirsten" - Vorname der Ehefrau - "in München" heißen soll. Wäre der Eintrag vor dem 28. September 2001 erfolgt, belegte er, daß der Angeklagte an diesem Tag wußte, daß sie nicht zu Hause war. Ein nachträglicher Eintrag belegte zwar nicht, daß der Angeklagte am 28. September 2001 nicht Bescheid wußte, der Eintrag wäre mit dieser Annahme aber immerhin vereinbar. Ein Anruf der Ehefrau - über dessen Inhalt außer den Aussagen der Schwiegermutter nichts bekannt ist - würde über Kenntnis oder Unkenntnis des Angeklagten nichts aussagen. So überrascht von der Abwesenheit seiner Familie , daß er selbst auf dem Handy der Ehefrau angerufen hätte, war der Angeklagte jedenfalls nicht.
b) Es gibt nur folgende, vom Angeklagten am 1. Dezember 2001 vorgelegte objektive Belege für möglicherweise relevante Anrufe aus München: vom Festnetzanschluß der Schwiegermutter bestand zunächst um 23.24 Uhr für 28 Sekunden eine Verbindung mit dem Festnetzanschluß in Sch. , die zweite Verbindung bestand von dort 2 Minuten später für 8 Sekunden mit dem Handy des Angeklagten. Die Behauptung der Schwiegermutter, die Tochter habe vom Festnetz ein kurzes und kurz darauf von ihrem Handy aus ein langes Gespräch mit dem in Sch. aufenthältlichen Angeklagten geführt , ist damit unvereinbar. Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte hätte zwar keine zwei Gespräche geführt, von einem Gespräch sei zu seinen
Gunsten aber auszugehen, hat jedenfalls in der Aussage der Schwiegermutter keine tragfähige Grundlage. Möglicherweise hängt diese Annahme auch mit einem polizeilichen Versäumnis zusammen, das die Strafkammer bei ohnehin schwieriger Beweislage noch in ihre Überlegungen einzubeziehen hatte: Der Angeklagte hatte in einem Fax vom 23. November 2001 eine Telefonnummer der Telefongesellschaft mitgeteilt, unter der das Telefongespräch vom Handy seiner Frau mit Sch. bestätigt werden könnte. Eine Bestätigung war jedoch nicht möglich. Unter der Nummer erhielt die Polizei die Auskunft, eine solche Verbindung könne weder bestätigt noch verneint werden; da die Ehefrau ein Handy mit einer prepaid Karte hätte, gäbe es keine Unterlagen. Damit hat sich die Polizei begnügt. Damals hätte aber vielleicht noch die - inzwischen wegen Zeitablaufs ausgeschlossene - Möglichkeit bestanden, die Behauptung über dieses Gespräch zu überprüfen, z. B. durch die "Beschlagnahme von elektronisch gespeicherten Aufzeichnungen". Dieses polizeiliche Versäumnis ändert jedoch nichts daran, daß der Zweifelssatz nicht isoliert auf ein einzelnes Indiz angewendet werden kann (vgl. BGHSt 35, 308, 316; Schoreit aaO Rdn. 65 jew. m. w. N.). Sollte es auf dieses Telefongespräch ankommen, wird jedoch zu erwägen sein, daß sich der Angeklagte mit dieser Angabe der Gefahr ausgesetzt haben kann, einer falschen Aussage überführt zu werden. Dies setzte aber voraus, daß er der Polizei eine Nummer gefaxt hätte, ohne zuvor zu überprüfen, was man dort für Auskünfte bekommt (die dort erteilte Auskunft hat seine Behauptung nicht widerlegt) und er außerdem die Möglichkeiten sonstiger polizeilicher Ermittlungen klarer als die Polizei selbst beurteilt hätte. Es kann auch eine Rolle spielen, daß der Angeklagte zwar zunächst am 23. November 2001 sich auf ein Gespräch vom Handy seiner Frau aus berufen hat, er am 1. Dezember 2001 dann aber ohne erkennbare Erläuterung und daher
zember 2001 dann aber ohne erkennbare Erläuterung und daher eher verwirrend Belege für Anrufe vom Festnetz aus vorgelegt hat. 3. Im Pkw des Angeklagten wurden eine Reihe von DNA-Spuren sichergestellt , mehrere stammen von Frau H. . So war etwa eine Spur, von der anzunehmen sei, daß es sich um ihr Blut handele, an der Innenseite der Fahrertür. Die Strafkammer erwägt, daß Frau H. , vom Angeklagten unbemerkt , (vgl. oben III 2 a), aus der Nase geblutet haben könnte, und dieses Blut dann mit einem feuchten Tuch an die Fahrertür gewischt worden sein kann. Es ist (auch hier) zumindest nicht klar erkennbar, warum es sich dabei um mehr als eine nur theoretische Erwägung handeln könnte. Im übrigen gehen zwar die jeweils sehr geringen Mengen von Blut von Frau H. die , dieser und den übrigen im Innenraum und an der Beifahrertür gesicherten Spuren zugrunde liegen und die darüber hinaus in Papiertaschentüchern in der Handtasche von Frau H. festgestellt worden sind, nicht auf die Tötung von Frau H. zurück, weil dabei sehr viel mehr Blut geflossen sein muß. Sie könnten aber immerhin darauf hinweisen, daß es in dem Pkw zu Geschehen gekommen ist, das mit der Schilderung des Angeklagten von einem insgesamt völlig harmlosen Vorgang - FrauH. ist eingestiegen, mitgefahren und wieder ausgestiegen - schwerlich vereinbar erscheint. 4. Weil Bargeld und einige sonstige Gegenstände von Frau H. - fehlten, geht die Strafkammer, ersichtlich am Anklagevorwurf orientiert, von Raubmord aus. Auch dies spräche angesichts der deutlich überdurchschnittlichen Vermögensverhältnisse des Angeklagten (er hatte zeitweise ein Jahreseinkommen von über 500.000 DM und betrieb zuletzt ein Call-Center in Ungarn ) gegen seine Täterschaft. Es sei angesichts der Gesamtumstände ohne weiteres erkennbar gewesen, daß sie nicht sehr viel Geld oder besondere
Wertgegenstände bei sich gehabt hätte. Auch gegen diese Erwägung bestehen Bedenken. Unabhängig davon, ob die kleine Schnittwunde im Bereich des Handgelenks, in der sich Isolierbandpartikel befanden, Rückschlüsse auf die Person des Täters zuläßt, spricht sie jedenfalls dagegen, daß es dem Täter allein um materielle Bereicherung ging. Es wäre daher die Möglichkeit zu erörtern gewesen, ob durch die Wegnahme des Geldes und der übrigen Gegenstände eine falsche Spur gelegt werden sollte.

V.

Der Senat hat entsprechend dem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag des Generalbundesanwalts die Sache an ein anderes Landgericht zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO, 2. Alternative). Nack Wahl Hebenstreit Elf Graf
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 73 Abs. 1 Satz 1, § 266;
1. Privatrechtlich organisierte Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge
sind keine "sonstigen Stellen" im Sinne von § 11 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. c StGB, wenn ein Privater daran in einem Umfang beteiligt
ist, dass er durch eine Sperrminorität wesentliche unternehmerische
Entscheidungen mitbestimmen kann.
2. Bei der Auftragserlangung durch Bestechung im geschäftlichen
Verkehr bildet der auf den Preis aufgeschlagene Betrag, der lediglich
der Finanzierung des Schmiergelds dient, regelmäßig die
Mindestsumme des beim Auftraggeber entstandenen Vermögensnachteils
im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB.
3. Durch Bestechung erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB
ist bei der korruptiven Manipulation einer Auftragsvergabe der gesamte
wirtschaftliche Wert des Auftrags im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
, nicht der vereinbarte Werklohn.
4. Wer Bestechungsgelder erhält, muss diese versteuern. Dem steht
der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit auch in Fällen des
§ 393 Abs. 2 Satz 2 AO nicht entgegen, soweit sich die Erklärungspflicht
auf die betragsmäßige Angabe der Einnahmen beschränkt
und nicht deren deliktische Herkunft umfasst.
BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05
LG Köln –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 2. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
- Verfallsbeteiligte:
wegen Untreue u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 1. und 2. Dezember 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Sc
alsVerteidigerfürdenAngeklagten E ,
Rechtsanwalt W ,
Rechtsanwältin We
als Verteidiger für den Angeklagten M ,
Rechtsanwalt L ,
Rechtsanwältin H
alsVerteidigerfürdenA ngeklagten R ,
Rechtsanwalt M
alsVertreterderVerfallsbeteiligten,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
in der Sitzung vom 2. Dezember 2005 für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagten E und M gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 13. Mai 2004 werden verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten und der Verfallsbeteiligten; die Angeklagten E und M tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten E wegen Untreue und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr sowie wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten M hat es wegen Beihilfe zur Untreue und wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und daneben eine Geldstrafe von 270 Tagessätzen zu je 165 Euro festgesetzt. Aus tatsächlichen Gründen freigesprochen hat das Landgericht den Angeklagten R insgesamt sowie den Angeklagten M , soweit diesem eine Steuerhinterziehung vorgeworfen wurde; zudem hat es die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen die Angeklagten und die Verfallsbeteiligte abgelehnt.
Die zuungunsten der Angeklagten und der Verfallsbeteiligten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft richten sich mit der Sachrüge zum einen gegen die Freisprüche, die Strafzumessung und die Strafaussetzung zur Bewährung beim Angeklagten M sowie die Nichtanordnung des Verfalls von Wertersatz gegen die Verfallsbeteiligte; nur insoweit werden sie vom Generalbundesanwalt vertreten. Darüber hinaus beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass die Angeklagten nicht wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit verurteilt worden sind, ferner auch die Strafzumessung bei dem Angeklagten E . Die Angeklagten E und M wenden sich mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen umfassend gegen ihre Verurteilung.
Sämtliche Revisionen bleiben erfolglos.

I.


Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
Im Jahr 1990 beschloss der Rat der Stadt Köln die Gründung einer Abfallverwertungsgesellschaft in Form einer städtisch beherrschten Mischgesellschaft unter maßgeblicher Beteiligung der Privatwirtschaft. Die Einbeziehung eines privaten Unternehmers sollte dessen Fachwissen und wirtschaftliche Erfahrung nutzbar machen sowie zur Kostenersparnis beitragen. Als Mitgesellschafter wurde der gesondert Verfolgte T gewonnen, der über verschiedene Gesellschaften eine beherrschende Stellung – vom Zeugen A anschaulich als „Monopölchen“ bezeichnet – auf dem Abfallsektor im Rheinland besaß. Die Stadt Köln (Anteil am Stammkapital 50,1 %), die S K G (Anteil 24,8 %) und die T E G V (Anteil 25,1 %) gründeten 1992 die „AVG “ (nachfolgend: AVG). Gegenstand der Gesellschaft waren insbesondere die Errichtung und der Be-
trieb von Anlagen für die thermische Behandlung und die Kompostierung von Abfällen sowie das Baustellen- und Gewerbeabfallrecycling unter Beachtung der Leitlinien des Abfallwirtschaftskonzepts der Stadt Köln. Der Gesellschaftsvertrag sah bei wichtigen Entscheidungen die Notwendigkeit einer Dreiviertel-Mehrheit vor. Die Stadt Köln schloss mit der AVG einen langfristigen Entsorgungsvertrag, wonach sie die AVG als sog. „Dritte“ mit der Wahrnehmung der Abfallentsorgungsaufgaben in zentralen Bereichen des Recyclings , der Kompostierung und der thermischen Behandlung beauftragte. Alleiniger Geschäftsführer der AVG wurde der Angeklagte E . Die Stadt Köln regelte die Müllentsorgung weiterhin durch Abfallsatzungen, nach denen die Abfallwirtschaft als öffentliche Einrichtung im Sinne einer rechtlichen , wirtschaftlichen und organisatorischen Einheit betrieben wurde.
Eine der zentralen Aufgaben der AVG war in den folgenden Jahren der Bau einer Restmüllverbrennungsanlage (nachfolgend: RMVA) in Köln zum Zweck der thermischen Müllentsorgung. Nach der Ausschreibung der Aufträge zur Planung und zum Bau der RMVA gaben mehrere Firmen Angebote ab; sie stellten teilweise auch die Zahlung von Schmiergeldern zwischen 2 % und 3 % des Auftragsvolumens bei Auftragsvergabe in Aussicht. Einer der Mitwettbewerber war die Verfallsbeteiligte L & C (nachfolgend: LCS), deren Geschäftsführer der Angeklagte M war. Unter maßgeblicher Einflussnahme des gesondert Verfolgten Wi , der seit mehreren Jahren als Unternehmensberater für die LCS tätig war und durch seine politische Laufbahn zahlreiche Kontakte zu den Entscheidungsträgern der Stadt Köln hatte, wurde schließlich im Herbst 1993 – einige Zeit vor dem Submissionstermin – zwischen E , T und M vereinbart, dass im Falle der Auftragsvergabe an die LCS von dieser ein Schmiergeld in Höhe von insgesamt 3 % des Auftragswerts in gleichen Teilen an E , T und Wi gezahlt werde, und zwar ein Drittel nach Vertragsschluss, ein Drittel nach Baubeginn und das letzte Drittel nach Abschluss der Bauarbeiten. E und M manipulierten die Ausschreibung, so dass die LCS nach Kenntnis der
anderen Angebote als günstigster Bieter schließlich den Zuschlag erhielt. In dem durch Verhandlungsgeschick des Angeklagten E schließlich erzielten, für die AVG insgesamt günstigen Festpreis von 792 Mio. DM war durch verschiedene Aufschläge auf einzelne Bau-Lose eine schmiergeldbedingte Erhöhung des Werklohns um rund 24 Mio. DM enthalten. Da sich dieser Betrag aus Sicht der LCS lediglich als Durchlaufposten darstellte, wäre der Angeklagte M auch bereit gewesen, für die LCS zu einem um den Schmiergeldbetrag verminderten Preis abzuschließen.
Die AVG zahlte den vereinbarten Werklohn einschließlich des darin enthaltenen Schmiergeldanteils bis August 2000 fast vollständig an die LCS. Die Abwicklung der Schmiergeldzahlungen, die in Höhe von insgesamt 21,6 Mio. DM flossen, erfolgte über verschiedene Schweizer Firmen, die der gesondert Verfolgte T absprachegemäß zur Verschleierung der Zahlungsflüsse vermittelte. An diese Firmen zahlte LCS im Jahr 1994 insgesamt 9 Mio. DM, 1995 2,7 Mio. DM, 1996 insgesamt 5,5 Mio. DM, 1998 insgesamt 3,4 Mio. DM und 1999 einen Restbetrag von 1 Mio. DM. Hiervon erhielt der Angeklagte E insgesamt 14,29 Mio. DM, und zwar 1994 3,2 Mio. DM, 1995 2 Mio. DM, 1996 5,2 Mio. DM, 1998 2 Mio. DM und 1999 schließlich 1,89 Mio. DM. Einen weiteren Betrag von mindestens 1 Mio. DM gab E 1995 oder 1996 an den Angeklagten M weiter; T und Wi erhielten zumindest 1994 jeweils 2 Mio. DM, wobei T seinen Anteil an Wi weiterreichte. Dass E von seinem Anteil weitere Millionensummen an die Angeklagten R und M sowie den gesondert Verfolgten Wienand auskehrte, konnte das Landgericht nicht sicher feststellen; es hat indes zugunsten des Angeklagten E angenommen, dass diesem lediglich Schmiergeldbeträge von insgesamt 7,49 Mio. DM verblieben sind.
Die Verfallsbeteiligte LCS rechnete das Projekt RMVA – nach einem zwischenzeitlichen vorläufigen Gewinn in Höhe von ca. 8 bis 9 Mio. Euro – im Jahr 2001 wegen verschiedener Gewährleistungsarbeiten endgültig mit
einem Verlust in Höhe von 688.000 Euro ab. Über das Vermögen der Verfallsbeteiligten ist inzwischen das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

II.


Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg.
1. Dass die Angeklagten E und M nicht wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung, sondern nur wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung im geschäftlichen Verkehr gemäß §§ 299, 300 StGB verurteilt worden sind, ist nicht rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat eine Amtsträgerstellung des Angeklagten E als Geschäftsführer der AVG nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB zutreffend verneint, weil es sich bei der AVG nicht um eine „sonstige Stelle“ im Sinne dieser Vorschrift handelt.

a) Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ist, wer sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. „Sonstige Stellen“ sind – ohne Rücksicht auf ihre Organisationsform – behördenähnliche Institutionen, die zwar keine Behörden im organisatorischen Sinne sind, aber rechtlich befugt sind, bei der Ausführung von Gesetzen und bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken (vgl. BGHSt 43, 370, 375 ff.; 49, 214, 219). Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass auch als juristische Personen des Privatrechts organisierte Einrichtungen und Unternehmen der öffentlichen Hand als „sonstige Stellen“ den Behörden gleichzustellen sind, wenn bei ihnen Merkmale vorliegen, die eine Gleichstellung rechtfertigen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie bei ihrer Tätigkeit öffentliche Aufgaben wahrnehmen und dabei derart staatlicher – gegebenenfalls auch kommunaler – Steuerung unterliegen, dass sie bei einer Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden Merkmale als „verlängerter Arm“ des Staates erscheinen (vgl. BGHSt 49, 214, 219 m.w.N.).

b) Diese Voraussetzungen liegen bei der AVG nicht vor.
aa) Die AVG ist zwar nach dem Gesellschaftsvertrag auf dem Gebiet der Müllentsorgung und damit in einem Bereich der Daseinsvorsorge tätig (vgl. BGHZ 40, 355, 360; BGH MDR 1983, 824; KG-Report 2005, 145); solche Tätigkeit wird von der Rechtsprechung seit jeher als öffentliche Aufgabe angesehen (vgl. BGHSt 12, 89, 90; 31, 264, 268; 45, 16, 19; BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7; vgl. auch den Gesetzentwurf zum Korruptionsbekämpfungsgesetz BT-Drucks. 13/5584, S. 12). Als „verlängerter Arm“ des Staates und damit als „sonstige Stellen“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB können aber privatrechtlich organisierte Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge jedenfalls dann nicht mehr verstanden werden, wenn ein Privater an dem Unternehmen in einem Umfang beteiligt ist, dass er durch eine Sperrminorität wesentliche unternehmerische Entscheidungen mitbestimmen kann.
bb) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge für sich genommen nicht ausreicht, um eine der Behörde gleichgestellte „sonstige Stelle“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB anzunehmen (vgl. BGHSt 43, 370, 377; 45, 16, 19). Die Tatsache, dass vielfältige der Daseinsvorsorge zugerechnete Aufgaben wie etwa die Energie- und Wasserversorgung oder die Müllentsorgung nach einer Liberalisierung der entsprechenden Märkte auch von privaten Unternehmen erbracht werden und dass die öffentliche Hand daneben in unterschiedlicher Organisations- und Beteiligungsform weiterhin auf diesen Gebieten tätig ist, erfordert jedenfalls im Bereich der Daseinsvorsorge ein aussagekräftiges zusätzliches Unterscheidungskriterium, um privates Handeln von staatlichem Handeln hinreichend abgrenzen zu können.
cc) Mit der Ergänzung von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB durch die Worte „unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform“ durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997
(BGBl I S. 2038) hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Wahl der Organisationsform – privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich – für sich gesehen kein solches Abgrenzungskriterium sein kann. Der Bundesgerichtshof hat anstelle eines solchen formalen ein inhaltliches Abgrenzungskriterium entwickelt: Die „sonstige Stelle“ muss bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben derart staatlicher Steuerung unterliegen, dass sie als „verlängerter Arm“ des Staates erscheint ; erforderlich ist dabei eine Gesamtbewertung aller relevanten Umstände des Einzelfalls (BGHSt 43, 370, 377; 45, 16, 19; 46, 310, 312 f.; 49, 214, 219; BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 6; BGH NJW 2004, 693, 694 m. Anm. Krehl StV 2005, 325 und Dölling JR 2005, 30, insoweit in BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7 nicht abgedruckt).
dd) Soweit ersichtlich noch nicht entschieden hat der Bundesgerichtshof dabei die Frage, ob auch ein solches Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge eine „sonstige Stelle“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB sein kann, an dem ein Privater beteiligt ist.
(1) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind weder die alleinige Inhaberschaft einer Gesellschaft noch die damit verbundenen Aufsichtsbefugnisse für sich genommen geeignet, eine für die Annahme von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ausreichende staatliche oder kommunale Steuerung zu bejahen (vgl. BGHSt 43, 370, 378; 45, 16, 20; BGH NJW 2001, 3062, 3064, insoweit in BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 6 nicht abgedruckt; BGH NJW 2004, 693, 694). Auch bei solchen Konstellationen ist vielmehr entscheidend, ob zusätzlich zu der alleinigen Inhaberschaft die Umstände des Einzelfalls bei einer Gesamtbewertung aller relevanten Umstände die Gleichstellung mit einer Behörde rechtfertigen können (vgl. BGH aaO). Daraus folgt, dass – anders als die Staatsanwaltschaft meint – auf eine Ähnlichkeit mit dem Begriff des „herrschenden Unternehmens“ i. S. von § 17 AktG allein nicht maßgeblich abzustellen ist.
(2) Ist schon die Alleininhaberschaft der öffentlichen Hand bei Unternehmen auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge kein hinreichendes Kriterium zur Annahme behördenähnlicher staatlicher Steuerung, gilt dies erst recht, wenn Private an einem Unternehmen beteiligt sind, das sich lediglich im Mehrheitsbesitz der öffentlichen Hand befindet. Unabhängig von der Frage, ob jede Beteiligung von Privaten an öffentlich beherrschten Unternehmen schon die Anwendung von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB hindert, liegt die Gleichstellung eines Unternehmens mit einer Behörde jedenfalls dann fern, wenn der Private durch seine Beteiligung über derart weitgehende Einflussmöglichkeiten verfügt, dass er wesentliche unternehmerische Entscheidungen mitbestimmen kann (vgl. auch EuGH NVwZ 2005, 187, 190 zum Vergaberecht). Räumt der Gesellschaftsvertrag dem Privaten aufgrund der Höhe seiner Beteiligung eine Sperrminorität für wesentliche unternehmerische Entscheidungen ein, kann das Unternehmen nicht mehr als „verlängerter Arm“ des Staates und sein Handeln damit nicht mehr als unmittelbar staatliches Handeln verstanden werden.
ee) Nach diesen Kriterien ist die AVG nicht als „sonstige Stelle“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB anzusehen:
Die Gesellschafterin T besaß aufgrund ihrer Beteiligung in Höhe von 25,1 % eine Sperrminorität für wesentliche unternehmerische Entscheidungen der AVG: Der Gesellschaftsvertrag der AVG sah vor, dass wesentliche Angelegenheiten der Gesellschaft nur mit DreiviertelMehrheit beschlossen werden können. Dazu zählten neben der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils, der Änderung des Gesellschaftsvertrages und der Abberufung des Geschäftsführers insbesondere die Investitions- und Darlehensaufnahme , der Abschluss und die Kündigung von Unternehmensverträgen , die Bestellung eines Abschlussprüfers und die Feststellung des Wirtschaftsplans. Der Gesellschafterin T wurde zudem das Recht zur Stellung eines Prokuristen für den technischen Bereich eingeräumt und T selbst erhielt den stellvertretenden Vorsitz des – freilich von
den kommunalen Mitgesellschaftern dominierten – siebzehnköpfigen Aufsichtsrats , der die Geschäftsführung der AVG beraten, überwachen und überprüfen sollte.
Schon allein aufgrund dieser vom Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorgesehenen wesentlichen Einflussmöglichkeiten des privaten Gesellschafters auf Kernbereiche unternehmerischen Handelns wie etwa die Möglichkeit einer Darlehensaufnahme stellte die AVG nicht mehr den „verlängerten Arm“ des Staates dar. Die weiteren, von der Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründungsschrift zutreffend aufgeführten Möglichkeiten der Stadt Köln – insbesondere durch ihre Mehrheitsbeteiligung, den Aufsichtsrat, den Abschluss des langfristigen Entsorgungsvertrages und die im Gesellschaftsvertrag verankerte Bindung der AVG an die von der Stadt Köln beschlossenen Leitlinien des Abfallwirtschaftskonzepts –, Einfluss auf das Unternehmen AVG zu nehmen, hat das Landgericht bei seiner ausführlichen Gesamtbetrachtung hinreichend gesehen und im Ergebnis zutreffend gewürdigt. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen es angesichts der dargestellten Sperrminorität der privaten Gesellschafterin auch in der Gesamtschau nicht, die AVG als behördenähnlich zu verstehen und wie eine Behörde zu behandeln.
ff) Ob die AVG bereits keine „sonstige Stelle“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB sein kann, weil sie für einen Bereich (Abfallentsorgung) gegründet wurde, auf dem auch Private – wie etwa der Unternehmer T – als Marktteilnehmer unternehmerisch tätig sind, bedarf hier deshalb keiner weiteren Vertiefung. Angesichts der zunehmenden Schaffung wettbewerblicher Strukturen und der Öffnung auch zentraler Bereiche der Daseinsvorsorge für private Marktteilnehmer wie etwa beim Bahnverkehr (hierzu BGHSt 49, 214), bei der Wärmeversorgung (hierzu BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7) oder bei der Energie- und Wasserversorgung spricht allerdings einiges dafür, dass privatrechtlich organisierte Gesellschaften der öffentlichen Hand, die auf solchen Märkten tätig werden, – wie andere (rein private) Marktteilnehmer auch – allein erwerbswirtschaftlich tätig sind (vgl.
BGH wistra 2001, 267, 270, insoweit in BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 5 nicht abgedruckt). Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, kann insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge von einer öffentlichen Aufgabe dann nicht (mehr) gesprochen werden, wenn der Hoheitsträger diesen Bereich aus der Hand gibt und ihre Erledigung einem privaten, marktwirtschaftlichen Unternehmen überlässt (Aufgabenprivatisierung im Gegensatz zur Organisationsprivatisierung), selbst wenn das private Unternehmen einer staatlichen Aufsicht unterstellt wird (BGHSt 49, 214, 221). In diesen Fällen fehlt der spezifisch öffentlich-rechtliche Bezug, der eine Gleichstellung mit behördlichem Handeln rechtfertigt. Auch eine Gesellschaft in alleiniger staatlicher Inhaberschaft würde letztlich nur einen weiteren Wettbewerber auf einem Markt darstellen, der vom Staat eröffnet wurde und sich um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildet hat.
2. Das mithin verbleibende Vergehen der Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr ist nicht etwa verjährt.

a) Nach § 78a Satz 1 StGB beginnt die Verjährung, sobald die Tat beendet ist. Die Beendigung tritt erst in dem Zeitpunkt ein, in dem das Tatunrecht seinen tatsächlichen Abschluss findet. Die Verjährung setzt nur ein, wenn der Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abgeschlossen hat. Vorher besteht kein Anlass, durch den Beginn der Verjährungsfrist einen Verfolgungsverzicht in Aussicht zu stellen (BGHR StGB § 78a Satz 1 Bestechung 1). Die Bestechung im geschäftlichen Verkehr ist in diesem Sinne erst mit der letzten Annahme des von der Unrechtsvereinbarung umfassten Vorteils beendet (BGHR UWG § 12 Abs. 2 Angestelltenbestechlichkeit 1; Tröndle /Fischer, StGB 53. Aufl. § 299 Rdn. 21; Heine in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 299 Rdn. 31; vgl. auch BGHSt 10, 237, 243; 11, 345, 347; BGHR StGB § 334 Verjährung 1; jeweils zu §§ 331 ff. StGB).

b) Das Landgericht hat für die Frage der Beendigung zutreffend auf die letzte Zahlung von Schmiergeld an den Angeklagten E im Früh-
jahr 1999 abgestellt. Demgegenüber meinen die Angeklagten, die Unrechtsvereinbarung sei mit derjenigen Zahlung im Jahr 1996 an den Angeklagten E beendet worden, durch die – zumindest nicht ausschließbar – die Summe der ursprünglich allein für diesen Angeklagten vorgesehenen Zahlungen erreicht worden sei; sämtliche späteren Zahlungen an die Angeklagten E und M beruhten auf einer neuen, nicht von § 12 UWG a.F. oder § 299 StGB erfassten Vereinbarung.

c) Mit dieser Bewertung lösen sich die Revisionen von den Feststellungen des Landgerichts:
aa) Der von den Revisionen in Zweifel gezogene Ausgangspunkt des Landgerichts – sämtliche gemeinschaftlich vereinbarten und schließlich geleisteten Schmiergeldzahlungen seien vom Tatbestand der Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr umfasst und daher für die Verjährungsfrage erheblich – trifft zu. Nicht nur die vereinbarten Zahlungen an E selbst, sondern auch diejenigen an T und Wi stellen sich als „Vorteile“ für E im Sinne von § 12 UWG a.F. und § 299 StGB dar.
(1) Zahlungen an Dritte wurden – wie in §§ 331 ff. StGB a.F. – schon vor den Änderungen des Tatbestands der Angestelltenbestechlichkeit durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 (BGBl I S. 2038) von § 12 UWG a.F. erfasst, wenn sie dem bestochenen Angestellten oder Beauftragten mittelbar zugute kamen (von Gamm, Wettbewerbsrecht 5. Aufl. Kap. 47 Rdn. 12; vgl. auch BGHSt 14, 123, 128; 33, 336, 339; 35, 128, 133; jeweils zu §§ 331 ff. StGB a.F.). Für die Frage, ob bei einer Drittzuwendung ein solcher Vorteil vorliegt, kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, wobei dem persönlichen Interesse des Bestochenen entscheidende Bedeutung zukommt (vgl. BGHSt 33, 336, 339 f.). Mit Einfügung der Worte „für sich oder einen Dritten“ in § 299 Abs. 1 StGB bzw. „für diesen oder einen Dritten“ in § 299 Abs. 2 StGB (sowie entsprechend in §§ 331 ff.
StGB) wurde nach dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen lediglich eine Klarstellung erstrebt, aber keine Änderung des bisherigen Rechtszustands (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucks. 13/5584 S. 15 f.; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 299 Rdn. 25).
(2) Nach diesen Kriterien waren auch sämtliche gemeinsam vereinbarten Zahlungen an T (und auch an Wi ) mittelbar für E von Vorteil: Nur durch die Einbeziehung des an maßgeblichen Stellen in entscheidender Position tätigen T (stellvertretender Vorsitzender des AVG-Aufsichtsrats und Geschäftsführer der Mitgesellschafterin) konnte sichergestellt werden, dass es zu dem von E gewünschten und für den Empfang seines Schmiergeldanteils notwendigen Vertragsschluss zwischen der AVG und der LCS kommt; nur seine Beteiligung ermöglichte zudem die notwendige verdeckte Zahlungsabwicklung über die Schweiz. Die verabredeten Zahlungen an T gereichten E also selbst zum Vorteil, weil sie notwendige Voraussetzung des Geldflusses an ihn selbst waren. Für die Beteiligung Wi s als in der SPD einflussreicher „Strippenzieher“ sowie Mitinitiator und -organisator der Schmiergeldabrede, dessen Einbindung aus Sicht E s Grundvoraussetzung für deren Durchführung war, gilt – zumal ein mittelbarer Vorteil ausreichte – nichts anderes. Im Übrigen käme es auf Wi s Beteiligung für die Frage der Verjährung angesichts der festgestellten höchstmöglichen Zuflüsse von Schmiergeldern bei E nicht einmal an.
Zudem hatte E – mit Ausnahme von 4 Mio. DM, die zu Anfang direkt an T und Wi überreicht wurden – zunächst jeweils persönlich die Verfügungsmöglichkeit über sämtliche aus der Schweiz weitergegebene Schmiergelder erhalten (vgl. hierzu BGHSt 35, 128, 134 f.). Da bei § 12 UWG a.F. und bei § 299 StGB jeweils auf die gesamte vereinbarte Schmiergeldsumme abzustellen ist, konnte die Verjährung erst mit der letzten in diesem Rahmen geflossenen Zahlung beginnen; dies war die Zahlung an E im Frühjahr 1999.
bb) Die ursprüngliche Schmiergeldvereinbarung – Zahlung von insgesamt 3 % der Auftragssumme in drei Zeitabschnitten – ist auch nicht durch eine spätere Zahlungsvereinbarung ersetzt worden. Ursprung des Zahlungsflusses blieb bis zum Frühjahr 1999 die Abrede vom Herbst 1993. Das zwischenzeitliche Ausscheiden von Wi und T aus dem Kreis der Zahlungsempfänger hatte lediglich eine Veränderung der Zahlungsströme zur Folge. Die bloße Änderung der Richtung des Zahlungsflusses ist jedoch nicht derart wesentlich, dass hierin eine gänzlich neue, die Ursprungsvereinbarung ersetzende Vereinbarung gesehen werden muss, weil damit nicht das „Ob“, sondern nur das „Wie“ der Zahlung modifiziert wurde. Ein solches bloßes Umleiten von Geldern führt auch nicht zu einem für den Verjährungsbeginn entscheidenden Abschluss des rechtsverneinenden Handelns.
cc) Zudem ist für den Verjährungsbeginn nicht allein auf die vereinbarten Beträge, sondern gleichermaßen auf den vereinbarten Zahlungszeitraum abzustellen. Nach dem gemeinsam verabredeten Zahlungsplan sollte die Zahlung des Schmiergelds an E , T und den gesondert verfolgten Wi zu gleichen Teilen in drei Zahlungsabschnitten entsprechend dem Baufortschritt erfolgen. Tatsächlich hat der Angeklagte E nach den Feststellungen des Landgerichts den vereinbarten Bestechungslohn im Wesentlichen entsprechend dieser Fälligkeitsabrede erhalten, nämlich einen ersten Teil 1994 nach Abschluss des Vertrages, weitere Beträge nach Beginn der Bauarbeiten sowie den Rest nach deren Ende. Damit wurde die Schmiergeldabrede in dem Zeitrahmen erfüllt, den die Beteiligten vereinbart hatten. Dass der Angeklagte E über seinen ursprünglich vereinbarten Anteil hinaus aufgrund des Ausscheidens von Wi und T als Zahlungsempfänger nicht ausschließbar bereits in den Jahren bis 1996 mehr Geld erhalten hatte, als ihm eigentlich zu diesem Zeitpunkt zufließen sollte, ist demgegenüber unbeachtlich, da jedenfalls die Zahlungen in den Jahren 1998 und 1999 dem ursprünglich vereinbarten Zahlungsplan entsprachen, wonach die letzte Zahlung nach Beendigung der Bauarbeiten erfolgen sollte.
3. Der Freispruch des Angeklagten R und der Teilfreispruch des Angeklagten M vom Vorwurf der Steuerhinterziehung haben Bestand.
In beiden Fällen war einziges Beweismittel für den Vorwurf, den Angeklagten seien in unverjährter Zeit erhebliche Geldbeträge zugeflossen, die sie nicht versteuert hätten, die belastende Aussage des Mitangeklagten E . Dass sich das Landgericht allein auf dieser Grundlage keine für eine Verurteilung hinreichende Überzeugung vom Geldzufluss hat bilden können, ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

a) Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.: vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33; BGH NStZ 2000, 48; BGH wistra 2002, 260, 261). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben , dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11, 24). Weitergehende zum Schutz des Angeklagten aufgestellte besonders strikte Anforderungen an die Begründung der Beweiswürdigung in der Situation „Aussage gegen Aussage“ (BGHSt 44, 153, 158 f.; 44, 256, 257) gelten zwar – wie die Revision des Angeklagten M zutreffend hervorgehoben hat – grundsätzlich unmittelbar nur in Verurteilungsfällen. Gleichwohl kann das Bedürfnis nach vollständiger , nachprüfbarer Beweiswürdigung in Fällen gleich karger und widersprüchlicher Beweisgrundlage in ähnlicher Weise auch dann zum Tragen
kommen, wenn ein Angeklagter freigesprochen wird, weil sich das Gericht von der Richtigkeit der belastenden Aussage eines Zeugen nicht überzeugen kann (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 174, 175).

b) Den genannten Anforderungen genügt die Darstellung der Beweiswürdigung durch das Landgericht, soweit es sich keine hinreichende Überzeugung von der Richtigkeit der belastenden Angaben des Angeklagten E zu den von den Mitangeklagten bestrittenen Schmiergeldweitergaben gebildet hat, gerade noch.
Folgende Umstände waren aus Sicht des Landgerichts maßgebend: E hat die Mitangeklagten erstmals in Zusammenhang mit Gesprächen über einen Strafnachlass belastet; er hatte ein gewichtiges Motiv, den bei ihm verbliebenen Anteil des Schmiergeldes möglichst gering darzustellen , und hatte im Verlauf der Ermittlungen auch anderweitig versucht, sich durch unrichtige Angaben Teile der Tatbeute zu sichern; seine – zudem eher farblosen – Angaben zur zeitlichen Einordnung und zu Begleitumständen im Zusammenhang mit mehreren Geldübergaben waren uneinheitlich.
Den genannten Umständen hat das Landgericht sämtliche für die Glaubhaftigkeit der Angaben E s sprechenden Tatsachen gegenübergestellt , insbesondere dass andere Angaben E s in der Hauptverhandlung ihre Bestätigung gefunden haben, er maßgeblich und frühzeitig zur Aufklärung der Taten beigetragen hat und die Angaben von R und M zu diesem Vorwurf wenig überzeugend waren. Aufgrund einer Gesamtschau der für und gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben E sprechenden s Gesichtspunkte hat sich das Landgericht schließlich außer Stande gesehen, sich eine Überzeugung von der Richtigkeit dieser einzigen Belastungsangaben zu bilden; Anhaltspunkte für weitergehende Ermittlungsansätze waren nicht ersichtlich.
Diese tatrichterliche Wertung ist letztlich hinzunehmen. Der Revision der Staatsanwaltschaft ist allerdings zuzugeben, dass – wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen ausgeführt hat – das Landgericht Umstände wie insbesondere die Aussagegenese und den Inhalt divergierender oder detailarmer Aussagen von E nicht in einer Weise dargestellt hat, wie dies in dem sonst überaus umfangreichen Urteil konsequent und wünschenswert gewesen wäre. Lediglich im Hinblick auf die umgekehrt strengen Anforderungen an eine Verurteilung in der vorliegenden besonderen Konstellation, bei der der einzige Belastungszeuge ein erhebliches Motiv für eine Falschbelastung hat und seine Aussage auch sonst Ungereimtheiten aufweist, lässt der Senat im vorliegenden Fall den Freispruch unbeanstandet.
4. Die Strafzumessung des Landgerichts weist im Ergebnis keine Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten E und M auf.

a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ihm obliegt es, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn der Tatrichter gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängten Strafen nach oben oder unten von ihrer Bestimmung lösen, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGHSt 34, 345, 349; st. Rspr.).

b) Solche Rechtsfehler zeigt die Beschwerdeführerin, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, bei dem Angeklagten E nicht auf. Insbesondere durfte das Landgericht den Umstand zu seinen Gunsten berücksichtigen, dass er von der ihm zustehenden Möglichkeit, die Aussetzung der Hauptverhandlung nach § 265 Abs. 4 StPO wegen erst spä-
ter bekannt gewordenen umfangreichen Aktenmaterials zu verlangen, keinen Gebrauch gemacht und damit eine zügige Erledigung der Hauptverhandlung ermöglicht hat. Anhaltspunkte dafür, dass diesem Umstand vom Landgericht unangebracht großes Gewicht zugemessen worden wäre, bestehen nicht. Die gegen den Angeklagten E verhängten Einzelstrafen sind ebenso wenig unvertretbar milde wie die Gesamtstrafe.

c) Gleichfalls weist die Strafzumessung keinen Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten M auf; dies gilt auch für die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung.
aa) Hinreichende Anhaltspunkte, dass das Landgericht, etwa nur um zu einer Strafaussetzung zur Bewährung zu gelangen, die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe unangemessen niedrig bemessen hätte, liegen nicht vor, letztlich auch nicht im Blick auf die für sich rechtsfehlerfreie Anwendung des § 41 StGB.
bb) Das Landgericht durfte im Hinblick auf zahlreiche gewichtige Strafmilderungsgründe – insbesondere Unbestraftheit, erstmalige Verbüßung von Untersuchungshaft, lange Dauer der seit der Tat vergangenen Zeit, Handeln auch im Interesse des Unternehmens, Abgabe eines Schuldanerkenntnisses über 1 Mio. DM – besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB annehmen, die die Aussetzung der zweijährigen Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung gestatteten. Die Entscheidung des Landgerichts, dass auch § 56 Abs. 3 StGB einer Strafaussetzung zur Bewährung nicht entgegenstehe, ist ebenfalls rechtlich noch hinzunehmen. Allerdings erfordern die durch Bestechung im geschäftlichen Verkehr und durch damit einhergehende Untreue hervorgerufenen erheblichen wirtschaftlichen Schäden ein nachdrückliches und energisches Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden. Doch dürfen auch bei der Ahndung solcher Taten die besonderen Umstände des Einzelfalles nicht außer Acht gelassen werden. Sie sind insbesondere in der mangelnden Tatinitiative des Angeklagten M und in seiner Kon-
frontation als Unternehmer mit ersichtlich verbreiteten skrupellosen Geschäftspraktiken bei der Konzeption von Großanlagen und dabei – sogar ungeachtet gegebener „Staatsnähe“ – bedenkenlos angebrachten Schmiergeldforderungen des von ihm gewünschten Vertragspartners zu finden. Danach kann die Entscheidung des Landgerichts nach § 56 Abs. 3 StGB noch als vertretbar angesehen werden, wenngleich eine gegenteilige Würdigung des Landgerichts rechtlich möglich gewesen wäre und im Blick auf die spätere Eigenbereicherung des Angeklagten M sogar näher gelegen hätte.
cc) In diesem Zusammenhang sieht der Senat Anlass zu folgender Anmerkung: Nach der Erfahrung des Senats kommt es bei einer Vielzahl von großen Wirtschaftsstrafverfahren dazu, dass eine dem Unrechtsgehalt schwerwiegender Korruptions- und Steuerhinterziehungsdelikte adäquate Bestrafung allein deswegen nicht erfolgen kann, weil für die gebotene Aufklärung derart komplexer Sachverhalte keine ausreichenden justiziellen Ressourcen zur Verfügung stehen. Die seit der Tat vergangene Zeit und auch die Dauer des Ermittlungs- und Strafverfahrens (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) werden in vergleichbaren Verfahren häufig zu derart bestimmenden Strafzumessungsfaktoren , dass die Verhängung mehrjähriger Freiheitsstrafen oder – wie hier – die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 3 StGB namentlich wegen des Zeitfaktors ausscheidet. Dem in § 56 Abs. 3 StGB zum Ausdruck gekommenen Anliegen des Gesetzgebers, das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts vor einer Erschütterung durch unangemessen milde Sanktionen zu bewahren, kann im Bereich des überwiegend tatsächlich und rechtlich schwierigen Wirtschaftsund Steuerstrafrechts nach Eindruck des Senats nur durch eine spürbare Stärkung der Justiz in diesem Bereich Rechnung getragen werden. Nur auf diese Weise – nicht durch bloße Gesetzesverschärfungen – wird es möglich sein, dem drohenden Ungleichgewicht zwischen der Strafpraxis bei der allgemeinen Kriminalität und der Strafpraxis in Steuer- und Wirtschaftsstrafverfahren entgegenzutreten und dem berechtigten besonderen öffentlichen Inte-
resse an einer effektiven Strafverfolgung schwerwiegender Wirtschaftskriminalität gerecht zu werden.
5. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen die Verfallsbeteiligte abgesehen; der Senat geht mit dem Generalbundesanwalt davon aus, dass die Staatsanwaltschaft insoweit ihre Revision auf das Fehlen einer entsprechenden Nebenentscheidung gegenüber der Verfallsbeteiligten beschränkt hat, zumal das Absehen von der Anordnung des Verfalls bei den Angeklagten E und M im Hinblick auf § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB keinen Bedenken begegnet.

a) Zutreffend hat der Generalbundesanwalt allerdings darauf hingewiesen , dass das Landgericht das „Erlangte“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB nicht hinreichend genau bestimmt hat; entgegen der – insoweit vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen – Auffassung der Staatsanwaltschaft ist das Erlangte aber auch nicht der für den Bau der RMVA vereinbarte Werklohn in Höhe von 792 Mio. DM. Durch Bestechung (im geschäftlichen Verkehr) erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB ist bei der korruptiven Manipulation einer Auftragsvergabe nicht der vereinbarte Preis, sondern der gesamte wirtschaftliche Wert des Auftrags im Zeitpunkt des Vertragsschlusses; dieser umfasst den kalkulierten Gewinn und etwaige weitere, gegebenenfalls nach § 73b StGB zu schätzende wirtschaftliche Vorteile.
aa) „Aus der Tat erlangt“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind alle Vermögenswerte, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (BGH NStZ 2001, 155, 156); „für die Tat erlangt“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind dagegen Vermögenswerte, die dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, aber – wie etwa ein Lohn für die Tatbegehung – nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen
(vgl. BGHR StGB § 73 Erlangtes 4). Für die Bestimmung desjenigen, was der Täter in diesem Sinne aus einer Tat oder für sie erlangt hat, ist das Bruttoprinzip unerheblich. Erst wenn feststeht, worin der erlangte Vorteil des Täters besteht, besagt dieses Prinzip, dass bei der Bemessung der Höhe des Erlangten gewinnmindernde Abzüge unberücksichtigt bleiben müssen (vgl. BGHSt 47, 260, 269). Zudem muss die Abschöpfung spiegelbildlich dem Vermögensvorteil entsprechen, den der Täter gerade aus der Tat gezogen hat; dies setzt eine Unmittelbarkeitsbeziehung zwischen Tat und Vorteil voraus (vgl. BGHSt 45, 235, 247 f.; 47, 260, 269; Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 17; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 Rdn. 16; jeweils m.w.N.).
bb) Unmittelbar aus einer Bestechung (im geschäftlichen Verkehr) erlangt ein Werkunternehmer im Rahmen korruptiver Manipulation bei der Auftragsvergabe lediglich die Auftragserteilung – also den Vertragsschluss – selbst, nicht hingegen den vereinbarten Werklohn (vgl. Sedemund DB 2003, 323, 325 ff.; a. A. OLG Köln ZIP 2004, 2013; OLG Thüringen wistra 2005, 114). Bei der Auftragserlangung durch Bestechung (im geschäftlichen Verkehr ) führt die „Tat“ als solche unmittelbar nur zu dem Vorteil des schuldrechtlichen Vertragsschlusses; die Vorteile aus der Ausführung des Auftrags wären hingegen nicht mehr unmittelbar aus der „Tat“ erlangt (vgl. Joecks in MünchKomm-StGB § 73 Rdn. 30). Strafrechtlich bemakelt ist lediglich die Art und Weise, wie der Auftrag erlangt ist, nicht dass er ausgeführt wird. In diesem Punkt unterscheidet sich der Fall einer Auftragserlangung durch Bestechung von verbotenen Betäubungsmittelgeschäften oder Embargoverstößen. Nur in solchen Fällen ist es deshalb gerechtfertigt, als das „Erlangte“ i. S. von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB den gesamten vereinbarten Kaufpreis anzusehen (vgl. BGH NStZ 2000, 480; BGHSt 47, 369).
cc) Der wirtschaftliche Wert des Auftrags im Zeitpunkt der Auftragserlangung bemisst sich vorrangig nach dem zu erwartenden Gewinn. Aussagekräftiges Indiz hierfür wird regelmäßig die Gewinnspanne sein, die der Auftragnehmer in die Kalkulation des Werklohns hat einfließen lassen.
tragnehmer in die Kalkulation des Werklohns hat einfließen lassen. Fehlen hierfür Anhaltspunkte, kann u. U. auch ein branchenüblicher Gewinnaufschlag Grundlage einer Schätzung (§ 73b StGB) sein. Mit dem zu erwartenden Gewinn wird in aller Regel der wirtschaftliche Wert des durch Bestechung erlangten Auftrags und damit das „Erlangte“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB hinreichend erfasst.
Im Einzelfall können darüber hinaus konkrete Anhaltspunkte für weitergehende wirtschaftliche Vorteile bestehen, die durch den Vertragsschluss als solchen erlangt wurden (vgl. Sedemund DB 2003, 323, 328; vgl. zum Begriff des wirtschaftlichen Vorteils auch § 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG). Hierzu zählen mittelbare Vorteile wie etwa die konkrete Chance auf Abschluss von Wartungsverträgen für eine errichtete Anlage oder von sonstigen Folgegeschäften durch Aufbau einer Geschäftsbeziehung, die Chance zur Erlangung weiterer Aufträge für vergleichbare Anlagen, die Steigerung des wirtschaftlich werthaltigen „Goodwill“ eines Unternehmens durch Errichtung eines Prestigeobjekts für einen renommierten Auftraggeber, die Vermeidung von Verlusten durch Auslastung bestehender Kapazitäten oder die Verbesserung der Marktposition durch Ausschalten von Mitwettbewerbern (vgl. BayObLG wistra 1998, 199, 200; König in Göhler, OWiG 13. Aufl. § 17 Rdn. 41; Lemke /Mosbacher, OWiG 2. Aufl. § 17 Rdn. 38). Solche Vorteile hat auch das Landgericht bei der LCS durch den Vertragsschluss festgestellt (UA S. 78).
Bestehen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für derartige weitere konkrete wirtschaftliche Vorteile, kann deren Wert, wenn der konkrete Sachverhalt eine tragfähige Grundlage dafür bietet (hierzu BGHR StGB § 73b Schätzung 1, 2), nach § 73b StGB geschätzt werden. Gegebenenfalls wird sich hierfür die Hinzuziehung von Sachverständigen anbieten (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 73b Rdn. 5).
Ein tragfähiger Anhaltspunkt im Rahmen der Bestimmung eines solchen über den kalkulierten Gewinn hinausgehenden Werts eines Auftrags
kann u. U. auch der Preis sein, den für die Auftragsvergabe zu zahlen der Auftragnehmer bereit ist. Wird ein Auftrag durch Bestechung (im geschäftlichen Verkehr) erlangt, wird die Bestechungssumme allerdings nur dann ein aussagekräftiges Indiz für eine Art „Marktpreis“ der Auftragsvergabe jenseits des kalkulierten Gewinns sein, wenn der Auftragnehmer selbst die Bestechungssumme aufbringt und nicht – wie hier – in korruptivem Zusammenwirken mit den Verantwortlichen des Auftraggebers der Auftragssumme aufschlägt , so dass sie aus seiner Sicht einen bloßen Durchlaufposten bildet.
dd) Ist der Wert des durch Bestechung erlangten Auftrags im Zeitpunkt der Auftragsvergabe auf diese Weise – ggf. mit sachverständiger Hilfe und mittels Schätzung nach § 73b StGB – ermittelt worden, folgt aus dem Bruttoprinzip , dass etwaige für den Vertragsschluss getätigte Aufwendungen (wie insbesondere eine vom Auftragnehmer gezahlte Bestechungssumme) nicht weiter in Abzug gebracht, sondern allenfalls im Rahmen von § 73c StGB berücksichtigt werden können.

b) Der Anordnung des Verfalls steht – entgegen der Auffassung der Verfallsbeteiligten – nicht bereits grundsätzlich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Verfallsbeteiligten unter dem Gesichtspunkt eines vorrangigen Schutzes der Geschädigten in der Insolvenz entgegen. Die Vorschrift des § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO betrifft lediglich die Frage, wie ein angeordneter Verfall rangmäßig im Insolvenzverfahren zu behandeln ist (vgl. OLG Schleswig wistra 2001, 312, 313). Anders als nach § 240 ZPO kommt auch eine Unterbrechung des Strafverfahrens insoweit nicht in Betracht , weil die Anordnung des Verfalls als strafrechtliche Nebenfolge dem strafrichterlichen Erkenntnis vorbehalten bleiben muss. Ansprüche der Geschädigten werden im Rahmen von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hinreichend berücksichtigt.

c) Auch wenn das Landgericht den Umfang des Erlangten nicht in der vorbeschriebenen Weise ermittelt, sondern letztlich eher unbestimmt gelas-
sen hat, was es genau als das „Erlangte“ in diesem Sinne ansieht, hat es doch zumindest im Ergebnis zu Recht von einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz bei der Verfallsbeteiligten nach § 73c Abs. 1 StGB abgesehen.
aa) Schadensersatzansprüche der AVG stehen nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB einer Verfallsentscheidung zu Lasten der Verfallsbeteiligten zumindest in der Höhe entgegen, in denen diese Ansprüche noch nicht durch Zahlungen der Angeklagten erfüllt worden sind. Ob der Wert des Auftrags im Zeitpunkt des Vertragsschlusses diese noch vorhandenen – gegebenenfalls nach § 254 BGB geminderten – Ansprüche übersteigt, kann letztlich offen bleiben.
bb) Die Voraussetzungen von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB hat das Landgericht zwar – auch in Abgrenzung zu Satz 2 – nicht hinreichend dargelegt (vgl. hierzu BGH wistra 2000, 379, 382; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 73c Rdn. 3 m.w.N.). Ergänzend hat es jedoch unter Hinweis auf § 73c Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 StGB folgende Umstände genannt, die eine Verfallsanordnung jedenfalls unangemessen erscheinen lassen: Ein bleibender Gewinn , der Schadensersatzansprüche der AVG übersteigen würde, ist bei der LCS nicht vorhanden; letztlich ergab sich bei der endgültigen Abrechnung des Projekts im Jahr 2001 aufgrund von Gewährleistungsarbeiten ein Verlust von insgesamt 688.000 Euro (UA S. 159); zudem befindet sich die Verfallsbeteiligte in der Insolvenz.
cc) Ungeachtet der rechtlich nicht unbedenklichen Ausführungen des Landgerichts zu §§ 73 ff. StGB ist es aus Sicht des Senats im Hinblick auf § 73c Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 StGB jedenfalls angemessen (vgl. § 354 Abs. 1a StPO), gegenüber der insolventen Verfallsbeteiligten, die letztlich keinen Gewinn erzielt hat und sich erheblichen Regressansprüchen gegenüber sieht, von einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz abzusehen.

III.


Die Revisionen der Angeklagten bleiben ebenfalls erfolglos.
1. Die Verurteilungen des Angeklagten E wegen Untreue nach § 266 StGB und des Angeklagten M wegen Beihilfe zu dieser Tat begegnen keinen Bedenken.

a) Zutreffend weist die Revision des Angeklagten E allerdings zunächst darauf hin, dass die Annahme des Landgerichts, dieser Angeklagte habe mit seinem Verhalten die Missbrauchalternative des § 266 Abs. 1 StGB erfüllt, unzutreffend ist. Voraussetzung dieser Alternative ist, dass der rechtsgeschäftliche Missbrauch der Verpflichtungsbefugnis zu einer wirksamen Verpflichtung des Treugebers führt (vgl. BGH bei Holtz, MDR 1983, 92; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 266 Rdn. 20, 22 m.w.N.; Seier in Achenbach/Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 2004, Abschnitt V 2 Rdn. 47). Dem steht hier bereits § 138 BGB entgegen. Die Sittenwidrigkeit der kollusiven Absprache zwischen den Angeklagten E und M zur Schädigung der AVG durch Vereinbarung eines um den Schmiergeldanteil überhöhten Preises wirkt sich auch auf den Hauptvertrag aus (vgl. BGH NJW 1989, 26, 27; Tröndle/Fischer aaO Rdn. 21; Seier aaO Rdn. 48; vgl. auch BGHZ 141, 357, 362 f.; BGH BB 1990, 733, 734; BGH NJW 2000, 511, 512). Zudem hat E bei dem Abschluss des um den Schmiergeldanteil überhöhten Vertrages im kollusiven Zusammenwirken mit dem Angeklagten M ersichtlich seine Vertretungsmacht zum Nachteil der AVG missbraucht (vgl. hierzu Tröndle/Fischer aaO § 266 Rdn. 22 m.w.N.; BGHZ 50, 112, 114; Bernsmann StV 2005, 576, 577).
Hieraus folgt indes unmittelbar, dass der Angeklagte E durch Abschluss des dergestalt unerkannt nichtigen Vertrages mit einem kollusiv überhöhten Auftragspreis die Treubruchalternative des § 266 Abs. 1 StGB erfüllt und der Angeklagte M zu solcher Tat Beihilfe geleistet
hat. Hierauf kann der Senat von sich aus erkennen (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Missbrauch 2). Es ist auszuschließen, dass sich die Angeklagten gegen den tatsächlich identisch fundierten Vorwurf des Treubruchs anders als geschehen hätten verteidigen können.

b) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte E durch den Abschluss des Vertrages mit der LCS zum Gesamtpreis von 792 Mio. DM seine als Geschäftsführer gegenüber der AVG bestehende Vermögensbetreuungspflicht verletzt und hierdurch der AVG einen Vermögensnachteil in Höhe des vereinbarten Schmiergeldaufschlags zugefügt hat.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt bei der Vereinbarung von Schmiergeldzahlungen in Form eines prozentualen Preisaufschlags regelmäßig ein Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB vor (vgl. BGHSt 47, 295, 298 f.; 49, 317, 332 f.; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 49, insoweit in BGHSt 46, 310 nicht abgedruckt). Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass jedenfalls mindestens der Betrag, den der Vertragspartner für Schmiergelder aufwendet, auch in Form eines Preisnachlasses dem Geschäftsherrn des Empfängers hätte gewährt werden können (vgl. Raum in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts 2. Aufl. S. 304 m.w.N.). Bei der Auftragserlangung durch Bestechung im geschäftlichen Verkehr bildet deshalb der auf den Preis aufgeschlagene Betrag, der lediglich der Finanzierung des Schmiergelds dient, regelmäßig die Mindestsumme des beim Auftraggeber entstandenen Vermögensnachteils im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB.
bb) Die Vermögensbetreuungspflicht gebietet in diesen Fällen, dass der Treupflichtige die Möglichkeit des vorteilhaften Vertragsschlusses im Interesse des betreuten Vermögens nutzt und den Vertrag zu dem günstigeren Preis abschließt (BGH wistra 1984, 109, 110; 1989, 224, 225). Zumeist liegt auf der Hand, dass das Geschäft auch für einen um den aufgeschlagenen
Schmiergeldanteil verminderten Preis abgeschlossen worden wäre, wenn das Schmiergeld – wie hier – einen bloßen Durchlaufposten darstellt (vgl. BGH wistra 1983, 118, 119; 1986, 67; 2001, 295, 296). Inwieweit andere Anbieter noch teurere Angebote eingereicht haben, bleibt demgegenüber unerheblich (vgl. BGH wistra 2001, 295, 296).
Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt in diesem Fall im aktiven Tun, nämlich im Abschluss des um den Schmiergeldanteil überteuerten Vertrages und in der damit einhergehenden Verlagerung der Schmiergeldzahlungen zugunsten des Geschäftsführers auf die vertretene Gesellschaft durch Vereinbarung entsprechend überhöhter Zahlungsverpflichtungen mit Dritten (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 266 Rdn. 38a m.w.N.). Der Abschluss des überteuerten Vertrages hindert gleichzeitig den Abschluss eines um den Schmiergeldanteil verminderten günstigeren. Zudem steht der eingegangenen Zahlungsverpflichtung in Höhe des vereinbarten Schmiergelds keinerlei Gegenleistung gegenüber. Nach anderer, aber gleichgerichteter Betrachtungsweise ist der Unrechtsschwerpunkt in der bewussten Verhandlung mit einem sachlich nicht gerechtfertigten Verteuerungsfaktor zu finden, der dem Geschäftsführer zu Unrecht einen von der vertretenen Gesellschaft nicht genehmigten, über seine Vergütung hinausgehenden wirtschaftlichen Vorteil verschaffen soll (vgl. auch BGHSt 49, 317, 333 ff.).
cc) Nach den Feststellungen des Landgerichts war in der vereinbarten Auftragssumme von 792 Mio. DM ein Schmiergeldanteil in Höhe von rund 24 Mio. DM enthalten. Dieser Anteil sollte als bloßer Durchlaufposten nicht der LCS, sondern auf Kosten der AVG allein den an der Schmiergeldabrede Beteiligten zukommen. Der vom Landgericht gezogene Schluss, die LCS wäre bereit gewesen, den Vertrag auch zu einem um diesen Schmiergeldanteil verminderten Betrag abzuschließen, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern vielmehr naheliegend.
dd) Demgegenüber verfängt der Einwand der Revision nicht, der Angeklagte E habe ein solches Geschäft zum verminderten Preis überhaupt nicht abschließen dürfen, weil dieses durch die vorangegangene Vergabemanipulation nach wie vor wettbewerbswidrig gewesen wäre; vom Treupflichtigen könne nicht der Abschluss verbotener oder wettbewerbswidriger Geschäfte verlangt werden (vgl. Bernsmann StV 2005, 576, 578).
Nachdem sich E für den Zuschlag an die LCS entschlossen hatte, bestand die Alternative lediglich in dem Abschluss des Vertrages zum Preis von 792 Mio. DM oder zu einem um mehr als 24 Mio. DM verminderten Preis. Seine Vermögensbetreuungspflicht gebot E in dieser Situation den Abschluss zum geringeren statt zum höheren Preis. Da es für den Vorwurf der Untreue entscheidend auf den Vertragsschluss zu einem um den Schmiergeldanteil überhöhten Preis ankommt, sind die von der Revision angeführten Alternativszenarien ohne Bedeutung.
ee) Das Landgericht geht auch zutreffend von einem Nachteilsumfang in Höhe von rund 24 Mio. DM aus.
Die Berechnung des im vereinbarten Preis enthaltenen Schmiergeldanteils (3 % Aufschlag bei einem Teil der Lose, zusätzliche Anhebung beim Los Abgasbehandlung um 20 Mio. DM) ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht ist zudem richtigerweise davon ausgegangen, dass Vorteile, die der Angeklagte E durch besonders nachdrückliche und geschickte Verhandlungen bei der Preisgestaltung erreicht hat oder die zur Ermöglichung einer Vergabe des Auftrags an die LCS notwendig waren, nicht gegengerechnet werden können (treffend UA S. 309, 317). Dies gilt insbesondere für die Absenkung des Preises beim Los Bauteil um 9 Mio. DM im Rahmen der Vergabemanipulation. Denn es kommt allein darauf an, ob – was das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat – der Angeklagte M letztendlich bereit war, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Vertrag auch ohne den Schmiergeldanteil abzuschließen oder nicht. Es kann deshalb da-
hinstehen, ob der abweichende Ansatz der Verteidigung auch im Blick auf die zur Schmiergeldfinanzierung überhöhte Kalkulation des Gesamtpreises im ersten Angebot der LCS verfehlt ist. Selbst wenn man vom festgestellten Nachteilsumfang einen für Wi ursprünglich vorgesehenen Provisionsanteil in Höhe von 0,5 % der Auftragssumme abziehen würde, wäre dies angesichts des verbleibenden Nachteilumfangs in Höhe von etwa 20 Mio. DM letztlich unerheblich; auch ein solcher Nachteil rechtfertigt ohne weiteres die für die Untreue bzw. die Beihilfe hierzu verhängten Einzelfreiheitsstrafen (vgl. § 354 Abs. 1a StPO).
2. Der Schuldspruch wegen – wie ausgeführt, nicht verjährter – Bestechlichkeit bzw. Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§§ 299, 300 Nr. 1 StGB) ist rechtsfehlerfrei. Auch die Bestimmung der Konkurrenzverhältnisse zur Untreue bzw. Beihilfe dazu hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand.
Zutreffend ist das Landgericht bezüglich der Untreue und der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr bei dem Angeklagten E (a) sowie hinsichtlich der Beihilfe zur Untreue und der Bestechung im geschäftlichen Verkehr durch den Angeklagten M (b) jeweils von zwei Taten im Sinne von § 53 StGB ausgegangen.

a) Regelmäßig besteht zwischen Angestelltenbestechlichkeit und der in Aussicht gestellten „bevorzugenden Handlung“ Tatmehrheit (BGHR UWG § 12 Abs. 2 Angestelltenbestechlichkeit 1; vgl. auch BGHSt 47, 22, 25 f., zu § 332 StGB). Dies gilt auch dann, wenn die Taten auf eine einheitliche Unrechtsvereinbarung zurückgehen (vgl. BGHSt 47, 22, 26; BGH NStZ 1987, 326, 327; BGH wistra 1993, 189, 190). Denn die Vornahme der durch die Unrechtsvereinbarung verabredeten unlauteren Bevorzugung im Wettbewerb gehört nicht zum Tatbestand der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (BGH NStZ 1987, 326, 327; vgl. auch BGHSt 47, 22, 26; jeweils zu § 332 StGB).
Tateinheit ist lediglich in solchen Fällen möglich, in denen die Verwirklichung beider Tatbestände in einer Ausführungshandlung zusammentrifft (BGHSt 47, 22, 26, zu § 332 StGB). Solches hat das Landgericht nicht festgestellt. Verletzt hat der Angeklagte E seine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der AVG erst durch den Abschluss des um den Schmiergeldanteil überhöhten Vertrages; erst dadurch kam es auch zu einer schadensgleichen konkreten Vermögensgefährdung (UA S. 500). Die Unrechtsvereinbarung , mit der die Angestelltenbestechlichkeit vollendet war (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 299 Rdn. 21), gehört angesichts der Notwendigkeit zahlreicher weiterer Zwischenschritte im vorliegenden Fall nicht zum Ausführungsstadium der Untreue.
Soweit die Revision für ihre Ansicht auf die Entscheidung BGHSt 47, 22 verweist, war der dortige Fall im Tatsächlichen anders gelagert; dort ging es um die Schaffung eines eingespielten Preisabsprachesystems unter Einbindung weiterer Mitwettbewerber im Rahmen langfristiger Geschäftsbeziehungen (vgl. BGHSt 47, 22, 28), nicht – wie hier – um den Abschluss eines einzigen Vertrages. Zudem war es nach dem Inhalt der Unrechtsvereinbarung zwar naheliegend, aber nicht einmal zwingend notwendig, dass der Schmiergeldanteil durch eine Untreue zu Lasten der AVG erwirtschaftet wird. Nach den Feststellungen des Landgerichts machte sich der Angeklagte M erst nach der Unrechtsvereinbarung vom Herbst 1993 Gedanken darüber, wie dieser Betrag aufgebracht werden soll (UA S. 97). Erst als er erfuhr, dass LCS über keinen „Topf“ für solche Gelder verfügt, entschloss er sich, das verabredete Schmiergeld durch einen entsprechenden Aufschlag auf den Werklohn zu Lasten der AVG zu erwirtschaften.

b) Rechtlich vertretbar ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass die Bestechung im geschäftlichen Verkehr und die Beihilfe zur Untreue durch den Angeklagten M im vorliegenden Fall materiellrechtlich als zwei Taten im Sinne von § 53 StGB zu bewerten sind. Die Bestechung im geschäftlichen Verkehr war bereits mit dem Abschluss der Un-
rechtsvereinbarung im Herbst 1993 vollendet. Dagegen bestand die Beihilfe zu der vom Angeklagten E begangenen Untreue im Abschluss des um den Schmiergeldanteil überhöhten Vertrages für die von M vertretene LCS. Die Vertragsunterzeichnung durch den Angeklagten E – die eigentliche Untreuehandlung – konnte nur zu einem Vermögensnachteil bei der AVG führen, weil auch der Angeklagte M den Vertrag seinerseits für die LCS unterzeichnete. Gegenüber dieser notwendigen Mitwirkung an der eigentlichen Untreuehandlung konnten für die Beurteilung der Konkurrenzen die im Vorfeld begangenen Vorbereitungsbeiträge als nachrangig bewertet werden. Selbst wenn das Landgericht das Konkurrenzverhältnis bei dem Angeklagten M falsch beurteilt hätte, wäre im Übrigen die verhängte Gesamtstrafe angesichts des gleichbleibenden Schuldumfangs als Einzelfreiheitsstrafe angemessen (vgl. § 354 Abs. 1a StPO).
3. Die Verurteilung des Angeklagten E wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen ist rechtsfehlerfrei.

a) Bei den erhaltenen Bestechungsgeldern handelt es sich um erklärungspflichtige sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG (vgl. BFH DStRE 2000, 1187; BFHE 191, 274; BGHR AO § 393 Abs. 1 Erklärungspflicht 4 m.w.N.). Die Kapitalerträge aus der Anlage der verschwiegenen Schmiergelder stellen erklärungspflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar. Für die Jahre 1995 bis 1998 hat der Angeklagte E solche Einkünfte in Höhe von rund 4 Mio. DM verschwiegen und hierdurch Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag in der Gesamthöhe von rund 2,2 Mio. DM hinterzogen.

b) Die Pflicht zur Abgabe einer wahrheitsgemäßen Steuererklärung war auch nicht unter dem Gesichtspunkt suspendiert, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst anzuklagen oder sonst zur eigenen Überführung bei-
zutragen (nemo tenetur se ipsum accusare; hierzu näher Jäger NStZ 2005, 552, 556 ff. m.w.N.).
aa) Ein Steuerpflichtiger, der Einkünfte aus Bestechungsgeldern anzugeben hat, wird seiner durch § 370 AO strafbewehrten Erklärungspflicht regelmäßig bereits dadurch nachkommen können, dass er diese Einkünfte betragsmäßig offen legt und einer Einkunftsart zuordnet, ohne die genaue Einkunftsquelle zu benennen (vgl. auch BGHR AO § 393 Abs. 1 Erklärungspflicht 4). Denn diese Erklärung reicht regelmäßig zu einer Festsetzung von Einkommensteuer aus, durch die im Ergebnis eine Verkürzung von Steuern – also der von § 370 AO vorausgesetzte Taterfolg – vermieden wird. Derartige Angaben, durch die sich der Steuerpflichtige nicht selbst einer Straftat bezichtigt, sondern lediglich Einkünfte offenbart, sind ihm ohne weiteres zumutbar. Die strafrechtliche Erzwingbarkeit dieser Erklärungspflicht in dem genannten beschränkten Umfang gerät regelmäßig nicht in Konflikt mit dem verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit.
bb) Soweit nach der AO darüber hinaus Erläuterungspflichten (§§ 93 ff. AO) bestehen, die mit den in §§ 328 ff. AO genannten Zwangsmitteln durchsetzbar sind, ist der Steuerpflichtige zunächst durch das Steuergeheimnis (§ 30 AO) sowie das in § 393 Abs. 2 AO normierte begrenzte strafrechtliche Verwertungsverbot geschützt (vgl. BVerfGE 56, 37, 47; BGHR aaO). In dem Umfang, in dem dieser Schutz aufgrund überragender öffentlicher Interessen durch § 393 Abs. 2 Satz 2, § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO durchbrochen wird, gebietet der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit allenfalls, dass sich die erzwingbare Erklärungspflicht auf die betragsmäßige Angabe der Einkünfte als solche beschränkt und der Steuerpflichtige nicht mit Zwangsmitteln zur Abgabe weitergehender Erläuterungen zur – allein hierdurch nicht ermittelbaren – deliktischen Herkunft der Einkünfte angehalten werden kann (vgl. BGHR aaO). Nur soweit die steuerrechtliche Pflicht zur umfassenden Auskunft mit Zwangsmitteln durchsetzbar wäre, könnte ein Konflikt mit dem verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz bestehen, dass
niemand zur eigenen Überführung beitragen muss (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2005, 352, 353).
cc) Weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch die Menschenwürde werden schon allein dadurch tangiert, dass ein Steuerpflichtiger zur Angabe von Einnahmen aus Straftaten verpflichtet ist (vgl. auch BVerfG – Vorprüfungsausschuss – wistra 1988, 302). Denn der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit schützt nicht vor einer Bestrafung strafbaren Verhaltens , sondern lediglich vor einer strafrechtlichen Verurteilung, die auf einem rechtlichen Zwang zur Selbstbelastung beruht (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2005, 352, 353). Die Grundrechte des Steuerpflichtigen sind jedenfalls dann gewahrt, wenn sich die Erzwingbarkeit der Erklärung nur auf die Angabe der Einnahme als solche und nicht auf deren – allein hierdurch nicht ermittelbare – deliktische Herkunft bezieht.
4. Die Strafzumessung lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erkennen. Insbesondere hat das Landgericht entgegen der Auffassung der Revision des Angeklagten E bei diesem den besonders engen Zusammenhang zwischen der Bestechlichkeit und der Steuerhinterziehung bei der Gesamtstrafbildung (vgl. hierzu BGHR AO § 393 Abs. 1 Erklärungspflicht
4) ersichtlich dadurch hinreichend berücksichtigt, dass es die verhängten Einzelfreiheitsstrafen von drei Jahren, einem Jahr und sechs Monaten, zweimal einem Jahr, neun und vier Monaten straff zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten zusammengezogen
hat; ausdrücklicher Erwähnung bedurfte dieser Gesichtspunkt im vorliegenden Fall nicht.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer eine andere Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, oder wer eine andere Person unter einundzwanzig Jahren anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt, wenn

1.
diese Person ausgebeutet werden soll
a)
bei der Ausübung der Prostitution oder bei der Vornahme sexueller Handlungen an oder vor dem Täter oder einer dritten Person oder bei der Duldung sexueller Handlungen an sich selbst durch den Täter oder eine dritte Person,
b)
durch eine Beschäftigung,
c)
bei der Ausübung der Bettelei oder
d)
bei der Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen durch diese Person,
2.
diese Person in Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft oder in Verhältnissen, die dem entsprechen oder ähneln, gehalten werden soll oder
3.
dieser Person rechtswidrig ein Organ entnommen werden soll.
Ausbeutung durch eine Beschäftigung im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b liegt vor, wenn die Beschäftigung aus rücksichtslosem Gewinnstreben zu Arbeitsbedingungen erfolgt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen solcher Arbeitnehmer stehen, welche der gleichen oder einer vergleichbaren Beschäftigung nachgehen (ausbeuterische Beschäftigung).

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer eine andere Person, die in der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Weise ausgebeutet werden soll,

1.
mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt oder
2.
entführt oder sich ihrer bemächtigt oder ihrer Bemächtigung durch eine dritte Person Vorschub leistet.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn

1.
das Opfer zur Zeit der Tat unter achtzehn Jahren alt ist,
2.
der Täter das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung wenigstens leichtfertig in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
In den Fällen des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn einer der in Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Umstände vorliegt.

(4) In den Fällen der Absätze 1, 2 und 3 Satz 1 ist der Versuch strafbar.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 478/04
vom
11. Januar 2005
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. Januar 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 21. Juni 2004 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Würzburg zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


I.

Der Angeklagte wurde vom Vorwurf freigesprochen, am 28./29. September 2001 die 51 Jahrealte H. Habgier aus ermordet zu haben. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben mit der Sachrüge Erfolg; die Beweiswürdigung ist nicht rechtsfehlerfrei. 1. Am frühen Abend des 28. September 2001 suchte Frau H. am Grenzübergang Hegyeshalom - Nickelsdorf eine Mitfahrgelegenheit; sie hatte
ihre Reisegruppe verlassen, da sie wegen ihres abgelaufenen Passes nicht von Österreich nach Ungarn einreisen durfte. Sie konnte im Pkw des Angeklagten mitfahren, der auf dem Weg in seinen Wohnort Sch. (Kreis Hof) war. Unterwegs tankte er an der Tankstelle Suben (Österreich) und kaufte dort auch Coca-Cola und drei Isolierbänder der (verbreiteten) Marke "Coroplast" : er bezahlte mit Karte. 2. Am 6. Oktober 2001 wurde die Leiche von Frau H. mit durchschnittener Kehle und anderen massiven Schnittverletzungen etwa 40 Kilometer von Sch. entfernt bei T. (Kreis Kulmbach) im Gebüsch gefunden. Sie war vollständig bekleidet, Spermaspuren gab es nicht. Es fehlten 300 bis 400 DM Bargeld, ein Koffer und einige andere Gegenstände. Im weiteren Verlauf ergab sich anhand des Madenbefalls der Leiche, daß sie spätestens seit dem Nachmittag des 29. Septembers 2001 (Tag nach ihrer Fahrt mit dem Angeklagten) am Fundort gelegen hatte. Wesentlich genauer ließ sich auch der Todeszeitpunkt nicht bestimmen. Im weiteren Verlauf wurde an der Leiche eine kleine Schnittwunde "an der Kleinfingerseite des rechten Unterarms in Höhe des Handgelenks" festgestellt, in der Partikel von "Coroplast"Isolierband waren. 3. Der Angeklagte wurde am 23. November 2001 durch Videoaufnahmen von der Grenze ermittelt und machte am 23. und 30. November 2001 nähere Angaben zur Sache. Er legte auch Unterlagen vor (z. B. sein Notizbuch, Kontounterlagen und Nachweise über Telefongespräche), gab einen Hinweis zu einem Ermittlungsansatz und schickte der Polizei bis zum 1. Dezember 2001 insgesamt dreimal ein Fax mit ergänzenden Ausführungen. Danach machte er keine Angaben mehr. Bereits am 23. November 2001 berichtete er von sich aus
- der Polizei konnte dies noch nicht bekannt sein - er habe in Suben getankt, dort auch Getränke gekauft und möglicherweise mit Karte bezahlt. Vom Kauf von Isolierbändern sagte er dabei nichts. Solange er Angaben machte, wurde er zu dem erst später in den Blickpunkt der Ermittlungen geratenen Thema Isolierbänder auch nicht befragt.
4. Die Strafkammer hält die "Isolierband-Erkenntnisse" zwar für gewichtig , gleichwohl könnten diese letztlich weder für sich noch in einer Gesamtschau mit allen sonstigen Erkenntnissen einen Zusammenhang des Angeklagten mit der Tat hinreichend belegen. Sie hat dazu unter anderem erwogen: Das Verschweigen des Kaufs sei bedeutungslos, weil es "möglich (sei), daß sich der Angeklagte am 23. November 2001 nicht ... erinnerte, diese Bänder gekauft zu haben, gegebenenfalls weil dies für ihn ein alltäglicher ... Vorgang war. Immerhin hat der Angeklagte durch seine Aussage die Beamten erst darauf gebracht ... nachzuprüfen ... (und) ... zu entdecken, daß ... Isolierband gekauft wurde". Es sei auch "nicht ausgeschlossen, daß Frau H. von dem Angeklagten eines oder mehrere der in Suben erworbenen Bänder überlassen erhielt , eventuell um etwas zu reparieren". Es fiele zwar auf, daß er bei der Polizei davon nichts gesagt habe; Isolierband habe bei seinen Vernehmungen aber noch keine Rolle gespielt.

II.

Kann der Tatrichter nicht die erforderliche Gewißheit gewinnen und spricht den Angeklagten daher frei, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt
nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd erscheinen" mag. Es gibt im Strafprozeß keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewißheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht. Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z. B. hinsichtlich der generellen Bewertung von Aussageverhalten oder hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert oder nur eine von mehreren gleich nahe liegenden Möglichkeiten erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannte Anforderungen gestellt sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlußfolgerung nicht gezogen ist, ohne daß konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. August 2003 - 1 StR 111/03 = NStZ-RR 2003, 371 ; BGH NStZ 2004, 35, 36 m. w. N.)

III.

An alledem gemessen, sind die genannten Erwägungen der Strafkammer insgesamt nicht rechtsfehlerfrei.
1. Zu Recht ist sie davon ausgegangen, daß das Aussageverhalten des Angeklagten hinsichtlich der Isolierbänder einer Beweiswürdigung zugänglich ist. Zwar dürfen aus unterschiedlichem Einlassungsverhalten bei mehreren Vernehmungen oder in verschiedenen Verfahrensabschnitten als solchem keine Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten gezogen werden (st. Rspr. vgl. BGH NStZ 1999, 47 m. w. N.). Soweit sich der Angeklagte aber grundsätzlich zur Sache geäußert hat und nur zu bestimmten Punkten eines einheitlichen Geschehens keine Angaben gemacht hat, kann dies zu seinem Nachteil berücksichtigt werden (BGH aaO; Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 41 jew. m. w. N.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob Fragen nicht beantwortet wurden oder ob der Vernommene, wie hier, von sich aus einen Vorgang schildert und dabei einen wesentlichen Punkt eines einheitlichen Geschehens nicht nennt (Schoreit aaO m. w. N.; vgl. auch BVerfG - Beschluß vom 29. November 2004 - 2 BvR 1034/02). 2. Die Frage, ob der Angeklagte den Kauf der Isolierbänder vergessen oder bewußt verschwiegen hat, betrifft eine "innere Tatsache", so daß im wesentlichen nur Rückschlüsse möglich sind (vgl. BGH NStZ 2003, 596 f. m. w. N.). Hiervon geht auch die Strafkammer aus, ihre Erwägungen sind aber unvollständig , weil sie möglicherweise bedeutsame Gesichtspunkte nicht erkennbar einbezieht:
a) Die Strafkammer stellt auf die Alltäglichkeit des Einkaufs von Isolierband in Verbindung mit dem Zeitablauf ab. Wenn ein Autofahrer auf einer längeren Fahrt beim Tanken auch Getränke kauft, ist dies aber nicht weniger alltäglich , als wenn er bei dieser Gelegenheit drei Rollen Isolierband kauft. Hinzu kommt, daß auch die übrigen Aussagen des Angeklagten sehr präzise und detailreich sind. So hat er etwa genau geschildert, wie ihm Frau H. berichtet
habe, daß sie sich an ihrem Koffer leicht verletzt ("geratscht") habe. Allerdings habe er selbst nicht bemerkt, daß sie geblutet habe, auch nicht als sie "Brot oder Brötchen" und "ein Stück Obst" aß und den Abfall in Papiertaschentücher wickelte. Ähnlich genau hat er am 23. November 2001 die Frage nach Körperkontakten mit FrauH. beantwortet. Sie habe ihm beim Aussteigen Geld für die Fahrt hingehalten, er habe dies aber abgelehnt und ihren Arm zurückgeschoben. In einem Fax an die Polizei vom 25. November 2001 hat er einen weiteren Körperkontakt - nicht ganz leicht verständlich - so geschildert: Er habe beim Aussteigen die Reisetasche von FrauH. mit aus dem Auto herausgereicht. Da die Tasche "verklemmt" gewesen sei, sei seine Hand abgerutscht und er habe sich deshalb an der Hand von Frau H. gekratzt. Die Strafkammer hätte daher das Schweigen hinsichtlich des Kaufs der Isolierbänder nicht mit Vergessen eines alltäglichen Vorgangs erklären dürfen, ohne sich damit auseinander zu setzen, daß der Angeklagte sowohl speziell zum Einkauf an der Tankstelle als auch sonst zur Fahrt eine Reihe - teilweise sehr alltäglicher - Details genau geschildert hat.
b) Unabhängig vom Aussageverhalten ist objektivierbar, ob für jemanden der Einkauf mehrerer Isolierbänder auf der Heimreise alltäglich ist. Die Urteilsgründe ergeben nicht, daß der Angeklagte häufig Isolierbänder brauchen oder kaufen würde. Der Hinweis, "gegebenenfalls" sei dies für ihn alltäglich, spricht vielmehr dagegen, daß sich diese Bewertung auf konkrete Anhaltspunkte stützt. Im übrigen bedeutet Schweigen des Angeklagten - unabhängig davon, ob daraus ansonsten Schlüsse gezogen werden dürfen (III 1) - nicht, daß zu seinen Gunsten von Annahmen auszugehen ist, für die es keine konkreten Anhaltspunkte gibt (vgl. Schoreit aaO Rdn. 40 m. w. N.).

c) Wieso Hypothesen zu Gang und Ergebnissen der Ermittlungen für den Fall, daß der Angeklagte seinen Aufenthalt in Suben nicht erwähnt hätte, den Schluß ermöglichen sollen, er hätte sich an den Kauf von Isolierband nicht erinnert, ist weder ausdrücklich dargelegt noch sonst klar erkennbar. Der Senat geht dem aber deshalb nicht näher nach, weil schon die Annahme, ohne den Angeklagten wäre der Kauf von Isolierband unbekannt geblieben, nicht rechtsfehlerfrei begründet ist. Der Angeklagte hatte als letzter das Opfer eines Kapitalverbrechens lebend gesehen und war mit ihm über Stunden Auto gefahren. Ermittlungen bei den Tankstellen an der Strecke liegen daher nicht fern. Sind bereits mehrere Wochen vergangen, ist die Überprüfung von Kartenzahlungen eine der wenigen Möglichkeiten, Hinweise dafür zu gewinnen, wer an der Tankstelle war. Es versteht sich nicht von selbst, daß die Polizei diese Ermittlungsansätze nicht ohnehin erkannt hätte. Daher hätte sich die Strafkammer mit beiden Möglichkeiten auseinandersetzen müssen, ehe sie von der ihrer Beweiswürdigung zugrundegelegten Auffassung ausgeht.
d) Auch für die Annahme, der Angeklagte, habe Frau H. möglicherweise Isolierband geschenkt, sind keine konkreten Anhaltspunkte erkennbar. Dies zeigt schon die Annahme, der Angeklagte habe ihr "eventuell" deshalb Isolierband geschenkt, damit sie "etwas" reparieren kann. Die Überlegungen der Strafkammer zu dem Grund, warum der Angeklagte davon nichts erzählt haben könnte, sind unvollständig. Ausführungen zu einer etwaigen Übergabe von Isolierband wären zwar nicht im Zusammenhang mit dem bis dahin nicht angesprochenen Thema "Isolierband" zu erwarten gewesen, wohl aber im Zusammenhang mit der Frage nach "Körperkontakten". Der Angeklagte hat sehr genaue Angaben zu - flüchtigen - Körperkontakten mit Frau H. gemacht , die er sogar noch mit einem Fax ergänzt hat (vgl. oben III 2 a). Einen
entsprechenden Körperkontakt bei der Übergabe von Isolierband hat er dagegen nicht erwähnt.
3. Im Kern sieht die Strafkammer nach alledem unter zum Teil auch lükkenhafter Würdigung des Aussageverhaltens des Angeklagten nicht unerhebliche konkrete Verdachtsmomente wegen nur denktheoretischer Möglichkeiten als entkräftet an. Dies führt zur Aufhebung des Urteils, ohne daß es auf weiteres noch ankäme.

IV.

Der Senat sieht jedoch Anlaß zu folgenden Hinweisen: 1. Die Strafkammer hat geprüft, ob der Angeklagte gegen Mitternacht zu Hause war, weil er vorher kaum Zeit gehabt hätte, Frau H. zu töten und nach T. zu bringen. Die Möglichkeit, daß er gegen Mitternacht zu Hause war, und dies erst anschließend getan hätte, sei praktisch ausgeschlossen. Es fehlten konkrete Anhaltspunkte dafür, daß er sie "über ... Regensburg hinaus transportierte". Es gibt jedoch außer den Angaben des Angeklagten auch keine Anhaltspunkte für ein Ende der Fahrt am Autohof Regensburg. Angaben des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, können den Feststellungen nicht ohne weiteres als unwiderlegt zu Grunde gelegt werden, sondern ihre Richtigkeit muß erst anhand des übrigen Beweisergebnisses überprüft werden (vgl. Schoreit aaO Rdn. 28 m. w. N.).
2. Die danach bisher nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossene Möglichkeit, daß der Angeklagte der Täter war, obwohl er um gegen Mitternacht in Sch. wirkt war, sich auf die mögliche Bedeutung weiter Teile des Beweisergebnisses aus: Die Familie des Angeklagten - Frau und Kinder - war in dieser Nacht bei seiner Schwiegermutter in München. Hätte er dies zuvor gewußt, käme es weder darauf an, ob er um Mitternacht in Sch. war, noch darauf, ob die Ehefrau gegen Mitternacht in Sch. angerufen und mit ihm gesprochen hat (a). Hätte er vom Aufenthalt in München nichts gewußt, könnte es etwas bedeutsamer sein, ob er in der fraglichen Zeit zu Hause war. Hätte er nämlich erwartet, daß seine Frau zu Hause wäre, wäre es aus seiner Sicht möglicherweise schwieriger gewesen, sich wieder zu entfernen. Daher könnte es ihn mittelbar entlasten, wenn er gegen Mitternacht zu Hause gewesen wäre. Nur dann könnte das genannte Telefongespräch als Beleg für seine Anwesenheit in Sch. überhaupt Bedeutung gewinnen (b).
a) Die Strafkammer folgt ohne weiteres den Angaben der Schwiegermutter , der Angeklagte hätte nicht gewußt, daß seine Familie in München war. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil die Strafkammer andere Angaben der Schwiegermutter für unstimmig und daher unglaubhaft hält. Wird einem Zeugen nur teilweise geglaubt, bedarf dies einer eingehenden Begründung (BGH NStZ-RR 2003, 332 f. m. w. N.), die bisher fehlt. Sonstige Erkenntnisse, die ohne nähere Begründung klar belegten, daß der Angeklagte von der Abwesenheit seiner Familie überrascht wurde, liegen ebenfalls nicht vor:
Bei seiner ersten Vernehmung hat er angegeben, er wisse nicht, ob seine Frau da war, als er nach Hause kam. Das spricht nicht dafür, daß ihre Abwesenheit für ihn überraschend (und daher einprägsam) war. Der Angeklagte hat in diesem Zusammenhang seinen Notizkalender vorgelegt, in dem unter dem 28. September 2001 "Ki-Mün" steht, ist, was "Kinder" oder "Kirsten" - Vorname der Ehefrau - "in München" heißen soll. Wäre der Eintrag vor dem 28. September 2001 erfolgt, belegte er, daß der Angeklagte an diesem Tag wußte, daß sie nicht zu Hause war. Ein nachträglicher Eintrag belegte zwar nicht, daß der Angeklagte am 28. September 2001 nicht Bescheid wußte, der Eintrag wäre mit dieser Annahme aber immerhin vereinbar. Ein Anruf der Ehefrau - über dessen Inhalt außer den Aussagen der Schwiegermutter nichts bekannt ist - würde über Kenntnis oder Unkenntnis des Angeklagten nichts aussagen. So überrascht von der Abwesenheit seiner Familie , daß er selbst auf dem Handy der Ehefrau angerufen hätte, war der Angeklagte jedenfalls nicht.
b) Es gibt nur folgende, vom Angeklagten am 1. Dezember 2001 vorgelegte objektive Belege für möglicherweise relevante Anrufe aus München: vom Festnetzanschluß der Schwiegermutter bestand zunächst um 23.24 Uhr für 28 Sekunden eine Verbindung mit dem Festnetzanschluß in Sch. , die zweite Verbindung bestand von dort 2 Minuten später für 8 Sekunden mit dem Handy des Angeklagten. Die Behauptung der Schwiegermutter, die Tochter habe vom Festnetz ein kurzes und kurz darauf von ihrem Handy aus ein langes Gespräch mit dem in Sch. aufenthältlichen Angeklagten geführt , ist damit unvereinbar. Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte hätte zwar keine zwei Gespräche geführt, von einem Gespräch sei zu seinen
Gunsten aber auszugehen, hat jedenfalls in der Aussage der Schwiegermutter keine tragfähige Grundlage. Möglicherweise hängt diese Annahme auch mit einem polizeilichen Versäumnis zusammen, das die Strafkammer bei ohnehin schwieriger Beweislage noch in ihre Überlegungen einzubeziehen hatte: Der Angeklagte hatte in einem Fax vom 23. November 2001 eine Telefonnummer der Telefongesellschaft mitgeteilt, unter der das Telefongespräch vom Handy seiner Frau mit Sch. bestätigt werden könnte. Eine Bestätigung war jedoch nicht möglich. Unter der Nummer erhielt die Polizei die Auskunft, eine solche Verbindung könne weder bestätigt noch verneint werden; da die Ehefrau ein Handy mit einer prepaid Karte hätte, gäbe es keine Unterlagen. Damit hat sich die Polizei begnügt. Damals hätte aber vielleicht noch die - inzwischen wegen Zeitablaufs ausgeschlossene - Möglichkeit bestanden, die Behauptung über dieses Gespräch zu überprüfen, z. B. durch die "Beschlagnahme von elektronisch gespeicherten Aufzeichnungen". Dieses polizeiliche Versäumnis ändert jedoch nichts daran, daß der Zweifelssatz nicht isoliert auf ein einzelnes Indiz angewendet werden kann (vgl. BGHSt 35, 308, 316; Schoreit aaO Rdn. 65 jew. m. w. N.). Sollte es auf dieses Telefongespräch ankommen, wird jedoch zu erwägen sein, daß sich der Angeklagte mit dieser Angabe der Gefahr ausgesetzt haben kann, einer falschen Aussage überführt zu werden. Dies setzte aber voraus, daß er der Polizei eine Nummer gefaxt hätte, ohne zuvor zu überprüfen, was man dort für Auskünfte bekommt (die dort erteilte Auskunft hat seine Behauptung nicht widerlegt) und er außerdem die Möglichkeiten sonstiger polizeilicher Ermittlungen klarer als die Polizei selbst beurteilt hätte. Es kann auch eine Rolle spielen, daß der Angeklagte zwar zunächst am 23. November 2001 sich auf ein Gespräch vom Handy seiner Frau aus berufen hat, er am 1. Dezember 2001 dann aber ohne erkennbare Erläuterung und daher
zember 2001 dann aber ohne erkennbare Erläuterung und daher eher verwirrend Belege für Anrufe vom Festnetz aus vorgelegt hat. 3. Im Pkw des Angeklagten wurden eine Reihe von DNA-Spuren sichergestellt , mehrere stammen von Frau H. . So war etwa eine Spur, von der anzunehmen sei, daß es sich um ihr Blut handele, an der Innenseite der Fahrertür. Die Strafkammer erwägt, daß Frau H. , vom Angeklagten unbemerkt , (vgl. oben III 2 a), aus der Nase geblutet haben könnte, und dieses Blut dann mit einem feuchten Tuch an die Fahrertür gewischt worden sein kann. Es ist (auch hier) zumindest nicht klar erkennbar, warum es sich dabei um mehr als eine nur theoretische Erwägung handeln könnte. Im übrigen gehen zwar die jeweils sehr geringen Mengen von Blut von Frau H. die , dieser und den übrigen im Innenraum und an der Beifahrertür gesicherten Spuren zugrunde liegen und die darüber hinaus in Papiertaschentüchern in der Handtasche von Frau H. festgestellt worden sind, nicht auf die Tötung von Frau H. zurück, weil dabei sehr viel mehr Blut geflossen sein muß. Sie könnten aber immerhin darauf hinweisen, daß es in dem Pkw zu Geschehen gekommen ist, das mit der Schilderung des Angeklagten von einem insgesamt völlig harmlosen Vorgang - FrauH. ist eingestiegen, mitgefahren und wieder ausgestiegen - schwerlich vereinbar erscheint. 4. Weil Bargeld und einige sonstige Gegenstände von Frau H. - fehlten, geht die Strafkammer, ersichtlich am Anklagevorwurf orientiert, von Raubmord aus. Auch dies spräche angesichts der deutlich überdurchschnittlichen Vermögensverhältnisse des Angeklagten (er hatte zeitweise ein Jahreseinkommen von über 500.000 DM und betrieb zuletzt ein Call-Center in Ungarn ) gegen seine Täterschaft. Es sei angesichts der Gesamtumstände ohne weiteres erkennbar gewesen, daß sie nicht sehr viel Geld oder besondere
Wertgegenstände bei sich gehabt hätte. Auch gegen diese Erwägung bestehen Bedenken. Unabhängig davon, ob die kleine Schnittwunde im Bereich des Handgelenks, in der sich Isolierbandpartikel befanden, Rückschlüsse auf die Person des Täters zuläßt, spricht sie jedenfalls dagegen, daß es dem Täter allein um materielle Bereicherung ging. Es wäre daher die Möglichkeit zu erörtern gewesen, ob durch die Wegnahme des Geldes und der übrigen Gegenstände eine falsche Spur gelegt werden sollte.

V.

Der Senat hat entsprechend dem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag des Generalbundesanwalts die Sache an ein anderes Landgericht zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO, 2. Alternative). Nack Wahl Hebenstreit Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 354/03
vom
30. März 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. März
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 14. März 2003 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Freiburg zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten erneut vom Vorwurf der Vergewaltigung zum Nachteil der Nebenklägerin S. freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Nebenklägerin. Diese beanstandet die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


1. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 29. September 1998 - 1 StR 416/98 - das erste in dieser Sache ergangene Urteil des Landgerichts vom 28. November 1997 auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin hin aufgehoben, soweit der Angeklagte von dem jetzt noch in Rede stehenden Tatvorwurf freigesprochen worden war. In der ersten Hauptverhandlung hatte sich das Landgericht nicht davon überzeugt, daß der Angeklagte gemeinsam mit einem unbekannten Mittäter namens J. die Zeugin
S. am 19. August 1996 gegen 20.30 Uhr in der Parkanlage hinter dem Sch. -Gymnasium in Bad Sä. überfallen habe, wobei beide Täter abwechselnd jeweils den Oral- und Vaginalverkehr erzwungen hätten (Anklage vom 13. April 1997). In einer mit diesem Verfahren verbundenen weiteren Anklage war dem Angeklagten darüber hinaus vorgeworfen worden, an einem nicht näher feststellbaren Tag in der zweiten Augusthälfte 1996 wiederum mit einem unbekannten Mittäter namens J. und ebenfalls im Sch. park in Bad Sä. eine weitere, allerdings unbekannt gebliebene Frau zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Diese hatte sich später anonym bei einer Frauenberatungsstelle gemeldet, war danach aber nicht mehr in Erscheinung getreten. Auch von diesem Tatvorwurf hat das Landgericht den Angeklagten mit seinem ersten Urteil vom 28. November 1997 freigesprochen. Insoweit ist jenes Urteil rechtskräftig.
Hinsichtlich des Vorwurfs der Vergewaltigung zum Nachteil der Zeugin S. konnte das Landgericht seinerzeit Zweifel nicht überwinden, ob der Angeklagte bei seinem früheren, später widerrufenen Geständnis diejenige Tat geschildert habe, welche der Zeugin widerfahren sei. Auch die Identifizierung des Angeklagten durch die Zeugin sei nicht verläßlich genug, um Unstimmigkeiten zwischen den Tatschilderungen der Zeugin und des Angeklagten in seiner früheren geständigen Einlassung vernachlässigen zu können.
2. Das Landgericht hat sich auch in der erneuten Hauptverhandlung nicht davon zu überzeugen vermocht, daß es der Angeklagte war, der die Zeugin S. mit einem unbekannten Mittäter vergewaltigt hat. Zwar sei die Zeugin S. , wie von ihr geschildert, Opfer einer Vergewaltigung geworden ; es lasse sich jedoch nicht feststellen, daß der Angeklagte die Tat be-
gangen habe. Das später widerrufene Geständnis des Angeklagten im Ermittlungsverfahren beziehe sich zwar wahrscheinlich auf eine tatsächlich verübte Tat, obwohl dies nicht als völlig zwingend erscheine. Es bestünden aber erhebliche Zweifel an der Identität der von dem Angeklagten einerseits und der Zeugin andererseits jeweils geschilderten Tatabläufe. Unterschiede hätten sich bei den Angaben hinsichtlich des Ausgangspunkts der Tat und der Gehrichtung des Opfers, dessen Kleidung und Haarfarbe, der Kleidung der Täter, des Tattags und der Ausübung von Oralverkehr ergeben. Diese Abweichungen könnten auch nicht mit der Überlegung relativiert werden, daß die Begehung zweier vergleichbarer Vergewaltigungstaten durch jeweils zwei (andere) Täter in Bad Sä. in kurzem zeitlichem Abstand wenig wahrscheinlich sei. Die Strafkammer konnte sich von der Täterschaft des Angeklagten auch nicht aufgrund seiner Identifizierung als Täter durch dieZeugin S. überzeugen. Die Identifizierung bei der Wahllichtbildvorlage sei aufgrund von Unsicherheiten bei der Beschreibung der Barttracht des Angeklagten nicht sicher gewesen. Auch in der Hauptverhandlung hätten sich Unsicherheiten in bezug auf die Barttracht und die Lage der Narbe im Gesicht des Angeklagten ergeben.

II.


Das freisprechende Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es weist im wesentlichen die gleichen rechtlichen Fehler bei der Beweiswürdigung auf wie das seinerzeit aufgehobene erste landgerichtliche Urteil. Die Beweiswürdigung leidet wiederum unter Erörterungsmängeln, beachtet nicht in jeder Hinsicht die für sie geltenden Maßgaben und überspannt die an die tatrichterliche Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen.
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; kann er die erforderliche Gewißheit nicht gewinnen und zieht er die hiernach gebotene Konsequenz und spricht frei, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Revisionsgericht die Beweisergebnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Ein Urteil kann indes dann keinen Bestand haben, wenn die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist. Dies ist etwa der Fall, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht berücksichtigt oder naheliegende Schlußfolgerungen nicht erörtert , wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 1999, 338, 339; NJW 2002, 2188, 2189).
Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen , wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft (BGH NStZ 2002, 656, 657). Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es nicht, sie jeweils einzeln abzuhandeln. Auf solche einzelnen Indizien ist der Grundsatz "in dubio pro reo" nicht isoliert anzuwenden. Das einzelne Beweisanzeichen ist vielmehr mit allen anderen Indizien in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Erst die Würdigung des gesamten Beweisstoffes entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglich-
keit, daß sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (BGH NStZ-RR 2000, 45).
2. Die Strafkammer mußte ihrer Beweiswürdigung die Aussage der Zeugin S. zugrunde legen und prüfen, ob diese glaubhaft ist und ob die Zeugin den Angeklagten überzeugungskräftig als Täter identifiziert hat. Dabei hat die Kammer jedoch nicht hinreichend bedacht, daß der Zweifelssatz nicht schon auf das einzelne Indiz, sondern erst bei der abschließenden Überzeugungsbildung aufgrund der gesamten Beweislage anzuwenden ist. Bereits vor der Gesamtschau aller Beweise hat das Landgericht hier wesentliche Beweisanzeichen für die Täteridentifikation - wie die Lage der Narbe, die Barttracht, den Geruch und weitere Identifizierungsmerkmale - jeweils einzeln unter Zugrundelegung des Zweifelssatzes als „nicht völlig zwingend“ und deshalb nicht überzeugend erachtet. Das läßt besorgen, daß es bei der Gesamtwürdigung solche Indizien nicht hinreichend einbezogen hat, denen es für sich gesehen keinen „zwingenden“ Beweiswert beigemessen hat. Darüber hinaus hat es einzelne Beweisanzeichen und naheliegende Möglichkeiten nicht erschöpfend oder überhaupt nicht erörtert.

a) Die Strafkammer hat sich zur Identifizierung des Angeklagten durch die Zeugin S. mit dem Beweisanzeichen der Narbe befaßt, dabei aber die Angaben der Zeugin zur Lage der Narbe im Gesicht eines der Täter und das tatsächliche Vorhandensein einer Narbe unter dem linken Auge des Angeklagten nicht erschöpfend gewürdigt.
Das Landgericht sieht in dem Umstand, daß ein Tatopfer einen Täter an einer Narbe wieder erkennt, grundsätzlich ein starkes Indiz für die Richtigkeit
der Identifizierung; das gelte unabhängig von etwaigen Abweichungen hinsichtlich deren genauer Lage. Es hält den Wert der Wiedererkennung hier aber deshalb für gemindert, weil die Zeugin auch nach der Gegenüberstellung mit dem Angeklagten bei der fehlerhaften Beschreibung der Lage der Narbe geblieben ist und darauf beharrt hat, diese habe sich über dem linken Auge befunden. In diesem Zusammenhang läßt es allerdings unberücksichtigt, daß die Zeugin den Angeklagten in der Hauptverhandlung "zu 100 %" identifiziert hat. Zudem erörtert es nicht, welche Bedeutung der Aussage der Zeugin zur Lage der Narbe gerade vor dem Hintergrund zukommt, daß diese bei ihrer Beschreibung insoweit auch später blieb, obwohl sie spätestens nach der ersten Gegenüberstellung in der Hauptverhandlung im November 1997 naheliegenderweise die tatsächliche Lage der Narbe unter dem linken Auge gekannt haben müßte. Wenn die Zeugin dennoch den Täter mit einer über dem Auge liegenden Narbe beschrieben hat, liegt die Erklärung nahe, daß sie diese aus ihrer Erinnerung beschrieben hat, die jedoch nicht in jeder Hinsicht verläßlich war. Dabei war zu bedenken, daß die beiden Täter die liegende Zeugin auch kopfseitig von oben festgehalten haben. Wie dem Senat aus der Befassung mit dem ersten, aufgehobenen Urteil des Landgerichts bekannt ist, war dort festgestellt , daß sich die Zeugin inzwischen (damals, in jener Hauptverhandlung) nicht mehr sicher war, wo am Auge des Täters sich die Narbe genau befunden habe. Diese Besonderheiten hätte die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer in ihre Bewertung einbeziehen müssen.

b) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist auch hinsichtlich des Beweisanzeichens der Barttracht unvollständig und wird den Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung nicht vollends gerecht.
Die ZeuginS. hat auch in der erneuten Beweisaufnahme gleichbleibend bestätigt, daß einer der Täter - ihres Erachtens der Angeklagte - keinen Bart getragen habe. Daneben hat sie aber den unbekannten Mittäter mit einem leicht an den Mundwinkeln herabwachsenden Schnurrbart beschrieben. Der Angeklagte hatte im Rahmen seines (später widerrufenen) Geständnisses angegeben, daß er zur Tatzeit zumindest einen Oberlippenbart getragen habe, welcher sicher an den Seiten etwas länger ausgeprägt gewesen sei. Danach hat die Zeugin einem der Täter einen Bart zugeordnet, der nach der Form der Barttracht des Angeklagten zur Tatzeit entsprechen konnte. Die Möglichkeit, daß die Zeugin den von ihr tatsächlich erwähnten Bart versehentlich dem falschen Täter zugeordnet haben könnte, wird vom Landgericht als spekulativ bezeichnet, ohne die besondere Anspannung der Zeugin in der Tatsituation und den Umstand zu würdigen, daß sie aus der Erinnerung zwei Täter zu beschreiben hatte, denen sie bestimmte Merkmale zuordnen mußte.

c) Darüber hinaus setzt sich das Landgericht wie im ersten Urteil mit dem besonderen Merkmal der Stimme des Angeklagten nicht hinreichend auseinander , obwohl die Zeugin die Stimme des entsprechenden Täters als näselnd beschrieben hat. Auch fehlt eine Erörterung der Sprache des Angeklagten im Hinblick auf den von der Zeugin beschriebenen „fehlenden Dialekt“. Gerade diese Umstände können nicht aufgrund einer nach Ansicht des Landgerichts methodisch unzulänglichen früheren Wahllichtbildvorlage wiedererkannt werden. Dies gilt auch für den von der Zeugin erstmals als Wiedererkennungsmerkmal erwähnten Geruch des Angeklagten. Das Urteil enthält keine Angaben zu den konkreten Abständen zwischen dem Angeklagten und der Zeugin in der jetzigen Hauptverhandlung und damit den Geruchswahrnehmungsmöglichkeiten. Weiter fehlt eine Würdigung im Hinblick auf Alter, Größe
und Haarfarbe des Angeklagten. Schließlich wird nicht darauf eingegangen, inwieweit die Zeugin den Angeklagten anhand der Augen wiedererkannt haben will. In dem ersten, aufgehobenen Urteil ist von einem hängenden Augenlid die Rede, einem Merkmal, mit dem sich das Tatgericht damals fehlerhaft nicht auseinandergesetzt hatte. Nunmehr wird dieser Umstand vom Landgericht ebenso wie die Gesichtsform nicht einmal mehr erwähnt. Das Urteil läßt schließlich eine Auseinandersetzung mit der beschriebenen erheblichen Alkoholisierung des Täters vermissen, während im ersten Urteil immerhin noch die insoweit übereinstimmenden Angaben von Angeklagtem und Zeugin festgestellt worden waren. Auch dies wäre als Indiz im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen gewesen.

d) Überdies ist die Annahme des Landgerichts nicht tragfähig, die Identifizierungsleistung der Zeugin verliere deswegen an Wert, weil sich der Angeklagte seinerzeit aufgrund der von der Zeugin gegebenen, in der Zeitung abgedruckten Täterbeschreibung nach deren Lektüre gestellt habe. Es liegt nahe, daß ein Zeuge eine Person als Täter identifiziert, die er zuvor beschrieben hat und die der Beschreibung entspricht, und zwar unabhängig davon, ob diese sich selbst gestellt hat oder nicht. Dies kann sogar ein Hinweis auf die Verläßlichkeit der Identifizierung sein. Sollte die Strafkammer hingegen gemeint haben , ein etwaiges Wissen des Identifizierungszeugen um die Selbstgestellung könne die Identifizierungsleistung beeinflussen, hätte dies klar zum Ausdruck gebracht und begründet werden müssen.
3. Auch die Würdigung der Einlassung des Angeklagten leidet unter Erörterungsmängeln und ist deshalb nicht tragfähig.

a) Der Senat hatte beanstandet, daß das Motiv des Angeklagten für den Widerruf seines bei mehreren Vernehmungen wiederholten Geständnisses nicht genügend gewürdigt worden sei. Die Schilderung der zeitlichen Abläufe und näheren Umstände des Widerrufs hat er als nicht ausreichend erachtet. Im ersten Urteil hatte das Landgericht als Grund für den Widerruf erwähnt, der Angeklagte habe mit einer Freiheitsstrafe von etwa drei Jahren gerechnet. Nachdem sein Anwalt ihm dann aber gesagt habe, daß ihn eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren erwarte, sei ihm das doch zuviel gewesen. Das jetzige Urteil erwähnt diese Umstände nicht mehr. Die Strafkammer führt aus, es sei nicht völlig unwahrscheinlich, daß sich der Angeklagte aufgrund seiner traumatischen sexuellen Erfahrungen mit seinem Vater in eine Opferrolle hineingesteigert haben könnte, aufgrund deren er dann ein solches Geständnis unabhängig von seinem tatsächlichen Wahrheitsgehalt abgelegt haben könnte, um - wie er erklärt hat - seinem Vater „eins auszuwischen“.
Diese Erklärung des Angeklagten für sein widerrufenes Geständnis, dem "Vater eins auszuwischen", mag, auch wenn das eher fern liegt, möglicherweise geeignet sein, das - dann falsche - Geständnis gegenüber der Polizei zu erklären, nicht ohne weiteres jedoch das zuvor nach Lektüre des Presseartikels gegenüber der Zeugin St. abgegebene. Das hätte der Erörterung bedurft.

b) Das Landgericht würdigt bei der Prüfung des Wahrheitsgehalts der früheren geständigen Einlassung des Angeklagten nicht ausreichend deren Aussagequalität.
Auch ein frei erfundenes Geständnis, um dem Vater „eins auszuwischen“ , birgt die Gefahr der fehlenden Konstanz insbesondere dann, wenn das
Tatgeschehen so genau wie hier beschrieben worden ist. Eine Erklärung dafür, warum das widerrufene Geständnis des Angeklagten durch Beständigkeit und Detailtreue auch in Nebensächlichkeiten gekennzeichnet ist, führt die Strafkammer nicht an. Sie geht daran vorbei, daß sich der Angeklagte das Geständnis sehr spontan überlegt haben muß, wenn er nach dem Lesen des Zeitungsartikels mit der Täterbeschreibung noch am selben Tag zunächst gegenüber der Zeugin St. die Tat eingestanden und sich in der Nacht der Polizei gestellt hat. Dies hätte der näheren Bewertung bedurft.
c) Die Beweiswürdigung zum Aufenthalt des Angeklagten zum Tatzeitpunkt ist nicht tragfähig. Zwar nimmt das Landgericht nicht an, der Angeklagte habe ein Alibi nachweisen können, weil er am Spätnachmittag des 19. August 1996 persönlich bei seinem Arbeitgeber gekündigt habe. Das Landgericht hält es aber "für sehr unwahrscheinlich", daß sich der Angeklagte danach noch nach Bad Sä. begeben und dort die Vergewaltigung begangen habe (UA S. 19). Es konnte jedoch keine Feststellungen dazu treffen, wann genau und wo der ZeugeL. den Angeklagten nach dem Besuch des Arbeitgebers mit dem Fahrzeug abgesetzt hat. Dieser hat sich nur noch daran erinnert, daß die Fahrt zum Arbeitgeber zwischen 17.00 Uhr und 20.00 Uhr stattgefunden und der Angeklagte sich dort ca. ein- bis eineinhalb Stunden aufgehalten habe. Da die Tat gegen 20.30 Uhr geschehen sein soll, konnte aus diesen Angaben keine tragfähige Folgerung auf die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit einer anschließenden Vergewaltigung in Bad Sä. gezogen werden.

d) Indem das Landgericht es als nicht "völlig zwingend" erachtet, daß das Geständnis der Wahrheit entspreche und der Angeklagte auch an der Tat zum Nachteil der Zeugin S. beteiligt gewesen sei, hat es den Grundsatz der freien Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft angewandt: Für die Beantwortung
der Schuldfrage kommt es allein darauf an, ob der Tatrichter die Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangen kann oder nicht. Der Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Sachverhalts nicht aus; vielmehr gehört es gerade zu ihrem Wesen, daß sie sehr häufig objektiv möglichen Zweifel ausgesetzt bleibt. Der Tatrichter ist aber nicht gehindert, an sich mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimmten Tatsachen zu ziehen. Sie müssen allerdings tragfähig sein (BGHSt 10, 208, 209 f.; 41, 376, 380; BGH, Urt. v. 4. September 2003 - 3 StR 224/03). Da das Landgericht auch im Blick auf andere Beweisumstände an sich mögliche Schlüsse als „nicht völlig zwingend“ bewertet oder Beweisanzeichen als „kein zwingendes Indiz“ charakterisiert (etwa UA S. 19), steht angesichts der hier vorliegenden besonderen Umstände zu besorgen, daß es die Anforderungen an die Überzeugungsbildung überspannt haben könnte.
4. Das Landgericht hat eine naheliegende Möglichkeit nicht ausdrücklich gewürdigt, die sich aus der Zusammenschau des widerrufenen Geständnisses des Angeklagten und der Aussage der Zeugin S. ergibt. Diese erklärt möglicherweise die von der Strafkammer hervorgehobenen Differenzen zwischen den beiden Tatschilderungen und kann ihnen den beweismindernden Wert hinsichtlich der Bekundungen der Zeugin weitgehend nehmen.
Die Strafkammer hat offen gelassen, ob dem später widerrufenen Geständnis des Angeklagten ein wirkliches Ereignis zugrunde liegt. Einerseits hält sie es für wahrscheinlich, daß das Geständnis wegen der Detailliertheit und Konstanz der Angaben über einen längeren Zeitraum und mehrere Vernehmungen hinweg der Wahrheit entspreche. Sachverständig beraten führt sie andererseits aus, es sei nicht völlig unwahrscheinlich, daß der Angeklagte ein
solches Geständnis „unabhängig von seinem Wahrheitsgehalt abgelegt“ haben könnte. Wie bereits im ersten, aufgehobenen Urteil ist die Strafkammer davon ausgegangen, daß das widerrufene Geständnis des Angeklagten deshalb fragwürdig sei, weil es in wesentlichen Punkten von den Angaben der Geschädigten abweiche. Insbesondere habe der Angeklagte den Ausgangspunkt, von dem aus und die Gehrichtung, in welcher er und sein Mittäter das Opfer verfolgten , anders als die Zeugin beschrieben. Differenzen bestünden darüber hinaus hinsichtlich der Schilderung der Kleidung des Opfers und der Täter sowie des Tathergangs in seinen Einzelheiten.
Das Geständnis des Angeklagten wäre jedoch nur dann ohne jeden Beweiswert , wenn davon auszugehen wäre, daß es erfunden war. Liegt ihm hingegen ein wahrer, wenn auch nicht der angeklagte Sachverhalt zugrunde, bestünde zwischen den Angaben der Zeugin hinsichtlich des Tathergangs und der geständigen Einlassung des Angeklagten möglicherweise kein wirklicher Widerspruch, weil beide dann verschiedene, aber reale Geschehensabläufe beschrieben haben könnten. Die vom Landgericht hervorgehobenen Differenzen hinsichtlich der Schilderungen etwa zur Kleidung des Opfers (Hose oder Rock, roter Slip) verlören dann weitgehend ihre Bedeutung für die Würdigung der Aussage der Zeugin S. und deren Wiedererkennung des Angeklagten. Das Landgericht hätte sich deshalb die Frage vorlegen müssen, ob das später widerrufene, aber detailreiche und von Konstanz gekennzeichnete Geständnis des Angeklagten zwar eine andere Tat betraf, er aber dennoch auch die - von ihm dann nicht gestandene - Tat zum Nachteil der Zeugin S. begangen hat. Es hätte in Betracht ziehen müssen, ob der Angeklagte aufgrund der veröffentlichten Täterbeschreibung nach Begehung einer zweiten Tat zunächst nach seiner Gestellung nur Anlaß sehen konnte, lediglich eine der
Taten zu gestehen. Auf diese Möglichkeit könnte hindeuten, daß innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums an demselben Ort zwei Vergewaltigungen mit derselben Vorgehensweise von jeweils zwei Tätern begangen worden sein könnten. Dabei hätte jeweils einer der Täter nach den insoweit übereinstimmenden Angaben sowohl der Zeugin als auch des Angeklagten eine Tätowierung mit dem Motiv einer Spinne aufgewiesen. Der zweite Täter, der die Tat zum Nachteil der Zeugin S. mit begangen hat, hätte dann ebenso wie der Angeklagte , der die Tat zum Nachteil des unbekannten Opfers gestanden und beschrieben hätte, eine Narbe am Auge. Würde das Landgericht also beide Schilderungen - das frühere Geständnis des Angeklagten, aber auch die Tatschilderung der Zeugin S. - unter diesen Umständen für nicht widersprüchlich und für glaubhaft halten, müßte es sich fragen, ob es sich auf solcher Grundlage davon überzeugen kann, daß der Angeklagte auch die von ihm nicht gestandene Tat zum Nachteil der Nebenklägerin begangen hat. Die Abweichungen in den Tatschilderungen könnten dann nicht mehr gegen eine solche Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten im Fall zum Nachteil der Nebenklägerin ins Feld geführt werden. Der Identifizierungsleistung der Zeugin käme dann für die Wiedererkennung in der Hauptverhandlung und auch in bezug auf die Wahllichtbildvorlage möglicherweise ein höherer Beweiswert zu.
Daß der Angeklagte von dem Vorwurf der zweiten Vergewaltigung zum Nachteil des unbekannten Opfers rechtskräftig freigesprochen ist, hindert nicht dessen Erörterung und etwaige indizielle Bewertung im Blick auf den noch in Rede stehenden Anklagevorwurf. Der rechtskräftige Freispruch verbraucht die Strafklage und steht fortan einer Sanktionierung wegen der nämlichen Tat ent-
gegen. Eine Tatsachenbindung gehört aber nicht zum Wesen der Rechtskraft (vgl. BGHSt 43, 106, 108 f.; Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. Einl. Rdn. 170, 188).

III.


Auf diesen sachlich-rechtlich erheblichen Beweiswürdigungsmängeln kann das Urteil beruhen. Es ist nicht auszuschließen, daß das Landgericht bei ihrer Vermeidung die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen hätte.

IV.


Die Sache muß somit neu verhandelt und entschieden werden. Der Senat verweist sie an ein anderes Landgericht zurück (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO; vgl. im übrigen Bd. III Bl. 713 ff. der Strafakten).
Nack Boetticher Schluckebier Herr Richer am BGH Hebenstreit Elf ist erkrankt und deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

5 StR 55/02

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 28. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
28. Mai 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt ,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin M
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin L
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 7. August 2001 wird verworfen. Er trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.
2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das genannte Urteil aufgehoben, soweit das Verfahren hinsichtlich der Fälle 52, 53 der Anklage eingestellt worden ist.
3. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat die Strafkammer das Verfahren hinsichtlich der Anklagepunkte 52 und 53 durch Prozeßurteil eingestellt und den Angeklagten im übrigen freigesprochen. Gegen seine Verurteilung hat der Angeklagte im vollen Umfang Revision eingelegt. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin wenden sich mit ihren Revisionen gegen die Mehrzahl der Freisprüche und die vom Tatgericht vorgenommene Teileinstellung.
Die Revision des Angeklagten zeigt keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler auf. Demgegenüber haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin zum Teil Erfolg.
1. Zu Unrecht ist das Landgericht davon ausgegangen, daß einer Sachentscheidung hinsichtlich der Fälle 52, 53 der Anklage ein Verfahrenshindernis entgegenstehe.
Mit der ± unverändert zugelassenen ± Anklage ist dem Angeklagten vorgeworfen worden, in der Zeit von 1993/1994 bis zum 14. September 1997 die am 15. September 1984 geborene Nebenklägerin im Genitalbereich gestreichelt und mit ihr vaginal verkehrt zu haben (Fälle 1 ± 51). Darüber hinaus ist ihm zur Last gelegt worden, die Nebenklägerin im genannten Zeitraum gezwungen zu haben, den ± in der Anklageschrift näher beschriebenen ± Oralverkehr an ihm durchzuführen (Fälle 52, 53). Wegen weiterer sexueller Handlungen zum Nachteil der Nebenklägerin in den Jahren 1992 ± 1999 hatte die Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen.
Hinsichtlich der durch das Prozeûurteil eingestellten Fälle ist das Landgericht der Ansicht, daû es insoweit an einer wirksamen Anklage fehle. Als Tatzeitraum sei in der Anklageschrift 1993/94 bis 14. September 1997 angegeben. Hierzu in der Hauptverhandlung befragt, habe die Geschädigte letztlich nicht sicher ausschlieûen können, daû diese Taten möglicherweise erst später stattgefunden hätten. Hinzu komme, daû die Staatsanwaltschaft wegen weiterer Taten nach § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen habe.
Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Nach § 264 Abs. 1 StPO ist Gegenstand der Urteilsfindung „die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt”. Tat im Sinne dieser Vorschrift ist das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach natürlicher Auffassung einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt (Kleinknecht/MeyerGoûner , StPO 45. Aufl. § 264 Rdn. 2 m. w. N.). Verändert sich im Laufe eines Verfahrens das Bild eines Geschehens, auf das die Anklage hinweist, so ist entscheidend, ob die „Nämlichkeit der Tat” trotz dieser Abweichung noch gewahrt ist. Dies ist der Fall, wenn ± ungeachtet gewisser Differenzen ± bestimmte Merkmale die Tat weiterhin als einmaliges, unverwechselbares Geschehen kennzeichnen (vgl. BGH NJW 1999, 802, insoweit in BGHSt 44, 256 nicht abgedruckt; BGH NStZ-RR 1998, 304).
So verhält es sich hier. Zwar mag bei dem sexuellen Miûbrauch von Kindern im häuslich-familiären Bereich nicht selten die zeitliche Einordnung des Geschehens für die Feststellung einzelner Taten von besonderer Bedeutung sein, da die Mehrzahl der Übergriffe einem bestimmten, gleichförmigen Handlungsmuster folgen (vgl. BGHSt 46, 130, 133; BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 19, 22). Im vorliegenden Fall besteht indes kein Zweifel, daû trotz der nicht näher bestimmbaren Tatzeit die in der Anklage unter Nr. 52 sowie Nr. 53 wiedergegebenen Vorgänge den im Urteil festgestellten entsprechen. Denn nach den ± rechtsfehlerfrei als glaubhaft erachteten ± Schilderungen der Nebenklägerin ist es vom Beginn der Tathandlungen an insgesamt ¹lediglichº zweimal zum Oralverkehr gekommen (UA S. 19). Vor allem aber hat die Strafkammer weitere die beiden Taten eindeutig kennzeichnende und der Anklage entsprechende Details festgestellt (vgl. im einzelnen UA S. 19 f.).
Nach alledem ist der Umstand, daû die beiden Handlungen möglicherweise erst nach dem Ende des in der Anklage bezeichneten Zeitraums begangen worden sein könnten (UA S. 74; anders allerdings UA S. 20), für die ¹Nämlichkeit der Tatenº ohne Belang. Da die festgestellten Handlungen den ¹in der Anklage bezeichneten Tatenº entsprechen (vgl. § 264 StPO), konnte auch die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene Verfahrensbeschränkung gemäû § 154 Abs. 1 StPO insoweit keine Wirkung entfalten, da sie sich nur auf weitere (nicht angeklagte) Taten bezog.
2. Die weitergehenden Revisionen haben dagegen keinen Erfolg.

a) Die von der Nebenklägerin erhobene Verfahrensrüge, die Einholung eines weiteren aussagepsychologischen Gutachtens sei zu Unrecht abgelehnt worden, entspricht schon nicht den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, da der Inhalt des schriftlichen Gutachtens der gehörten Sachverständigen nicht mitgeteilt wird (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 362; Kleinknecht /Meyer-Goûner aaO § 244 Rdn. 85). Im übrigen ist die Rüge auch unbegründet, da die Strafkammer den Antrag rechtsfehlerfrei unter Hinweis auf ihre eigene Sachkunde abgelehnt hat (vgl. § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO).

b) Auch die sachlichrechtliche Überprüfung gibt keinen Anlaû zu durchgreifenden Bedenken. Dies gilt letztlich auch soweit die Staatsanwaltschaft beanstandet, daû das Landgericht trotz der auf eine gröûere Anzahl sexueller Übergriffe hinweisenden Angaben der Nebenklägerin nur in sechs Fällen zu einer Verurteilung gelangt ist.
Zwar ist die Ermittlung des Mindestschuldumfangs unter bestimmten Voraussetzungen im Wege der Schätzung auf tragfähiger Grundlage möglich (vgl. zusammenfassend BGH NJW 2002, 1508, 1510 m. w. N.). Dies hat der Bundesgerichtshof auch für Taten, die sich ± wie hier ± gegen höchstpersönliche Rechtsgüter richten, bereits entschieden (vgl. BGHR StGB § 176 Serienstraftaten 8). Vor diesem Hintergrund wäre im vorliegenden Fall eine andere Bewertung nicht undenkbar gewesen. Gleichwohl ist die vom Landgericht vorgenommene Würdigung vom Revisionsgericht noch hinzunehmen. Die Strafkammer hat umfassend begründet, warum sie sich hinsichtlich weiterer Tatvorwürfe die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung im Sinne des § 261 StPO nicht hat verschaffen können (UA S. 57, 71 f.). Soweit das Tatgericht in Übereinstimmung mit der Sachverständigen auf den lang zurückliegenden Tatzeitraum hinweist, ferner auf die in diesem Zusammenhang beschränkte Erinnerungsfähigkeit der Nebenklägerin ± dies gerade auch vor dem Hintergrund, daû diese gegenüber Dritten zur Anzahl der Taten unterschiedliche Angaben gemacht hat ± läût die Beweiswürdigung keinen Rechtsfehler erkennen.
3. Für den Fall einer Verurteilung in den Anklagepunkten 52 und 53 wird der neue Tatrichter eine neue Gesamtstrafe mit den rechtskräftigen Einzelstrafen gemäû §§ 54, 55 StGB zu bilden haben.
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