Bundesgerichtshof Urteil, 19. Feb. 2014 - 2 StR 239/13

bei uns veröffentlicht am19.02.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
2 S t R 2 3 9 / 1 3
vom
19. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Februar
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 17. Dezember 2012 dahin geändert, dass an Stelle der Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung eines auf 15.000 Euro bezifferten Schmerzensgeldes nebst Zinsen und der zugehörigen Vollstreckbarkeitserklärung der Ausspruch tritt: „Der von dem Nebenkläger D. M. gegendiesen Angeklagten erhobene Anspruch auf Schmerzensgeld ist dem Grunde nach gerechtfertigt.“ Von einer weiteren Entscheidung über den Adhäsionsantrag wird abgesehen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat es ihn verurteilt , an den Nebenkläger D. M. ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklag- ten mit Verfahrensrügen und der Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der gesondert verfolgte M. U. von den Zeugen F. M. und D. M. nach einem Streit aus dem Ladenlokal „G. “ verwiesen worden. Daraufhin be- waffnete M. U. sich, den Angeklagten und einen Dritten jeweils mit einem Holztischbein als Schlagwerkzeug. Die Mittäter folgten dem Geschädigten D. M. , als dieser das Ladenlokal verließ, um zu seiner Wohnung zu gehen. Einer von ihnen versetzte dem Geschädigten einen wuchtigen Hieb mit dem Tischbein gegen den Hinterkopf, wodurch dieser eine Schädelfraktur erlitt und in die Knie ging. In dieser Position traf den Geschädigten ein weiterer Schlag mit einem Tischbein an die Stirn, so dass er zu Boden fiel. Auf dem Rücken liegend wurde er von allen Mittätern mit den Tischbeinen geschlagen, wobei er Frakturen am Oberarmgelenk und an der Elle des rechten Arms erlitt. Ferner wurde er am Bauch getroffen, bevor die Täter von ihm abließen. Ein Bruch des linken Oberarmknochens kann durch einen Schlag oder den Sturz verursacht worden sein.
3
Der Geschädigte war potenziell lebensgefährlich verletzt und musste operativ versorgt werden. Gegen ärztlichen Rat verließ er das Krankenhaus bereits nach vier Tagen. Er behielt eine Narbe am Kopf, litt monatelang an Taubheitsgefühlen und Kopfschmerzen und war zwei Monate lang krank geschrieben.
4
2. Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte sei zwar vom Versuch des Heimtückemordes strafbefreiend zurückgetreten, aber der gefährlichen Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB schuldig.
5
Die sachverständig beratene Jugendkammer hat festgestellt, der Angeklagte sei unbeschadet der Eintragung des 24. Januar 1991 als Geburtsdatum im türkischen Personenstandsregister zur Tatzeit bereits Erwachsener gewesen. Deshalb hat sie ihn nach dem für Erwachsene geltenden Strafrecht abgeurteilt.

II.

6
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet. Auch für die von der Verteidigung erstrebte Kompensation der Dauer des Revisionsverfahrens ist kein Raum. Jedoch führt die Revision zur Aufhebung des Ausspruchs über die Höhe des Schmerzensgeldes.
7
1. Zwar begegnet die Annahme des Landgerichts rechtlichen Bedenken, der Angeklagte sei zurzeit seiner Untersuchung am 22. August 2012 mindestens zweiundzwanzig Jahre alt gewesen, weshalb davon auszugehen sei, dass er zur Tatzeit - am 2. Juni 2011 - das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet gehabt habe. Die Jugendkammer hat aber betont, dass die Anwendung von Jugendstrafrecht „mangels festzustellender Reifeverzögerungen selbst dann nicht in Betracht gekommen“ wäre, wenn der Angeklagte zur Tatzeit das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt hätte. Diese Überlegung zur sittlichen und geistigen Entwicklung des Angeklagten im Urteilszeitpunkt (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG) bleibt von den Feststellungen zur körperlichen Entwicklung bei der Altersbestimmung unberührt. Dies trägt die Ablehnung der Anwendung von Jugendstrafrecht.
8
2. Die Entscheidung über den Adhäsionsantrag ist rechtsfehlerhaft.
9
a) Zur Begründung hat das Landgericht auf die „festgestellten Tatum- stände“ verwiesen und angemerkt, angesichts dieser Umstände sei die Schmerzensgeldforderung „angemessen, um einerseits einen Ausgleich für die durch den Geschädigten erlittenen Leiden zu schaffen und zum anderen der mit dem Schmerzensgeld auch bezweckten Genugtuung gerecht zu werden.“ Das genügt nicht. Die Urteilsgründe müssen alle Erwägungen ansprechen, die für die Bemessung des Schmerzensgeldes von Bedeutung sein können (LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 406 Rn. 7). Das ist hier nicht der Fall.
10
Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgeldes sind nicht nur die Schwere der Tat, die durch die „Tatumstände“ beschrieben wird, und die durch sie verursachten Gesundheitsschäden des Verletzten, sondern regelmäßig auch die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1998 – 2 StR 436/98, BGHSt 44, 202, 203; Beschluss vom 23. Februar 2012 - 4 StR 602/11, StV 2012, 711; Beschluss vom 21. November 2013 - 2 StR 459/13). Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, dass dies alles berücksichtigt worden ist.
11
b) Der Ausspruch über das Schmerzensgeld muss aber nicht ganz aufgehoben werden. Hat das Tatgericht dem Verletzten ein Schmerzensgeld zugesprochen und beanstandet das Revisionsgericht - wie hier - lediglich dessen Bemessung, so kann die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechterhalten bleiben (vgl. Senat aaO, BGHSt 44, 202, 203).
12
3. Der Rechtsmittelerfolg des Beschwerdeführers ist so gering, dass es nicht geboten ist, ihn aus Billigkeitsgründen teilweise von der Kosten- und Auslagenlast freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO). Fischer Appl Krehl Eschelbach Ott

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Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 105 Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende


(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, we

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Referenzen

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn

1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder
2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.

(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.

(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 602/11
vom
23. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 23. Februar 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 7. Februar 2011 im Adhäsionsausspruch und im zugehörigen Kostenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Ferner hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen.
2
Die gemäß § 406a Abs. 2 Satz 1 StPO wirksam (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 25. Januar 2000 – 4 StR 569/99, wistra 2000, 150, 151) auf den Adhäsionsausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
3
1. Das Landgericht hat den Angeklagten auf der Grundlage von § 823 Abs. 1 i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB unter Berücksichtigung der von ihm bereits gezahlten 1.000 Euro verurteilt, an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld in Hö- he von (noch) 5.000 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. August 2010 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Angeklagte habe Leben und Gesundheit der Nebenklägerin ganz erheblich verletzt ; beim Würgen habe sie Todesangst verspürt. Eine billige Entschädigung in Höhe von 6.000 Euro sei daher angemessen.
4
2. Diese Begründung trägt den Adhäsionsausspruch schon deshalb nicht, weil die Strafkammer, wie es regelmäßig erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344), die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und der Nebenklägerin nicht erörtert hat. Ob sich im Einzelfall eine ausreichende Begründung aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergeben kann (so BGH, Urteil vom 27. September 1995 – 3 StR 338/95, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung
4) oder ausdrückliche Feststellungen für eine gerechte Festsetzung des Schmerzensgeldes immer unabdingbar sind (so Senatsbeschluss vom 14. Mai 1996 – 4 StR 174/96, StV 1997, 302), kann hier offen bleiben. Aus dem angefochtenen Urteil ergeben sich weder die Höhe der Einkünfte des freiberuflich tätigen Angeklagten und seine sonstigen Vermögensumstände noch Näheres über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Nebenklägerin. Angesichts der Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes hätte es hierzu entsprechender Feststellungen bedurft. Ohne sie lässt sich die Möglichkeit nicht ausschließen, dass die Verpflichtung zur Zahlung des zuerkannten Betrages für den Angeklagten eine unbillige Härte bedeutet.
5
3. Der Senat hat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung über den Adhäsionsantrag zurückverwiesen.
6
a) Zwar soll regelmäßig eine Zurückverweisung allein zur Entscheidung über einen Adhäsionsantrag unterbleiben. In Fällen der Rechtsfehlerhaftigkeit des Adhäsionsausspruchs soll vielmehr regelmäßig von einer Entscheidung über die Entschädigung des Verletzten ganz abgesehen werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 1987 – 2 StR 106/87, NStZ 1988, 237, 238; Beschluss vom 3. Juni 1988 – 2 StR 244/88, NStZ 1988, 470, 471; Beschluss vom 30. Oktober 1992 – 3 StR 478/92, NStZ 1993, 145; Beschluss vom 30. April 1993 – 3 StR 169/93, bei Kusch NStZ 1994, 26; Beschluss vom 7. Juli 2010 – 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344, Tz. 5), es sei denn, im Rahmen der Zubil- ligung eines Schmerzensgeldes erstreckt sich der Rechtsfehler lediglich auf dessen Bemessung, weshalb die Entscheidung zumindest dem Grunde nach aufrecht erhalten bleiben kann (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1998 – 2 StR 436/98, BGHSt 44, 202, 204). Diese Rechtsprechung trägt dem gesetzgeberischen Willen Rechnung, das Adhäsionsverfahren möglichst reibungslos in das Strafverfahren einzufügen (vgl. schon OGH, Urteil vom 17. Mai 1949 – StS 158/48, OGHSt 2, 46, 47 zum Anhangsverfahren nach §§ 438 ff. StPO a.F.). Dieses Ziel würde verfehlt, wenn der Strafrichter in einem Fall der Zurückverweisung zu neuer Entscheidung allein über die Entschädigung des Verletzten nur noch über – möglicherweise komplizierte – zivilrechtliche Fragen zu befinden hätte. So liegt der Fall hier aber nicht.
7
b) Zwar hat der Angeklagte lediglich den Ausspruch über die Entschädigung der Verletzten angegriffen. Jedoch hat der Senat die angefochtene Entscheidung mit Urteil vom 23. Februar 2012 auf die Revision der Staatsanwaltschaft mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Damit hat der Tatrichter Gelegenheit, nach Zurückverweisung auf beide Rechtsmittel über den strafrechtlichen und den zivilrechtlichen Teil der Sache insgesamt einheitlich neu zu entscheiden. Mit der stattgebenden Entscheidung über die Revision des Angeklagten wird der Tatrichter auch nicht mit der (ausschließlichen) Entscheidung komplexer zivilrechtlicher Fragen belastet, zumal der Mangel in den Feststellungen unschwer behoben werden kann. Dass über die Revision des Angeklagten im Beschlusswege und über das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft durch Urteil entschieden worden ist, steht der Zurückverweisung zur neuen Entscheidung auch über die Entschädigung des Tatopfers nicht entgegen.
8
Von dem Urteil des 2. Strafsenats vom 28. November 2007 (2 StR 477/07; BGHSt 52, 96) weicht die vorliegende Entscheidung schon deshalb nicht ab, weil in dem dort zu entscheidenden Fall lediglich die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, der Angeklagte das Urteil aber unangegriffen gelassen hatte. Die in der damaligen Entscheidung gegen die Aufhebung der Adhäsionsentscheidung durch das Revisionsgericht erhobenen Bedenken, auch im Hinblick auf die damit verbundene Durchbrechung der Rechtskraft (vgl. dazu auch LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 406a Rn. 15 m.w.N.), treffen daher auf den vorliegenden Fall nicht zu.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 459/13
vom
21. November 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21. November 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 4. Juli 2013 mit den Feststellungen aufgehoben ,
a) soweit er in den Fällen II.24, 25, 28, 30, 31 der Urteilsgründe verurteilt wurde,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe zu Fall II.29,
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und
d) im Ausspruch über den Adhäsionsantrag. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere für Jugendschutzsachen zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer
1
Schutzbefohlenen in 35 Fällen, davon in 32 Fällen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes, in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes, in vier Fällen in (weiterer) Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines (anderen) Kindes, und wegen „Herstel- lens/Besitzes kinderpornographischer Schriften“ in zwei Fällen zu einer Ge- samtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Auf den Adhäsionsantrag der Nebenklägerin S. hat es den Angeklagten verurteilt, an diese 10.000 Euro Schmerzensgeld nebst Zinsen zu zahlen. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. 1. Die Annahme des Tatgerichts, der Angeklagte habe in den Fällen II.28,
2
30, 31 neben anderen Tatbeständen tateinheitlich auch denjenigen des sexuellen Missbrauchs eines (weiteren) Kindes gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB erfüllt, wird von den Feststellungen nicht getragen. Danach kam in diesen Fällen das Kind W. hinzu, als
3
der Angeklagte bereits sexuelle Handlungen zum Nachteil des Kindes S. vornahm oder an sich vornehmen ließ. Er erkannte, dass das weitere Kind das Geschehen beobachtete, setzte aber seine Handlungen dennoch fort. Das reicht zum Beleg des subjektiven Tatbestands nicht aus. Seit der Neufassung der Vorschrift durch das 6. Gesetz zur Reform des
4
Strafrechts vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) setzt das Vergehen der Vor- nahme sexueller Handlungen vor einem Kind zwar nicht mehr voraus, dass der Täter dabei in der Absicht handelt, sich, das Kind oder einen anderen sexuell zu erregen. Um eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Ausdehnung der Strafbarkeit zu vermeiden, hat der Bundesgerichtshof die Regelung der § 176 Abs. 4 Nr. 1, § 184g Nr. 2 StGB aber insoweit einengend ausgelegt, als für die Annahme einer sexuellen Handlung vor einem Kind über deren Wahrnehmung durch das Tatopfer hinaus erforderlich ist, dass der Täter das Kind so in das sexuelle Geschehen einbezieht, dass für ihn die Wahrnehmung der sexuellen Handlung durch das Tatopfer von handlungsleitender Bedeutung ist (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2004 - 4 StR 255/04, BGHSt 49, 376, 381; Urteil vom 12. Mai 2011 - 4 StR 699/10, NStZ 2011, 633; offen gelassen von BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 370/12, NStZ 2013, 278). Dafür fehlen entsprechende Feststellungen des Landgerichts. 2. In den Fällen II.24 und 25 ist die Eigenschaft der vom Angeklagten ange5 fertigten Fotographien, die „den nackten Genitalbereich des Kindes“ betrafen, als pornographische Schriften durch die Feststellungen nicht belegt. Nicht jede Aufnahme des nackten Körpers oder eines Geschlechtsteils ist
6
Pornographie im Sinne des § 184b Abs. 1 StGB. Tatobjekte sind nur pornographische Schriften, die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern zum Gegenstand haben. Zu den dargestellten sexuellen „Handlungen“ gehört zwar nach der Neufassung des Gesetzes durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie vom 31. Oktober 2008 (BGBl. I 2008, 2149) nach herrschender Auffassung auch ein Posieren in sexualbetonter Körperhaltung (vgl. Röder NStZ 2010, 113 ff. mwN; anders zur früheren Gesetzesfassung BGH, Beschluss vom 2. Februar 2006 - 4 StR 570/05, BGHSt 50, 370, 371). Auch dies ist den knapp gehaltenen Urteilsfeststellungen jedoch nicht zu entnehmen. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls auch die genaue Bezeichnung der
7
Tathandlung im Sinne von § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB klarzustellen haben. 3. Die Strafzumessung ist rechtsfehlerhaft, soweit das Landgericht auch zu
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Fall II.29 der Urteilsgründe („in den Fällen 28- 31“) als strafschärfend gewertet hat, dass der Angeklagte „zwei kindliche Opfer“ geschädigt habe. Eshat deshalb insoweit dieselbe Einzelstrafe verhängt wie in den Fällen II.28 und 30 - 32. Die Tat im Fall II.29 ist aber nur als versuchter schwerer sexueller Missbrauch zum Nachteil des Kindes S. bewertet worden. Das Kind W. war davon nach den Feststellungen nicht betroffen. Dies zwingt zur Aufhebung der Einzelstrafe zu Fall II.29. 4. Die Aufhebung der Verurteilung in den genannten Fällen führt auch zur
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Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. 5. Der Ausspruch über den Adhäsionsantrag ist nicht ausreichend begrün10 det worden. Die Urteilsgründe erschöpfen sich in der Bemerkung: „Den zuerkannten Schmerzensgeldbetrag erachtet die Kammer angesichts der festgestellten Tatumstände als angemessen, um einerseits einen Ausgleich zu schaffen und zum anderen der mit dem Schmerzensgeld bezweckten Genugtuung gerecht zu werden“. Anhand dieser formelhaften Begründung kann nicht geprüft werden, ob die Strafkammer alle relevanten Aspekte in die notwendige Gesamtschau einbezogen hat. So ist u.a. nicht ersichtlich, ob die Strafkammer die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und der Nebenklägerin berücksichtigt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Februar 2013 - 2 StR 206/12). Appl Krehl Eschelbach Ott Zeng

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.