Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2018 - 2 StR 150/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:180718U2STR150.18.0
bei uns veröffentlicht am18.07.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 150/18
vom
18. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:180718U2STR150.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Juli 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Wimmer,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt , Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 15. Dezember 2017 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und in weiterer Tateinheit mit Sachbeschädigung schuldig gesprochen und die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe für eine Bewährungszeit von zwei Jahren ausgesetzt. Dagegen richtet sich die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt sich der Angeklagte am 17. Januar 2016 mit seinem Onkel Mi. und dem Zeugen K. in dessen Wohnung auf. Sie planten einen Einbruch in die Wohnung des damals 87-jährigen Geschädigten Ka. . Gegen Mitternacht kundschafteten sie zusammen mit L. den Tatort aus. Am Morgen des 18. Januar 2016 fuhr K. die Mittäter Mi. , L. und den Angeklagten zum Tatort. Diese vermummten sich, zogen sich Handschuhe an und brachen den Schließzylinder des Hoftores auf, wonach sie in das Wohngebäude eindrangen.
3
Der Geschädigte, dessen Ehefrau in der Woche zuvor verstorben war, wachte durch Geräusche an der Wohnungstür auf. Während einer der Täter versuchte, die Tür aufzuhebeln, wollte der Geschädigte diese aufschließen, um nachzusehen. Dabei wurde die Tür von außen mit Gewalt aufgestoßen. Der Geschädigte stand dann Mi. und dem Angeklagten gegenüber. L. , der sich im engen Flur hinter diesen befand, stach von seiner Position aus mit einem Schraubendreher mehrmals in Richtung des Kopfes des Geschädigten. Dieser wurde auch von den Mittätern gestoßen, geschlagen und getreten, um ihn zu überwältigen. Der Geschädigte erlitt Streifverletzungen am Kopf, eine Stichverletzung an der linken Hand, zahlreiche Prellungen und eine Schürfwunde am Bein. Mi. fragte ihn: „Wo Drogen?“ Damit konnte der Geschädigte nichts anfangen. Mi. gab den Mittätern zu verstehen, was sie zu tun hatten. Einer bewachte den Geschädigten unter Vorhalt einer mitgeführten Plastikpistole, die der Geschädigte als echte Schusswaffe ansah. Die anderen Mittäter durchsuchten die Wohnung. Sie erbeuteten 1.000 Euro Bargeld und Schmuck im Wert von 50.000 Euro. Anschließend zogen die Täter den Geschädigten in die Küche, wo er gefesselt wurde. Dann rissen sie das Kabel des Telefons aus der Buchse und zerstörten eine Gegensprechanlage , bevor sie vom Tatort flohen.
4
Am darauf folgenden Tag verkaufte der Angeklagte zusammen mit K. einen Teil des Schmucks für 3.900 Euro an einen Juwelier. Von diesem Erlös erhielt er 1.000 Euro.
5
2. Das Landgericht hat auf den Angeklagten, der zur Tatzeit 20 Jahre alt war, Jugendstrafrecht angewendet. Es hat ausgeführt, eine Schwere der Schuld, welche die Verhängung einer Jugendstrafe gebieten könnte, sei nicht festzustellen. Dem Unrechtsgehalt der Tat komme nur mittelbar Bedeutung zu. Maßgeblich seien jugendspezifische Kriterien. Der Angeklagte habe „einen schweren Raub begangen“, jedoch zeigten die Umstände, dass eine Schwere der Schuld nicht anzunehmen sei. Der Angeklagte habe unter dem bestimmenden Einfluss seines Onkels gestanden und sei nicht in der Lage gewesen, sich diesem Einfluss zu entziehen. Er habe keine kriminelle Erfahrung. Die Untersuchungshaft habe ihn positiv verändert. Er habe in der Hauptverhandlung Reue gezeigt und sich bei dem Geschädigten entschuldigt. Das Vorliegen schädlicher Neigungen sei noch nicht mit hinreichender Sicherheit zu beurteilen.

II.

6
Das Rechtsmittel ist begründet.
7
Die Entscheidung des Landgerichts, gegen den Angeklagten nicht auf Jugendstrafe zu erkennen und die Entscheidung darüber zurückzustellen, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht zwar davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten derzeit noch keine schädlichen Neigungen festzustellen sind. Zu beanstanden ist jedoch die Annahme, die Schwere der Schuld des Angeklagten, welche die Verhängung einer Jugendstrafe gebieten würde (§ 17 Abs. 2 Var. 2 JGG), sei nicht festzustellen.
8
1. Nach der Rechtsprechung und Teilen der Literatur kommt dem Unrecht der Tat bei der Prüfung der Schwere der Schuld im Sinne von § 17 Abs. 2 Var. 2 JGG im Allgemeinen keine selbstständige Bedeutung zu (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1960 – 4 StR 387/60, BGHSt 15, 224, 225 f.; Urteil vom 29. September 1961 – 4 StR 301/61, BGHSt 16, 261, 263; Beschluss vom 9. August 2000 – 3 StR 176/00, NStZ-RR 2001, 215, 216; Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 3 StR 353/11, NStZ 2012, 164; Beschluss vom 22. Januar 2014 – 5 StR 555/13, NStZ-RR 2014, 119; Eisenberg, JGG, 10. Aufl. 2018, § 17 Rn. 34 ff.; Sonnen in Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 17 Rn. 22; a.A. Brunner/Dölling, JGG, 13. Aufl. 2018, § 17 Rn. 27; MüKoStGB/Radtke, 3. Aufl. 2017, § 17 JGG Rn. 58 ff.). Entscheidend ist, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist jedoch insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Schwere seiner Schuld gezogen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2014 – 3 StR 521/14, NStZRR 2015, 155, 156; Urteil vom 9. Januar 2018 – 1 StR 239/17). Der Unrechtsgehalt der Tat, der auch in der gesetzlichen Strafandrohung zum Ausdruck kommt, darf demnach auch bei der Prüfung, ob die Verhängung einer Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld geboten ist, nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. Senat, Beschluss vom 23. April 1982 – 2 StR 192/82, NStZ 1982,

332).

9
2. Danach ist der Erziehungszweck der Jugendstrafe nicht das einzig maßgebliche Kriterium. Hierzu gilt im Einzelnen:
10
Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen in der Regel miteinander in Einklang (vgl. BGH Urteil vom 16. November 1993 – 4 StR 591/93, StV 1994, 598 f.; Urteil vom 23. April 1998 – 4 StR 12/98; Urteil vom 4. August 2016 – 4 StR142/16, NStZ 2017, 648, 649). Bei einem Gewaltverbrechen kann die Schwere der Schuld aber auch eigenständige Bedeutung haben (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2013 – 1 StR 178/13, NStZ 2013, 658, 659 mit Anm. Eisenberg, NStZ 2013, 636 ff.). Schwere Gewaltdelikte begründen regelmäßig die Schwere der Schuld (vgl. MüKoStGB/Radtke aaO § 17 JGG Rn. 71), wenngleich dies nach der Rechtsprechung nicht ausnahmslos der Fall ist. Der Strafzweck des gerechten Schuldausgleichs darf in solchen Fällen jedenfalls nicht völlig hinter den Erziehungsgedanken zurücktreten; denn auf die Möglichkeit der Bestrafung schwerer Straftaten durch Verhängung einer Jugendstrafe kann auch in Fällen nicht verzichtet werden, in denen ein Jugendlicher oder Heranwachsender nicht erziehungsbedürftig oder erziehungsfähig ist (vgl. BT-Drucks. I/3264 S. 40 f.; BGH aaO). Jedenfalls aber ist die Schwere der Schuld mit zunehmendem Alter des Heranwachsenden modifiziert zu beurteilen (vgl. Eisenberg, JGG aaO § 17 Rn. 29a; s.a. MüKoStGB/Radtke aaO § 17 JGG Rn. 65). Dies gilt erst recht, wenn der Angeklagte, der zur Tatzeit noch Heranwachsender war, im Urteilszeitpunkt bereits Erwachsener ist. In solchen Fällen ist die Zielsetzung der Jugendstrafe anders zu bewerten, als etwa bei einem Jugendlichen, der das die Strafmündigkeit begründende Alter gerade erreicht hat (vgl. Kaspar in Festschrift für Schöch, 2010, S. 209, 213 f., der ausnahmsweise für eine Rechtfertigung der Jugendstrafe durch positive Generalprävention plädiert, aaO S. 222; ähnlich Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 17 Rn. 5). Welches Gewicht den einzelnen Zumessungserwägungen zukommt, ist abhängig vom Einzelfall (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 1981 – 1 StR 634/81, NStZ 1982, 163; Urteil vom 21. April 1982 – 4 StR 99/83, EzSt JGG § 17 Nr. 1). Der Tatrichter hat dazu eine umfassende Abwägung vorzunehmen.
11
3. Nach diesen Maßstäben rügt die Revision zu Recht, dass die Abwägung durch das Landgericht lückenhaft ist. Die Jugendkammer hätte sich hier dezidiert mit dem Tatgeschehen und den Tatbeiträgen des angeklagten Heranwachsenden auseinandersetzen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2000 – 3 StR176/00, NStZ-RR 2001, 215, 216). Sie hat sich jedoch mit einem blo- ßen Hinweis darauf begnügt, dass der Angeklagte „einen schweren Raub be- gangen“ habe. Abgesehen davon, dass dabei die tateinheitlich begangene gefährliche Körperverletzung und die Sachbeschädigung unberücksichtigt bleibt, fehlt es an einer Bewertung des konkreten Verhaltens des Angeklagten vor, während und nach der Tat.
12
Dabei ist insbesondere von Bedeutung, dass der Angeklagte – unbeschadet der dominierenden Rolle seines Onkels – nach seiner Einlas- sung schon im Vorfeld am Erwerb der bei der Tat als Drohmittel verwendeten Spielzeugpistole und der Gartenhandschuhe beteiligt war. Zudem wirkte er auch an der Planung der Tat und an dem Ausspähen des Tatorts mit. Er nahm ferner beim eigentlichen Tatgeschehen selbst gewichtige Ausführungshandlungen vor. Ihm sind auch die Verletzungen des zur Tatzeit 87-jährigen Geschädigten , mit Ausnahme der vom Landgericht als Mittäterexzess bewerteten Stiche mit dem Schraubendreher, sowie die Suche nach der erheblichen Beute und deren Wegnahme, das Fesseln des Geschädigten und der Verkauf eines Teils des Schmucks an einen Juwelier als eigene Tatbeiträge zuzurechnen.
13
All diese Umstände hätte das Landgericht in seine Abwägung einbeziehen müssen. Es hat aber nach der verkürzten Kennzeichnung der Tat als schwerer Raub nur die gegen eine Schwere der Schuld sprechenden Aspekte aufgeführt. Das reicht hier nicht aus.
14
4. Der Rechtsfolgenausspruch kann daher keinen Bestand haben. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei Beachtung der Grundsätze zur Bewertung der Schwere der Schuld im Sinne von § 17 Abs. 2 Var. 2 JGG eine Jugendstrafe verhängt hätte.
Schäfer Appl Eschelbach RiBGH Zeng ist erkrankt Wimmer und deshalb gehindert zu unterschreiben. Schäfer

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 353/11
vom
25. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
25. Oktober 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 6. Mai 2011, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung zu der Jugendstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete, auf eine Beanstandung des Verfahrens und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Die erhobene Verfahrensrüge greift aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durch; die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. Der Strafausspruch hat indes keinen Bestand.
3
Die Verhängung der Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld hält der Nachprüfung nicht stand. Die Kammer stützt ihre Bewertung maßgeblich darauf, dass der Angeklagte sich an einer schweren Straftat, einem Verbrechen (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB), beteiligt hat und der Strafrahmen nach Erwachsenenstrafrecht sechs Monate bis zu elf Jahren und drei Monaten wäre. Bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne von § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG kommt jedoch dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat und ihrer Einstufung im Strafgesetzbuch als Verbrechen keine selbständige Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist nur insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Höhe der Schuld gezogen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2009 - 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281 mwN). Diese ermisst sich aus dem Gewicht der Tat und der persönlichkeitsbegründenden Beziehung des Täters zu dieser. Dabei ist bei einer Teilnahme vorrangig auf die Schuld des Teilnehmers abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. August 2000 - 3 StR 253/00, wistra 2000, 463). Nähere Ausführungen zu alledem enthält das Urteil nicht. Die Jugendkammer bemerkt lediglich, dass selbst seine untergeordnete Tatbeteiligung das Gewicht seiner Tat und die Beziehung des Angeklagten zu dieser Tat nicht derart zu verändern vermöge, dass hier die Schwere der Schuld entfiele. Diese Annahme hätte angesichts der Gehilfenstellung des Angeklagten und seiner unbedeutenden Tatbeteiligung näher begründet werden müssen. Das Fehlen einer solchen Begründung lässt besorgen, dass die Jugendkammer maßgeblich vom äußeren Unrechtsgehalt der Haupttat - einem Überfall auf eine Spielothek - auf die Schwere der Schuld des als Gehilfen beteiligten Angeklagten im Sinne von § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG geschlossen hat.
4
Auch die konkrete Strafzumessung begegnet rechtlichen Bedenken. Die Jugendkammer hat zwar ausgeführt, dass sie sich bei der Bemessung der Höhe der Jugendstrafe vorrangig am Erziehungszweck orientiert habe (§ 18 Abs. 2 JGG). Dies ist aus den Urteilsgründen indes nicht erkennbar. Den für die Frage des Erziehungsbedarfs bedeutsamen Umständen, dass bei dem Angeklagten "zwischenzeitlich ein Umdenken stattgefunden hat" und "er einer ordentlichen Schulausbildung entgegenstrebt", hat das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung allein gegenübergestellt, dass gegen ihn Anfang Mai 2008, also rund zweieinhalb Jahre vor Begehung der gegenständlichen Tat und drei Jahre vor dem Erlass des angefochtenen Urteils, wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen ein Freizeitjugendarrest verhängt und vollstreckt wurde. Dies entspricht einer Abwägung wie sie im Erwachsenenstrafrecht maßgeblich ist. Auch im Übrigen finden sich in den Urteilsgründen keine Hinweise darauf, dass die Jugendkammer bei der Bemessung der Jugendstrafe den Vorrang des Erziehungszwecks ausreichend beachtet hat. Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht am Ende seiner Strafzumessung festgestellt hat, die zugemessene Jugendstrafe sei "für die erzieherische Einwirkung auf den Angeklagten mindestens notwendig". Diese lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens genügt hier den Anforderungen nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Februar 1993 - 1 StR 920/92, StV 1993, 531). Angesichts all dieser Umstände kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht bei der Bemessung der Jugendstrafe den Erziehungsgedanken tatsächlich nicht vorrangig berücksichtigt hat.
5
Der Strafausspruch bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker von Lienen Hubert Schäfer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 555/13
vom
22. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Nötigung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Januar 2014 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Bremen vom 3. November 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO
im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. Gegen ihn wird ein Jugendarrest
von vier Wochen verhängt, der aufgrund rechtsstaatswidriger
Verfahrensverzögerung als vollstreckt gilt.
Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer Kosten und
Auslagen seines Rechtsmittels aufzuerlegen. Die Staatskasse
hat ein Drittel seiner im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung (§ 240 Abs. 4 Nr. 1 StGB) zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Wegen „überlanger Verfahrensdauer“ hat es festgestellt,dass drei Monate der Jugendstrafe als vollstreckt gelten. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Während der Schuldspruch keinen durchgreifenden Bedenken begegnet , hält der Rechtsfolgenausspruch rechtlicher Prüfung nicht stand.
3
a) Nach den Urteilsfeststellungen forderte der Angeklagte Ende Juni 2006 von der damals 21-jährigen Geschädigten, die unter einem Vorwand in eine ihr fremde Wohnung gelockt worden war, die Ausübung des Oralverkehrs an ihm oder einem seiner Bekannten, sonst werde sie nicht aus der Wohnung gelassen. Um die Wohnung verlassen zu können, führte die Geschädigte den Oralverkehr gegen ihren Willen an dem Angeklagten aus.
4
b) Die Jugendkammer hat bei dem zur Tatzeit 18 Jahre und 11 Monate alten Angeklagten nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht angewendet und gegen ihn eine Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 JGG) verhängt, „die trotz des zeitlichen Abstands zur Tat erzieherisch noch erforderlich sei“. Schädliche Neigungen, „die aus erzieherischen Gründen zum gegen- wärtigen Zeitpunkt noch die Verhängung einer Jugendstrafe erforderlich ma- chen würden“, hätten jedoch mit Blick darauf, dass die Tat bei „dem – nicht ein- schlägig – vorbestraften Angeklagten bereits fünf Jahre zurückliegt“, nicht vorgelegen.
5
2. Die Begründung, mit der das Landgericht die Verhängung einer Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld als erzieherisch erforderlich angesehen hat, trägt nicht.
6
a) Die Jugendkammer geht zwar zutreffend davon aus, dass bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG allein dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat keine selbständige Bedeutung zukommt, sondern in erster Linie auf die innere Tatseite des Täters abzustellen ist; maßgeblich ist, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen hat.
7
b) Das Landgericht sieht jedoch die die Tat kennzeichnenden Persönlichkeitsdefizite des Angeklagten darin, dass seine innere Haltung und Motiva- tionslage von einer „tief Frauen verachtenden Einstellung“ zeugten. Er habe die Geschädigte als „ein der Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse … dienendes Objekt behandelt“. Zudem zeige seine Beteiligung bei einer etwa ein Jahr später erfolgten Sexualhandlung zum Nachteil eines anderen Tatopfers, dass der Angeklagte auch zu diesem Zeitpunkt (Anfang Juli 2007) noch ein ähnliches Frauenbild hatte. Es sei „nicht erkennbar, dass der Angeklagte inzwischen ein anderes Frauenbild gewonnen“ habe.
8
c) Mit dieser Begründung hat die Jugendkammer bei dem zum Aburteilungszeitpunkt 24 Jahre alten Angeklagten nicht hinreichend belegt, dass aus erzieherischen Gründen die Verhängung einer Jugendstrafe noch erforderlich ist. Die Tat ist trotz des erhöhten Strafrahmens nach dem äußeren Unrechtsgehalt als Vergehen nicht mit gegen die sexuelle Selbstbestimmung und gegen die persönliche Freiheit gerichteten Verbrechen auf einer Stufe. Bedenken begegnet auch die Bewertung, dass seit der Tatbegehung eine Änderung der inneren Einstellung des Angeklagten im Umgang mit Frauen nicht erkennbar sei. Dies belegende Verhaltensmuster hat das Landgericht nicht festgestellt. Hinsichtlich des etwa ein Jahr nach der Tat stattgefundenen Vorfalls zum Nachteil einer anderen Geschädigten hat das Landgericht den Angeklagten und andere Tatbeteiligte – nach Verfahrensabtrennung vom hiesigen Verfahren – freigesprochen , „weil nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit bezüglich jedes Angeklagten festgestellt werden konnte, dass ihm bei den Tat- handlungen bewusst war, dass die Geschädigte mit dem – tatsächlich aufgezwungenen – Sexualverkehr nicht einverstanden war“ (UA S. 12). Inwieweit sich der Angeklagte, der „später hinzu kam und mitwirkte“, an dem Geschehen beteiligt hat, wird nicht näher dargelegt, so dass zu seiner beschriebenen inneren Haltung nichts Ausreichendes gefolgert werden kann. Des Weiteren besorgt der Senat, dass die Jugendkammer die tilgungsreifen und daher unverwertbaren Eintragungen des Angeklagten im Erziehungsregister (§ 63 Abs. 1, Abs. 4, § 51 Abs. 1 BZRG) auch bei der Bewertung der Schuldschwere in ihre Überlegungen eingestellt hat.
9
3. Der Senat hebt den Rechtsfolgenausspruch auf. Er entscheidet angesichts des beträchtlichen zeitlichen Abstandes zur Tat und der eingetretenen massiven Verfahrensverzögerungen, die nunmehr allein schon der Verhängung einer Jugendstrafe entgegenstehen würden, zur unbedingten Herbeiführung eines Verfahrensabschlusses in der Sache selbst. Wegen des Gewichts der Straftat ist die Verhängung eines Jugendarrestes von vier Wochen Dauer (§ 16 Abs. 1, Abs. 4 JGG) angemessen, der jedoch mit Blick auf die bereits vom Landgericht festgestellte „überlange Verfahrensdauer“ und zudem wegen einer weiteren mehr als eineinvierteljährigen – von der Revision ausdrücklich beanstandeten – rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (Art. 6 Abs. 1 EMRK) nach Eingang der Revisionsbegründung beim Landgericht bis zum Eingang der Verfahrensakte beim Generalbundesanwalt als vollstreckt gilt.
Basdorf Sander Schneider
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 5 2 1 / 1 4
vom
17. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Beteiligung an einem Raub
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
17. Dezember 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 28. Juli 2014 - soweit es ihn betrifft - im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten F. wegen Versuchs der Beteiligung an einem Raub zu einer Jugendstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Ausspruch über die Jugendstrafe hat keinen Bestand. Die Erwägungen , mit denen das Landgericht in vergleichender Beurteilung der Taten nach Erwachsenenstrafrecht das Vorliegen eines minder schweren Falles (§ 249 Abs. 2 StGB) verneint hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
Zutreffend ist die Jugendkammer davon ausgegangen, dass sowohl bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne des § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG wie bei der Zumessung der konkreten Jugendstrafe der äußere Unrechtsgehalt der Tat insofern von Belang ist, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Schwere der Schuld gezogen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1960 - 4 StR 387/60, BGHSt 15, 224, 226). Dabei ist zur Bestimmung der zurechenbaren Schuld des jugendlichen oder heranwachsenden Täters das Tatunrecht am Maßstab der gesetzlichen Strafandrohungen des Erwachsenenstrafrechts heranzuziehen; denn die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts behalten insoweit ihre Bedeutung, als in ihnen die Bewertung des Tatunrechts zum Ausdruck kommt. Dies gilt namentlich dort, wo sich die Tat, nach Erwachsenenstrafrecht beurteilt, als minder schwerer Fall darstellen würde (BGH, Beschlüsse vom 4. November 1987 - 3 StR 482/87, BGHR JGG § 18 Abs. 1 Satz 3 minder schwerer Fall 3; vom 21. August 2012 - 4 StR 157/12, NStZ-RR 2013, 50, ; vom 5. Juni 2013 - 2 StR 189/13, NStZ-RR 2013, 291; vom 8. Januar 2014 - 3 StR 318/13, NStZ 2014, 409; Urteil vom 9. August 2000 - 3 StR 176/00, NStZ-RR 2001, 215, 216).
4
Im Rahmen der hierfür vorzunehmenden Gesamtwürdigung hat das Landgericht indes den vertypten Milderungsgrund nach § 30 Abs. 1 und 2, § 49 Abs. 1 StGB nicht berücksichtigt.
5
Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falles vor und ist auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, so muss bei der Strafrahmenwahl zunächst geprüft werden, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung vorab auf die allgemeinen Strafzumessungsgründe abzustellen. Vermögen bereits diese die Annahme eines minder schweren Falles allein zu tragen, stehen die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund verwirklichenden Umstände noch für eine (weitere) Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB zur Verfügung. Ist jedoch nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens nicht für gerechtfertigt hält, darf er den (allein) wegen des vorliegenden gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes herabgesetzten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 27. April 2010 - 3 StR 106/10, NStZRR 2010, 336 ; vom 5. August 2014 - 3 StR 138/14, juris Rn. 6).
6
Dem wird das angegriffene Urteil nicht gerecht. Die Jugendkammer hat nach einer Gesamtwürdigung der allgemeinen Strafzumessungsgründe das Vorliegen eines minder schweren Falles des Raubes verneint und lediglich eine für den Fall der Anwendung von Erwachsenenstrafrecht hypothetische Milderung des Strafrahmens nach § 30 Abs. 1 und 2, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen. Damit hat es die Prüfung versäumt, ob bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht nicht wegen Vorliegens des vertypten Milderungsgrundes ein minder schwerer Fall nach § 249 Abs. 2 StGB vorläge.
7
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Gericht dann, wenn es in Anlehnung an das Erwachsenenstrafrecht einen minder schwerer Fall angenommen hätte, nicht auf die Schwere der Schuld erkannt oder jedenfalls eine niedrigere Jugendstrafe verhängt hätte.
Becker Pfister Schäfer
Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 239/17
vom
9. Januar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes
ECLI:DE:BGH:2018:090118U1STR239.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Januar 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger und die Richterinnen am Bundesgerichtshof Cirener, Dr. Fischer, Dr. Hohoff,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 22. November 2016 wird verworfen.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung weiterer Verurteilungen einen Dauerarrest von vier Wochen verhängt und ihm verschiedene Weisungen erteilt.
2
Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision die Verletzung materiellen Rechts. Sie erstrebt die Verurteilung zu einer Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld.
3
Ihr Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


4
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verließ der zur Tatzeit 19 Jahre und acht Monate alte Angeklagte mit drei Begleitern am 5. Juli 2016 gegen 19.30 Uhr das Volksfest in V. . Als sie feststellten, dass sie zu wenig Zigaretten hatten, um gemeinsam rauchen zu können, erklärte der leicht angetrunkene und enthemmte Angeklagte, er gehe zum Zigaretten „schnorren“. Er sprach die Passanten B. und W. auf Zigaretten an, wobei er in der rechten Hand eine fast ausgetrunkene Flasche Bier (0,5 l) hielt. Beide wiesen ihn jedoch ab und setzten ihren Weg fort. Der Zeuge B. , der eine WhatsApp-Nachricht erhalten hatte, blieb stehen und begann , sein Smartphone im Wert von 200 € in beiden Händen haltend, die Nachricht zu beantworten.
5
Der Angeklagte beschloss nun spontan und alkoholbedingt enthemmt, das Smartphone an sich zu bringen. Er trat von hinten an B. heran und schlug ihm von schräg hinten die Flasche gegen den Kopf, wobei der Schlag „aus einer Ausholbewegung wie für einen Schlag mit der bloßen Hand“ erfolgte und den Geschädigten an der linken Kopfseite traf. Die Flasche zerbrach. Dann entriss ihm der Angeklagte mit der linken Hand das Smartphone , um es zu behalten und flüchtete. Kurz vor seiner Festnahme durch die Polizei warf er das Mobiltelefon in ein Gebüsch. Der Geschädigte erhielt das Mobiltelefon zurück. Er hatte durch den Schlag mit der Flasche eine 1 cm lange , tiefe Platzwunde an der linken Schädelseite, eine kleine Risswunde am linken Ohrläppchen und ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades erlitten, das ihm etwa zwei Tage Beschwerden bereitete.
6
2. Die Kammer hat das Vorliegen der Schwere der Schuld gemäß § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG verneint.
7
Zwar könne das objektive Gewicht der Tat hinsichtlich der Schwere des Unrechts nach allgemeinem Strafrecht, das eine Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren vorsehe, ein Indiz für die Bejahung der „Schuldschwere“ sein. Jedoch führe dies hier in der Gesamtabwägung mit der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten nicht zur Bejahung der Schwere der Schuld. In der konkreten Ausgestaltung handele es sich um eine durch ungewohnten Alkoholkonsum enthemmte Handlung des Angeklagten. Dieser habe in einer jugendtypischen Kurzschlusshandlung die „negative Antwort“ des Geschädigten auf sein „Schnorren“ nach Zigaretten als Anlass für eine durchaus heftige Reaktion ge- nommen. Gerade hierin zeige sich das jugendtypische fehlende Nachdenken und Reflektieren in einer Kurzschlussreaktion. Die Tat sei von keinerlei Notwendigkeit getrieben gewesen, da der Angeklagte zum Tatzeitpunkt mindestens ein Mobiltelefon mit Vertrag besessen und es auch für die erforderlichen Kontakte zu seinem Weisungsbetreuer zuverlässig genutzt habe.

II.


8
Die Nachprüfung des Urteils auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten ergeben. Die Jugendkammer hat nicht nur schädliche Neigungen rechtsfehlerfrei verneint, sondern auch die Schwere der Schuld gemäß § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG.
9
1. Der Schuldgehalt der Tat ist bei der Deliktsbegehung durch jugendliche und heranwachsende Täter jugendspezifisch zu bestimmen (BGH, Urteil vom 20. April 2016 – 2 StR 320/15, BGHSt 61, 188, 191). Die „Schwere der Schuld“ im Sinne des § 17 Abs.2 JGG wird daher nicht vorrangig anhand des äußeren Unrechtsgehalts der Tat und ihrer Einordnung nach dem allgemeinen Strafrecht bestimmt, sondern es ist in erster Linie auf die innere Tatseite abzu- stellen (BGH, Urteil vom 19. Februar 2014 – 2 StR 413/13, NStZ 2014, 407, 408). Der äußere Unrechtsgehalt der Tat und das Tatbild sind jedoch insofern von Belang, als hieraus Schlüsse auf die charakterliche Haltung, die Persönlichkeit und die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden gezogen werden können (BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2014 – 3 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 155, 156; vom 6. Mai 2013 – 1 StR 178/13, NStZ 2013, 658, 659; vom 14. August 2012 – 5 StR 318/12, NStZ 2013, 289, 290 und vom 19. November 2009 – 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281; Urteil vom 11. November 1960 – 4 StR 387/60, BGHSt 15, 224, 226). Entscheidend ist, ob und in welchem Umfang sich die charakterliche Haltung, die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Täters vorwerfbar in der Tat manifestiert haben (BGH, Urteil vom 11. November 1960 – 4 StR 387/60, BGHSt 15, 224, 226).
10
2. Die Jugendkammer hat bei ihrer Bewertung der „Schuldschwere“ im Sinne des § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG diesen Bewertungsmaßstab angelegt. Sie hat insbesondere betont, dass bei der zu treffenden Beurteilung dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat keine selbständige Bedeutung zukommt. Rechtsfehlerhaft wäre es gewesen, die Schwere der Schuld ausschließlich oder wesentlich auf den äußeren Unrechtsgehalt der Tat zu stützen, weil das Entscheidende die innere Tatseite ist, also inwieweit sich charakterliche Haltung, Persönlichkeit und Tatmotivation des Angeklagten in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben.
11
Die Jugendkammer hat die Bewertung des Unrechtsgehalts der Tat auch nicht völlig unterlassen, sondern hat in ihre Gesamtbewertung eingestellt, dass das allgemeine Strafrecht für den schweren Raub eine Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren vorsieht. In diesem Rahmen hat sie erörtert, inwieweit aus der Bewertung des Unrechtsgehalts der Tat ein Schluss auf die Persönlichkeit des Angeklagten und die Höhe seiner Schuld möglich ist. Sie hat hierbei die Aspek- te der Enthemmung durch ungewohnten Alkoholkonsum, die Spontaneität der Tat als Reaktion auf das abschlägig beschiedene „Schnorren“ nach Zigaretten für sich bzw. seine Begleiter in Gestalt einer „jugendtypischen Kurzschlusshandlung“ benannt sowie die fehlende Notwendigkeit für die Wegnahme des Mobiltelefons, da der Angeklagte ein eigenes besaß.
12
Nicht ausdrücklich eingestellt hat die Jugendkammer (im Rahmen der Prüfung des Maßes der ausgeübten Gewalt bei § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB und der tateinheitlich begangenen gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) die Art des Zuschlagens mit der fast leeren Bierflasche. Da das Landgericht jedoch zuvor den gegen die linke Kopfseite des Geschädigten erfolgten Schlag anschaulich mit „aus einer Ausholbewegung wie für einen Schlag mit der bloßen Hand“ von schräg hinten beschrieben hatte, der keine erheblichen Verletzungen des Opfers verursachte, ist auszuschließen, dass ihr dies aus dem Blick geraten sein könnte.
13
Das Landgericht hat damit rechtsfehlerfrei die Ablehnung der „Schuld- schwere“ mit dem Umfang der Schuld des Angeklagten begründet, insbesonde- re mit der Stärke seines verbrecherischen Willens (Kurzschlusshandlung), mit seinen Beweggründen (Reaktion auf das erfolglose „Schnorren“) und mit den Zwecken, die er mit der Tat verfolgte (keine persönliche Bereicherung, sondern eine Art Abstrafen).
14
Zudem kann der Senat den Urteilsgründen, insbesondere den Ausfüh- rungen der Jugendkammer im Rahmen der Prüfung „schädlicher Neigungen“, mit der gebotenen Sicherheit entnehmen, dass selbst dann, wenn die Schuld des Angeklagten als „schwer“ i.S.d. § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG einzustufen wäre, die Verhängung von Jugendstrafe deshalb nicht in Betracht kommen kann, weil dies aus erzieherischen Gründen nicht erforderlich ist (vgl. BGH, Urteile vom 11. November 1960 – 4 StR 387/60, BGHSt 15, 224, 225 f.; vom 29. September 1961 – 4 StR 301/61, BGHSt 16, 261, 263 und vom 9. August 2000 – 3 StR 176/00, NStZ-RR 2001, 215, 216; Beschluss vom 20. Januar 1998 – 4 StR 656/97, NStZ-RR 1998, 317, 318); denn die Jugendkammer konnte bei dem Angeklagten keine „Persönlichkeits- oder Erziehungsmängel“ feststellen. Raum Jäger Cirener Fischer Hohoff

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 178/13
vom
6. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: sexueller Nötigung u.a.
zu 2.: Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Mai 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 357 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten N. wird das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 20. Dezember 2012 unter Erstreckung auf die Mitangeklagte J. dahingehend abgeändert, dass
a) die Angeklagte N. der gefährlichen Körperverletzung und der sexuellen Nötigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Nötigung und gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,
b) die Mitangeklagte J. der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen, der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Nötigung und mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision der Angeklagten und die Revision des Angeklagten R. werden verworfen.
3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat die Angeklagte N. und die nicht revidierende Mitangeklagte J. aufgrund verschiedener Handlungen zum Nachteil der Nebenklägerin u.a. wegen Vergewaltigung in zwei Fällen verurteilt. Den Schuldsprüchen wegen dieses Delikts in den Fällen III.B.3. und III.B.4. der Urteilsgründe liegt folgendes tatsächliche Geschehen zugrunde:
2
1. Nachdem beide im Zusammenwirken mit dem Angeklagten R. und einem weiteren nicht revidierenden Mitangeklagten die Nebenklägerin über mehrere Stunden misshandelt und gedemütigt hatten, zwangen diese die Nebenklägerin unter Androhung von Schlägen, sich nackt in eine Badewanne zu stellen. Dort führte ihr die Mitangeklagte J. in Anwesenheit und mit Billigung der Angeklagten N. einen mit Gleitgel versehenen Vibrator in den Anus ein. Auf die dadurch hervorgerufenen Schmerzensschreie der Nebenklägerin reagierten sie mit lautem Gelächter (Fall III.B.3. der Urteilsgründe). Einige Zeit später brachten beide die Nebenklägerin unter Drohung mit Schlägen dazu, bei dem Angeklagten R. für einige Minuten den Oralverkehr auszuführen. Da sich bei diesem jedoch keine Erektion einstellte, wurde der weitere Vollzug abgebrochen (Fall III.B.4. der Urteilsgründe).
3
2. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 4. April 2013 zutreffend ausgeführt hat, belegen diese Feststellungen den Schuldspruch gegen die Angeklagte N. wegen Vergewaltigung in zwei Fällen nicht. Nach der wesentlich auf den Wortlaut „der Täter“ in § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB abstellenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verwirklicht das genannte, eigenständig zu tenorierende Regelbeispiel nur derjenige Tatbe- teiligte, der in eigener Person eine der in der Vorschrift genannten sexuellen Handlungen verwirklicht (BGH, Beschlüsse vom 15. März 2000 - 2 StR 635/99, NStZ-RR 2000, 326 und vom 21. April 2009 - 4 StR 531/08, NStZ-RR 2009, 278). Tatbeteiligte, bei denen diese eigenhändige Verwirklichung nicht vorliegt, können nicht als Mittäter einer Vergewaltigung verurteilt werden (BGH, Beschluss vom 8. November 2011 - 4 StR 468/11, NStZ-RR 2012, 45). Die Angeklagte N. hat in keinem der beiden Fälle ein von den Sexualhandlungen der Vergewaltigung erfasstes Verhalten in eigener Person vollzogen.
4
Da jedoch nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen die Voraussetzungen einer sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB jeweils erfüllt waren, war der Schuldspruch entsprechend zu berichtigen. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil die vollumfänglich geständige Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
5
Angesichts der nach den festgestellten Gesamtumständen der sich über rund 24 Stunden erstreckenden Misshandlungen, Demütigungen und Erniedrigungen der Nebenklägerin ungewöhnlich niedrigen Strafe schließt der Senat aus, dass das Tatgericht zu einer noch geringeren Jugendstrafe gelangt wäre, wenn es in den Fällen III.B.3. und 4. der Urteilsgründe von sexuellen Nötigungen gemäß § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB statt von Vergewaltigungen gemäß § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen wäre.
6
3. Dass die Angeklagte N. im Fall III.B.3. der Urteilsgründe nicht zusätzlich wegen Nötigung gemäß § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB verurteilt worden ist, weil sie gemeinsam mit der Mitangeklagten J. die Nebenklägerin durch Drohung mit Misshandlungen dazu gezwungen hat, sich zeitlich vor der analen Penetration durch die Mitangeklagte J. den Vibrator selbst vaginal einzuführen, hat sich nicht zu Lasten der Angeklagten ausgewirkt.
7
4. Die Angriffe der Revision der Angeklagten N. gegen die Verhängung einer Jugendstrafe und deren Bemessung dringen nicht durch.
8
a) Der Senat teilt insbesondere nicht die Auffassung der Revision, der Anordnungsgrund der „Schwere der Schuld“ in § 17Abs. 2 JGG könne grund- sätzlich lediglich bei „Kapitalstrafsachen“ in Betracht kommen. Dies entspricht nicht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die auch außerhalb dessen bei besonders schweren Straftaten, zu denen gravierende Sexualdelikte gehören können (BGH, Beschlüsse vom 27. Oktober 2009 - 3 StR 404/09, NStZ-RR 2010, 56 f. und vom 28. September 2010 - 5 StR 330/10, StV 2011, 588 f.), die Verhängung einer allein auf die Schwere der Schuld gegründeten Jugendstrafe zugelassen hat (etwa BGH, Beschluss vom 20. Januar 1998 - 4 StR 656/97, StV 1998, 332, 333; weit. Nachw. bei Radtke in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., 2013, Band 6, JGG § 17 Rn. 67).
9
b) Im Übrigen neigt der Senat dazu, bereits das Vorliegen eines gewissen Schuldausmaßes allein als Anordnungsgrund einer auf das Merkmal der „Schwere der Schuld“ gestützten Jugendstrafe ohne eine faktische Erziehungs- fähigkeit und -bedürftigkeit des jugendlichen oder heranwachsenden Täters genügen zu lassen. Weder der Wortlaut von § 17 Abs. 2 JGG noch dessen Entstehungsgeschichte (vgl. BT-Drucks. I/3264 S. 40 re. Spalte/S. 41 li. Spalte) deuten auf ein kumulatives Erfordernis eines solchen Erziehungsbedürfnisses als Anordnungsvoraussetzung der Jugendstrafe hin. Die in § 18 Abs. 2 JGG enthaltene Vorgabe, bei der Bemessung der Jugendstrafe die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich zu machen, betrifft unmittelbar lediglich die Festsetzung der Dauer einer Jugendstrafe, nicht aber die vorgelagerte, in § 17 Abs. 2 JGG (in Verbindung mit § 5 und § 13 Abs. 1 JGG) geregelte Auswahl der jugendstrafrechtlichen Sanktion. Es entspricht zudem ohnehin der gefestig- ten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, im Rahmen der Strafbemessung der Jugendstrafe gemäß § 18 Abs. 2 JGG neben der Erziehungswirksamkeit auch andere Strafzwecke, bei schweren Straftaten vor allem das Erfordernis des gerechten Schuldausgleichs, zu berücksichtigen (BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 1981 - 1 StR 634/81, StV 1982, 121; vom 27. November 1995 - 1 StR 634/95, NStZ 1996, 232 f.; BGH, Urteil vom 23. Oktober 1997 - 5 StR 486/97; Beschluss vom 23. März 2010 - 5 StR 556/09, NStZ-RR 2010, 290, 291). Dem Gedanken des Schuldausgleichs ist insbesondere bei fünf Jahre übersteigenden Jugendstrafen Bedeutung zugemessen worden, weil bei derartigen Verbüßungszeiträumen eine (weitere) erzieherische Wirkung bezweifelt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. November 1995 - 1 StR 634/95, NStZ 1996, 232 f. und vom 20. März 1996 - 3 StR 10/96, StV 1998, 344; siehe aber auch BGH, Beschluss vom 7. Mai 1996 - 4 StR 182/96, NStZ 1996, 496 f.).
10
c) Ob faktische Erziehungsfähigkeit und rechtliche Erziehungsberechtigung (bei Heranwachsenden) notwendige Anordnungsvoraussetzungen der Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld sind, bedarf vorliegend allerdings keiner Entscheidung, weil das Tatgericht ohne Rechtsfehler ein Erziehungsbedürfnis bei der Angeklagten festgestellt hat.
11
d) Die Annahme der „Schwere der Schuld“ ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Gerade weil in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dieses Merkmal nicht anhand des äußeren Unrechtsgehalts der Tat, sondern der charakterlichen Haltung, der Persönlichkeit und der Tatmotivation des bzw. der Jugendlichen oder Heranwachsenden beurteilt werden soll (etwa BGH, Beschluss vom 14. August 2012 - 5 StR 318/12, StraFo 2012, 469 f.), versteht sich das Vorliegen dieses Anordnungsgrundes des § 17 Abs. 2 JGG angesichts der getroffenen Feststellungen geradezu von selbst.
12
5. Im Fall III.B.4. der Urteilsgründe ist die Berichtigung des Schuldspruchs gemäß § 357 Satz 1 StPO auch auf die nicht revidierende Mitangeklagte J. zu erstrecken (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2011 - 4 StR 468/11, NStZ-RR 2012, 45). Diese hat lediglich im Fall III.B.3. der Urteilsgründe durch das anale Einführen des Vibrators in eigener Person eine der in § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB genannten Handlungen vorgenommen, nicht aber im Fall III.B.4. der Urteilsgründe. Die Erstreckung ist auch dann vorzunehmen , wenn sich die Schuldspruchberichtigung nicht auf den Rechtsfolgenausspruch auswirkt (BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 1 StR 385/03 mwN).

II.


13
Die Revision des Angeklagten R. bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 4. April 2013 ohne Erfolg.
Wahl Rothfuß Jäger Radtke Zeng

(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.

(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.