Bundesgerichtshof Urteil, 19. Feb. 2014 - 2 StR 239/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat es ihn verurteilt , an den Nebenkläger D. M. ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklag- ten mit Verfahrensrügen und der Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
I.
- 2
- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der gesondert verfolgte M. U. von den Zeugen F. M. und D. M. nach einem Streit aus dem Ladenlokal „G. “ verwiesen worden. Daraufhin be- waffnete M. U. sich, den Angeklagten und einen Dritten jeweils mit einem Holztischbein als Schlagwerkzeug. Die Mittäter folgten dem Geschädigten D. M. , als dieser das Ladenlokal verließ, um zu seiner Wohnung zu gehen. Einer von ihnen versetzte dem Geschädigten einen wuchtigen Hieb mit dem Tischbein gegen den Hinterkopf, wodurch dieser eine Schädelfraktur erlitt und in die Knie ging. In dieser Position traf den Geschädigten ein weiterer Schlag mit einem Tischbein an die Stirn, so dass er zu Boden fiel. Auf dem Rücken liegend wurde er von allen Mittätern mit den Tischbeinen geschlagen, wobei er Frakturen am Oberarmgelenk und an der Elle des rechten Arms erlitt. Ferner wurde er am Bauch getroffen, bevor die Täter von ihm abließen. Ein Bruch des linken Oberarmknochens kann durch einen Schlag oder den Sturz verursacht worden sein.
- 3
- Der Geschädigte war potenziell lebensgefährlich verletzt und musste operativ versorgt werden. Gegen ärztlichen Rat verließ er das Krankenhaus bereits nach vier Tagen. Er behielt eine Narbe am Kopf, litt monatelang an Taubheitsgefühlen und Kopfschmerzen und war zwei Monate lang krank geschrieben.
- 4
- 2. Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte sei zwar vom Versuch des Heimtückemordes strafbefreiend zurückgetreten, aber der gefährlichen Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB schuldig.
- 5
- Die sachverständig beratene Jugendkammer hat festgestellt, der Angeklagte sei unbeschadet der Eintragung des 24. Januar 1991 als Geburtsdatum im türkischen Personenstandsregister zur Tatzeit bereits Erwachsener gewesen. Deshalb hat sie ihn nach dem für Erwachsene geltenden Strafrecht abgeurteilt.
II.
- 6
- Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet. Auch für die von der Verteidigung erstrebte Kompensation der Dauer des Revisionsverfahrens ist kein Raum. Jedoch führt die Revision zur Aufhebung des Ausspruchs über die Höhe des Schmerzensgeldes.
- 7
- 1. Zwar begegnet die Annahme des Landgerichts rechtlichen Bedenken, der Angeklagte sei zurzeit seiner Untersuchung am 22. August 2012 mindestens zweiundzwanzig Jahre alt gewesen, weshalb davon auszugehen sei, dass er zur Tatzeit - am 2. Juni 2011 - das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet gehabt habe. Die Jugendkammer hat aber betont, dass die Anwendung von Jugendstrafrecht „mangels festzustellender Reifeverzögerungen selbst dann nicht in Betracht gekommen“ wäre, wenn der Angeklagte zur Tatzeit das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt hätte. Diese Überlegung zur sittlichen und geistigen Entwicklung des Angeklagten im Urteilszeitpunkt (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG) bleibt von den Feststellungen zur körperlichen Entwicklung bei der Altersbestimmung unberührt. Dies trägt die Ablehnung der Anwendung von Jugendstrafrecht.
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- 2. Die Entscheidung über den Adhäsionsantrag ist rechtsfehlerhaft.
- 9
- a) Zur Begründung hat das Landgericht auf die „festgestellten Tatum- stände“ verwiesen und angemerkt, angesichts dieser Umstände sei die Schmerzensgeldforderung „angemessen, um einerseits einen Ausgleich für die durch den Geschädigten erlittenen Leiden zu schaffen und zum anderen der mit dem Schmerzensgeld auch bezweckten Genugtuung gerecht zu werden.“ Das genügt nicht. Die Urteilsgründe müssen alle Erwägungen ansprechen, die für die Bemessung des Schmerzensgeldes von Bedeutung sein können (LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 406 Rn. 7). Das ist hier nicht der Fall.
- 10
- Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgeldes sind nicht nur die Schwere der Tat, die durch die „Tatumstände“ beschrieben wird, und die durch sie verursachten Gesundheitsschäden des Verletzten, sondern regelmäßig auch die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1998 – 2 StR 436/98, BGHSt 44, 202, 203; Beschluss vom 23. Februar 2012 - 4 StR 602/11, StV 2012, 711; Beschluss vom 21. November 2013 - 2 StR 459/13). Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, dass dies alles berücksichtigt worden ist.
- 11
- b) Der Ausspruch über das Schmerzensgeld muss aber nicht ganz aufgehoben werden. Hat das Tatgericht dem Verletzten ein Schmerzensgeld zugesprochen und beanstandet das Revisionsgericht - wie hier - lediglich dessen Bemessung, so kann die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechterhalten bleiben (vgl. Senat aaO, BGHSt 44, 202, 203).
- 12
- 3. Der Rechtsmittelerfolg des Beschwerdeführers ist so gering, dass es nicht geboten ist, ihn aus Billigkeitsgründen teilweise von der Kosten- und Auslagenlast freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO). Fischer Appl Krehl Eschelbach Ott
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Annotations
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn
- 1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder - 2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.
(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.
(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.