Bundesgerichtshof Urteil, 09. Juli 2014 - 2 StR 13/14

bei uns veröffentlicht am09.07.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 1 3 / 1 4
vom
9. Juli 2014
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
____________________
Ein zum Zweck sexueller Erregung vorgenommenes Urinieren des Täters in
den Mund eines Kindes oder die Veranlassung des Kindes zum Urinieren in
den Mund des Täters ist eine sexuelle Handlung, die mit einem Eindringen in
den Körper verbunden und als beischlafähnlich zu werten ist (Fortführung von
BGHSt 53, 118).
BGH, Urteil vom 9. Juli 2014 - 2 StR 13/14 - LG Aachen
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Juli 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Richterin am Landgericht bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 15. Juli 2013 im Fall 4 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwölf Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahrenverurteilt und im Übrigen freigesprochen. Seine auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen war sie als unbegründet zu verwerfen.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte eng befreundet mit der Familie der 1996 geborenen G. , der späteren Geschädigten. Erstmals im Alter von fünf Jahren übernachtete sie bei dem Angeklagten , der sich fortan regelmäßig um sie kümmerte und sich zunehmend zu einer engen Bezugsperson der Geschädigten entwickelte. Immer häufiger übernachtete sie das ganze Wochenende und in den Schulferien auch mehrere Wochen bei dem Angeklagten. Beide schliefen dann gemeinsam auf einer Schlafcouch, wobei der Angeklagte die Geschädigte veranlasste - wie er selbst - nackt zu schlafen. Der Angeklagte schaffte eine zunehmend sexualisierte Atmosphäre und vermittelte der Geschädigten insbesondere den Eindruck , dass Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern normal sei. Im Einzelnen kam es zu nachfolgenden Tathandlungen:
3
Zwischen dem 28. Januar 2004 und 27. Januar 2005 zeigte der Angeklagte der damals 8-jährigen Geschädigten einen Pornofilm, in dem junge Mädchen im Alter von ungefähr vier Jahren den Oralverkehr an erwachsenen Männern ausführten. Der Angeklagte kommentierte die Szenen unter anderem dahin , welche der Mädchen ihm gefielen und dabei schön aussähen (Fall 1). Bei einer weiteren Gelegenheit zeigte er der Geschädigten einen Film, in dem ein erwachsener Mann einem jungen Mädchen an der Scheide leckte (Fall 2).
4
An einem Tag zwischen Sommer 2004 und dem 27. Januar 2007 veranlasste der Angeklagte die maximal 10-jährige Geschädigte, sich ausgezogen auf die Couch zu legen und leckte ihre Vagina im Bereich der Klitoris (Fall 3). Im gleichen Zeitraum und jedenfalls nach den Fällen 1 und 2 saß der Angeklagte mit der Geschädigten nackt in der Badewanne. Die Geschädigte, die insbesondere aufgrund des Vorspielens der Filme (Fall 1 und 2) der Fehlvorstellung unterlag, Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern sei normal, nahm während des Badens unvermittelt das Glied des Angeklagten in den Mund. Der Angeklagte fasste spätestens zu diesem Zeitpunkt den Entschluss, sich von der Geschädigten den Oralverkehr an sich ausüben zu lassen. Er unternahm daher nichts, den Oralverkehr zu beenden, sondern ließ die Geschädigte gewähren, um sich sexuell zu erregen (Fall 4).
5
In der Folgezeit bestärkte der Angeklagte die Geschädigte in der Annahme , dass Sexualkontakt zwischen ihnen beiden normal sei. Er äußerte wiederholt , dass sie für ihr Alter schon besonders reif sei, worauf die Geschädigte, die dem Angeklagten gefallen wollte, sehr stolz war. Der Angeklagte schwärmte auch von zwei 13- und 17-jährigen Mädchen, die mit ihm Urinspiele ausüben würden. Beeindruckt von den Erzählungen des Angeklagten und um ebenso erwachsen zu sein, erklärte sich die zwischenzeitlich 12-jährige Geschädigte an einem Tag zwischen dem 28. Januar 2008 und 27. Januar 2009 dazu bereit, sich von dem Angeklagten in den Mund urinieren zu lassen. Sie legte sich nackt auf den Boden, während sich der teilweise entkleidete Angeklagte über sie beugte und ihr in den geöffneten Mund urinierte, um sich sexuell zu erregen. Die Geschädigte schluckte den Urin herunter, empfand jedoch den Geschmack als ekelhaft und musste sich übergeben (Fall 5). Zu weiteren Urinspielen war sie aufgrund dieser Erfahrung zunächst nicht bereit. Dem Angeklagten gelang es aber, die Geschädigte ihrerseits zu veranlassen, ihm in den Mund zu urinieren. Er schluckte den Urin herunter, um sich sexuell zu erregen (Fall 6).
6
Da der Angeklagte weiterhin von Frauen schwärmte, mit denen er mit Urinieren verbundene Sexualpraktiken nachgehe, und die Geschädigte ihm unbedingt gefallen wollte, erklärte sie sich bald dazu bereit, es noch einmal auf umgekehrte Weise zu versuchen. Sie ließ es daher im Alter von 12 Jahren in mindestens einem Fall zu, dass ihr der Angeklagte in den offenen Mund urinier- te, wobei sie den Urin auch herunter schluckte (Fall 7). Fortan kam es zu regelmäßigen entsprechenden Praktiken, wobei der Angeklagte bei mindestens acht Gelegenheiten die zwischenzeitlich 13-jährige Geschädigte veranlasste, sich zu entkleiden und von ihm in den Mund urinieren zu lassen. Die Geschädigte schluckte den Urin bei allen Gelegenheiten herunter (Fälle 8 bis 15). Bei mindestens drei Gelegenheiten (Fälle 13 bis 15) führte die Geschädigte im Anschluss hieran den Oralverkehr am Angeklagten bis zum Samenerguss durch.
7
2. Das Landgericht hat das Tatgeschehen in den Fällen 1 bis 3 als sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176 Abs. 3 Nr. 3 StGB in der Fassung vom 13. November 1998 (Fall 1), § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB in der Fassung vom 27. Dezember 2003 (Fall 2) bzw. § 176 Abs. 1 StGB (Fall 3) und in den Fällen 4 bis 15 als schweren sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB gewertet.

II.

8
Die Verfahrensrüge ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet, die Sachrüge dagegen teilweise begründet.
9
1. Die auf § 176a Abs. 2 Nr. 1, § 176 Abs. 1 StGB gestützte Verurteilung des Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern im Fall 4 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Feststellungen des Landgerichts, wonach der Angeklagte es lediglich geschehen ließ, dass die Geschädigte den Oralverkehr an ihm ausübte, belegen kein vorsätzliches aktives Handeln des Angeklagten.
10
Die 2. Alternative des § 176 Abs. 1 StGB ist zwar bereits dann erfüllt, wenn der Täter sexuelle Handlungen „an sich von dem Kind vornehmen lässt”. Es handelt sich insoweit aber nicht um ein echtes Unterlassungsdelikt, weshalb das rein passive Dulden zur Tatbestandsverwirklichung nicht ausreicht. Erforderlich ist vielmehr, dass der beim eigentlichen Sexualkontakt sich passiv verhaltende Täter zuvor aktiv auf das Kind eingewirkt hat, etwa durch Befehlen oder Überreden. Der Tatbestand kann darüber hinaus zwar auch erfüllt sein, wenn die Initiative zum Sexualkontakt - im Gegensatz etwa zum "Bestimmen" nach § 176 Abs. 2 StGB - vom Kind selbst ausgeht. Ein Gewähren-Lassen des Täters ist aber auch in diesem Fall nur dann tatbestandlich erfasst, wenn es über die rein passive Duldung hinausgeht und zum Beispiel eine Bestärkung der vom Kind ausgehenden Initiative enthält (vgl. Fischer, StGB 61. Aufl. § 176 Rn. 6; Hörnle in LK, StGB, 12. Aufl. § 176 Rn. 11).
11
Die Strafkammer hat vorliegend weder Feststellungen dahin getroffen, dass der Angeklagte unmittelbar vor dem Tatgeschehen auf die Geschädigte eingewirkt noch dass er das auf Initiative der Geschädigten in Gang gesetzte Geschehen in irgendeiner Weise positiv kommentiert oder sonst die Geschädigte in ihrem Tun bestärkt oder ermuntert hätte. Nach den Feststellungen ging die Initiative der Geschädigten vielmehr allein auf deren sexuelle Enthemmung zurück , die der Angeklagte zuvor über einen längeren Zeitraum gefördert hatte. Zwar kann auch ein solches im weiten Vorfeld der Tat liegendes aktives Einwirken des Täters auf das Opfer ein tatbestandliches Handeln im Sinne der 2. Alternative des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB begründen. Dass der Angeklagte aber schon im Vorfeld der Tat mit dem dafür erforderlichen Vorsatz handelte, hat die Strafkammer nicht festgestellt; sie ist vielmehr davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Vorsatz, den Oralverkehr an sich ausüben zu lassen, erst fasste, als die Geschädigte seinen Penis bereits in den Mund genommen hatte (UA S. 10, 38). Ein vorsätzliches tatbestandliches Handeln des Angeklagten ist daher nicht belegt.
12
Dies führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 4 der Urteilsgründe und entzieht der dazugehörigen Einzelstrafe sowie dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
13
2. Die Nachprüfung des Urteils im Übrigen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
14
Das Landgericht hat die den Fällen 5 bis 15 zugrunde liegenden Tathandlungen zu Recht als schweren sexuellen Missbrauch von Kindern nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB gewürdigt.
15
Der Schuldspruch in den Fällen 13 bis 15 begegnet schon deshalb keinen rechtlichen Bedenken, weil die Geschädigte in diesen Fällen zumindest auch den Oralverkehr an dem Angeklagten ausführte. Dabei handelt es sich ohne Weiteres um eine sexuelle Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper im Sinne des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB verbunden war. Aber auch die Bewertung des in den Fällen 5 bis 12 festgestellten gegenseitigen Urinierens in den Mund als jeweils schwerer sexueller Missbrauch von Kindern begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
16
Nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB wird der sexuelle Missbrauch von Kindern in den Fällen des § 176 Abs. 1 und 2 StGB als schwerer sexueller Missbrauch mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, wenn eine Person über achtzehn Jahren an einem Kind den Beischlaf vollzieht (1. Alternative) oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (2. Alternative ). Die Voraussetzungen der 2. Alternative liegen hier vor. Sowohl das Urinieren des Angeklagten in den Mund der Geschädigten (Fälle 5, 7 bis 12) als auch das Urinieren der Geschädigten in den Mund des Angeklagten (Fall 6), verbunden jeweils mit der oralen Aufnahme, stellt eine sexuelle Handlung ge- mäß § 176 Abs. 1 StGB (a) dar, die mit dem Eindringen in einen Körper verbunden (b) und die als „beischlafsähnlich“ (c) zu werten ist:
17
a) Tathandlung des § 176 Abs. 1 StGB ist die Vornahme einer sexuellen Handlung durch den Täter an dem Kind oder aber das Vornehmen-Lassen von Handlungen des Kindes am Täter.
18
aa) Das gegenseitige Urinieren in den Mund stellt eine Handlung des Täters „an” dem Kind bzw. des Kindes „am” Täter im Sinne dieser Vorschrift dar. § 176 Abs. 1 StGB erfasst zwar - im Gegensatz zu seinem Absatz 2 - nur solche Handlungen, bei denen es zum Körperkontakt zwischen dem Täter und dem Kind kommt (BGH, Urteil vom 24. September 1991 - 5 StR 364/91, BGHSt 38, 68, 70; Urteil vom 7. September 1995 - 1 StR 236/95, 41, 242, 243; Urteil vom 31. Oktober 1995 - 1 StR 527/95, 285, 287; Senat, Urteil vom 20. Mai 1992 - 2 StR 73/92, NStZ 1992, 433; Beschluss vom 26. August 1998 - 2 StR 357/98). Dies setzt eine körperliche Berührung voraus, d.h. der Täter muss mit seiner sexuellen Handlung auf den Körper des Tatopfers einwirken, ihn in Mitleidenschaft ziehen. Allerdings ist mit „körperlicher Berührung” bzw. „Körperkontakt” nicht nur der unmittelbare Hautkontakt, d.h. die Berührung nackter Körperstellen gemeint (Senat, Urteil vom 20. Mai 1992 - 2 StR 73/92, NStZ 1992, 433 mwN). Vielmehr kann auch der Griff über der Kleidung oder die Berührung des Körpers mit einem Gegenstand eine sexuelle Handlung „an” einem anderen jedenfalls dann darstellen, wenn der Körper des anderen selbst - nicht nur seine Kleidung und gegebenenfalls seine psychische Verfassung - in Mitleidenschaft gezogen wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1995 - 3 StR 150/95, BGHR StGB § 178 Abs. 1 sexuelle Handlung 8 mwN; Senat, Urteil vom 6. Mai 1992 - 2 StR 490/91, NStZ 1992, 432; vgl. Wolters in SK-StGB, Oktober 2012, § 184g Rn. 6; demgegenüber fordert Wolters an anderer Stelle - aaO, August 2012 § 176a Rn. 16 - einen unmittelbaren beidseitigen Körperkontakt). Entsprechend wird nicht nur das Berühren des Körpers mit einem Gegenstand, sondern auch das Ejakulieren auf den (nackten) Körper des Tatopfers als ausreichend erachtet (Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118, 121; vgl. zu § 178 Abs. 1 StGB a.F. BGH, Urteil vom 20. Mai 1992 - 2 StR 73/92, NStZ 1992, 433 mwN).
19
bb) Das gegenseitige Urinieren in den Mund verbunden mit der oralen Aufnahme des Urins stellte schon seinem äußeren Erscheinungsbild nach auch eine sexualbezogene Handlung im Sinne des § 176 Abs.1 StGB dar (allgemein zu den Voraussetzungen, vgl. BGH, Urteil vom 24. September 1980 - 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336; Urteil vom 20. Dezember 2007 - 4 StR 459/07, NStZRR 2008, 339), denn es erfolgte jeweils unter Einbeziehung eines Geschlechtsteils (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 18. November 1999 - 4 StR 389/99, NJW 2000, 672; Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118, 120 f.), wobei jedenfalls die Geschädigte regelmäßig auch vollständig unbekleidet war; zudem handelt es sich bei dem Urinieren auf den Körper oder in den Mund eines anderen um eine nicht ganz selten vorkommende sexuelle Praktik.
20
Das Handeln des Angeklagten war schließlich auch - wie festgestellt - in allen Fällen sexuell motiviert.
21
cc) Die Handlungen waren auch erheblich im Sinne von § 184g Nr. 1 StGB, denn sie lassen sowohl nach ihrer Bedeutung als auch nach ihrer Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des durch die §§ 174 ff. StGB geschützten Rechtsguts besorgen (zu den allgemeinen Voraussetzungen vgl. Senat, Beschluss vom 12. September 2012 - 2 StR 219/12, NStZ 2013, 280; BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; Urteil vom 24. September 1980 - 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336). Das ist schon deshalb anzunehmen, weil das Tatopfer bei den Hand- lungen regelmäßig vollständig entkleidet war und das Geschehen in seinem Zusammenhang nach allgemeinem Empfinden weit entfernt ist von bloßen Taktlosigkeiten oder bagatellhaften Übergriffen.
22
b) Das Urinieren in den Mund des Opfers stellt ebenso wie das Urinieren des Opfers in den Mund des Täters ein „Eindringen in den Körper” im Sinne des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB dar.
23
aa) Schon der Gesetzeswortlaut setzt nicht voraus, dass eine beteiligte Person mit einem eigenen Körperteil in den Körper einer anderen Person eindringt , sondern nur dass „etwas“ in den Körper des Anderen gelangt (vgl. Renzikowski in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. § 176a Rn. 22; Hörnle in LK, StGB, 12. Aufl. § 176a Rn. 28). Ausreichend ist, dass eine sexuelle Handlung die Körpergrenze durchdringt (vgl. Frommel in Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. § 176a Rn. 4), weshalb sowohl das männliche Glied, andere Körperteile und feste Gegenstände als auch weiche Substanzen und Flüssigkeiten wie Sperma oder Urin vom Wortlaut erfasst sind (vgl. auch Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118, 120 f.; vgl. auch Schönke/Schröder/Eisele, StGB 29. Aufl. § 176a Rn. 8a; Ziegler in BeckOK StGB, Stand 22. Juli 2013, § 176a Rn. 11; Renzikowski in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. § 176a Rn. 22).
24
bb) Auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte und von seinem Sinn und Zweck her erfasst § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB das Urinieren in den Mund als ein „Eindringen in den Körper”.
25
Der Begriff „Eindringen in den Körper” in § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB um- schreibt besonders nachhaltige Begehungsweisen und stellt sie unter erhöhte Strafdrohung (Senat, Urteil vom 16. Juni 1999 - 2 StR 28/99, BGHSt 45, 131, 132). „Eindringen” erfordert zwar eine Penetration des Körpers, also nicht nur die bloße Berührung (BGH, Beschluss vom 14. September 1999 - 4 StR 381/99, NStZ 2000, 27, 28). Er ist aber nicht ausdrücklich auf den Beischlaf, den Anal- und Oralverkehr beschränkt (BGH, Urteil vom 18. November 1999 - 4 StR 389/99, NJW 2000, 672).
26
Dafür spricht schon seine Entstehungsgeschichte. Der Qualifikationstatbestand des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB wurde als § 176a Abs. 1 Nr. 1 durch das 6. StrRG vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) in das Strafgesetzbuch eingeführt. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollte dieses qualifizierende Merkmal im Wesentlichen dem durch das 33. StrÄndG vom 1. Juli 1997 (BGBl. I S. 1607) in § 177 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB (heute § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) eingeführten Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Vergewaltigung nachgebildet werden (BT-Drucks. 13/8587, S. 31 f.). Hiernach sollte „vor allem das Eindringen des Geschlechtsgliedes in den Körper als orale oder anale Penetration erfasst” werden (BT-Drucks. 13/2463, S. 7 und BT-Drucks. 13/7324, S. 6; BGH, Beschluss vom 14. September 1999 - 4 StR 381/99, NStZ 2000, 27). Mag danach der Gesetzgeber in erster Linie an den Anal- und Oralverkehr gedacht haben, so hat er die Anwendung des Tatbestandes neben dem Beischlaf nicht auf diese Arten sexueller Betätigung beschränkt. Dies folgt schon daraus, dass ausdrücklich auch „das Eindringen mit Gegenständen” er- fasst werden sollte, das „eine in gleicher Weise belastende und erniedrigende Verhaltensweise darstellen (kann)” (BT-Drucks. 13/2463, S. 7, BT-Drucks. 13/7324, S. 6, jew. zu § 177 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB i.d.F. des 33. StrRG; vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1999 - 4 StR 389/99, NJW 2000, 672). Demzufolge ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur das Eindringen des männlichen Glieds erfasst, sondern auch das Eindringen jedes anderen Körperteils oder von Gegenständen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1999 - 4 StR 389/99, NJW 2000, 672; Urteil vom 30. September 2004 - 4 StR 134/04, NStZ 2005, 152, 153 - jeweils zum Finger; Urteil vom 15. Juni 2005 - 1 StR 499/04, NStZ-RR 2007, 195, 196; Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 65/11, NJW 2011, 3111 - Zunge; Beschluss vom 12. März 2014 - 4 StR 562/13 - Vibrator).
27
Ein Eindringen in den Körper ist daher nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auch dann gegeben, wenn Körpersekrete oder Ausscheidungsprodukte in Körperöffnungen gelangen und gerade (auch) hierin jedenfalls aus Sicht des Täters die Sexualbezogenheit des Vorgangs liegt. Anders als das Regelbeispiel des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB stellt § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht auf die besondere Erniedrigung des Opfers ab, sondern allein auf das Eindringen in den Körper, welches - soweit beischlafähnlich - als schwerwiegende Beeinträchtigung der körperlichen Integrität anzusehen ist (Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 282/08, BGHSt 53, 118, 120).
28
cc) Das gilt auch für solche Fälle, in denen das Urinieren in den Mund des Täters vorgenommen wird, denn tatbestandlich erfasst wird sowohl das Eindringen in den Körper des Opfers als auch in den des Täters (vgl. Senat, Urteil vom 16. Juni 1999 - 2 StR 28/99, BGHSt 45, 131, 133 ff. m. Anm. Hörnle, NStZ 2000, 310; Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 282/08, BGHSt 53, 118, 119; vgl. Eisele in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl., § 176a Rn. 8a; Renzikowski in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. § 176a Rn. 22).
29
c) Bei den in den Fällen 5 bis 12 festgestellten sexuellen Handlungen handelt es sich auch um solche, die einem Beischlaf ähnlich sind.
30
Die gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB erforderliche Beischlafähnlichkeit der mit einem Eindringen in den Körper verbundenen sexuellen Handlung setzt nicht unbedingt äußerliche Ähnlichkeit mit dem Bewegungsablauf beim Vollzug des Beischlafs voraus (vgl. Hörnle in LK-StGB, 12. Aufl. § 176a Rn. 26, 28; Fischer, aaO Rn. 8; a.A. Wolters in SK, StGB, August 2012, § 176a Rn. 16). Eine Ähnlichkeit mit dem Beischlaf liegt vielmehr regelmäßig schon dann vor, wenn die sexuelle Handlung ihrem äußeren Erscheinungsbild nach entweder auf Seiten des Opfers oder des Täters unter Einbeziehung des (primären) Geschlechtsteils geschieht (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1999 - 4 StR 389/99, NJW 2000, 672; Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118, 121; Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 65/11, BGHSt 56, 223, 225; Fischer, aaO Rn. 8 a; Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. § 176a Rn. 8a). Sie ist aber vor allem auch an dem Gewicht der Rechtsgutverletzung zu messen (Senat, Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 65/11, BGHSt 56, 223, 225; a.A. Wolters in SK, StGB August 2012, § 176a Rn. 16), also an ihrer Erheblichkeit im Hinblick auf das in § 176a StGB geschützte Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung und ungestörten sexuellen Entwicklung des Kindes. Entscheidend ist mithin, dass das Ausmaß der insoweit zu besorgenden Rechtsgutverletzung mit einem Beischlaf vergleichbar ist und diese Rechtsgutverletzung ebenfalls von einem Eindringen in den Körper herrührt. Richtigerweise ist darin ein (weiteres) Erheblichkeitsmerkmal zu sehen, wodurch die zweite Tatalternative angesichts des weiten Begriffs des Eindringens die notwendige Beschränkung erfährt (vgl. Ziegler in BeckOK StGB § 176a Rn. 12; Fischer, aaO Rn. 8; Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. § 176a Rn. 8a).
31
Gemessen daran, handelt es sich bei dem unter Einbeziehung eines Geschlechtsteils erfolgten Urinieren in den geöffneten Mund verbunden mit der oralen Aufnahme des Urins sowohl von seinem äußeren Erscheinungsbild her als auch im Hinblick auf die Intensität des Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung und vor allem aber die ungestörte sexuelle Entwicklung des zur Tat- zeit 12- bis 13-jährigen Kindes ohne Weiteres um eine dem Beischlaf ähnliche sexuelle Handlung. Fischer Schmitt Krehl Ott Eschelbach

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Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafgesetzbuch - StGB | § 176 Sexueller Missbrauch von Kindern


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer d

Strafgesetzbuch - StGB | § 176a Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind


(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen

Strafgesetzbuch - StGB | § 178 Sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge


Verursacht der Täter durch den sexuellen Übergriff, die sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung (§ 177) wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

Strafgesetzbuch - StGB | § 184g Jugendgefährdende Prostitution


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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2008 - 2 StR 383/08

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Bundesgerichtshof Urteil, 01. Dez. 2011 - 5 StR 417/11

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Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Apr. 2011 - 2 StR 65/11

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Referenzen

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

Verursacht der Täter durch den sexuellen Übergriff, die sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung (§ 177) wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 383/08
vom
19. Dezember 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
StGB § 176 a Abs. 2 Nr. 1
Die Qualifikation des § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB ist bei Ejakulation in den Mund
des Tatopfers erfüllt.
BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08 - Landgericht Gera
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2008
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 16. April 2008 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die insbesondere rügt, dass die Voraussetzungen des § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht erfüllt seien. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Nach den Urteilsfeststellungen rief der Angeklagte an einem Tag im Februar 2005 seine siebenjährige Tochter M. zu sich in sein Büro. Er führte die Hand des Kindes an sein unbekleidetes Geschlechtsteil und veranlasste es, an seinem Penis zu manipulieren. Er forderte es dann auf, sein Geschlechtsteil in den Mund zu nehmen, was das Kind ablehnte. Daraufhin gebot ihm der Angeklagte, die Augen zu schließen, und ejakulierte in seinen Mund. Auf seine Anweisung schluckte seine Tochter das Ejakulat.
3
2. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Landgericht hat die Tat zu Recht als schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes nach § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB gewürdigt. Nach § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB wird der sexuelle Missbrauch von Kindern in den Fällen des § 176 Abs. 1 und 2 StGB mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, wenn eine Person über achtzehn Jahren mit dem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
4
Der Senat folgt nicht dem Vorbringen der Revision, dass der Qualifikationstatbestand nicht erfüllt sei, weil nicht der Penis des Angeklagten, sondern nur das Ejakulat in den Mund des Kindes gelangt sei.
5
Die Strafvorschrift des § 176 StGB schützt die ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern. Der Begriff „Eindringen in den Körper“ in § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB umschreibt besonders nachhaltige Begehungsweisen und stellt sie unter erhöhte Strafdrohung (BGHSt 45, 131, 132). Er ist nicht auf den Beischlaf, den Anal- und Oralverkehr beschränkt (BGH NJW 2000, 672 m. Anm. Renzikowski NStZ 2000, 367). Erfasst wird sowohl das Eindringen in den Körper des Opfers als auch in den des Täters (BGHSt 45, 131, 133 m. Anm. Hörnle NStZ 2000, 310). „Eindringen“ erfordert eine Penetration des Körpers. Es liegt nicht vor, wenn das Kind mit dem Mund den Penis des Täters nur berührt (BGH NStZ 2000, 27). „Eindringen“ in einen Körper können jedoch auch Flüssigkeiten (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der Deutschen Sprache [2002]). Eine Penetration des Körpers ist daher gegeben, wenn Sperma des Täters in den Mund des Opfers gelangt. Weder die Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch Sinn und Zweck der Regelung gebieten eine Einschränkung des Wortlautes auf eine Penetration mit Körperteilen oder festen Gegenständen.
6
a) Der Qualifikationstatbestand des § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB wurde als § 176 a Abs. 1 Nr. 1 durch das 6. StrRG vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) in das Strafgesetzbuch eingeführt. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollten die Qualifikationsmerkmale im Wesentlichen den Regelbeispielen der besonders schweren Fälle des § 177 StGB in der Fassung des 33. StrÄndG vom 1. Juli 1997 (BGBl. I S. 1607) nachgebildet werden. Der Entwurf des 6. StrRG verweist ausdrücklich auf die Gesetzgebungsmaterialien zum 33. StrÄndG (BT-Drucks. 13/7164 S. 32). Die heutige Fassung des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB beruht auf einer Gesetzesinitiative der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und der FDP vom 27. September 1995 (BT-Drucks. 13/2463) und floss später unverändert in einen letztlich verabschiedeten interfraktionellen Entwurf zahlreicher Bundestagsabgeordneter vom 21. März 1997 (BT-Drucks. 13/7324) ein. In beiden Begründungen heißt es gleich lautend, dem erzwungenen Beischlaf sollten ähnliche sexuelle Handlungen gleichgestellt werden, die das Opfer besonders erniedrigten. „Hiermit wird vor allem das Eindringen des Geschlechtsgliedes in den Körper als orale oder anale Penetration erfasst. Aber auch das Eindringen mit Gegenständen kann eine in gleicher Weise belastende oder erniedrigende Verhaltensweise darstellen, die unter das zweite Regelbeispiel fällt“ (BT-Drucks. 13/2463 S. 7; 13/7324 S. 6).
7
Die Gesetzgebungsmaterialien belegen danach, dass der Gesetzgeber eine umfassende Regelung treffen wollte, um besonders schwerwiegende sexuelle Handlungen zu erfassen. Anders als in § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB stellt § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB aber nicht auf eine besondere Erniedrigung des Opfers ab, sondern allein auf das Eindringen in den Körper, welches als schwerwiegende Beeinträchtigung der körperlichen Integrität anzusehen ist. Weiterer maßgebender Grund für die Gesetzesverschärfung war neben der besonders nachhaltigen Beeinträchtigung des Opfers die Möglichkeit, es mit Aids zu infizieren und die entsprechende Angst des Opfers (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 32 i. V. m. BT-Drucks. 13/2463 S. 6 und BT-Drucks. 13/7324 S. 5). Diese Gefahren bestehen gleichermaßen beim Ejakulieren in den Mund des Opfers.
8
b) Nach der Rechtsprechung des Senats ist das Ejakulieren auf den (nackten) Körper eine sexuelle Handlung mit Körperkontakt (so zu § 178 Abs. 1 StGB a. F. BGH NStZ 1992, 433 m. w. N.). Die sexuelle Handlung am Tatopfer setzt körperliche Berührung voraus, der Täter muss mit seiner sexuellen Handlung auf den Körper des Tatopfers einwirken, ihn in Mitleidenschaft ziehen. Erforderlich ist, dass der Körper des anderen selbst - nicht nur seine Kleidung und gegebenenfalls seine psychische Verfassung - in Mitleidenschaft gezogen wird. Dies hat der Senat für den Fall verneint, dass das Opfer eine Lederjacke trug, auf die ejakuliert wurde. Demgegenüber reicht die Berührung des (nackten) Körpers durch Sperma des Täters als körperliche Einwirkung. Dringt dann aber das Sperma in eine Körperöffnung des Opfers ein, handelt es sich nicht nur um eine sexuelle Handlung mit Körperkontakt, sondern auch um eine solche, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist.
9
c) Die notwendige Begrenzung des Tatbestandes leisten bei § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB das Erfordernis einer im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut erheblichen sexuellen Handlung nach § 184 g Nr. 1 StGB und das Tatbestandsmerkmal der Beischlafähnlichkeit der Tathandlung (vgl. zu letzterem Fischer StGB 56. Aufl. § 176 a Rdn. 8, § 177 Rdn. 71). Diese Kriterien sind auch in den Fällen des Eindringens mit Flüssigkeiten oder breiigen Gegenständen in den Mund zu prüfen. An der Sexualbezogenheit und der „Beischlafähnlichkeit“ von Handlungen, bei denen die Tathandlung entweder auf Seiten des Opfers oder des Täters unter Einbeziehung des Geschlechtsteils geschieht, besteht allerdings nach der gesetzgeberischen Bewertung kein Zweifel (BGH NJW 2000, 672). Damit erfasst der Tatbestand aber ohne Weiteres auch Fälle, in denen der Täter aus seinem Geschlechtsteil Sperma in den Mund des Opfers spritzen lässt. VRi'inBGH Dr. Rissing-van Saan Rothfuß Roggenbuck ist an der Unterschrift verhindert. Rothfuß Appl Schmitt

Verursacht der Täter durch den sexuellen Übergriff, die sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung (§ 177) wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 459/07
vom
20. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Dezember
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten W. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers M. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 25. April 2007 mit den Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum Vor- und Nachtatgeschehen, aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die zum Tatzeitpunkt jugendlichen Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen schuldig gesprochen und die Tat mit Zuchtmitteln geahndet. Es hat beide Angeklagten verwarnt, ihnen die Erbringung von Arbeitsleistungen (H. : 150 Stunden, W. : 200 Stunden) und als Wiedergutmachungsleistung die ratenweise Zahlung eines Schmerzensgeldes an den Nebenkläger (H. : 600 Euro, W. : 60 Euro) auferlegt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Staatsanwaltschaft, deren Rechtsmittel vom Generalbundesanwalt vertreten wird, und der Nebenkläger mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen. Sie beanstanden, dass die Angeklagten nicht auch wegen tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person nach § 179 Abs. 1 und Abs. 5 StGB verurteilt worden sind.
2
Die Rechtsmittel haben im Wesentlichen Erfolg.
3
1. Nach den Feststellungen feierten die zur Tatzeit 14 und 15 Jahre alten Angeklagten und andere Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren im Anwesen der Eltern eines Freundes dessen 16. Geburtstag. Im Laufe des Abends stieß auch der 14jährige Nebenkläger zu den Gästen. Der Nebenkläger ist von eher schmächtiger Statur, weshalb er sich immer wieder Hänseleien, aber auch verbalen und gelegentlich körperlichen Angriffen anderer Jugendlicher ausgesetzt sah. So hatten ihm etwa der Angeklagte H. und ein anderer Jugendlicher einmal einen Holzstiel, an dem ein Deutschlandfähnchen befestigt war, "am Gesäß durch die Hose gesteckt" und dieses Geschehen mit der Kamera eines Mobiltelefons gefilmt. Das Video kursierte später unter Mitschülern des Nebenklägers, die sich deshalb über ihn lustig machten.
4
Nachdem dem Nebenkläger ca. drei Stunden nach Eintreffen auf der Geburtstagsfeier infolge erheblichen Alkoholkonsums übel und schwindelig geworden und er schlafend "zusammengesackt" war, verbrachte ihn die Mutter des Gastgebers ins Wohnzimmer, wo er sich bäuchlings auf die Couch legte. Die leicht alkoholisierten Angeklagten begaben sich zum Nebenkläger. In Erinnerung an den früheren Vorfall zog der Angeklagte H. dem Nebenkläger, der sich infolge seiner Trunkenheit, was die Angeklagten erkannten, gegen das Vorgehen nicht zur Wehr setzen konnte, die Hose herunter und führte mit dem Flaschenhals voran eine 0,7 Liter fassende, leere Glasflasche zwischen die entblößten Gesäßbacken des Nebenklägers und bewegte diese mehrfach vor dem Anus des Tatopfers vor und zurück. Sodann übernahm der Angeklagte W. die Flasche und drückte gegen den Flaschenboden, sodass sie im Gesäßbereich des Nebenklägers nach oben ragend stecken blieb, worauf der Nebenkläger vor Schmerzen aufschrie. Durch die Manipulationen mit der Flasche erlitt der Nebenkläger u.a. eine blutende Verletzung im Analbereich.
5
Dieses insgesamt 38 Sekunden dauernde Geschehen filmten die Angeklagten wiederum mit der Kamera eines Mobiltelefons. Die Videosequenz zeigten sie sodann zur Belustigung den anderen Partygästen. Der Angeklagte W. versandte überdies die Filmszene an Freunde und Bekannte, sodass der Nebenkläger in der Folgezeit u.a. von Mitschülern darauf angesprochen und deswegen auch verspottet wurde.
6
2. Die Beschwerdeführer beanstanden zu Recht die Ablehnung einer tateinheitlichen Verurteilung der Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person gemäß § 179 Abs. 1 StGB.
7
a) Das Landgericht ist zwar auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zutreffend davon ausgegangen, dass der 14jährige Nebenkläger zur Tatzeit infolge der festgestellten Beeinträchtigungen durch seinen schweren Alkoholrausch, mithin auf Grund einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne des § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 179 Rdn. 9 b), unfähig war, einen ausreichenden Widerstandswillen gegen das Vorgehen der Angeklagten zu bilden, zu äußern und durchzusetzen, dass die Angeklagten dies erkannten und für ihr Vorhaben ausnutzten. Das Vorliegen einer sexuellen Handlung hat das Landgericht indes verneint. Die von den Angeklagten vorgenommenen Manipulationen seien nicht eindeutig und ausschließlich sexualbezogen gewesen. Vielmehr habe es sich unter Berücksichtigung der Gesamtum- stände um eine ambivalente Handlung, um einen "dummen Jungenstreich" gehandelt , der allein dazu gedient habe, den Nebenkläger zu demütigen und zum Gespött der Anderen zu machen. Eine deshalb erforderliche sexuelle Motivation der Angeklagten habe bei dem Geschehen keine Rolle gespielt.
8
b) Diese Wertung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat der Würdigung der Sexualbezogenheit des Vorgehens der Angeklagten einen falschen rechtlichen Maßstab zu Grunde gelegt.
9
Eine sexuelle Handlung im Sinne des § 179 Abs. 1 i.V.m. § 184 f Nr. 1 StGB liegt immer dann vor, wenn die Handlung objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild, einen eindeutigen Sexualbezug aufweist. Ist dies der Fall, kommt es auf die Motivation des Täters nicht an. Es ist deshalb gleichgültig, ob die Handlung etwa aus Wut, Sadismus, Scherz oder Aberglaube vorgenommen wird. Auch eine sexuelle Absicht des Täters ist in diesem Fall - anders als bei äußerlich ambivalenten Handlungen - nicht erforderlich (vgl. BGHR StGB § 178 Abs. 1 sexuelle Handlung 6; Hörnle in MünchKomm § 184 f Rdn. 2 ff.; Wolters/Horn in SK-StGB § 184 f Rdn. 2). Dies zu Grunde gelegt, steht hier das Vorliegen einer sexualbezogenen Handlung außer Frage. Die Angeklagten führten im Analbereich des entblößten Nebenklägers mit der Flasche Penetrationsbewegungen aus, und ahmten damit, worauf die Jugendkammer selbst hinweist, eindeutig homosexuelle Praktiken nach. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es - was nach den Feststellungen allerdings nahe liegt - zu einer Penetration kam. Soweit die Jugendkammer gleichwohl einen eindeutigen Sexualbezug des Vorgehens mit der Begründung in Frage gestellt hat, weder die Angeklagten noch das Tatopfer seien homosexuell veranlagt, die Angeklagten hätten den Übergriff ohne jede sexuelle Absicht im frei zugänglichen Wohnzimmer vorgenommen und ihr Vorgehen alsbald durch Vorzeigen des Vi- deofilms gegenüber Dritten offenbart, verkennt sie, dass diese Umstände - auch in ihrer Gesamtheit - für die Beurteilung, ob eine sexuelle Handlung vorliegt, unerheblich sind, wenn die Handlung, wie hier, schon rein objektiv einen eindeutigen Sexualbezug aufweist. Diesen Charakter verlor die Handlung der Angeklagten insbesondere nicht dadurch, dass ihrem Tun keine sexuelle Motivation zu Grunde lag. Dass das Vorgehen der Angeklagten eine sozial nicht mehr hinnehmbare Rechtsgutsbeeinträchtigung darstellte, mithin im Sinne des § 184 f Nr. 1 StGB von einiger Erheblichkeit war, liegt ebenfalls auf der Hand.
10
c) Eine Anwendung des § 179 Abs. 1 StGB scheidet auch nicht deshalb aus, weil den Angeklagten das Bewusstsein fehlte, dass ihren Handlungen eine Sexualbezogenheit innewohnte (vgl. BGHR StGB § 178 Abs. 1 sexuelle Handlung 6). Diese von der Jugendkammer hilfsweise getroffene Feststellung zur subjektiven Tatseite ist nicht tragfähig begründet. Vielmehr weist das Landgericht selbst darauf hin, dass die Angeklagten mit ihrem Tun eine weitere Demütigung des Nebenklägers durch dessen Darstellung in einer "entwürdigenden Position" erreichen wollten. Wenn die Angeklagten jedoch das "Entwürdigende" ihres Tuns erkannten, ist damit nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen, dass sie die gerade aus der Sexualbezogenheit der Darstellung folgende Herabwürdigung ihres Tatopfers nicht in ihr Bewusstsein aufgenommen haben sollen. Dies hätte der näheren Erörterung bedurft.
11
3. Da die subjektive Tatseite des § 179 StGB nicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist, kann der Senat den Schuldspruch nicht ergänzen. Vielmehr führen die dargelegten Rechtsfehler zur Aufhebung des Urteils insgesamt, da das Tatgeschehen sachlich-rechtlich eine einheitliche Tat im Sinne des § 52 StGB bildet. Von der Aufhebung betroffen ist deshalb auch die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (vgl. BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Tatvorgeschehen (Teil II. des Urteils bis UA 6, Ende des 1. Absatzes) und zum Nachtatgeschehen (ab UA 7, 3. Absatz) können jedoch aufrechterhalten bleiben. Ergänzende Feststellungen sind insoweit möglich, sofern sie zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen.
12
4. a) Sollte der neue Tatrichter die Tatbestandsmäßigkeit des Handelns der Angeklagten (auch) nach § 179 Abs. 1 StGB feststellen, wird er, wovon die Jugendkammer - aus ihrer Sicht folgerichtig - bisher abgesehen hat, Gelegenheit haben zu erörtern, ob auch die Qualifikationstatbestände des § 179 Abs. 5 Nrn. 1 und 2 StGB erfüllt sind (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 325 und NStZ 2000, 367).
13
b) Der neue Tatrichter wird ferner zu prüfen haben - was der Senat gemäß § 301 StPO zu Gunsten der Angeklagten zu beachten hat -, ob mit Blick auf den Vorwurf der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Filmaufnahmen nach § 201 a StGB ein wirksamer Strafantrag nach § 205 Abs. 1 StGB vorliegt. Zwar hat die Mutter des minderjährigen Tatopfers (§ 77 Abs. 3 StGB), Heike M. , rechtzeitig Strafantrag gestellt (SA Bl. 13). Nach Aktenlage kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Mutter des Nebenklägers nicht das alleinige Sorgerecht hatte, sie dieses vielmehr gemeinsam mit dem in der Hauptverhandlung als "gesetzlicher Vertreter des Nebenklägers" bezeichneten Michael M. , wohl dem Vater des Nebenklägers, ausübte. Im Falle einer bestehenden Ehe sind jedoch beide Elternteile nur gemeinsam antragsberechtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 1993 - 1 StR 299/93). Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind die Eltern als gesetzliche Vertreter nicht "mehrere" Antragsberechtigte im Sinne des § 77 Abs. 4 StGB (vgl.
Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 77 Rdn. 33). Es wird deshalb zu klären sein, ob der Vater des Nebenklägers gegebenenfalls mit der Stellung des Strafantrags durch die Mutter einverstanden war oder nachträglich innerhalb der Antragsfrist seine Zustimmung hierzu erteilt hat (vgl. BGH NJW 1956, 521; Stree/Sternberg-Lieben aaO § 77 Rdn. 16).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 383/08
vom
19. Dezember 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
StGB § 176 a Abs. 2 Nr. 1
Die Qualifikation des § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB ist bei Ejakulation in den Mund
des Tatopfers erfüllt.
BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08 - Landgericht Gera
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2008
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 16. April 2008 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die insbesondere rügt, dass die Voraussetzungen des § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht erfüllt seien. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Nach den Urteilsfeststellungen rief der Angeklagte an einem Tag im Februar 2005 seine siebenjährige Tochter M. zu sich in sein Büro. Er führte die Hand des Kindes an sein unbekleidetes Geschlechtsteil und veranlasste es, an seinem Penis zu manipulieren. Er forderte es dann auf, sein Geschlechtsteil in den Mund zu nehmen, was das Kind ablehnte. Daraufhin gebot ihm der Angeklagte, die Augen zu schließen, und ejakulierte in seinen Mund. Auf seine Anweisung schluckte seine Tochter das Ejakulat.
3
2. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Landgericht hat die Tat zu Recht als schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes nach § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB gewürdigt. Nach § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB wird der sexuelle Missbrauch von Kindern in den Fällen des § 176 Abs. 1 und 2 StGB mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, wenn eine Person über achtzehn Jahren mit dem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
4
Der Senat folgt nicht dem Vorbringen der Revision, dass der Qualifikationstatbestand nicht erfüllt sei, weil nicht der Penis des Angeklagten, sondern nur das Ejakulat in den Mund des Kindes gelangt sei.
5
Die Strafvorschrift des § 176 StGB schützt die ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern. Der Begriff „Eindringen in den Körper“ in § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB umschreibt besonders nachhaltige Begehungsweisen und stellt sie unter erhöhte Strafdrohung (BGHSt 45, 131, 132). Er ist nicht auf den Beischlaf, den Anal- und Oralverkehr beschränkt (BGH NJW 2000, 672 m. Anm. Renzikowski NStZ 2000, 367). Erfasst wird sowohl das Eindringen in den Körper des Opfers als auch in den des Täters (BGHSt 45, 131, 133 m. Anm. Hörnle NStZ 2000, 310). „Eindringen“ erfordert eine Penetration des Körpers. Es liegt nicht vor, wenn das Kind mit dem Mund den Penis des Täters nur berührt (BGH NStZ 2000, 27). „Eindringen“ in einen Körper können jedoch auch Flüssigkeiten (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der Deutschen Sprache [2002]). Eine Penetration des Körpers ist daher gegeben, wenn Sperma des Täters in den Mund des Opfers gelangt. Weder die Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch Sinn und Zweck der Regelung gebieten eine Einschränkung des Wortlautes auf eine Penetration mit Körperteilen oder festen Gegenständen.
6
a) Der Qualifikationstatbestand des § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB wurde als § 176 a Abs. 1 Nr. 1 durch das 6. StrRG vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) in das Strafgesetzbuch eingeführt. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollten die Qualifikationsmerkmale im Wesentlichen den Regelbeispielen der besonders schweren Fälle des § 177 StGB in der Fassung des 33. StrÄndG vom 1. Juli 1997 (BGBl. I S. 1607) nachgebildet werden. Der Entwurf des 6. StrRG verweist ausdrücklich auf die Gesetzgebungsmaterialien zum 33. StrÄndG (BT-Drucks. 13/7164 S. 32). Die heutige Fassung des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB beruht auf einer Gesetzesinitiative der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und der FDP vom 27. September 1995 (BT-Drucks. 13/2463) und floss später unverändert in einen letztlich verabschiedeten interfraktionellen Entwurf zahlreicher Bundestagsabgeordneter vom 21. März 1997 (BT-Drucks. 13/7324) ein. In beiden Begründungen heißt es gleich lautend, dem erzwungenen Beischlaf sollten ähnliche sexuelle Handlungen gleichgestellt werden, die das Opfer besonders erniedrigten. „Hiermit wird vor allem das Eindringen des Geschlechtsgliedes in den Körper als orale oder anale Penetration erfasst. Aber auch das Eindringen mit Gegenständen kann eine in gleicher Weise belastende oder erniedrigende Verhaltensweise darstellen, die unter das zweite Regelbeispiel fällt“ (BT-Drucks. 13/2463 S. 7; 13/7324 S. 6).
7
Die Gesetzgebungsmaterialien belegen danach, dass der Gesetzgeber eine umfassende Regelung treffen wollte, um besonders schwerwiegende sexuelle Handlungen zu erfassen. Anders als in § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB stellt § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB aber nicht auf eine besondere Erniedrigung des Opfers ab, sondern allein auf das Eindringen in den Körper, welches als schwerwiegende Beeinträchtigung der körperlichen Integrität anzusehen ist. Weiterer maßgebender Grund für die Gesetzesverschärfung war neben der besonders nachhaltigen Beeinträchtigung des Opfers die Möglichkeit, es mit Aids zu infizieren und die entsprechende Angst des Opfers (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 32 i. V. m. BT-Drucks. 13/2463 S. 6 und BT-Drucks. 13/7324 S. 5). Diese Gefahren bestehen gleichermaßen beim Ejakulieren in den Mund des Opfers.
8
b) Nach der Rechtsprechung des Senats ist das Ejakulieren auf den (nackten) Körper eine sexuelle Handlung mit Körperkontakt (so zu § 178 Abs. 1 StGB a. F. BGH NStZ 1992, 433 m. w. N.). Die sexuelle Handlung am Tatopfer setzt körperliche Berührung voraus, der Täter muss mit seiner sexuellen Handlung auf den Körper des Tatopfers einwirken, ihn in Mitleidenschaft ziehen. Erforderlich ist, dass der Körper des anderen selbst - nicht nur seine Kleidung und gegebenenfalls seine psychische Verfassung - in Mitleidenschaft gezogen wird. Dies hat der Senat für den Fall verneint, dass das Opfer eine Lederjacke trug, auf die ejakuliert wurde. Demgegenüber reicht die Berührung des (nackten) Körpers durch Sperma des Täters als körperliche Einwirkung. Dringt dann aber das Sperma in eine Körperöffnung des Opfers ein, handelt es sich nicht nur um eine sexuelle Handlung mit Körperkontakt, sondern auch um eine solche, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist.
9
c) Die notwendige Begrenzung des Tatbestandes leisten bei § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB das Erfordernis einer im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut erheblichen sexuellen Handlung nach § 184 g Nr. 1 StGB und das Tatbestandsmerkmal der Beischlafähnlichkeit der Tathandlung (vgl. zu letzterem Fischer StGB 56. Aufl. § 176 a Rdn. 8, § 177 Rdn. 71). Diese Kriterien sind auch in den Fällen des Eindringens mit Flüssigkeiten oder breiigen Gegenständen in den Mund zu prüfen. An der Sexualbezogenheit und der „Beischlafähnlichkeit“ von Handlungen, bei denen die Tathandlung entweder auf Seiten des Opfers oder des Täters unter Einbeziehung des Geschlechtsteils geschieht, besteht allerdings nach der gesetzgeberischen Bewertung kein Zweifel (BGH NJW 2000, 672). Damit erfasst der Tatbestand aber ohne Weiteres auch Fälle, in denen der Täter aus seinem Geschlechtsteil Sperma in den Mund des Opfers spritzen lässt. VRi'inBGH Dr. Rissing-van Saan Rothfuß Roggenbuck ist an der Unterschrift verhindert. Rothfuß Appl Schmitt

Wer der Prostitution

1.
in der Nähe einer Schule oder anderen Örtlichkeit, die zum Besuch durch Personen unter achtzehn Jahren bestimmt ist, oder
2.
in einem Haus, in dem Personen unter achtzehn Jahren wohnen,
in einer Weise nachgeht, die diese Personen sittlich gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 219/12
vom
12. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. September 2012 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 24. Januar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Mit Recht beanstandet der Beschwerdeführer, dass das Landgericht unter Verstoß gegen § 261 StPO in seiner Beweiswürdigung die Aussage eines Zeugen berücksichtigt hat, der in der Hauptverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat. Dem liegt Folgendes zugrunde:
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verblieb die zur Tatzeit 10-jährige Geschädigte in den Herbstferien 2001 allein bei dem Angeklagten in dessen Wohnung, nachdem ihre Mutter, die sie zunächst begleitet hatte, eines Morgens unerwartet abreisen musste. Den Tag der Abreise verbrachte die Geschädigte sodann mit dem Angeklagten und dessen 11-jährigem Sohn, der gegen Abend ebenfalls die Wohnung verließ. Der Angeklagte sah sich mit der Geschädigten zunächst einen Videofilm an, bevor er ihr einen Zungenkuss gab, sie anschließend auszog und mit ihr den Vaginalverkehr vollzog (Fall II. 1 der Urteilsgründe). An mindestens einem weiteren Abend während des Herbstferienaufenthalts vollzog der Angeklagte mit der Geschädigten wiederum den Vaginalverkehr (Fall II. 2). Bei einem Besuch einige Wochen später streichelte der Angeklagte die Geschädigte an ihrer unbedeckten Brust (Fall II. 3). Anfang 2002 legte er den Arm um ihren Körper und versuchte, sie zu küssen (Fall II. 4).
3
Der Angeklagte hat die Taten bestritten und sich dahingehend eingelassen , sein Sohn habe am Tag der Abreise der Mutter zusammen mit der Geschädigten im Nebenzimmer übernachtet. Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten durch die Aussage der Geschädigten als widerlegt angesehen. Ihre Angaben, der Sohn des Angeklagten habe gegen Abend des Abreisetags der Mutter die Wohnung verlassen, werde bestätigt durch die Aussage des Sohnes, der Entsprechendes bekundet habe. Die Überzeugung von dem festgestellten Tatgeschehen hat das Landgericht im Folgenden auf die für glaubhaft erachteten und im Fall II. 1 durch die Aussage des Sohnes bestätigenden Angaben der Geschädigten gestützt.
4
2. Die formgerecht ausgeführte Verfahrensrüge der Verletzung des § 261 StPO dringt durch. Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat der Sohn des Angeklagten nicht zur Sache ausgesagt, sondern nach seiner Belehrung als Zeuge von seinem Aussageverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO Ge- brauch gemacht. Der Senat vermag auch auszuschließen, dass entsprechende Angaben des Sohnes im Wege der Vernehmung einer Verhörsperson eingeführt worden sein können. Denn ungeachtet dessen, dass sich dafür kein Anhalt findet (s. auch § 252 StPO), hat sich die Kammer ausdrücklich auf die Aussage des Sohnes gestützt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 - 4 StR 355/09, NStZ 2010, 409; Beschluss vom 7. Mai 2012 - 5 StR 210/12, NStZ-RR 2012, 257). Die Kammer hat damit ein nicht in die Verhandlung eingeführtes Beweismittel berücksichtigt.
5
Auf diesem Verfahrensverstoß beruht das Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Obgleich das Landgericht die Angaben der Geschädigten auch einer gesonderten Glaubhaftigkeitsbeurteilung unterzogen hat, ist nicht auszuschließen, dass es ohne die Verwertung der tatsächlich nicht erfolgten Angaben des Sohnes zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der hier gegebenen besonderen Anforderungen an die Beweiswürdigung. In einem Fall, in dem - wie vorliegend - unmittelbar tatbezogene weitere Beweismittel fehlen und damit Aussage gegen Aussage steht, kann zwar allein auf der Grundlage der Angaben des einzigen Belastungszeugen verurteilt werden , wenn das Tatgericht von der Glaubhaftigkeit der Aussage nach einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung dieses einzigen Zeugen überzeugt ist. Dies erfordert aber, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten beeinflussen können, in seine Überlegungen einbezogen und eine Gesamtwürdigung aller auch außerhalb der Aussage liegenden Indizien vorgenommen hat (st. Rspr. vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. April 1987 - 3 StR 141/87, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung; Beschluss vom 18. Juni 1997 - 2 StR 140/97, NStZ-RR 1998, 16). Unter Beachtung dessen kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht insgesamt zu einer anderen Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Geschädigten gelangt wäre, wenn es nicht gestützt auf die angeblichen Angaben des Sohnes schon die Einlassung des Angeklagten als widerlegt und gleichzeitig die entgegenstehende Aussage der Geschädigten zu Fall II. 1 als bestätigt erachtet hätte (vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. Juli 2009 - 5 StR 84/09).
6
3. Für die neue Hauptverhandlung gibt der Senat zu bedenken: Sollte sich das Landgericht im Falle einer erneuten Verurteilung wiederum von einer bei dem Angeklagten vorliegenden ausgeprägten histrionischen und narzisstischen Persönlichkeit sowie einer pädophilen Nebenströmung überzeugen, sind diese Faktoren im Hinblick auf das Vorliegen eines Eingangsmerkmals im Sinne des § 20 StGB nicht nur isoliert zu betrachten und zu würdigen. Erforderlich ist vielmehr eine Gesamtschau der Persönlichkeit des Angeklagten, seiner Entwicklung sowie der Taten selbst und des Nachtatgeschehens (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2007 - 5 StR 491/06, NStZ 2007, 518, 519 mwN; Urteil vom 12. Juni 2008 - 3 StR 84/08, NStZ 2009, 258, 259; vgl. auch Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß, NStZ 2005, 57, 60). In eine solche Gesamtbetrachtung wäre auch die ausweislich der Feststellungen im Jahr 2001 erfolgte psychiatrische Behandlung des Angeklagten einzustellen.
7
Sofern sich das Tatgericht erneut davon überzeugt, dass der Angeklagte im Fall II. 4 der Urteilsgründe versucht hat, die Geschädigte zu küssen, wird es auch zu prüfen haben, ob insoweit die Erheblichkeitsschwelle des § 184g Nr. 1 StGB überschritten ist. Als erheblich im Sinne dieser Vorschrift sind nur solche Handlungen zu werten, die nach Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (BGH, Urteil vom 24. September 1991 - 5 StR 364/91, NJW 1992, 324; Urteil vom 20. März 2012 - 1 StR 447/11). Bei einem Kussversuch ist dies nicht ohne weiteres der Fall (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 1987 - 4 StR 419/87, NStZ 1988, 70, 71; Beschluss vom 30. Januar 2001 - 4 StR 569/00 2001, 370, 371; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Februar 2006 - 2 StR 575/05, StraFo 2006, 251, 252; OLG Brandenburg, Beschluss vom 28. Oktober 2009 - 1 Ss 70/09, NStZ-RR 2010, 45). Dass der Angeklagte weitergehende sexuelle Handlungen beabsichtigte und seine Tat auch insoweit im Versuchsstadium steckengeblieben ist, ist bisher nicht festgestellt.
Becker Appl Berger RiBGH Dr. Eschelbach befindet Ott sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker
5 StR 417/11

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 1. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Dezember
2011, an der teilgenommen haben:
Richter Dr. Raum als Vorsitzender,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt W.
als Verteidiger,
Rechtsanwältin P.
als Vertreterin für die Nebenklägerin M. ,
Rechtsanwältin We.
als Vertreterin für die Nebenklägerin K. ,
Rechtsanwältin G.
als Vertreterin für die Nebenklägerin R. ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und – betreffend den Fall 4 – der Nebenklägerin K. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Mai 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen in den Fällen 4, 6 und 7 aufrechterhalten; insoweit werden die Revisionen verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung in sieben Fällen , davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das Urteil wenden sich die Staatsanwaltschaft und hinsichtlich Fall 4 die Nebenklägerin K. mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Der zur Tatzeit 21-jährige, im elterlichen Haushalt lebende, „ge- hemmte und eigenwillig sperrige“ (UA S. 5) Angeklagte fühlte sich nach der Trennung von seiner Freundin oft einsam. Er war auf der Suche nach körperlicher Nähe, die er besonders beim Küssen empfand. Aus diesem Grund näherte er sich in sieben Fällen zwischen dem 12. August 2008 und dem 17. Januar 2009 in seinem Wohnumfeld auf offener Straße jungen, ihm unbekannten Frauen, die ihn optisch ansprachen, umfasste sie jeweils von hinten und hielt sie fest. In einigen Fällen küsste er sie (Taten 1 und 3) oder verlangte , sie sollten ihn küssen (Tat 6), und berührte sie über der Kleidung an den Brüsten oder im Genitalbereich (Taten 2 bis 6). Er ließ jeweils von den Frauen ab, als sie sich wehrten oder Dritte auf das Geschehen aufmerksam wurden. Zwei der Frauen trugen leichte körperliche Verletzungen davon (Taten 3 und 7).
4
b) Das Landgericht hat sämtliche Taten als Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 und 2 StGB gewertet und in den Fällen 3 und 7 jeweils tateinheitlich hierzu eine vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB angenommen. Eine Strafbarkeit wegen – vollendeter oder versuchter – sexueller Nötigung hat es in allen Fällen verneint. Eine sexuelle Handlung liege nicht vor, da es an der gemäß § 184g Nr. 1 StGB erforderlichen Erheblichkeit fehle. Bei den vom Angeklagten vorgenommenen Handlungen handele es sich um Zudringlichkeiten und nur ganz flüchtige Berührungen oberhalb der Bekleidung. Da der Angeklagte nicht mehr erstrebt habe als in Küssen und Umarmung bestehende Nähe, scheide auch eine Strafbarkeit wegen versuchter sexueller Nötigung aus. Von einer solchen wäre der Angeklagte im Übrigen in jedem der Fälle gemäß § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten.
5
2. Das angefochtene Urteil begegnet schon deshalb durchgreifenden Bedenken, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der vom Angeklagten verfolgten Ziele und damit zu seinem Tatvorsatz lückenhaft ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 928, insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).
6
Die Strafkammer ist der Einlassung des Angeklagten, er sei lediglich auf der Suche nach körperlicher Nähe („Kuscheln“, UA S. 3) gewesen, ge- folgt, ohne dem widersprechende Umstände zu erwägen. Schon die vom Angeklagten durchweg gewählte Art der Kontaktaufnahme – überraschendes gewaltsames Umfassen der jungen ihm unbekannten Frauen auf offener Straße von hinten – war offensichtlich ungeeignet, das vom Angeklagten behauptete Handlungsziel zu erreichen. Zudem hat der Angeklagte Handlungen vorgenommen, die über das angegebene Ziel hinausgingen und ersichtlich auf eine sexuelle Annäherung ausgerichtet waren:
7
In den Fällen 2 und 5 fasste er die Frauen an die Brust und den Genitalbereich , ohne dass ein von ihm erstrebtes Küssen als Ausdruck der körperlichen Nähe überhaupt angesprochen oder versucht wurde. Im Fall 4 umfasste er – seine Hose stand dabei offen – die Nebenklägerin K. und berührte die Frau für wenige Sekunden an den Brüsten, ohne sie zu küssen oder dies zu versuchen. Das gleiche gilt im Fall 7, als er den Mund der Frau zuhielt. Im Fall 3 berührte er zunächst nach Öffnen eines Reißverschlusses die Brust der Frau und verlangte „richtiges Küssen“ erst, nachdem er die Frau so fest gegen eine Wand gedrückt hatte, dass sie Hämatome davontrug.
8
3. Die Tatserie bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Nachdem das Landgericht die Einlassung des Angeklagten fehlerhaft bewertet hat, muss der Senat auch die objektiven Feststellungen in den Fällen aufheben , in denen diese allein auf der Einlassung des Angeklagten beruhen.
9
Das neue Tatgericht wird zu bedenken haben, dass als erheblich im Sinne des § 184g Nr. 1 StGB solche Handlungen zu werten sind, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (BGH, Urteil vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324). Bei der am Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung orientierten Bewertung sind auch die gesamten Begleitumstände des Tatgeschehens einzubeziehen und neben den näheren Umständen der Handlung die Beziehung zwischen den Beteiligten und die konkrete Tatsituation zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2006 – 2 StR 575/05, StraFo 2006, 251; BGH, Urteil vom 25. Juli 1989 – 1 StR 95/89, NJW 1989, 3029; LK-Laufhütte/Roggenbuck , StGB, 12. Aufl., § 184g Rn. 12). Eine ergänzende Betrachtung des Gesamtzusammenhangs ist insbesondere dann geboten, wenn die Handlungen für sich genommen in ihrer sexuellen Ausprägung nicht besonders gravierend oder nachhaltig sind. In die Bewertung wird deshalb hier neben der (zum Teil eher geringen) Intensität der sexuellen Handlungen einzustellen sein, dass der Angeklagte jeweils ihm unbekannte Frauen überraschend und unvermittelt von hinten angriff und sie unter beträchtlicher Kraftentfaltung körperlich so heftig bedrängte, dass sich die Frauen ihm nur durch erhebliche körperliche Gegenwehr entziehen konnten.
10
Aufgrund des engen Zusammenhangs der schon länger zurückliegenden Taten wird wiederum die Festsetzung einer die Einzelstrafen eng zusammenfassenden Gesamtstrafe geboten sein. Auch könnten die Erwägungen des angefochtenen Urteils zur Strafaussetzung zur Bewährung auch in Ansehung eines geänderten Schuldspruchs tragfähig bleiben.
Raum Brause Schaal Schneider König

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 383/08
vom
19. Dezember 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
StGB § 176 a Abs. 2 Nr. 1
Die Qualifikation des § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB ist bei Ejakulation in den Mund
des Tatopfers erfüllt.
BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08 - Landgericht Gera
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2008
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 16. April 2008 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die insbesondere rügt, dass die Voraussetzungen des § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht erfüllt seien. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Nach den Urteilsfeststellungen rief der Angeklagte an einem Tag im Februar 2005 seine siebenjährige Tochter M. zu sich in sein Büro. Er führte die Hand des Kindes an sein unbekleidetes Geschlechtsteil und veranlasste es, an seinem Penis zu manipulieren. Er forderte es dann auf, sein Geschlechtsteil in den Mund zu nehmen, was das Kind ablehnte. Daraufhin gebot ihm der Angeklagte, die Augen zu schließen, und ejakulierte in seinen Mund. Auf seine Anweisung schluckte seine Tochter das Ejakulat.
3
2. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Landgericht hat die Tat zu Recht als schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes nach § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB gewürdigt. Nach § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB wird der sexuelle Missbrauch von Kindern in den Fällen des § 176 Abs. 1 und 2 StGB mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, wenn eine Person über achtzehn Jahren mit dem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
4
Der Senat folgt nicht dem Vorbringen der Revision, dass der Qualifikationstatbestand nicht erfüllt sei, weil nicht der Penis des Angeklagten, sondern nur das Ejakulat in den Mund des Kindes gelangt sei.
5
Die Strafvorschrift des § 176 StGB schützt die ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern. Der Begriff „Eindringen in den Körper“ in § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB umschreibt besonders nachhaltige Begehungsweisen und stellt sie unter erhöhte Strafdrohung (BGHSt 45, 131, 132). Er ist nicht auf den Beischlaf, den Anal- und Oralverkehr beschränkt (BGH NJW 2000, 672 m. Anm. Renzikowski NStZ 2000, 367). Erfasst wird sowohl das Eindringen in den Körper des Opfers als auch in den des Täters (BGHSt 45, 131, 133 m. Anm. Hörnle NStZ 2000, 310). „Eindringen“ erfordert eine Penetration des Körpers. Es liegt nicht vor, wenn das Kind mit dem Mund den Penis des Täters nur berührt (BGH NStZ 2000, 27). „Eindringen“ in einen Körper können jedoch auch Flüssigkeiten (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der Deutschen Sprache [2002]). Eine Penetration des Körpers ist daher gegeben, wenn Sperma des Täters in den Mund des Opfers gelangt. Weder die Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch Sinn und Zweck der Regelung gebieten eine Einschränkung des Wortlautes auf eine Penetration mit Körperteilen oder festen Gegenständen.
6
a) Der Qualifikationstatbestand des § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB wurde als § 176 a Abs. 1 Nr. 1 durch das 6. StrRG vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) in das Strafgesetzbuch eingeführt. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollten die Qualifikationsmerkmale im Wesentlichen den Regelbeispielen der besonders schweren Fälle des § 177 StGB in der Fassung des 33. StrÄndG vom 1. Juli 1997 (BGBl. I S. 1607) nachgebildet werden. Der Entwurf des 6. StrRG verweist ausdrücklich auf die Gesetzgebungsmaterialien zum 33. StrÄndG (BT-Drucks. 13/7164 S. 32). Die heutige Fassung des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB beruht auf einer Gesetzesinitiative der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und der FDP vom 27. September 1995 (BT-Drucks. 13/2463) und floss später unverändert in einen letztlich verabschiedeten interfraktionellen Entwurf zahlreicher Bundestagsabgeordneter vom 21. März 1997 (BT-Drucks. 13/7324) ein. In beiden Begründungen heißt es gleich lautend, dem erzwungenen Beischlaf sollten ähnliche sexuelle Handlungen gleichgestellt werden, die das Opfer besonders erniedrigten. „Hiermit wird vor allem das Eindringen des Geschlechtsgliedes in den Körper als orale oder anale Penetration erfasst. Aber auch das Eindringen mit Gegenständen kann eine in gleicher Weise belastende oder erniedrigende Verhaltensweise darstellen, die unter das zweite Regelbeispiel fällt“ (BT-Drucks. 13/2463 S. 7; 13/7324 S. 6).
7
Die Gesetzgebungsmaterialien belegen danach, dass der Gesetzgeber eine umfassende Regelung treffen wollte, um besonders schwerwiegende sexuelle Handlungen zu erfassen. Anders als in § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB stellt § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB aber nicht auf eine besondere Erniedrigung des Opfers ab, sondern allein auf das Eindringen in den Körper, welches als schwerwiegende Beeinträchtigung der körperlichen Integrität anzusehen ist. Weiterer maßgebender Grund für die Gesetzesverschärfung war neben der besonders nachhaltigen Beeinträchtigung des Opfers die Möglichkeit, es mit Aids zu infizieren und die entsprechende Angst des Opfers (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 32 i. V. m. BT-Drucks. 13/2463 S. 6 und BT-Drucks. 13/7324 S. 5). Diese Gefahren bestehen gleichermaßen beim Ejakulieren in den Mund des Opfers.
8
b) Nach der Rechtsprechung des Senats ist das Ejakulieren auf den (nackten) Körper eine sexuelle Handlung mit Körperkontakt (so zu § 178 Abs. 1 StGB a. F. BGH NStZ 1992, 433 m. w. N.). Die sexuelle Handlung am Tatopfer setzt körperliche Berührung voraus, der Täter muss mit seiner sexuellen Handlung auf den Körper des Tatopfers einwirken, ihn in Mitleidenschaft ziehen. Erforderlich ist, dass der Körper des anderen selbst - nicht nur seine Kleidung und gegebenenfalls seine psychische Verfassung - in Mitleidenschaft gezogen wird. Dies hat der Senat für den Fall verneint, dass das Opfer eine Lederjacke trug, auf die ejakuliert wurde. Demgegenüber reicht die Berührung des (nackten) Körpers durch Sperma des Täters als körperliche Einwirkung. Dringt dann aber das Sperma in eine Körperöffnung des Opfers ein, handelt es sich nicht nur um eine sexuelle Handlung mit Körperkontakt, sondern auch um eine solche, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist.
9
c) Die notwendige Begrenzung des Tatbestandes leisten bei § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB das Erfordernis einer im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut erheblichen sexuellen Handlung nach § 184 g Nr. 1 StGB und das Tatbestandsmerkmal der Beischlafähnlichkeit der Tathandlung (vgl. zu letzterem Fischer StGB 56. Aufl. § 176 a Rdn. 8, § 177 Rdn. 71). Diese Kriterien sind auch in den Fällen des Eindringens mit Flüssigkeiten oder breiigen Gegenständen in den Mund zu prüfen. An der Sexualbezogenheit und der „Beischlafähnlichkeit“ von Handlungen, bei denen die Tathandlung entweder auf Seiten des Opfers oder des Täters unter Einbeziehung des Geschlechtsteils geschieht, besteht allerdings nach der gesetzgeberischen Bewertung kein Zweifel (BGH NJW 2000, 672). Damit erfasst der Tatbestand aber ohne Weiteres auch Fälle, in denen der Täter aus seinem Geschlechtsteil Sperma in den Mund des Opfers spritzen lässt. VRi'inBGH Dr. Rissing-van Saan Rothfuß Roggenbuck ist an der Unterschrift verhindert. Rothfuß Appl Schmitt

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR562/13
vom
12. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. März 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 22. Februar 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) im Fall II.1 der Urteilsgründe;
b) in den Fällen II.2 zu 1 und II.2 zu 2 der Urteilsgründe; insofern bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen jedoch aufrechterhalten;
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
d) im Ausspruch über die Einziehung – auch soweit es die Mitangeklagte I. betrifft – der bei den Angeklagten sichergestellten Laptops mit Ladekabeln, der bei den Angeklagten sichergestellten Kameras und der bei dem Angeklagten sichergestellten Mappe mit CDs und DVDs. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache
a) im Fall II.1 der Urteilsgründe an das Amtsgericht – Strafrichter – Bochum zurückgegeben,
b) in den Fällen II.2 zu 1 und II.2 zu 2 der Urteilsgründe sowie hinsichtlich der Gesamtstrafe und der Einziehung zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsmittel – an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, versuchten schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, sexuellen Missbrauchs eines Kindes und Besitzes kinderpornografischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten und die nicht revidierende Mitangeklagte I. wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, versuchten schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes und mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es unter anderem die Einzie- hung der „bei den Angeklagten sichergestellten Laptops mit zugehörigen Ladekabeln , der bei den Angeklagten sichergestellten Kameras“ und der bei dem Angeklagten S. sichergestellten Mappe mit CDs und DVDs angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg ; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht für die Entscheidung sachlich nicht zuständig war.
3
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 29. August 2012 das beim Amtsgericht – Strafrichter – Bochum rechtshängige Verfahren gegen den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften übernommen und zu dem bei ihm bereits rechtshängigen Verfahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und anderem hinzuverbunden. Dieser Beschluss ist unwirksam, weil die Verbindung neben der örtlichen auch die sachliche Zuständigkeit betraf und deshalb nur durch das Oberlandesgericht Hamm als dem gemeinschaftlichen oberen Gericht (§ 4 Abs. 2 StPO) angeordnet werden konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2013 – 2 StR 127/13, wistra 2013, 321; Urteil vom 23. März 2006 – 3 StR 458/05, Rn. 2; Urteil vom 30. August 1968 – 4 StR 335/68, BGHSt 22, 232, 234 f.). Da die Prozessvoraussetzung der sachlichen Zuständigkeit vom Revisionsgericht nach § 6 StPO von Amts wegen zu beachten ist und eine Nachholung der Verbindungsentscheidung durch den Senat nicht erfolgen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2001 – 2 StR 285/01, NStZ-RR 2002, 257, bei Becker), war das Verfahren wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften in entsprechender Anwendung des § 355 StPO an das Amtsgericht Bochum zurückzugeben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2000 – 4 StR 105/00, Rn. 6).
4
2. Die auf § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB gestützte Verurteilung des Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in den Fällen II.2 zu 1 und II.2 zu 2 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
5
a) Nach den Feststellungen führte die Mitangeklagte I. am 9. Dezember 2011 gegen 10.00 Uhr in einem Zeitraum von 20 Minuten „gemäß einem gemeinsamen Tatplan auf Initiative des Angeklagten“ zwei verschieden große Vibratoren abwechselnd mehrfach über teils kürzere, teils längere Zeiträume in den Anus und die Vagina ihrer zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alten Tochter ein. Das Geschehen wurde von dem Angeklagten zur eigenen sexuellen Befriedigung mit seiner Digitalkamera gefilmt. Zwischenzeitlich forderte er die Mitangeklagte I. auf, das Gleitgel zu erneuern. Kurz bevor der Angeklagte die Videoaufzeichnung abbrach, äußerte er gegenüber der Mitangeklagten I. , „es sei ja auch am Abend noch Zeit“ (Fall II.2zu 1 der Urteils- gründe). Gegen Abend desselben Tages wiederholte sich dieses Geschehen in einem in etwa entsprechenden Zeitraum, wobei der Angeklagte hiervon nunmehr Fotos fertigte (Fall II.2 zu 2 der Urteilsgründe).
6
b) Diese Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte jeweils eines schweren sexuellen Missbrauchs gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig gemacht hat.
7
Der Tatbestand des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB ist hinsichtlich der Beschreibung der sexuellen Handlung § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB nachgebildet (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 31 f.) und stellt eine Qualifikation gegenüber § 176 Abs. 1 und 2 StGB dar. Als Täter nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB kann daher nur bestraft werden, wer entweder selbst („eigenhändig“) entsprechend § 176 Abs. 1 StGB Körperkontakt zu dem Kind aufnimmt (BGH, Beschluss vom 26. August 1998 – 2 StR 357/98, NStZ-RR 1999, 321, 322, bei Pfister; Urteil vom 7. September 1995 – 1 StR 236/95, BGHSt 41, 242, 243) und dabei mit ihm den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Hörnle in: LK-StGB, 12. Aufl., § 176a Rn. 45; vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2011 – 4 StR 468/11, NStZ-RR 2012, 45; Urteil vom 22. April 1999 – 4 StR 3/99, BGHR StGB § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Mittäter 1, jeweils zu § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) oder wer entsprechend § 176 Abs. 2 StGB das Kind dazu bestimmt, eine der genannten Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von diesem an sich vornehmen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 2004 – 4 StR 134/04, NStZ 2005, 152, 153; Hörnle in: LK-StGB, 12. Aufl., § 176a Rn. 46). Nach den Feststellungen hat nur die Mitangeklagte I. an dem Tatopfer eine mit dem Eindringen in dessen Körper verbundene sexuelle Handlung (Einführen der Vibratoren) vorgenommen. Dass der Angeklagte auf die Geschädigte eingewirkt hat, damit sie die Missbrauchshandlungen der Mitangeklagten I. an sich vornehmen lässt, kann den Feststellungen ebenfalls nicht entnommen werden.
8
c) Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen, sind möglich. Dabei wird der neue Tatrichter auch zu prüfen haben, ob sich der Angeklagte einer Anstiftung oder einer Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1, §§ 26, 27 StGB schuldig gemacht hat.
9
3. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen II.1 und II.2 zu 1 und 2 zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
10
4. Die ohne jede nähere Erläuterung aus § 74 StGB hergeleitete Ent- scheidung über die Einziehung der bei „den Angeklagten sichergestellten Lap- tops mit Ladekabeln und der „bei den Angeklagten sichergestellten Kameras“ hat schon deshalb keinen Bestand, weil weder die Urteilsformel noch die Urteilsgründe eine hinreichende Bezeichnung der betroffenen Gegenstände enthalten und deshalb weder für die Vollstreckungsbehörde, noch für die Beteiligten Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20. Juni 2007 – 1 StR 251/07, wistra 2007, 427 f.; Urteil vom 15. März 1994 – 1 StR 179/93, Rn. 40, insoweit in BGHSt 40, 97 und NStZ 1994, 390 nicht abgedruckt). Da dieser Rechtsfehler auch die Mitangeklagte I. betrifft, war die Aufhebung insoweit auf sie zu erstrecken (§ 357 Satz 1 StPO).
11
Sofern sich die Einziehung auch auf den bei dem Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe sichergestellten Laptop und die im Fall II.2 zu 1 verwendete Digitalkamera bezieht, wird ihr auch durch die insoweit erfolgte Aufhebung des Schuldspruchs die Grundlage entzogen. Gleiches gilt für die im Fall II.1 sichergestellten 18 CDs/DVDs.
12
Im Fall einer erneuten Verurteilung des Angeklagten wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften gemäß § 184b Abs. 4 StGB wird zu beachten sein, dass nur die verwendeten Speichermedien als Beziehungsgegenstände nach § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB zwingend einzuziehen sind, während der für Lade- und Speichervorgang verwendete Computer nebst Zubehör als Tatwerkzeug lediglich der fakultativen Einziehung nach § 74 Abs. 1 2. Alt. i.V.m. § 184b Abs. 6 Satz 3 StGB unterliegt. In beiden Fällen ist im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob gemäß § 74b Abs. 2 StGB die Einziehung zunächst vorbehalten bleibt und weniger einschneidende Maßnahmen zu treffen sind, wenn auch auf diese Weise der Einziehungszweck erreicht werden kann (BGH, Urteil vom 16. Januar 2014 – 4 StR 370/13, Rn. 21; Beschluss vom 8. Februar 2012 – 4 StR 657/11, NStZ 2012, 319; Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 612/11, Rn. 5; Beschluss vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69 Rn. 3). Dies könnte hier durch eine endgültige Löschung der inkriminierten Bilddateien geschehen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 612/11, Rn. 3).
Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 383/08
vom
19. Dezember 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
StGB § 176 a Abs. 2 Nr. 1
Die Qualifikation des § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB ist bei Ejakulation in den Mund
des Tatopfers erfüllt.
BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08 - Landgericht Gera
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2008
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 16. April 2008 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die insbesondere rügt, dass die Voraussetzungen des § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht erfüllt seien. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Nach den Urteilsfeststellungen rief der Angeklagte an einem Tag im Februar 2005 seine siebenjährige Tochter M. zu sich in sein Büro. Er führte die Hand des Kindes an sein unbekleidetes Geschlechtsteil und veranlasste es, an seinem Penis zu manipulieren. Er forderte es dann auf, sein Geschlechtsteil in den Mund zu nehmen, was das Kind ablehnte. Daraufhin gebot ihm der Angeklagte, die Augen zu schließen, und ejakulierte in seinen Mund. Auf seine Anweisung schluckte seine Tochter das Ejakulat.
3
2. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Landgericht hat die Tat zu Recht als schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes nach § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB gewürdigt. Nach § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB wird der sexuelle Missbrauch von Kindern in den Fällen des § 176 Abs. 1 und 2 StGB mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, wenn eine Person über achtzehn Jahren mit dem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
4
Der Senat folgt nicht dem Vorbringen der Revision, dass der Qualifikationstatbestand nicht erfüllt sei, weil nicht der Penis des Angeklagten, sondern nur das Ejakulat in den Mund des Kindes gelangt sei.
5
Die Strafvorschrift des § 176 StGB schützt die ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern. Der Begriff „Eindringen in den Körper“ in § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB umschreibt besonders nachhaltige Begehungsweisen und stellt sie unter erhöhte Strafdrohung (BGHSt 45, 131, 132). Er ist nicht auf den Beischlaf, den Anal- und Oralverkehr beschränkt (BGH NJW 2000, 672 m. Anm. Renzikowski NStZ 2000, 367). Erfasst wird sowohl das Eindringen in den Körper des Opfers als auch in den des Täters (BGHSt 45, 131, 133 m. Anm. Hörnle NStZ 2000, 310). „Eindringen“ erfordert eine Penetration des Körpers. Es liegt nicht vor, wenn das Kind mit dem Mund den Penis des Täters nur berührt (BGH NStZ 2000, 27). „Eindringen“ in einen Körper können jedoch auch Flüssigkeiten (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der Deutschen Sprache [2002]). Eine Penetration des Körpers ist daher gegeben, wenn Sperma des Täters in den Mund des Opfers gelangt. Weder die Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch Sinn und Zweck der Regelung gebieten eine Einschränkung des Wortlautes auf eine Penetration mit Körperteilen oder festen Gegenständen.
6
a) Der Qualifikationstatbestand des § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB wurde als § 176 a Abs. 1 Nr. 1 durch das 6. StrRG vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) in das Strafgesetzbuch eingeführt. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollten die Qualifikationsmerkmale im Wesentlichen den Regelbeispielen der besonders schweren Fälle des § 177 StGB in der Fassung des 33. StrÄndG vom 1. Juli 1997 (BGBl. I S. 1607) nachgebildet werden. Der Entwurf des 6. StrRG verweist ausdrücklich auf die Gesetzgebungsmaterialien zum 33. StrÄndG (BT-Drucks. 13/7164 S. 32). Die heutige Fassung des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB beruht auf einer Gesetzesinitiative der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und der FDP vom 27. September 1995 (BT-Drucks. 13/2463) und floss später unverändert in einen letztlich verabschiedeten interfraktionellen Entwurf zahlreicher Bundestagsabgeordneter vom 21. März 1997 (BT-Drucks. 13/7324) ein. In beiden Begründungen heißt es gleich lautend, dem erzwungenen Beischlaf sollten ähnliche sexuelle Handlungen gleichgestellt werden, die das Opfer besonders erniedrigten. „Hiermit wird vor allem das Eindringen des Geschlechtsgliedes in den Körper als orale oder anale Penetration erfasst. Aber auch das Eindringen mit Gegenständen kann eine in gleicher Weise belastende oder erniedrigende Verhaltensweise darstellen, die unter das zweite Regelbeispiel fällt“ (BT-Drucks. 13/2463 S. 7; 13/7324 S. 6).
7
Die Gesetzgebungsmaterialien belegen danach, dass der Gesetzgeber eine umfassende Regelung treffen wollte, um besonders schwerwiegende sexuelle Handlungen zu erfassen. Anders als in § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB stellt § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB aber nicht auf eine besondere Erniedrigung des Opfers ab, sondern allein auf das Eindringen in den Körper, welches als schwerwiegende Beeinträchtigung der körperlichen Integrität anzusehen ist. Weiterer maßgebender Grund für die Gesetzesverschärfung war neben der besonders nachhaltigen Beeinträchtigung des Opfers die Möglichkeit, es mit Aids zu infizieren und die entsprechende Angst des Opfers (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 32 i. V. m. BT-Drucks. 13/2463 S. 6 und BT-Drucks. 13/7324 S. 5). Diese Gefahren bestehen gleichermaßen beim Ejakulieren in den Mund des Opfers.
8
b) Nach der Rechtsprechung des Senats ist das Ejakulieren auf den (nackten) Körper eine sexuelle Handlung mit Körperkontakt (so zu § 178 Abs. 1 StGB a. F. BGH NStZ 1992, 433 m. w. N.). Die sexuelle Handlung am Tatopfer setzt körperliche Berührung voraus, der Täter muss mit seiner sexuellen Handlung auf den Körper des Tatopfers einwirken, ihn in Mitleidenschaft ziehen. Erforderlich ist, dass der Körper des anderen selbst - nicht nur seine Kleidung und gegebenenfalls seine psychische Verfassung - in Mitleidenschaft gezogen wird. Dies hat der Senat für den Fall verneint, dass das Opfer eine Lederjacke trug, auf die ejakuliert wurde. Demgegenüber reicht die Berührung des (nackten) Körpers durch Sperma des Täters als körperliche Einwirkung. Dringt dann aber das Sperma in eine Körperöffnung des Opfers ein, handelt es sich nicht nur um eine sexuelle Handlung mit Körperkontakt, sondern auch um eine solche, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist.
9
c) Die notwendige Begrenzung des Tatbestandes leisten bei § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB das Erfordernis einer im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut erheblichen sexuellen Handlung nach § 184 g Nr. 1 StGB und das Tatbestandsmerkmal der Beischlafähnlichkeit der Tathandlung (vgl. zu letzterem Fischer StGB 56. Aufl. § 176 a Rdn. 8, § 177 Rdn. 71). Diese Kriterien sind auch in den Fällen des Eindringens mit Flüssigkeiten oder breiigen Gegenständen in den Mund zu prüfen. An der Sexualbezogenheit und der „Beischlafähnlichkeit“ von Handlungen, bei denen die Tathandlung entweder auf Seiten des Opfers oder des Täters unter Einbeziehung des Geschlechtsteils geschieht, besteht allerdings nach der gesetzgeberischen Bewertung kein Zweifel (BGH NJW 2000, 672). Damit erfasst der Tatbestand aber ohne Weiteres auch Fälle, in denen der Täter aus seinem Geschlechtsteil Sperma in den Mund des Opfers spritzen lässt. VRi'inBGH Dr. Rissing-van Saan Rothfuß Roggenbuck ist an der Unterschrift verhindert. Rothfuß Appl Schmitt

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 65/11
vom
14. April 2011
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Ein "Zungenkuss" ist in der Regel keine dem Beischlaf ähnliche Handlung im
BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 65/11 - LG Kassel
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 14. April 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 9. Dezember 2010 dahin geändert, dass 1. der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen und des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in einem Fall schuldig ist, 2. der Angeklagte im Fall II.1. der Urteilsgründe zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wird. II. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen. III. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Ange- klagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es in den Jahren von 2007 bis 2009 zu vier Taten zum Nachteil der am 22. Juli 2000 geborenen Geschädigten. Die erste Tat bestand darin, dass der Angeklagte der Geschädigten einen "Zungenkuss" gab, den das Kind als "eklig" empfand. Bei der zweiten und dritten Tat führte der Angeklagte jeweils einen Finger in Scheide und After des Kindes ein. Bei der vierten Tat kam es zum Eindringen mit dem Finger in die Scheide.
3
Das Landgericht hat alle Taten als schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB angesehen und den Fall des "Zungenkusses" als minderschweren Fall im Sinne von § 176a Abs. 4 Halbs. 2 StGB bewertet, weil die Schwelle der Erheblichkeit der sexuellen Handlung im Sinne von § 184g Nr. 1 StGB nur leicht überschritten worden sei. Für diese Tat hat das Landgericht eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verhängt, für die zweite und dritte Tat jeweils Einzelfreiheitsstrafen von drei Jahren und für die vierte Tat eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Daraus hat es die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten gebildet.

II.

4
Die Revision ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt worden und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Sachrüge führt im Fall II.1. der Urteilsgründe zu einer Änderung des Schuldspruchs und des Ausspruchs über die Einzelstrafe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
5
1. Der Schuldspruch ist dahin zu ändern, dass im Fall II.1. der Urteilsgründe nur das Grunddelikt nach § 176 Abs. 1 StGB, nicht aber die Qualifikation gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt ist. Im Übrigen ist der Schuldspruch rechtlich nicht zu beanstanden.
6
Rechtsfehlerfrei ist die Bewertung der Handlungen in den Fällen II.2. bis II.4. der Urteilsgründe jeweils als schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes im Sinne von § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB. Erforderlich ist dafür, dass der über achtzehn Jahre alte Täter mit dem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind. Zwar ist nicht jedes Eindringen in den Körper ausreichend, sondern nur eine dem Beischlaf "ähnliche Handlung". Davon werden andererseits nicht ausschließlich Fälle des Oraloder Analverkehrs erfasst, also nur ein Eindringen mit dem männlichen Glied. Auch das Eindringen mit anderen Körperteilen oder mit Gegenständen in den Körper kann im Einzelfall genügen (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1999 - 4 StR 389/99, NJW 2000, 672 f. mit Anm. Renzikowski NStZ 2000, 367 f.). Erforderlich ist aber, dass die sexuelle Handlung mit Blick auf das geschützte Rechtsgut, nämlich die ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern (Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118, 119), ähnlich schwer wiegt wie eine Vollziehung des Beischlafs. Dies ist bei einem Ein- dringen mit dem Finger in Scheide oder After des Kindes anzunehmen (vgl. LK/Hörnle, StGB, § 176a Rn. 27; SK/Wolters, StGB, 124. Lfg. 2010 § 176a Rn. 16; aA Folkers JR 2007, 11, 14).
7
Anders liegt es im Fall II.1. der Urteilsgründe, bei dem die Tat sich in einem "Zungenkuss" erschöpft hat. Dieser kann zwar als sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit im Sinne von §§ 176 Abs. 1, 184g Nr. 1 StGB (differenzierend OLG Brandenburg NStZ-RR 2010, 45 f.), die auch mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, jedoch nicht als eine zugleich "dem Beischlaf ähnliche" Handlung angesehen werden. Dagegen spricht schon das äußere Erscheinungsbild der Handlung, an der - anders als bei dem beischlafähnlichen Anal- oder Oralverkehr (vgl. dazu BGH Beschluss vom 14. September 1999 - 4 StR 381/99, BGHR StGB, § 176a Abs. 1 Nr. 1 Sexuelle Handlung 1) - kein primäres Geschlechtsorgan beteiligt ist. Soweit § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB auch deskripitive Elemente enthält, liegt die Gleichsetzung des Zungenkusses mit dem Beischlaf schon begrifflich fern. Die Ähnlichkeit der sexuellen Handlung mit dem Beischlaf ist aber vor allem auch an der Gewichtung der Rechtsgutsverletzung zu messen. Geschütztes Rechtsgut ist in den Fällen des § 176a StGB die ungestörte sexuelle Entwicklung des Kindes (Senat, Urteil vom 16. Juni 1999 - 2 StR 28/99, BGHSt 45, 131, 132; Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118, 119). Der Zungenkuss wirkt hierauf regelmäßig nicht so intensiv ein wie ein Vaginal-, Oral- oder Analverkehr. Schließlich ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien nicht, dass der Gesetzgeber den Fall des Zungenkusses der Norm unterwerfen wollte (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 31 f.; zuvor BT-Drucks. 13/2463 S. 7 und 13/7324 S. 6, jeweils zu § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB). Der Senat nimmt daher im Einklang mit der in der Literatur vorherrschenden Ansicht (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl. § 176a Rn. 8; LK/Hörnle, StGB, 12. Aufl. § 176a Rn. 27; Perron/Eisele in Schönke/ Schröder, StGB, 27. Aufl. § 176a Rn. 8; Renzikowski NStZ 2000, 367 f.; SK/Wolters aaO § 176a Rn. 16; Ziegler in v. Heintschel-Heinegg, BeckOK-StGB 2011 § 176a Rn. 12; weitergehend Folkers JR 2007, 11 ff.; aA NK/Frommel, StGB, 2009 § 176a Rn. 11; Laubenthal, Sexualstraftaten; Die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung , 2000, Rn. 382) an, dass der "Zungenkuss" in der Regel keine dem Beischlaf ähnliche Handlung im Sinne des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB ist. Ob unter besonderen Umständen in extremen Ausnahmefällen etwas anderes gelten kann, kann hier offen bleiben.
8
Rechtsprechung anderer Strafsenate des Bundesgerichtshofs steht nicht entgegen. Der 5. Strafsenat hat in seinem Beschluss vom 21. Mai 2008 - 5 StR 197/08 die Beweiswürdigung des Tatgerichts beanstandet und das angefochtene Urteil deshalb aufgehoben. Die Einordnung des "Zungenkusses" als eine dem Beischlaf ähnliche Handlung war dort keine tragende Erwägung. Der 4. Strafsenat hat in seinem Urteil vom 18. November 1999 - 4 StR 389/99 (NJW 2000, 672 f.) andere Formen des Eindringens in den Körper als beim Oral- oder Analverkehr "mit Ausnahme des Zungenkusses" als dem Beischlaf ähnliche Handlungen bezeichnet.
9
Es bleibt daher im Fall II.1. der Urteilsgründe bei der Erfüllung des Grundtatbestands nach § 176 Abs. 1 StGB. Der Senat ändert insoweit den Schuldspruch ab. Eines rechtlichen Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO bedarf es beim Wegfall einer Qualifikation nicht (vgl. BGH Beschluss vom 23. April 2002 - 3 StR 505/01, BGHR StPO, § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 16).
10
2. Der Senat setzt die Einzelstrafe für den Fall II.1. nach der Schuldspruchänderung auf die Mindeststrafe gemäß § 176 Abs. 1 StGB in der ab 1. April 2004 und damit auch für die Tatzeit geltenden Fassung des Gesetzes auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten fest, weil die sexuelle Handlung die Schwelle zur Erheblichkeit im Sinne von § 184g Nr. 1 StGB nur geringfügig überschritten hatte. Es ist ausgeschlossen, dass die Gesamtstrafe dadurch beeinflusst wird.

Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.