Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2011 - 3 StR 353/11

bei uns veröffentlicht am25.10.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 353/11
vom
25. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
25. Oktober 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 6. Mai 2011, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung zu der Jugendstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete, auf eine Beanstandung des Verfahrens und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Die erhobene Verfahrensrüge greift aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durch; die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. Der Strafausspruch hat indes keinen Bestand.
3
Die Verhängung der Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld hält der Nachprüfung nicht stand. Die Kammer stützt ihre Bewertung maßgeblich darauf, dass der Angeklagte sich an einer schweren Straftat, einem Verbrechen (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB), beteiligt hat und der Strafrahmen nach Erwachsenenstrafrecht sechs Monate bis zu elf Jahren und drei Monaten wäre. Bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne von § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG kommt jedoch dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat und ihrer Einstufung im Strafgesetzbuch als Verbrechen keine selbständige Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist nur insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Höhe der Schuld gezogen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2009 - 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281 mwN). Diese ermisst sich aus dem Gewicht der Tat und der persönlichkeitsbegründenden Beziehung des Täters zu dieser. Dabei ist bei einer Teilnahme vorrangig auf die Schuld des Teilnehmers abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. August 2000 - 3 StR 253/00, wistra 2000, 463). Nähere Ausführungen zu alledem enthält das Urteil nicht. Die Jugendkammer bemerkt lediglich, dass selbst seine untergeordnete Tatbeteiligung das Gewicht seiner Tat und die Beziehung des Angeklagten zu dieser Tat nicht derart zu verändern vermöge, dass hier die Schwere der Schuld entfiele. Diese Annahme hätte angesichts der Gehilfenstellung des Angeklagten und seiner unbedeutenden Tatbeteiligung näher begründet werden müssen. Das Fehlen einer solchen Begründung lässt besorgen, dass die Jugendkammer maßgeblich vom äußeren Unrechtsgehalt der Haupttat - einem Überfall auf eine Spielothek - auf die Schwere der Schuld des als Gehilfen beteiligten Angeklagten im Sinne von § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG geschlossen hat.
4
Auch die konkrete Strafzumessung begegnet rechtlichen Bedenken. Die Jugendkammer hat zwar ausgeführt, dass sie sich bei der Bemessung der Höhe der Jugendstrafe vorrangig am Erziehungszweck orientiert habe (§ 18 Abs. 2 JGG). Dies ist aus den Urteilsgründen indes nicht erkennbar. Den für die Frage des Erziehungsbedarfs bedeutsamen Umständen, dass bei dem Angeklagten "zwischenzeitlich ein Umdenken stattgefunden hat" und "er einer ordentlichen Schulausbildung entgegenstrebt", hat das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung allein gegenübergestellt, dass gegen ihn Anfang Mai 2008, also rund zweieinhalb Jahre vor Begehung der gegenständlichen Tat und drei Jahre vor dem Erlass des angefochtenen Urteils, wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen ein Freizeitjugendarrest verhängt und vollstreckt wurde. Dies entspricht einer Abwägung wie sie im Erwachsenenstrafrecht maßgeblich ist. Auch im Übrigen finden sich in den Urteilsgründen keine Hinweise darauf, dass die Jugendkammer bei der Bemessung der Jugendstrafe den Vorrang des Erziehungszwecks ausreichend beachtet hat. Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht am Ende seiner Strafzumessung festgestellt hat, die zugemessene Jugendstrafe sei "für die erzieherische Einwirkung auf den Angeklagten mindestens notwendig". Diese lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens genügt hier den Anforderungen nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Februar 1993 - 1 StR 920/92, StV 1993, 531). Angesichts all dieser Umstände kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht bei der Bemessung der Jugendstrafe den Erziehungsgedanken tatsächlich nicht vorrangig berücksichtigt hat.
5
Der Strafausspruch bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker von Lienen Hubert Schäfer Menges

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 18 Dauer der Jugendstrafe


(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so is

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 400/09
vom
19. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. November 2009
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 19. Mai 2009, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu der Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Das Landgericht hat das Vorliegen schädlicher Neigungen i.S.d. § 17 Abs. 2 Alt. 1 JGG ausschließlich mit den strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten begründet (UA S. 20). Dieser sei in der Vergangenheit immer wieder und 'auch erheblich' strafrechtlich in Erscheinung getreten (a.a.O.). Die Jugendkammer hat es aber versäumt, die Vorverurteilungen inhaltlich darzustellen, so dass eine Beurteilung, ob es sich um erhebliche Straftaten handelte, aus denen sich auf schädliche Neigungen schließen ließe, nicht möglich ist (vgl. BGH Beschluss vom 9. Juni 2009 - 5 StR 55/09). Die bloße Mitteilung der Verurteilungen (UA S. 3) genügt hier schon deshalb nicht, da sich aus den erwähnten jugendstrafrechtlichen Sanktionen keine unmittelbaren Schlüsse auf 'erhebliche' Straftaten ziehen lassen. Die Feststellung schädlicher Neigungen bedarf zudem des Nachweises schon vor der Tat bestehender Persönlichkeitsmängel, die auf die Tat Einfluss hatten, im Zeitpunkt der Entscheidung noch bestehen und weitere Straftaten befürchten lassen (BGHR JGG § 17 Abs. 2 schädliche Neigungen 5 m.w.N.; BGH StV 1998, 331; Brunner /Dölling JGG 11. Aufl. 2002 § 17 Rdn. 12 m.w.N.). Die knappen Angaben zur Person des Angeklagten (UA S. 3) reichen hierzu nicht aus. Gerade angesichts der vom Landgericht im Rahmen der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung angeführten positiven Aspekte (UA S. 22) hätte die Annahme schädlicher Neigungen einer eingehenden Begründung bedurft. Die Verhängung einer Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld wird von der knappen Begründung im Urteil nicht getragen. Die Kammer stützt ihre Bewertung ausschließlich darauf, dass der Angeklagte einen Verbrechenstatbestand verwirklicht hat und es sich bei der abgeurteilten Tat um ein Gewaltdelikt der schweren räuberischen Erpressung handelt (UA S. 21). Bei der Beurteilung der Schuldschwere i.S.d. § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG kommt jedoch dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat keine selbständige Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr die innere Tatseite, d.h. inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist nur insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Höhe der Schuld gezogen werden können (BGHSt 15, 224, 226; 16, 261, 263; BGHR JGG § 18 Abs. 2 Tatumstände 2; Senat NStZ-RR 2001, 215, 216). Ausführungen hierzu enthält das Urteil nicht, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer unmittelbar vom äußeren Unrechtsgehalt auf die 'Schwere der Schuld' i.S.d. § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG geschlossen hat. Auch die konkrete Strafzumessung (UA S. 21) begegnet Bedenken, da aus den Urteilsgründen nicht erkennbar ist, ob die Jugendkammer sich hierbei gemäß § 18 Abs. 2 JGG vorrangig am Erziehungszweck orientiert hat. Eine lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens in den Urteilsgründen genügt nicht (BGH StV 1998, 335; vgl. Brunner/Dölling JGG 11. Aufl. 2002 § 17 Rdn. 7a). Das Landgericht gibt zwar an, dass es sich bei der Bemessung der Jugendstrafe in erster Linie von erzieherischen Erwägungen habe leiten lassen (UA S. 21). Nachfolgend werden jedoch ausschließlich Zumessungserwägungen mitgeteilt, die auch im Erwachsenenstrafrecht maßgeblich sind. Auch an anderer Stelle des Urteils finden sich keine Hinweise darauf, dass die Jugendkammer bei der Bemessung der Jugendstrafe den Vorrang des Erziehungszwecks beachtet hat. Schließlich hat es das Landgericht unterlassen, den Vollstreckungsstand der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Syke vom 25. November 2008 (UA S. 3) mitzuteilen. Das neue Tatgericht wird zu prüfen haben, ob die verhängte Strafe nach §§ 105 Abs. 2, 31 Abs. 2 JGG einzubeziehen ist."
3
Dem verschließt sich der Senat nicht. Becker RiBGH von Lienen befindet sich Sost-Scheible im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Schäfer Mayer

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.