Bundesgerichtshof Urteil, 03. Sept. 2014 - 1 StR 145/14

bei uns veröffentlicht am03.09.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 1 4 5 / 1 4
vom
3. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
3. September 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13. November 2013 aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Die weitergehende Revision wird verworfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen, davon in zehn Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt , seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und einen Vorwegvollzug von einem Jahr und neun Monaten bestimmt. Daneben hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 25.000 Euro angeordnet. Im Übrigen hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
2
Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, die sie auf den verurteilenden Teil des Erkenntnisses beschränkt. Sie beantragt insoweit die Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen und die Zurückverweisung an eine andere Strafkammer. Sie beanstandet, dass das Landgericht ausgehend von den getroffenen Feststellungen eine Bande im Sinne von § 30a Abs. 1 BtMG ausgeschlossen und keine Feststellungen zur Bandenabrede getroffen habe.
3
Der Angeklagte wendet sich mit seiner Revision allein gegen die Strafzumessung. Er beanstandet unter anderem, dass seine Aufklärungshilfe nicht gewürdigt worden sei und nicht zur Anwendung des § 31 BtMG geführt habe.
4
Beide Rechtsmittel haben in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

A.

5
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
6
Der Angeklagte fuhr im Sommer 2009 in Begleitung des gesondert Verfolgten P. nach F. , um sich dort eine Bezugsquelle für Haschisch zu suchen. Das Haschisch wollte er in N. gewinnbringend weiterverkaufen und mit einem Teil seinen Eigenkonsum bestreiten. Er stellte den Kontakt zu einem Händler her, den er später nach einem weiteren Besuch in F. wechselte. Im Zeitraum zwischen dem 20. Juni 2009 und September 2010 bezog der Angeklagte in elf Fällen Haschisch aus F. . Hierbei „be- diente“ er sich „der Unterstützung des anderweitig Verfolgten P. , später auch der anderweitig Verfolgten K. und J. “ (UA S. 17).
7
Dabei gingen sie stets in gleicher Weise vor. Wer von den beteiligten Personen zufällig verfügbar war, fuhr mit dem Auto zum Erwerb nach F. . Im Vorfeld der Beschaffungsfahrten hatte der Angeklagte mit dem jeweiligen Händler schon die Bezugsmenge, den hierfür zu zahlenden Preis sowie Ort und Zeit der Übergabe vereinbart. Das Geld für den Kauf stammte vom Angeklagten. Das Rauschgift wurde durch Paketdienste an die Wohnadresse des P. oder des K. zugestellt. Die beteiligten Personen brachten es stets in einen Keller im Wohnhaus des P. , in dem derAngeklagte eine Garage gemietet hatte. Dieser Keller diente als „Bunker“, aus dem heraus sowohl der Angeklagte als auch P. , K. und J. den Verkauf betrieben. Letztere übergaben für jede entnommene 100-Gramm-Platte des Rauschgifts jeweils 400 Euro an den Angeklagten. Dieser günstige Preis war ihnen vom Angeklagten als Gegenleistung für ihre Unterstützung bei den Fahrten eingeräumt worden. Alle Beteiligten hatten kraft Kenntnis des Schlüsselverstecks freien Zugang zu dem Rauschgift und sie konnten sich jederzeit daraus bedienen.
8
Das gehandelte Rauschgift hatte in zehn Fällen einen Wirkstoffgehalt von fünf Prozent Tetrahydrocannabinol, in einem Fall allerdings nur einen solchen von drei Prozent. Von jeder Menge waren jeweils 100 Gramm für den Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Taten:
9
1. Bei der ersten Fahrt am 20. Juni 2009 fuhren der Angeklagte und P. nach F. und erwarben 500 Gramm Haschisch.
10
2. Zwischen dem 20. Juni und dem 27. August 2009 fuhren beide erneut dorthin und erwarben ein Kilogramm dieses Rauschgifts.
11
3. Im Auftrag des Angeklagten machten sich am 27. August2009 P. , J. , K. und eine weitere Person nach F. auf. Dort sollten sie zwei Kilogramm Haschisch erwerben, was der Angeklagte zuvor mit seiner Bezugsquelle so vereinbart hatte. Sie hatten allerdings einen unfallbedingten Fahrzeugschaden, so dass sie nicht nach F. gelangten.
12
4. bis 7. Nach dem 27. August 2009 fanden vier Fahrten durch P. und mindestens eine unbekannte Person statt, bei denen jeweils ein Kilogramm Haschisch erworben wurde.
13
8. Ebenfalls nach dem 27. August 2009 fuhr P. mitmindestens einer unbekannten Person nach F. und erwarb dort zwei Kilogramm Haschisch.
14
9. bis 11. Es folgten drei Fahrten zwischen dem 1. Januar und September 2010 durch P. und J. , bei der sie jeweils zwei Kilogramm Haschisch erwarben.
15
II. Das Landgericht hat die Taten jeweils als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewertet. In zehn Fällen ist es zudem im Hinblick auf die Eigenkonsummenge von einem tateinheitlich hierzu begangenen unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG ausgegangen. Eine bandenmäßige Begehung hat es hingegen abgelehnt. Es hat die gesondert Verfolgten P. , K. und J. als dem Angeklagten gegenüber selb- ständige Geschäftspartner auf der Abnehmerseite angesehen. Hierzu führt es folgende Aspekte an:
16
Das Risiko bei Einkauf und Lagerung der Ware habe allein den Angeklagten getroffen. Dies gelte auch für das Risiko des Abverkaufs; der Angeklagte habe als Verkäufer Preis, Ort und Zeitpunkt des Verkaufs bestimmt. Es habe weder eine Verpflichtung zum Verkauf noch zur Abgabe eines prozentualen Anteils des Verkaufserlöses in eine gemeinsame Kasse gegeben. Bei den Be- schaffungsfahrten hätten die vier Beteiligten zwar als Mittäter agiert, „aber keinen darüberhinausgehenden Zusammenschluss“ (UA S. 39) gebildet. Bei bestehendem gegenseitigem Interesse daran, „die Geschäfte am Laufen“ (UA S. 39) zu halten, habe sich aber niemand für die Geschäfte des anderen interessiert oder für diese Verantwortung übernommen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass alle gesondert Verfolgten übereinstimmend angegeben hätten, „der Angeklagte habe ihnen eine Badewanne voll Geld versprochen“ (UA S. 39). Denn tatsächlich habe es keine gemeinsame Kasse ge- geben, der Angeklagte habe vielmehr mit seinen inhaltslosen Versprechungen nur die anderen Beteiligten bei der Stange halten wollen.
17
III. Das Landgericht ist für jede Tat vom Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG ausgegangen. Einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG hat es jeweils abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 31 BtMG hat es nicht als gegeben angesehen, da der Angeklagte keine Aufklärungshilfe geleistet habe. Es hat auf Einzelfreiheitsstrafen zwischen einem Jahr und drei Monaten bis zu zwei Jahren und sechs Monaten erkannt. Bei der Gesamtstrafenbildung hat es noch einen Härteausgleich wegen der vollständigen Vollstreckung einer im Übrigen gesamtstrafenfähigen Strafe vorgenommen.

B.

18
Die Revision der Staatsanwaltschaft
19
I. Der Schuldspruch hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand; er enthält allein den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler. Die Ausführungen zur Frage, ob es sich bei dem Angeklagten einerseits und den anderen Beteiligten P. , K. und J. andererseits um eine Bande oder um sich jeweils selbständig gegenüber stehende Verkäufer und Erwerber handelte, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Wertung, der Angeklagte habe nicht bandenmäßig gehandelt, kann daher keinen Bestand haben.
20
1. Wesentliches Merkmal einer Bande ist die auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von mindestens drei Personen zur gemeinsamen Deliktsbegehung (BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321; Urteile vom 22. April 2004 – 3 StR 28/04, NStZ 2004, 696, und vom 29. Februar 2012 – 2 StR 426/11). Daran fehlt es, wenn sich die Beteiligten eines Betäubungsmittelgeschäfts auf der Verkäufer- und der Erwerberseite selbständig gegenüber stehen, auch wenn sie in einem eingespielten Bezugsund Absatzsystem im Rahmen einer andauernden Geschäftsbeziehung handeln. Ob eine Person, die regelmäßig von einem bestimmten Verkäufer Betäubungsmittel zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs bezieht, in dessen Absatzorganisation als verlängerter Arm eingebunden ist oder dieser auf der Abnehmerseite als selbständiger Geschäftspartner gegenüber steht, beurteilt sich wesentlich nach der getroffenen Risikoverteilung (BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2007 – 4 StR 612/06, NStZ 2007, 533; vom 5. Oktober 2007 – 2StR 436/07, NStZ-RR 2008, 55; vom 5. Juli 2011 – 3 StR 129/11, StraFo 2011, 413 mwN; vom 31. Juli 2012 – 5 StR 315/12, NStZ 2013, 49).
21
2. Diese Obersätze hat das Landgericht zwar seinen Ausführungen vorangestellt, bezieht für die erforderliche Abgrenzung aber danach wesentliche Aspekte nicht ein. Die rechtliche Bewertung ist daher auf einer lückenhaften Grundlage erfolgt.
22
Die Ausführungen des Landgerichts nehmen zur Frage, ob eine Bande vorliegt, nur den der Beschaffung des Rauschgifts nachfolgenden Verkauf durch den Angeklagten und seine Mittäter in den Blick. Dies erweist sich als unzureichend, da Bezugspunkt für die Prüfung, ob der Angeklagte einerseits und die anderen Beteiligten andererseits auf wirtschaftlich unterschiedlichen Seiten dieses Geschäfts stehen, sämtliche Teilakte des Handeltreibens sind, mithin auch der Teilakt der mittäterschaftlich organisierten Beschaffung. Anders als in den Fallkonstellationen, in denen es um die Bewertung reiner Absatzbe- ziehungen zwischen Verkäufer und Erwerber geht, war der stets „auf eine bestimmte Art und Weise“ (UA S. 17) erfolgende Tatablauf nicht nur durch ein Zusammenwirken beim Absatzgeschäft gekennzeichnet, sondern auch durch eine arbeitsteilig erfolgende Beschaffung des Rauschgifts, weswegen das Landgericht insoweit die Beteiligten und den Angeklagten als Mittäter angesehen hat.
23
Dieser Teilakt war durch ein gemeinsames Interesse an dem Vollzug des vom Angeklagten zuvor mit seinem Händler ausgehandelten Ankaufgeschäfts und mithin durch ein gemeinsames Agieren auf der Erwerberseite geprägt. Dies kommt in den Modalitäten zur Fahrt nach F. , der Versendung der Drogen an die Mittäter des Angeklagten und der damit verbundenen Überbürdung des Entdeckungsrisikos auf diese zum Ausdruck.
24
3. Eine Schuldspruchumstellung durch den Senat kam nicht in Betracht, da es an tragfähigen Feststellungen zur erforderlichen Bandenabrede fehlt. In- soweit ist der Verteidigung darin Recht zu geben, dass die Mittäterschaft allein noch nicht ausreichend ist für die Annahme einer bandenmäßigen Begehung, es vielmehr einer ausdrücklichen oder konkludenten Abrede darüber bedarf, mit den anderen Bandenmitgliedern in Zukunft für eine gewisse Dauer eine unbestimmte Zahl von Straftaten zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 328 ff.; Beschluss vom 14. Mai 2014 – 2 StR 465/13).
25
4. Da es sich allein um einen Subsumtionsfehler handelt, bedurfte es nicht der Aufhebung von Feststellungen, die rechtsfehlerfrei getroffen sind. Das neu zuständige Tatgericht wird aber ergänzende, nicht im Widerspruch zu den bisherigen stehende Feststellungen, insbesondere zu den Umständen der Verabredung der Begehung der Taten zwischen dem Angeklagten und P. , K. und J. , zu treffen haben.
26
II. Die für sich genommen rechtsfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung auch wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG im Hinblick auf die zum Eigenkonsum bestimmte Menge wird von der Aufhebung mitumfasst.
27
III. Das gleiche gilt sowohl für die Anordnung des Wertersatzverfalls als auch für die der Unterbringung in der Entziehungsanstalt. Zwar richtete sich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft nicht gegen diese Teile des Rechtsfolgenausspruchs ; eine Beschränkung kommt aber nicht in Betracht, da beide Anordnungen auf der Feststellung von rechtswidrigen Taten beruhen.

C.

28
Die Revision des Angeklagten
29
I. Die Revision des Angeklagten, die sich nach dem Inhalt der Beanstandungen allein gegen den Strafausspruch wendet, hat Erfolg. Denn das Urteil leidet im Hinblick auf die Prüfung der Voraussetzungen des § 31 BtMG an einem durchgreifenden Erörterungsmangel.
30
Zu Recht beanstandet der Revisionsführer, dass das Urteil eine Auseinandersetzung mit seiner vor Eröffnung des Hauptverfahrens abgegebenen schriftlichen Einlassung vermissen lässt, mithin wesentlichen in die Hauptverhandlung eingeführten Beweisstoff unberücksichtigt gelassen hat (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 27. September 2007 – 4 StR 1/07, NStZ-RR 2008, 83; Beschluss vom 10. März 2011 – 2 StR 49/11; Beschluss vom 27. März 2012 – 3StR 49/12, NStZ 2012, 709). Da die Revision klar erkennen lässt, gegen welche Unterlassung der bestimmte Vorwurf der Rechtsverletzung erhoben wird, und die den behaupteten Fehler belegenden Tatsachen vollständig vorträgt , ist es unschädlich, dass sie die Rüge unter dem Aspekt der Verletzung sachlichen Rechts erhoben hat (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2011 – 1 StR 302/11).
31
Die Erklärung, deren fehlende Berücksichtigung gerügt wird, ist von der Revision umfassend, auch hinsichtlich des Zeitpunkts und der weiteren Umstände ihrer Abgabe, vorgetragen worden. Daraus ergibt sich, dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt mehrere Abnehmer und Lieferanten mittels konkreter Namens- oder Wohnangaben individualisierbar benannt hat. Dass diese Erklärung zum Inbegriff der Hauptverhandlung geworden ist, ergibt sich neben dem Revisionsvortrag auch aus dem Urteil selbst, in dem erwähnt ist, dass die datumsmäßig bezeichnete schriftliche Stellungnahme des Angeklagten in der Hauptverhandlung verlesen worden ist (UA S. 21). Da zugleich eine zulässige Sachrüge erhoben ist, kann ergänzend auf die Urteilsgründe zurückgegriffen werden (BGH, Urteil vom 3. November 2000 – 2 StR 354/00, BGHSt 46, 189, 190 f.; Beschluss vom 18. Juli 2007 - 1 StR 296/07).
32
Vor diesem Hintergrund hätte es das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung nicht dabei bewenden lassen dürfen, das Vorliegen von Aufklärungshilfe ohne weitere Begründung zu verneinen. Es hätte vielmehr einer Auseinandersetzung damit bedurft, warum die Erklärung des Angeklagten die Voraussetzungen des § 31 BtMG nicht zu erfüllen vermag. Hierzu hätte auch deshalb Anlass bestanden, weil das Landgericht an der Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten hinsichtlich des Bezugs- und Absatzsystems keine Zweifel hatte (UA S. 28 f.).
33
Da die Versagung des fakultativen Strafmilderungsgrunds des § 31 BtMG damit nicht nachvollziehbar begründet ist, ist ein Beruhen der Strafzumessung auf diesem Aspekt nicht auszuschließen.
34
II. Auf die weitere verfahrensrechtliche Beanstandung, die auf keinen weiteren Aufhebungsumfang zielt, kam es daher nicht mehr an.
35
III. Der Revisionsvortrag, das Landgericht habe den Härteausgleich unzutreffend berechnet, da es nicht gesondert berücksichtigt habe, dass durch die vollständige Vollstreckung der ansonsten gesamtstrafenfähigen Strafe von zehn Monaten diese Zeit nicht auf den Vorwegvollzug anzurechnen und somit eine Verzögerung des Therapieantritts eingetreten sei, zeigt keinen Rechtsfehler auf.
36
1. Schon die Prämisse des Revisionsführers, dass „betäubungsmittelab- hängige Täter so frühzeitig wie möglich einer Suchttherapie zu unterziehen sind“, (RB S. 9) findet in der gesetzlichen Regelung des § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB keine uneingeschränkte Stütze.
37
2. Es bestand aber auch kein Anlass für die Gewährung eines weitergehenden Härteausgleichs. Das Landgericht hat die entgangene Gesamtstrafenbildung wegen der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe von zehn Monaten aus einer Vorverurteilung dadurch ausgeglichen, dass es zunächst eine fiktive Gesamtstrafe gebildet und sodann von dieser die schon vollstreckte Strafe abgezogen hat. Hiergegen ist nichts zu erinnern (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 29. Juli 1982 – 4 StR 75/82, BGHSt 31, 102, 103; Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 441/10, NJW 2011, 868). Raum Graf Cirener Radtke Mosbacher

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(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 426/11
vom
29. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Februar 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 19. April 2011, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Anordnung des Verfalls aufgehoben. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen sowie der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Außerdem hat es den Verfall eines Geldbetrags in Höhe von 37.140 € angeordnet. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat hinsichtlich der Verfallsanordnung Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
2
1. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 37.140 € begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da das Landgericht die Ermes- sensvorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StPO nicht erörtert hat, obwohl dazu Anlass bestanden hätte.
3
Der Angeklagte bezog nach den getroffenen Feststellungen vor seiner Inhaftierung im vorliegenden Verfahren Hartz IV-Leistungen und hatte nicht unerhebliche Geldschulden, die nicht aus Drogengeschäften stammten. Es liegt daher nicht fern, dass der Angeklagte die für die Tat erlangten Beträge zumindest teilweise verbraucht oder zur Schuldentilgung verwendet hat. Das Landgericht hätte deshalb Veranlassung zu der Prüfung gehabt, ob der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden war und sie deshalb ganz oder teilweise zu unterbleiben hatte.
4
2. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen sind von den Gesetzesverletzungen nicht betroffen und können daher bestehen bleiben. Neue Feststellungen dürfen ihnen nicht widersprechen.
Fischer Berger Krehl Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 612/06
vom
6. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 6. Februar 2007 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 17. Juli 2006 mit den zur Bandenbildung getroffenen Feststellungen aufgehoben; die übrigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision , mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrensbeschwerden bleiben erfolglos. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 9. Januar 2007, denen gegenüber auch das weitere Vorbringen im Schriftsatz des Verteidigers vom 1. Februar 2007 nicht durchdringt. Allerdings geben einzelne Erwägungen, mit denen die Strafkammer die Anträge der Verteidigung auf Vernehmung der französischen Vernehmungspersonen des Zeugen N. zurückgewiesen hat, Anlass zu rechtlichen Bedenken. Dies gilt namentlich, soweit das Landgericht schon die Qualifikation der Anträge als Beweisanträge im Sinne des § 244 Abs. 3 StPO in Zweifel gezogen hat. Darauf kommt es indes hier nicht an, weil die Verfahrensrügen nicht zulässig im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausgeführt sind und im Übrigen das Landgericht die Anträge auf Vernehmung der Auslandszeugen jedenfalls rechtsfehlerfrei nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO abgelehnt hat.
3
2. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben, soweit das Landgericht ihn als überführt angesehen hat, die Schmuggelfahrt vom 8./9. November 2004 vorbereitet und organisiert zu haben, bei der der Zeuge N. im Auftrag des Angeklagten von Polen aus mit einem Pkw 18 kg Heroin mit einem Wirkstoffanteil von über 11 kg nach Spanien transportieren sollte, aber nach einem Zwischenstopp bei dem Angeklagten in Deutschland in Frankreich kontrolliert und festgenommen wurde. Zu Recht hat das Landgericht in der Beteiligung des Angeklagten trotz des auf eine Durchfuhr durch Deutschland gerichteten Tatgeschehens eine tatbestandliche mittäterschaftlich begangene Einfuhr des Rauschgifts gesehen (BGHSt 31, 374; dass das Landgericht den Angeklagten nicht auch wegen tateinheitlich - vgl. BGHSt 40, 73 - begangenen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat, beschwert ihn nicht). Gleichwohl hält das Urteil der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil die bandenmäßige Begehung im Sinne von § 30 a Abs. 1 BtMG nicht hinreichend mit Tatsachen belegt ist.
4
Das Landgericht nimmt an, der Angeklagte habe sich mit N. und zwei polnisch sprechenden Männern in Madrid ("der Spanier" und "der Türke") zusammengeschlossen, um arbeitsteilig und zur Gewinnerzielung Heroin von Polen nach Spanien zu überbringen und es dort "an Großabnehmer oder selbst oder durch Dritte" weiterzuveräußern (UA 6) . Worauf sich die Feststellungen zur Zusammensetzung der Bande und zur Bandenabrede stützen, lässt sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen. Der Angeklagte hat im Wesentlichen von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Auch die Aussage des Zeugen (und Tatbeteiligten) N. , soweit sie im Urteil ihren Niederschlag gefunden hat, belegt den von der Strafkammer angenommenen Zusammenschluss der aus dem Angeklagten, N. und dessen "permanenten Ansprechpartnern in Spanien" (UA 28) bestehenden Bande nicht. Insbesondere bleibt die Rolle dieser beiden "Ansprechpartner" im Unklaren. Darauf kam es aber an. Denn wesentliches Element einer Bande ist eine auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung mehrerer Personen zur zukünftigen gemeinsamen Deliktsbegehung (BGHSt - GS - 46, 321, 329). An einer Verbindung zur gemeinsamen Tatbegehung fehlt es aber, wenn sich Beteiligte eines Drogengeschäfts - sei es auch in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem - lediglich jeweils auf der Verkäufer- und Erwerberseite gegenüber stehen (vgl. Senatsurteil vom 9. Dezember 2004 - 4 StR 164/04 m.w.N.). Dass die beiden "Ansprechpartner" in Spanien - anders als der Angeklagte und N. - nicht auf der Lieferantenseite, sondern auf der Käuferseite standen, kann schon deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen werden, weil das Landgericht es für möglich hält, dass die 22.000 Euro, die N. bei der der jetzt abgeurteilten Schmuggelfahrt vorangehenden Fahrt nach Spanien Ende Oktober 2004 von den "Gruppenmitgliedern in Spanien" erhielt, entweder aus Betäubungsmittelgeschäften stammten oder Teil des Kaufpreises für die nächste Heroinlieferung waren (UA 9). Damit fehlt es aber möglicherweise an der nach der neueren Rechtsprechung (BGHSt – GS – 46, 321) für die Annahme einer Bande vorausgesetzten Mindestzahl von drei Mitgliedern.
5
Die unzureichenden Feststellungen zur Bande nötigen zur Aufhebung des Urteils mitsamt den zur Bandenbildung getroffenen Feststellungen. Nur insoweit bedarf es neuer Feststellungen durch den neuen Tatrichter. Die übrigen zur Organisation der Schmuggelfahrt, ihrer Vorbereitung und Durchführung getroffenen Feststellungen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler unberührt und können deshalb bestehen bleiben.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Sost-Scheible
5 StR 315/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 31. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Juli 2012

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 15. November 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;
b) im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Zur Straffestsetzung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen „unerlaubten Handeltreibens mitBetäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Mitglied einer Bande“ zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schloss sich der Angeklagte mit den gesondert Verfolgten A. H. und I. H. „in der Absicht zusammen, arbeitsteilig vorgehend in einer nicht näher bestimmten Anzahl von Fällen unerlaubt mit Betäubungsmitteln Handel zu treiben, um sich so jeweils eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von eini- ger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen“ (UA S. 5). Am 15. Okto- ber 2010 bestellte A. H. beim Angeklagten „in Umsetzung ihres zuvor getroffenen gemeinsamen Tatplanes“ (UA S. 6) 20 Kilogramm Heroin. Hiervon abweichend einigte man sich in einem Telefonat am folgenden Tag auf die Lieferung von acht Kilogramm Heroingemisch und acht Kilogramm Streckmittel, weil der Angeklagte kurzfristig keine größere Menge beschaffen konnte. A. H. leistete an den Angeklagten eine Anzahlung in Höhe von 21.000 €, von der dieser 19.000 € für den Erwerb des Betäubungsmittels aufwendete. Nach dem Verkauf des Heroins durch A. und I. H. sollte der Angeklagte weitere 15.000 € erhalten. Nachdem der Angeklagte am 19. Oktober 2011 telefonisch A. H. informiert hatte, dass die Übergabe des Heroingemisches in der folgenden Nacht in Braunschweig stattfinden solle, begab er sich mit dem in einer Sporttasche verstauten Betäubungs- und Streckmittel von Rotterdam nach Eindhoven, wo er es der Kurierin B. übergab, die ihm durch seinen Cousin und einen mit diesem bekannten Marokkaner vermittelt worden war. In der Sporttasche befanden sich 7,923 Kilogramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von insgesamt 126,5 Gramm Heroinhydrochlorid sowie 8,9 Kilogramm Streckmittel. Während B. nach Braunschweig fuhr, koordinierte der Angeklagte telefonisch mit A. H. die Übergabe an dessen zur Entgegennahme der Betäubungsmittel in Begleitung des A. nach Braunschweig angereisten Bruder I. H. . Unmittelbar nach der Übergabe erfolgte die Festnahme von I. H. , A. und B. sowie die Sicherstellung der Sporttasche mit den Betäubungsmitteln.
3
2. Die Annahme bandenmäßiger Begehungsweise wird von den Feststellungen nicht getragen. Wesentliches Merkmal einer Bande ist die auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von mindestens drei Personen zur gemeinsamen Deliktsbegehung (BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321; Urteile vom 22. April 2004 – 3 StR 28/04, NStZ 2004, 696, und vom 29. Februar 2012 – 2 StR 426/11). Daran fehlt es, wenn sich die Beteiligten eines Betäubungsmittelgeschäfts auf der Verkäufer - und der Erwerberseite selbständig gegenüber stehen, auch wenn sie in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem im Rahmen einer andauernden Geschäftsbeziehung handeln (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 – 3StR 129/11, StraFo 2011, 413 mwN). Ob eine Person, die regelmäßig von einem bestimmten Verkäufer Betäubungsmittel zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs bezieht, in dessen Absatzorganisation als verlängerter Arm eingebunden ist oder dieser auf der Abnehmerseite als selbständiger Geschäftspartner gegenüber steht, beurteilt sich wesentlich nach der getroffenen Risikoverteilung. Der Abnehmer in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem, der die Betäubungsmittel zum vereinbarten Preis erwirbt und diese anschließend ausschließlich auf eigenes Risiko verkauft , insbesondere die Verkaufspreise selbst festsetzt und über die von ihm erzielten Gewinne allein disponiert, ist regelmäßig als selbständiger Käufer anzusehen und nicht als Teil der Verkäuferseite. Von einer Einbindung in die Absatzorganisation des Verkäufers ist demgegenüber in der Regel auszugehen , wenn dieser dem Abnehmer die Höhe des Verkaufspreises vorgibt, Zeitpunkt und Umfang der Weiterveräußerungen bestimmt sowie an deren Gewinn und Risiko beteiligt ist (BGH aaO; Urteil vom 22. April 2004 – 3 StR 28/04, NStZ 2004, 696).
4
Im hier zu entscheidenden Fall lassen die Urteilsfeststellungen keinerlei unmittelbare Beteiligung des Angeklagten an dem mit dem Weiterverkauf verbundenen Risiko des A. H. und seines Bruders erkennen. Vielmehr sollte der Angeklagte nach der mit A. H. getroffenen Abrede den Kaufpreis von 36.000 € – auch den erst nach dem Weiterverkauf zu zahlenden Anteil von 15.000 € – unabhängig von den im Rahmen des Weiterverkaufs erzielten Erlösen erhalten. Ferner ist den Feststellungen nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte Vorgaben zur Abwicklung des Weiterverkaufs und den Verkaufspreisen gemacht hat. Allein daraus, dass der Angeklagte gegenüber A. H. äußerte, er „möchte auch, dass es für dich gut funktioniert“ und – bezogen auf die zu schlechte Qualität für ihn er- hältlichen Heroins – bemerkte, sie würden beide Verluste machen, sie würden „zusammen verlieren“ (UA S. 18), folgt keine Einbindung H. s in die Absatzorganisation des Angeklagten. Dies stellt die unabhängig von dem im Rahmen des Weiterverkaufs erzielten Erlös bestehende Verpflichtung H. s zur Zahlung des Kaufpreises an den Angeklagten nicht in Frage und belegen nicht eine unmittelbare Risikobeteiligung des Angeklagten. Einer solchen steht schon entgegen, dass der Angeklagte von H. bereits eine die Einkaufskosten übersteigende Summe als Anzahlung erhalten hat, so dass auch abgesehen von der Verpflichtung H. s zur Zahlung des vollen Kaufpreises allenfalls die Höhe des Gewinns des Angeklagten vom Erfolg des Weiterverkaufs abhängen kann. Ein Interesse des Angeklagten an einem erfolgreichen Weiterverkauf seiner Abnehmer besteht im Übrigen bereits im Hinblick auf die geplante Fortführung der Geschäftsbeziehung und lässt für sich genommen nicht auf eine weitergehende Risikobeteiligung schließen. Noch weniger erlaubt die aus der fehlenden Rückmeldung H. s nach der Übergabe folgende Besorgnis des Angeklagten einen solchen Rückschluss. Auch im Rahmen von Betäubungsmittelgeschäften, bei denen sich Verkäufer und Erwerber in typischer Weise selbständig gegenüberstehen, muss der Verkäufer bei einer – durchaus üblichen – Vereinbarung einer Restkaufpreiszahlung nach Weiterverkauf im Falle der Festnahme der Abnehmer in der Regel mit dem Ausfall seiner Restforderung rechnen und zudem strafrechtliche Verfolgung befürchten.
5
Da somit nach den Urteilsfeststellungen die Annahme bandenmäßigen Handelns bereits deshalb ausscheidet, weil A. H. dem Angeklagten selbständig auf der Abnehmerseite gegenüberstand, braucht der Senat nicht der Frage nachzugehen, ob dieFeststellungen eine Einbindung I. H. s in die zwischen dem Angeklagten und A. H. getroffene Abrede zu künftiger Deliktsbegehung ausreichend belegen.
6
3. Der Senat ändert den Schuldspruch ab, weil weitergehende Feststellungen nicht zu erwarten sind. Der Angeklagte hat die Tatbestände der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG (vgl. hierzu etwa BGH, Beschluss vom 11. Juli 1991 – 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32) und des unerlaubten Handeltreibens mit Be- täubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG tateinheitlich verwirklicht (vgl. zur Tateinheit BGH, Beschluss vom 25. November 2009 – 2 StR 344/09, NStZ-RR 2010, 119). Da der Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können, steht § 265 StPO der Schuldspruchänderung nicht entgegen. Auch der im Hinblick auf die Auslieferungsbewilligung geltende Spezialitätsgrundsatz hindert eine Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 1986 – 3 StR 177/86, NStZ 1986, 557; Beschluss vom 9. Oktober 2000 – 5 StR 248/00).
7
Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, weil lediglich Wertungsfehler vorliegen. Das neue Tatgericht kann hinsichtlich des – entgegen der missverständlichen Wendung auf UA S. 16 – umfassend ge- ständigen Angeklagten ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen. Die im Urteil getroffene Anrechnungsentscheidung gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB bleibt unberührt.
Basdorf Raum Schaal Dölp Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 4 6 5 / 1 3
vom
14. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 14. Mai 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten Z. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. April 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit dieser in den Fällen II.25 bis 28 der Urteilsgründe verurteilt wurde und im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel des Angeklagten Z. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die Revision des Angeklagten M. gegen das genannte Urteil wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen schweren Bandendiebstahls in 16 Fällen und versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Den Angeklagten Z. hat es wegen schweren Bandendiebstahls in 17 Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung, Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel des Angeklagten Z. hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Die Revision des Angeklagten M. ist unbegründet.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schlossen sich die Angeklagten vor dem 11. April 2012 mit weiteren Personen in der Absicht zusammen , in Deutschland hochwertige Kraftfahrzeuge aufzubrechen und Navigationsgeräte zu entwenden, um diese in Litauen zu verkaufen. Dadurch wollten sie sich eine dauernde Einnahmequelle verschaffen. Hinterleute in Litauen organisierten die Anmietung von Wohnungen in Deutschland, die Rekrutierung neuer Mittäter in Litauen und den Transport gesammelter Beutestücke nach Litauen. Die Angeklagten nahmen in Deutschland eine führende Rolle durch Ausspähen geeigneter Tatgelegenheiten, Anlernen unerfahrener Mittäter und eigene Beteiligung an der Durchführung von Einzeltaten ein; sie hielten auch mit den Hinterleuten in Litauen laufend telefonischen Kontakt. Die Bandentaten wurden in der Umgebung der wechselnden Wohnungen durchgeführt und die Beute zunächst in Tatortnähe, später in anderen Zwischenlagern versteckt, bis sie nach Litauen abtransportiert wurden. Bei den Diebstählen waren jeweils zwei Bandenmitglieder im Einsatz, von denen eines den Tatort absicherte, während das andere das Zielfahrzeug aufbrach und dessen Festnavigationsgerät ausbaute. Diese Täter wurden von den Hinterleuten mit bis zu 500 Euro für jedes erbeutete Navigationsgerät entlohnt.
3
Der Angeklagte M. wirkte im Rhein-Main-Gebiet und im Ruhrgebiet an 16 vollendeten und zwei versuchten schweren Bandendiebstählen mit (Fälle II.1 - 15 und II.21 – 23 der Urteilsgründe), der Angeklagte Z. im gleichen Komplex an 14 vollendeten (Fälle II.1 – 2, 4 – 7, 9 – 12, 16 – 19), einem versuchten schweren Bandendiebstahl (Fall II.3) sowie einem versuchten Bandendiebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung (Fall II.20) als Täter mit; in einem weiteren Fall leistete er Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl , indem er zwei Täter mit dem Auto in Tatortnähe absetzte (Fall II.24).
4
2. In einem weiteren Tatkomplex begab sich der Angeklagte Z. zusammen mit den gesondert verfolgten Bl. und Ba. nach Süddeutschland und in die Schweiz, um Autoaufbrüche oder Fahrraddiebstähle zu begehen und die Beutestücke auf eigene Rechnung zu veräußern oder für eigene Zwecke zu verwenden (Fälle II.25 – 29). Z. wirkte an einem Autoaufbruch in der Schweiz (Fall II.25), zwei Autoaufbrüchen (Fälle II.28 - 29) und einem Fahrraddiebstahl (Fall II.26) in Deutschland mit.
5
Insoweit ist das Landgericht von schweren Bandendiebstählen ausgegangen , wobei die Tat im Fall II.28 nur versucht wurde. Im Fall II.29 hat es wegen Geringwertigkeit des entwendeten Mobiltelefons nur einfachen Diebstahl (§ 242 Abs. 2 StGB) angenommen (§ 243 Abs. 2 StGB).

II.

6
1. Die Revision des Angeklagten M. deckt mit der Sachrüge keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf. Insbesondere hat das Landgericht seinen Feststellungen nicht lediglich die Geständnisse der Angeklagten zu Grunde gelegt, die diese jeweils durch Bestätigung einer anwaltlichen Erklärung und Beantwortung von Fragen abgelegt hatten. Das Landgericht hat die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben auch im Strengbeweisverfahren überprüft (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1059, 1063) und sowohl zur Begehung der Einzeltaten als auch hinsichtlich der Bandenstruktur ergänzende Beweise berücksichtigt. Damit ist dem Gebot lückenloser Gesamtwürdigung aller Beweise (vgl. Senat, Beschluss vom 5. November 2013 – 2 StR 265/13, NStZ 2014, 170) ausreichend Rechnung getragen worden.
7
2. Die Revision des Angeklagten Z. ist gleichfalls unbegründet, soweit sie dessen Verurteilung im Tatkomplex der schweren Bandendiebstähle oder versuchten schweren Bandendiebstähle im Rhein-Main-Gebiet und im Ruhrgebiet betrifft. Jedoch erweist sich die Verurteilung im Tatkomplex der Diebstahlstaten in Süddeutschland und in der Schweiz als rechtsfehlerhaft, soweit dort eine bandenmäßige Tatbegehung angenommen wurde. Die Feststellungen ergeben nicht, dass zwischen dem Angeklagten Z. und den gesondert verfolgten Bl. und Ba. eine Bandenabrede getroffen wurde. Die Taten in diesem Komplex sind nicht mit der Bandenstruktur der übrigen Fälle verknüpft, da der Angeklagte Z. und die gesondert verfolgten Mittäter Bl. und Ba. die Beute auf eigene Rechnung verwerten und nicht an die Hinterleute in Litauen abliefern wollten.
8
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt eine Bande im Sinne des § 244a StGB den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, von denen jede auf der Grundlage einer ausdrücklichen oder konkludenten Abrede den Willen hat, mit den anderen Bandenmitgliedern in Zukunft für eine gewisse Dauer eine unbestimmte Zahl von Straftaten zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2001 - GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 328 ff.; Senat , Beschluss vom 28. September 2011 - 2 StR 93/11, NStZ-RR 2012, 172). Dazu hat das Landgericht in Bezug auf den zweiten Tatkomplex keine Feststellungen getroffen. Zwar hat es angenommen, dass der Angeklagte Z. auch insoweit in der Absicht handelte, sich durch die Tatbeute den Lebensunterhalt zu sichern. Daraus folgt aber nur, dass er selbst gewerbsmäßig gehandelt hat. Eine Übereinstimmung aller Mittäter darin, gemeinschaftlich fortgesetzt Diebstähle zu begehen, ergibt sich hieraus noch nicht. Weder Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung noch Mittäterschaft sind für die Annahme einer bandenmäßigen Begehung von Diebstählen ausreichend.
9
Da bereits der Erörterungsmangel hinsichtlich der Bandenmäßigkeit der Tatbegehung zur Urteilsaufhebung in den Fällen II.25 – 28 führt, kann offen bleiben, ob die in der Schweiz begangene Tat im Fall II.25 der deutschen Strafgewalt unterliegt. Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 1/07
vom
27. September 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
zu 2.: Betruges
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 27. September 2007 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten Olaf E. wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 9. August 2006, soweit es ihn betrifft, aufgehoben,
a) soweit er in den Fällen II. B 5 und 19 der Urteilsgründe verurteilt worden ist mit den Feststellungen,
b) soweit der Angeklagte in den Fällen II. B 2, 3, 7 bis 10, 12, 14 bis 18, 20 und 21 der Urteilsgründe wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt worden ist mit den zur Gefährdung anderer Personen, zum Wert der durch die jeweiligen Verkehrsunfälle gefährdeten fremden Sachen und den insoweit zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen ; die übrigen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zur absichtlichen Herbeiführung der Verkehrsunfälle durch den Angeklagten bleiben jedoch aufrechterhalten;
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen. 2. Auf die Revision der Angeklagten Manuela Carmen E. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit sie im Fall II. B 5 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in 20 Fällen und wegen Betruges in 21 Fällen, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt und gegen ihn eine Maßregel nach §§ 69, 69 a StGB festgesetzt. Die Angeklagte hat es wegen Betruges in 21 Fällen, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Angeklagten rügen mit ihren Revisionen die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Soweit das Landgericht im Fall II. B 5 der Urteilsgründe den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und beide Angeklagte wegen eines mittäterschaftlich begangenen Betruges zum Nachteil der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners verurteilt hat, haben die Rechtsmittel der Angeklagten mit einer zulässig erhobenen, auf die Verletzung des § 261 StPO gestützten Verfahrensrüge Erfolg.
3
Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte den Unfall mit dem von ihm geführten Pkw, dessen Halterin die Angeklagte gewesen ist, absichtlich herbeigeführt hat, indem er das Fahrzeug ohne verkehrsbedingten Grund plötzlich bis zum Stillstand abgebremst hat, auf die Bekundungen des in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Unfallgegners und einer Zeugin , die den Unfall als Fußgängerin beobachtet hat, gestützt.
4
Die Angeklagten rügen zu Recht, das Landgericht habe entgegen § 261 StPO die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt, weil es unterlassen habe, die in der Hauptverhandlung verlesene Schadensanzeige des Unfallgegners vom 1. Dezember 2000 und die von diesem gefertigte Unfallskizze, die in Augenschein genommen wurde, in seine Beweiswürdigung einzubeziehen. In seiner Schadensanzeige hatte der Unfallgegner angegeben, ein Bus habe durch Blinkzeichen angezeigt, den Haltestellenbereich verlassen zu wollen, worauf die drei vor ihm fahrenden Pkw abrupt abgebremst worden seien, so dass er nicht rechtzeitig habe halten können und auf den vor ihm befindlichen Pkw aufgefahren sei. Diese mit der von dem Zeugen gefertigten Unfallskizze in Einklang stehende Schilderung des Unfallhergangs lässt sich mit den Bekundungen des Zeugen in der Hauptverhandlung nicht vereinbaren. Das Landgericht hätte sich deshalb in den Urteilsgründen mit diesem Widerspruch auseinandersetzen müssen (vgl. BGH StV 1993, 115; BGH, Urteil vom 15. September 2005 - 4 StR 107/05).
5
2. Soweit der Angeklagte im Fall II. B 19 der Urteilsgründe wegen Betruges verurteilt worden ist, hat sein Rechtsmittel ebenfalls mit einer auf die Verletzung des § 261 StPO gestützten Verfahrensrüge Erfolg.
6
Nach den Feststellungen brachte die Zeugin F., die mit ihrem Pkw aus einer untergeordneten Straße kommend nach rechts in die Hauptstraße abbiegen wollte, den Pkw vor der Kreuzung an der Sichtlinie zum Halten. Der Angeklagte , der sich mit seinem Fahrrad der Kreuzung auf dem Bürgersteig – aus der Sicht der Zeugin – von links näherte, erkannte, dass die Zeugin mit ihrem Pkw so weit vorgefahren war, dass sie den Bürgersteig nicht mehr im Blick hatte. Als die Zeugin anfuhr, steuerte er sein Rad vor den Pkw der Zeugin und kam, wie von ihm beabsichtigt, zu Fall. Die Haftpflichtversicherung der Zeugin zahlte als Schadensersatz und Schmerzensgeld insgesamt 902,20 Euro an den Angeklagten, weil sie aufgrund der Unfallschilderung in dem Schreiben des vom Angeklagten beauftragten Rechtsanwalts davon ausging, die Zeugin sei mit ihrem Pkw plötzlich und unvermittelt angefahren, als der Angeklagte den Einmündungsbereich bereits nahezu vollständig überquert gehabt habe. Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte den Unfall absichtlich herbeigeführt hat, auf die Bekundungen der Zeugin F. in der Hauptverhandlung gestützt. Aus der Sicht der Zeugin sei die Vorfahrtsstraße in beide Richtungen gerade und gut einsehbar gewesen. Da die Zeugin sich sicher gewesen sei, keinen Radfahrer auf der Fahrbahn gesehen zu haben, müsse sich der Angeklagte , wie die Zeugin „bereits vermutet“ habe, außerhalb ihres Sichtfeldes befunden haben und sich mithin über den Bürgersteig angenähert haben.
7
Die Revision des Angeklagten rügt zu Recht, dass das Landgericht sich entgegen § 261 StPO nicht mit der in der Hauptverhandlung am 18. Januar 2006 verlesenen, von der Zeugin und vom Angeklagten unterschriebenen Unfallanzeige vom 16. November 2002 und mit der in Augenschein genommenen Unfallskizze auseinandergesetzt hat. Dies war deshalb geboten, weil sich sowohl aus der von der Zeugin für die Schadensanzeige bei der Haftpflichtversicherung gefertigten Skizze als auch aus der Beschreibung der Unfallsituation in der Unfallanzeige ergibt, dass der Angeklagte sich der Kreuzung auf dem für Radfahrer freigegebenen Gehweg nicht – wie aufgrund der Bekundungen der Zeugin festgestellt – von links, sondern von rechts näherte. Nach der von der Zeugin gefertigten Skizze war die Sicht nach rechts aus dem auf die Kreuzung zufahrenden Pkw aber durch eine Hecke am Rand des Geh- und Radweges eingeschränkt.
8
3. Die aufgezeigten Verfahrensfehler führen zur Aufhebung der Verurteilungen in den Fällen II. B 5 und 19 der Urteilsgründe. Das Landgericht hat die Verurteilung in diesen Fällen entscheidend auf die Bekundungen der Unfallgegner gestützt, von deren Glaubhaftigkeit es sich insbesondere auch im Hinblick darauf überzeugt hat, dass sie „auch nicht im Widerspruch zu früheren Angaben und Vernehmungen“ standen (UA 107). Es ist deshalb nicht auszuschließen , dass das Landgericht, hätte es die Beweisergebnisse umfassend gewürdigt , zu anderen, für die Angeklagten günstigeren Feststellungen gelangt wäre. Dass sich die Verfahrensfehler auch auf die der Verurteilung der Angeklagten in den übrigen Fällen zu Grunde liegende Beweiswürdigung ausgewirkt haben können, schließt der Senat aus. Soweit das Landgericht seine Überzeugung, dass der Angeklagte die Unfälle absichtlich herbeigeführt hat, unter anderem auf die Vielzahl der Unfälle, an denen der Angeklagte beteiligt war, die Vergleichbarkeit der jeweiligen Verkehrslage an den Unfallorten und die stets glei- che Abwicklung der Schadensfälle gestützt hat, steht dem nicht entgegen, dass der Angeklagte in den Fällen II. B 5 und 19 der Urteilsgründe die Unfälle möglicherweise nicht provoziert hat. Denn der Unfallhergang in diesen Fällen unterscheidet sich deutlich von dem Unfallgeschehen in den übrigen Fällen, die zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen, die für eine Unfallprovokation durch den mit den Verhältnissen an den Unfallorten vertrauten Angeklagten sprechen.

II.


9
Soweit es die Angeklagte betrifft, hat die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu deren Nachteil ergeben. Die Revision des Angeklagten hat jedoch mit der Sachrüge Erfolg, soweit er in den Fällen II. B 2, 3, 7 bis 10, 12, 14 bis 18, 20 und 21 jeweils wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt worden ist.
10
1. Zwar hat der Angeklagte nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den Verkehrsunfall jeweils absichtlich herbeigeführt (§ 315 b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 a StGB) und mithin die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er einen "ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff" im Sinne des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB vorgenommen hat (vgl. BGHSt 48, 233). Der Straftatbestand des § 315 b Abs. 1 StGB setzt darüber hinaus aber voraus, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden. Dass in den genannten Fällen Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet worden sind, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Auch die Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert ist in den genannten Fällen nicht belegt. Dass eine Sache von bedeutendem Wert nur in (wirtschaftlich) unbedeutendem Maße gefährdet wird, reicht hierfür nicht aus; vielmehr muss der konkret drohende Schaden bedeutenden Umfanges sein (vgl. BGH NJW 1990, 194, 195; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 315 Rdn. 16 m.w.N.). Für die Berechnung des Gefährdungsschadens kommt es auf die am Marktwert zu messende Wertminderung an (vgl. BGH NStZ 1999, 350, 351; Barnickel in MünchKomm StGB § 315 Rdn. 71). Die Wertgrenze für die Annahme der Gefährdung einer Sache von bedeutendem Wert im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB lag zu dem für die Wertbestimmung maßgeblichen Gefährdungszeitpunkt (vgl. Barnickel in MünchKomm StGB aaO Rdn. 69 m.N.) bei mindestens 1.500 DM bzw. 750 Euro (BGHSt 48, 14, 23; vgl. Barnickel aaO). Dass in den oben genannten Fällen ein Schaden (zumindest) in dieser Höhe drohte, ist durch die bisherigen Feststellungen nicht belegt:
11
Soweit im Fall II. B 20 der Urteilsgründe der eingetretene Fremdsachschaden mit 375 Euro beziffert wird, liegt es nach den bisherigen Feststellungen eher fern, dass ein darüber hinausgehender Schaden drohte. In den übrigen Fällen hat die Strafkammer die Höhe des entstandenen Sachschadens nicht genannt. Weder das Schadensbild in den Fällen II. B 8 der Urteilsgründe (Kratzer an der vorderen Stoßstange rechts), II. B 9 ("zwei Punkte" am Fahrzeug des Unfallgegners), II. B 10 (Beschädigung der Stoßstange vorne rechts) und II. B 17 (eine etwa einen Zentimeter tiefe Einbeulung des vorderen Kennzeichens ) noch die Feststellungen zum Unfallhergang in diesen und den übrigen Fällen belegen eine zweifelsfrei die Wertgrenze überschreitende konkrete Gefährdung der an dem Unfall beteiligten Fremdfahrzeuge.
12
2. Die danach gebotene Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in den genannten Fällen lässt jedoch die Verurteilung der Angeklagten in diesen Fällen wegen eines mittäterschaftlich zum Nachteil der Haftpflichtversicherungen der jeweiligen Unfall- gegner begangenen Betruges unberührt. Sie zieht nur die Aufhebung der zur Gefährdung von Leib und Leben anderer Personen, zur Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert und der insoweit zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen nach sich. Im Übrigen halten die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, zur absichtlichen Herbeiführung der Verkehrsunfälle und zum Schädigungsvorsatz des Angeklagten rechtlicher Nachprüfung stand und können deshalb bestehen bleiben.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 49/11
vom
10. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 10. März 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg (Lahn) vom 19. Oktober 2010
a) im Schuldspruch zu Fall 3 der Urteilsgründe dahin geändert , dass der Angeklagte tateinheitlich - des unerlaubten Erwerbs der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe, - des unerlaubten Erwerbs und Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen, sowie - des unerlaubten Erwerbs und Besitzes von Schusswaffen in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 3 der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 1), ferner wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln (Fall 2), sowie wegen vorsätzlicher Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine unerlaubt erworbene Kriegswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von zwei halbautomatischen Schusswaffen, einer weiteren Schusswaffe und einer Vorderschaftrepetierflinte mit Kurzwaffengriff (Fall 3) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift genannten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Der Schuldspruch im Fall 3 der Urteilsgründe ist in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Sinne abzuändern.
3
Nach den Feststellungen des Landgerichts lagerte G. , der "Sergeant at Arms" des Motorradclubs "MC Bandidos", eine Handgranate, zwei halbautomatische Selbstladepistolen, eine Vorderschaftrepetierflinte und ein Repetiergewehr mit Hilfe des Angeklagten, der dem Club als Anwärter auf eine Mitgliedschaft einen "Support" leisten wollte, in dessen Hütte auf einem Waldgrundstück ein. Der Angeklagte verschloss die Hütte und behielt den Schlüssel.
4
Damit erwarb der Angeklagte die tatsächliche Gewalt über die Handgranate als Kriegswaffe im Sinne von § 22a Abs. 1 Nr. 2 KWKG. Der Auffangtatbestand des § 22 Abs. 1 Nr. 6 KWKG, den derjenige erfüllt, der "über Kriegswaffen sonst die tatsächliche Gewalt ausübt", tritt zurück (vgl. Heinrich in: MünchKomm -StGB 2007 § 22a KWKG Rn. 106).
5
Bei dem Waffendelikt nach § 52 Abs. 1 WaffG hinsichtlich der Schusswaffen stehen Erwerb und Besitz nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Tateinheit (vgl. BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 1).

II.

6
Der Strafausspruch im Fall 3 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken und ist auf die Verfahrensrüge aufzuheben. Daher entfällt auch die Gesamtstrafe. Das Landgericht hat § 261 StPO verletzt, indem es bei der Strafzumessung nicht alle Beweise ausgeschöpft hat, die zum Inbegriff der Hauptverhandlung gemacht wurden.
7
Die Strafkammer hat sich in diesem Fall - anders als bei den Fällen 1 und 2 - nicht mit der nahe liegenden Möglichkeit einer für die Strafzumessung erheblichen Aufklärungshilfe durch den Angeklagten auseinander gesetzt. Dieser hatte nach dem polizeilichen Durchsuchungsbericht vom 17. Juni 2010 frühzeitig Angaben zur Rolle des G. bei dem Waffendelikt gemacht. Diese Angaben waren nach Ansicht des federführenden Polizeibeam- ten, die in einem Ermittlungsbericht festgehalten wurde, glaubhaft. Dies wäre vom Gericht zu überprüfen gewesen.
8
Den Inhalt des Durchsuchungsberichts und des Ermittlungsvermerks kann der Senat mit den Mitteln des Revisionsrechts rekonstruieren, nachdem das Tatgericht diese Urkunden gemäß § 249 Abs. 1 StPO verlesen hat (vgl. BGHSt 43, 212, 214). Daraus ergeben sich Hinweise auf eine Aufklärungshilfe des Angeklagten, welche für die Strafrahmenwahl nach § 22a Abs. 3 KWKG und § 51 Abs. 3 WaffG oder nach §§ 46b, 49 Abs. 1 StGB sowie für die Strafzumessung im engeren Sinne von Bedeutung sein können.
Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 302/11
vom 9. November 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Bestechlichkeit u.a.
zu 2. und 3.: Bestechung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
8. November 2011, in der Sitzung am 9. November 2011, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
- sämtliche Verteidiger nur am 8. November 2011 - ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Generalstaatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 19. Januar 2011 jeweils mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch zu den Taten II. 1. bis 3. des Urteils (Nr. 1 und 2 der Anklageschrift vom 23. August 2010),
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch. 2. Die weitergehende Revision hinsichtlich des Angeklagten H. wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Dresden zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht Leipzig hat den Angeklagten H. wegen Bestechlichkeit in drei Fällen (II. 1. bis 3. der Urteilsgründe = Nr. 1 b, 1 c und 2 b der Anklageschrift vom 23. August 2010), Untreue (II. 4. der Urteilsgründe = Nr. 3 der Anklageschrift), Bilanzfälschung in drei Fällen (II. 5. bis 7. der Urteilsgründe = Nr. 4 bis 6 der Anklageschrift) und Steuerhinterziehung in vier Fällen (II. 8. bis 11. der Urteilsgründe = Nr. 7 bis 10 der Anklageschrift) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und elf Monaten sowie die Angeklagten B. und S. jeweils wegen Bestechung in drei Fällen (II. 1. bis 3. der Urteilsgründe = Nr. 1 b, 1 c und 2 b der Anklageschrift) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten bzw. von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Betreffend allein den Angeklagten H. hat es einen Wertersatzverfall in Höhe von 2.561.874,26 € nur deshalb nicht angeordnet, weil dem Ansprüche von Verletzten entgegenstehen.
2
An einer Aburteilung der von der Generalstaatsanwaltschaft darüber hinaus erhobenen Vorwürfe der in zwei Fällen durch den Angeklagten H. (tateinheitlich jeweils mit einer - verurteilten - Bestechlichkeit) begangenen Untreue bzw. der durch die Angeklagten B. und S. hierzu geleisteten Beihilfe (Nr. 1 a und 2 a der Anklageschrift) hat sich das Landgericht jeweils gehindert gesehen, weil die Anklageschrift insofern unwirksam sei und sich der staatsanwaltschaftliche Verfolgungswille bei der zweiten Tat nicht auf die genannten Vorwürfe beziehe. Mit ihrer Revision wendet sich die Generalstaatsanwaltschaft gegen die Annahme fehlender Verfahrensvoraussetzungen, die Verurteilung wegen Untreue im Fall II. 4. der Urteilsgründe, die Strafzumessung insgesamt und die Nichtanordnung des Verfalls betreffend die Angeklagten B. und S. . Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat im tenorierten Umfang bereits mit der Sachrüge Erfolg. Auf die zudem erhobenen Verfahrensrü- gen kommt es danach nicht mehr an; zu ihnen hat jedoch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 10. Juni 2011 zutreffend Stellung genommen.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Der Angeklagte H. war im Tatzeitraum kaufmännischer Geschäftsführer der K. W. L. GmbH (KWL), die - wie auch die Mitangeklagten B. und S. wussten - ausschließlich im Bereich der Daseinsvorsorge, vor allem der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung tätig ist. Die beiden Mitangeklagten waren wirtschaftlich Berechtigter (B. ) bzw. Geschäftsführer (S. ) der Fa. V. P. G. (VPG). Unter Vermittlung der VPG wurde Ende Januar 2005 ein Leasingvertrag zwischen der Bayerischen Landesbank und der KWL über Teile von deren Abwassernetz abgeschlossen. Ein Teil des von der KWL für die Vertragsvermittlung zu zahlenden Provisionsbetrages in Höhe von 1.295.000 britische Pfund (GBP) floss vor dem 12. Mai 2005 an die im Frühjahr desselben Jahres von den Angeklagten B. und S. gegründete Fa. A. S. L. (ASL).
5
Bereits im März 2005 hatte der Angeklagte H. - ohne hierauf einen entsprechenden Anspruch zu haben - von den Mitangeklagten die Hälfte der an die ASL zu zahlenden Provision gefordert. Diese hatten ihm daraufhin eine Zuwendung in Höhe von 945.945 € zugesagt, die der Angeklagte H. am 12. Mai 2005 in Vaduz (Lichtenstein) bar erhielt und auf ein Konto der Fa. F. , deren wirtschaftlich Berechtigter er war, bei der Volksbank Vaduz einzahlte. Die Zuwendung erfolgte nach der Vorstellung der drei Beteiligten für die erfolgreiche Leasing-Transaktion; darüber hinaus sollte der Angeklagte H. , dem dies klar war, im Zusammenhang mit dem Abschluss künftiger Verträge im Rahmen des ihm als KWL-Geschäftsführer zustehenden weiten Ermessens zugunsten der VPG beeinflusst werden (Fall II. 1. der Urteilsgründe = Nr. 1 b der Anklageschrift).
6
Auf Vermittlung der Angeklagten B. und S. übernahm die durch den Angeklagten H. vertretene KWL durch am 8. Juni und 8. September 2006 sowie am 28. März 2007 abgeschlossene Verträge (Collateralized Debt Obligations – CDO) Kreditausfallrisiken im dreistelligen Millionenbereich. Der Angeklagte H. sorgte dafür, dass die Vertragsschlüsse ohne die eigentlich erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrates erfolgten. Hierfür hatte er schon spätestens im Juni 2006 wiederum eine Beteiligung an der für die Vermittlung an die VPG zu zahlenden Provision gefordert. Ein Anteil wurde ihm von den beiden Mitangeklagten zugesagt und am 21. Juni 2006 auf deren Veranlassung in Höhe von 3.243.700 US-$ (= 2.567.843 €) auf das bereits zuvor verwendete Konto der Fa. F. in Vaduz eingezahlt (Fall II. 3. der Urteilsgründe = Nr. 2 b der Anklageschrift).
7
Weiterhin forderte der Angeklagte H. ebenfalls für vergangene bzw. künftige pflichtwidrige Diensthandlungen im Zusammenhang mit Transak- tionen von den beiden Mitangeklagten eine Zahlung von 150.000 € an den Fußballverein FC L. , dessen Aufsichtsratsmitglied er war. Der Betrag wurde am 9. Mai, 24. Mai und 10. Juni 2005 in drei Raten à 50.000 € jeweils als Spende deklariert von Konten der VPG auf ein Konto eines vom Angeklagten H. benannten Rechtsanwalts überwiesen; von dort wurden bis 10. August 2005 141.000 € auf ein Spendenkonto des genannten Vereins weitergeleitet (Fall II. 2. der Urteilsgründe = Nr. 1 c der Anklageschrift).
8
Der Angeklagte H. verwendete außerdem ein Verrechnungskonto bei der UBS-Bank in London, welches auf seine Veranlassung im Zusammenhang mit in den Jahren 2006 und 2007 für die KWL GmbH abgeschlossenen Finanzgeschäften (CDO) eingerichtet worden war, als sog. schwarze Kasse. Die vom 28. März 2007 bis Ende September 2008 dort eingegangenen Gelder in Höhe von insgesamt 10.635.146,29 € waren - wie das Konto selbst - bei der KWL GmbH niemandem außer dem Angeklagten bekannt, so dass dieser sie nach seinen Vorstellungen verwenden und zwischen Oktober 2008 bis Juni 2009 vollständig verbrauchen konnte (Fall II. 4. der Urteilsgründe = Nr. 3 der Anklageschrift).
9
Die CDO-Geschäfte fanden in den Jahren 2006 bis 2008 zudem keinen Eingang in die vom Angeklagten H. unterzeichneten Bilanzen der KWL GmbH, und zwar weder die gezahlten Prämien noch die entstandenen Überschüsse in Höhe von 7.600.000 € sowie 34.700.000 US-$. Dennoch versicherte er wahrheitswidrig, derivative Finanzinstrumente seien in den Büchern der Gesellschaft vollständig erfasst und den Wirtschaftsprüfern offen gelegt worden (Fälle II. 5. bis 7. der Urteilsgründe = Nr. 4 bis 6 der Anklageschrift).
10
Der Angeklagte H. erklärte schließlich weder die aus den Provisionen erlangten Beträge als sonstige Einkünfte noch die daraus in den Jahren 2005 bis 2008 erzielten Kapitalerträge in seinen Einkommensteuererklärungen für die betreffenden Jahre und verursachte hierdurch einen vom Landgericht im Einzelnen dargelegten Hinterziehungsschaden von insgesamt 1.644.195 € (Fälle II. 8. bis 11. der Urteilsgründe = Nr. 7 bis 10 der Anklageschrift).

II.

11
Der Senat ist für die Entscheidung über die Revision zuständig (1.). Die danach eröffnete Prüfung des Urteils ergibt, dass sich das Landgericht weder wegen Unwirksamkeit der Anklageschrift (2.) noch wegen fehlenden staatsanwaltschaftlichen Verfolgungswillens (3.) an einer Aburteilung der in der Anklageschrift unter Nr. 1 a und 2 a erhobenen Untreue-Vorwürfe gehindert sehen durfte. Es hätte daher über diese bzw. den Vorwurf der Beteiligung hieran entscheiden müssen. Indem es dies nicht getan hat, hat es seiner Kognitionspflicht (§ 264 StPO) nicht entsprochen und die angeklagten Taten nicht erschöpfend gewürdigt; dies stellt zugleich einen sachlich-rechtlichen Mangel dar (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2011 - 1 StR 194/11 mwN). Dem steht auch nicht entgegen , dass das Landgericht in seinem Eröffnungsbeschluss vom 9. November 2010 insoweit einen hinreichenden Tatverdacht verneint hat, weil hierdurch die Eröffnung des Hauptverfahrens und Zulassung der Anklageschrift die beiden prozessualen Taten insgesamt betreffend nicht gehindert wurde.
12
Während der Schuldspruch wegen der als Fall II. 4. der Urteilsgründe festgestellten Untreue des Angeklagten H. (4.) und die Strafzumessung für sich genommen nicht zu beanstanden sind (5.), wäre die unterbliebene Prüfung des Verfalls hinsichtlich der Angeklagten B. und S. ebenfalls rechtlich geboten gewesen (6.). Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im tenorierten Umfang (7.).
13
1. Nach einem entsprechenden Hinweis des Senats hat der Verteidiger des Angeklagten B. schriftlich und - ebenso wie der Verteidiger des Angeklagten S. - in der Hauptverhandlung die Zuständigkeit des Senats gerügt. Der Einwand greift nicht durch.
14
a) Der Senat ist zur Entscheidung über die den Angeklagten H. betreffende Revision zuständig, denn ihm sind nach dem Geschäftsplan des Bundesgerichtshofs für das Jahr 2011 (vgl. www.bundesgerichtshof.de) namentlich die Revisionen in Steuerstrafsachen zugewiesen. Allerdings hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 10. Juni 2011 zutreffend dargelegt, dass der - bei Zweifeln über den Umfang einer Revision maßgeblichen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2011 – 1 StR 153/11) - Begründung der Revision trotz des umfassenden Aufhebungsantrages zu entnehmen ist, dass die Generalstaatsanwaltschaft die Verurteilung des Angeklagten H. wegen der Bilanzfälschungs- und Steuerhinterziehungsdelikte nicht angreifen möchte (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2011 - 4 StR 571/10 = StV 2011, 453).
15
Die Auslegung des Rechtsmittels ergibt, dass jedoch die insofern verhängten Einzelstrafen angefochten sind. Denn die Generalstaatsanwaltschaft hat im Rahmen der Rüge sachlichen Rechts näher dargelegt, weshalb das Landgericht nach ihrer Ansicht im Urteil rechtsfehlerhaft nicht alle für seine Strafzumessung bestimmenden Umstände angeführt hat. Der geltend gemachte Einwand, das Landgericht habe durch - außerhalb einer formgerechten Absprache - zugesicherte Strafobergrenzen „den gesetzlichen Strafrahmen nicht ausschöpfen“ können, bezieht sich auf die verhängten Einzelstrafen insgesamt, also auch auf die wegen der Steuerhinterziehungen ausgesprochenen. Da somit die deliktsspezifische Strafzumessung und nicht lediglich noch die Bildung einer Gesamtstrafe (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2010 - 1 StR 614/10) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, handelt es sich bei dem eingelegten Rechtsmittel um ein solches in einer Steuerstrafsache. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die Rüge mit Aussicht auf Erfolg vorgetragen wird (hierzu 5.).
16
b) Aus der Zuständigkeit des Senats für die Revision hinsichtlich des Angeklagten H. folgt wegen des bestehenden Sachzusammenhangs (§ 3 StPO; vgl. Ullenbruch in Radtke/Hohmann, StPO, § 3 Rn. 7 f.) auch seine Zuständigkeit für die Entscheidung über die Revisionen gegen das angefochtene Urteil, soweit dieses die Angeklagten B. und S. betrifft.
17
c) Der Senat bemerkt, dass - zumal bei einer Revision der Generalstaatsanwaltschaft - der Revisionsantrag deckungsgleich mit den Ausführungen zur Revisionsbegründung sein sollte. Das Revisionsverfahren wird nicht unerheblich erleichtert, wenn der Umfang der Anfechtung nicht erst durch Auslegung der Revisionsbegründung ermittelt werden muss (BGH, Urteil vom 8. November 2006 - 1 StR 441/06 mwN).
18
2. Das Landgericht hat hinsichtlich der von ihm nicht geprüften Untreuedelikte bzw. der hierzu geleisteten Beihilfe zu Unrecht das Verfahrenshindernis einer insoweit unwirksamen Anklageschrift angenommen.
19
a) Die Generalstaatsanwaltschaft hat dem Angeklagten H. mit ihrer Anklageschrift vom 23. August 2010 einerseits (dort Nr. 1 a) zur Last gelegt, als Geschäftsführer der KWL Teile des Abwassernetzes durch vom 31. Januar bis 15. Juni 2005 geschlossene Verträge in ein sog. UK-Lease eingebracht und dabei dem Aufsichtsrat pflichtwidrig insbesondere die Zwischengesellschaften - die als Briefkastenfirmen fungierenden „Hu. “ und „Co. “ - einbeziehende Leasingstruktur und den Umstand verheimlicht zu haben, dass in die Transaktion ein überflüssiger „Credit Default Swap“ eingebunden war, mit dem die KWL ge- genüber der Bayerischen Landesbank für einen Ausfall der Hu. , deren Zahlungsverpflichtungen wenigstens 134.000.000 GBP betrugen, bürgte. Aus den Verträgen an sich der KWL als sog. Barwertvorteil zustehende Gelder von 5.140.560 € seien bis Mitte 2005 über ein als „schwarze Kasse“ dienendes Transaktionskostenkonto der „Co. “ auf Konten anderer Firmen „umgeleitet“ worden. Hinter den beiden Briefkastenfirmen hätte die von den Angeklagten B. und S. beherrschte VPG gestanden.
20
Zum anderen hat die Generalstaatsanwaltschaft dem Angeklagten H. vorgeworfen (Nr. 2 a der Anklageschrift), die für die KWL höchst risikobehafteten , mit dem Unternehmenszweck nicht vereinbaren CDO-Verträge am 8. Juni und 8. September 2006 sowie am 28. März 2007 satzungswidrig, nämlich ohne vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung und des Aufsichtsrats abgeschlossen, ferner eine „Wette“ auf einen geringen Risikoaus- fall zulasten der KWL in mehrstelliger Millionenhöhe eingegangen sowie am 14. Juni 2006 völlig überhöhte Provisionen von 21,1 Millionen US-$ und 6,4 Mil- lionen € vereinbart und diese Summen an der KWL vorbei am 9. Juni bzw. 12. September 2006 auf zwei Konten der Wilmington-Trust-Bank in die USA geleitet zu haben. Auf diese Konten hätten die Angeklagten B. und S. , die beim Abschluss der CDO-Verträge beratend und unterstützend tätig geworden seien, aufgrund einer u.a. von ihrem Mitangeklagten unterschriebenen Vollmacht ungehindert Zugriff gehabt. Letztlich sei der KWL allein durch die Provisionsvereinbarungen ein Schaden von umgerechnet mindestens 13.662.900 € entstanden.
21
Das Verhalten des Angeklagten H. hat die Generalstaatsanwaltschaft als jeweils in Tateinheit mit den unter Nr. 1 b und c bzw. 2 b der Anklageschrift beschriebenen und vom Landgericht festgestellten Bestechlichkeitstaten begangene Untreuehandlungen bewertet. Hierzu hätten die Angeklagten B. und S. - tateinheitlich zu ihren Bestechungen - Beihilfe geleistet.
22
b) Hinsichtlich der bezeichneten Untreuevorwürfe liegt nach Auffassung des Landgerichts „wegen Verstoßes gegen § 184 GVG keine wirksame Ankla- ge“ vor. Da die Gerichtssprache deutsch sei, dürften „keinem Angeklagten Beweismittel in einer fremden Sprache … aufgezwungen werden …, auch nicht durch fremdsprachige Urkunden“, die daher „mit der Anklageerhebung … in deutscher Sprache vorzuliegen“ hätten. Eine Anklageschrift, die Passagen fremdsprachiger Schriftstücke enthalte oder sich zumindest teilweise auf nicht übersetzte fremdsprachige Schriftstücke stütze, sei mit einem Verfahrensman- gel behaftet. Dieser „funktionale Mangel“ führe jedenfalls dann zu einem Verfahrenshindernis , wenn sich die Anklageschrift mit dem Inhalt der Urkunden auseinandersetze oder dieser von hohem Belang für die Bewertung der Vorwür- fe sei, also wenn „die Staatsanwaltschaft aus dem Inhalt und dem Wortlaut der Urkunden selbst die Unrechtsvorwürfe herleiten“ wolle.
23
Diese Voraussetzungen hat das Landgericht vorliegend als erfüllt angesehen. Die Unterlagen zu dem Leasinggeschäft sowie zu den Provisionsvereinbarungen seien ausschließlich in englischer Sprache vorgelegt worden (Nr. 1 a der Anklageschrift). Von den in den Jahren 2006 und 2007 abgeschlossenen CDO-Verträgen habe die Staatsanwaltschaft nur zwei in die deutsche Sprache übersetzen lassen. Jedoch seien auch die englischsprachigen Verträge „in der Auflistung der Beweismittel enthalten, die nur die für die Aufklärung des Sachverhaltes und für die Beurteilung des Angeklagten wesentlichen Beweismittel aufführen soll (vgl. Nr. 111 Abs. 1 RiStBV)“.
24
c) Diese Bewertung war rechtsfehlerhaft. Denn die Anklageschrift wird nicht nur ihrer Umgrenzungsfunktion gerecht, sondern sie leidet auch sonst an keinem zu einem Verfahrenshindernis führenden Mangel.
25
Ein Verfahrenshindernis wegen Nichterfüllung der Umgrenzungsfunktion liegt nicht vor. Nach der den Anforderungen des § 200 Abs. 1 StPO entsprechenden Anklage stehen die angeschuldigten Personen und die historischen Geschehen, die Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung sein sollen, und damit der Prozessgegenstand hinreichend deutlich fest (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 - 1 StR 94/98 = BGHSt 44, 153, 154 f.; Urteil vom 9. August 2011 - 1 StR 194/11 mwN). Das gilt insbesondere für die wesentlichen Abläufe der verschiedenen Taten und deren zeitliche Eingrenzung. Insofern verweist der Senat auf die oben zu a) dargelegten Einzelheiten, die sämtlich dem noch weitaus ausführlicheren konkreten Anklagesatz (dort S. 5 f., 7 f.) der Anklageschrift vom 23. August 2010 entnommen sind.
26
Einer Anklageschrift kommt darüber hinaus eine Informationsfunktion zu. Im Hinblick darauf wäre es vorliegend beispielsweise geboten gewesen, die näheren Umstände der Abschlüsse der Verträge, insbesondere deren genaue Ausgestaltung darzulegen. Es ist jedoch anerkannt, dass insoweit bestehende Defizite grundsätzlich nicht zu einem Verfahrenshindernis führen, diese vielmehr im weiteren Verfahrensverlauf insbesondere durch gerichtliche Hinweise zur Gewährung rechtlichen Gehörs behoben werden können (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 - 1 StR 94/98 = BGHSt 44, 153, 156).
27
Sonstige Mängel, etwa im Aufbau, in der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen oder im Äußeren der Anklageschrift machen diese ebenfalls nicht unwirksam und begründen deshalb kein Verfahrenshindernis (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 200 Rn. 27).
28
Aber auch gemessen an den Anforderungen des - vom Landgericht als verletzt angesehenen - § 184 GVG leidet die vorliegende Anklageschrift unter keinem Mangel, der zudem von besonderem Gewicht sein müsste, um die An- nahme eines Verfahrenshindernisses rechtfertigen und damit dem Fortgang des Verfahrens insgesamt entgegenstehen zu können.
29
Gemäß § 184 GVG ist die Gerichtssprache deutsch. Die Regelung betrifft auch Zuschriften an das Gericht und namentlich staatsanwaltschaftliche Anklageschriften (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 184 GVG Rn. 3). Die Generalstaatsanwaltschaft hat jedoch dieser gesetzlichen Vorgabe hinreichend entsprochen. Die Anklageschrift vom 23. Oktober 2010 ist in allen maßgeblichen Teilen in deutscher Sprache verfasst worden. Dies gilt speziell für den gesamten Anklagesatz und das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen. In diese werden weder nichtdeutsche Texte durch ausdrückliche Bezugnahme quasi integriert noch enthalten sie gar eigenständig englisch- oder sonst fremdsprachige Passagen. Soweit die drei folgenden Ausnahmen bestehen, stellen diese unter dem Gesichtspunkt des § 184 GVG keinen Mangel der Anklageschrift dar:
30
Bei den an den diversen relevanten Verträgen und Vorgängen Beteiligten handelt es sich häufig um im englischen Sprachraum angesiedelte Firmen. Soweit sie in der Anklageschrift ausdrücklich benannt werden, wird der von ihnen gewählte Name verwendet (z.B. „G. “, „V. P. G. “, „Co. “, „F. “). Es versteht sich - wie bei in Anklagen bezeichneten Privatpersonen, deren Name schon zur Vermeidung von Missverständnissen nicht übersetzt werden muss (z.B. „Blackwood“ oder „Whitehouse“) - von selbst, dass es insofern selbst dann kei- ner Übersetzung ins Deutsche bedurfte, wenn diese möglich gewesen wäre.
31
Nichts anderes gilt für in der Anklageschrift erwähnte Ortsangaben (etwa „British Virgin Islands“), die zweckmäßigerweise unübersetzt bleiben durften.
32
Schließlich wird ein Teil der durchgeführten Geschäfte bzw. der dabei verwendeten Papiere mit englischen Bezeichnungen beschrieben (z.B. „Cross- Border-Leasing“, „UK-Lease“, „Credit Default Swap“, „Collateralized Debt Obli- gations“). Insoweit kann offen bleiben, ob es sich bei den verwendeten Begriffen nicht schon um im deutschen Wirtschafts- und Bankbereich ohnehin gängige Bezeichnungen handelt, deren Übersetzung bereits deshalb nicht geboten oder gar zu vermeiden war. Jedenfalls werden sämtliche relevanten Vorgänge schon im konkreten Anklagesatz in deutscher Sprache unmissverständlich klar erläutert, so dass keiner der - bezüglich der vom Landgericht festgestellten Taten im Übrigen geständigen - Angeklagten über die Art der in Rede stehenden wirtschaftlichen Vorgänge und über die vor diesem Hintergrund erhobenen Vorwürfe im Zweifel und in seiner Verteidigung beeinträchtigt sein konnte (zu diesem Gesichtspunkt BGH, Urteil vom 17. August 2000 - 4 StR 245/00 = BGHSt 46, 130, 134).
33
Ist die Anklageschrift somit in allen wesentlichen Teilen in Deutsch verfasst , so verstößt es nicht gegen § 184 GVG, wenn sie inhaltlich auf in einer fremden Sprache errichteten Urkunde fußt. Diese werden hierdurch nicht etwa zu ihrem „integralen Bestandteil“ mit der Folge, dass die Anklageschrift wegen eines „funktionalen“ Mangels als Prozessvoraussetzung unwirksam ist (vgl. Eschelbach, HRRS 2007, 466, 469 f.). Die Bestimmung betrifft vielmehr außerhalb des Verfahrens entstandene, ggf. als Beweismittel in Betracht kommende Schriftstücke gerade nicht (Wickern in Löwe/Rosenberg, 26. Aufl., § 184 GVG Rn. 5). Sie zwingt die Staatsanwaltschaft insbesondere nicht dazu, derartige Urkunden bei Erhebung der Anklage nicht nur in der Ursprungssprache, sondern zudem in deutscher Übersetzung vorzulegen (vgl. Wickern in Löwe/ Rosenberg, 26. Aufl., § 184 GVG Rn. 5 und 17 a.E.; Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht , 3. Aufl., § 184 GVG Rn. 5).
34
Dies wäre in vielen Fällen zudem wenig prozessökonomisch. Denn zu diesem Zeitpunkt ist es offen, ob sie im Wege des Strengbeweises in die Hauptverhandlung eingeführt werden müssen. Häufig wird das Tatgericht aufgrund der (namentlich geständigen) Angaben des Angeklagten oder auf der Basis der im Übrigen erzielten Beweislage gar nicht oder nur zu einem Teil auf die den erhobenen Vorwurf betreffenden Urkunden zurückgreifen müssen. Erst wenn dies von der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) geboten wird, sind sie von einem Sachverständigen zu übersetzen (Wickern in Löwe/Rosenberg, 26. Aufl., § 184 GVG Rn. 5; s. auch BGH, Urteil vom 29. Mai 1985 - 2 StR 804/84 = NStZ 1985, 466; BGH, Urteil vom 9. Juli 1991 - 1 StR 666/90; jeweils zur - erst - in der Hauptverhandlung erfolgten Übersetzung von Mitschnitten in ausländischer Sprache geführten Telefonaten). § 184 GVG selbst verlangt jedenfalls nicht, sämtliche anfallenden Aktenteile von Amts wegen in die deutsche Sprache übersetzen zu lassen (BGH, Urteil vom 22. Juli 1980 - 1 StR 804/79; s. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. März 1986 - 1 Ws 182/86 = JZ 1986, 508).
35
Daraus folgt zugleich, dass fremdsprachige Urkunden - wie hier - in ihrer Originalbezeichnung in der Liste der Beweismittel aufgeführt werden dürfen. Denn die Aufnahme eines Beweismittels zeigt nur, dass die Staatsanwaltschaft es als entscheidungserheblich ansieht, und gewährleistet nicht seine spätere Verwendung in der mündlichen Hauptverhandlung.
36
Allerdings werden in anderen Prozessordnungen und anderen strafprozessualen Verfahrensarten an ein Gericht adressierte Schriftsätze wegen Verstoßes gegen § 184 GVG als unzulässig angesehen, wenn sie auf ihnen beigefügte nichtdeutsche Urkunden verweisen. Dies findet aber seinen Grund in den abweichenden Verfahrensregelungen. Diese Handhabung lässt sich folglich auf die Anklageschrift nicht übertragen. Denn diese zielt auf die spätere, insbesondere durch das Mündlichkeitsprinzip und die gerichtliche Pflicht zu umfassender Aufklärung geprägte Hauptverhandlung ab. Hierin besteht ein wesentlicher Un- terschied beispielsweise zum Klageerzwingungsverfahren, das mit einem Beschluss endet (§§ 174, 175 StPO). In diesem herrscht zudem - wie insbesondere auch im Zivilprozessverfahren, in dem das Gericht von einer Partei eine Übersetzung verlangen kann (§ 142 Abs. 3 ZPO) - der Beibringungsgrundsatz mit der Folge, dass ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung unzulässig ist, wenn zur Ergänzung des Sachvortrags nicht in Deutsch verfasste Urkunden in Bezug genommen werden (vgl. ausdrücklich OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. Februar 2007 - 1 Ws 47/07 = NStZ 2007, 664).
37
3. Darüber hinaus hat das Landgericht zu Unrecht angenommen, es brauche nicht zu entscheiden, ob es sich bei den unter Nr. 2 a der Anklageschrift angesprochenen zwei Konten bei der Wilmington-Trust-Bank um eine vom Angeklagten H. mit Hilfe der beiden Mitangeklagten eingerichtete „schwarze Kasse“ handele und die Angeklagten dadurch eine Untreue began- gen bzw. hierzu Beihilfe geleistet haben. Denn das die Einrichtung und Nutzung dieser Konten betreffende Geschehen war vom staatsanwaltschaftlichen Verfolgungswillen umfasst.
38
Im konkreten Anklagesatz wird dargelegt (S. 8 der Anklageschrift), dass die „im Zusammenhang mit dem Abschluss der ersten beiden CDS/CDO- Transaktionen entstandenen Überschüsse … komplett als Provisionen von 21,1 Mio. US-$ am 09.06.2006 und von 6,4 Mio. EUR am 12.09.2006 auf zwei Konten der Wilmington-Trust-Bank in den USA“ geflossen seien. Für diese „formal“ der KWL zugeordneten Konten hätten die Angeklagten B. und S. eine umfangreiche Vollmacht u.a. des Angeklagten H. besessen, „mit der sie beliebig und unkontrolliert über die Gelder verfügen konnten“. Der KWL sei „allein durch die Provisionsvereinbarungen ein Schaden … zwischen 13.662.900 EUR und 22.868.900 EUR“ entstanden.
39
Mit der Aufnahme eines tatsächlichen Geschehens in den Anklagesatz bringt die Staatsanwaltschaft regelmäßig zum Ausdruck, dieses Geschehen verfolgen zu wollen. Die gesamten im Anklagesatz beschriebenen geschichtlichen Vorgänge bilden daher den Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung. Etwas anderes gilt namentlich dann, wenn dem Anklagesatz oder den Ausführungen zum wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen eindeutig entnehmen lässt, dass die Staatsanwaltschaft ein bestimmtes, als selbständige prozessuale Tat (§ 264 StPO) zu wertendes Geschehen gerade nicht der Kognition des Gerichts unterwerfen will (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 1995 - 2 StR 157/95 = NStZ 1995, 500).
40
Ein derartiger Ausnahmefall ist nicht gegeben. Er lässt sich entgegen der landgerichtlichen Ansicht (UA S. 38 f.) insbesondere nicht aus der für den An- klagepunkt 2 a) gewählten Überschrift „CDS-/CDO-Transaktionen - Provisionen“ ableiten. Denn die in der Überschrift durch den Gedankenstrich vorge- nommene Differenzierung zwischen den bezeichneten Transaktionen einerund den Provisionen andererseits deutet vielmehr darauf hin, dass es der Generalstaatsanwaltschaft auf die Verfolgung beider Komplexe ankommt. Dafür spricht außerdem, dass die Vorgänge um die Provisionen im konkreten Anklagesatz nahezu ebenso ausführlich dargestellt werden wie die Umstände und Folgen der CDS-/CDO-Transaktionen.
41
Gegen den Verfolgungswillen der Generalstaatsanwaltschaft spricht schließlich nicht, dass sie bei der von ihr im Rahmen des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen vorgenommenen rechtlichen Würdigung der Untreuedelikte lediglich zwei andere Konten, nicht aber diejenigen bei der Wilmington-Trust-Bank als „schwarze Kassen“ (s. hierzu BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03 = BGHSt 49, 317; BGH, Urteil vom 29. August 2008 - 2 StR 587/07 = BGHSt 52, 323; BGH, Urteil vom 27. August 2010 - 2 StR 111/09 = NStZ 2010, 700) kategorisiert hat. Denn abgesehen davon , dass es Aufgabe des Gerichts ist, die ihm zur Beurteilung unterbreitete Tat rechtlich umfassend zu würdigen (§§ 155 Abs. 2, 264 Abs. 2 StPO), ließen die staatsanwaltschaftlichen Rechtsausführungen nicht den Schluss zu, das im konkreten Anklagesatz ausführlich dargelegte Geschehen um die Konten bei der Wilmington-Trust-Bank solle nicht verfolgt werden. Denn dieses wurde dort nicht nur beiläufig oder lediglich zum besseren Verständnis geschildert, sondern betraf den verschleiernden Fluss der Provisionen und damit einen wesentlichen Teil des verwirklichten Unrechts. In Übereinstimmung hiermit beziffert die Generalstaatsanwaltschaft nicht nur am Ende des konkreten Anklagesatzes zu 2 a) den der KWL durch die Provisionsvereinbarungen - und nicht nur durch die vor- und nachher durchgeführten „CDS-/CDO-Transaktionen“ - (tatsächlich) zuge- fügten finanziellen Nachteil, sondern bezeichnet diesen im Rahmen des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen, das zur Ergänzung und Auslegung des Anklagesatzes herangezogen werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2011 - 1 StR 194/11 mwN), ausdrücklich als „Untreueschaden“ (S. 21 f.).
42
Unabhängig davon wäre das Landgericht aber schon deshalb verpflichtet gewesen, die Vorgänge - hinsichtlich derer von § 154a Abs. 2 StPO nicht Gebrauch gemacht worden war - um die Provisionszahlungen rechtlich umfassend zu würdigen, weil diese ihm jedenfalls zur Begründung einer Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung zur Beurteilung unterbreitet worden waren (Nr. 2 b der Anklageschrift). Dementsprechend hat es das Fordern einer Provision durch den Angeklagten H. „spätestens im Juni 2006“ und deren durch die Mitangeklagten veranlassten Eingang auf einem ihm zugänglichen Konto am 21. Juni 2006 festgestellt und rechtsfehlerfrei als Bestechlichkeit bzw. Bestechung verurteilt.
43
Zu diesem Lebenssachverhalt gehörten aber auch die Wege, auf denen diese Zuwendung erfolgt ist. Insofern teilt die Anklageschrift mit, es seien am 9. Juni 2006 zunächst 21,1 Mio. US-$ auf die bei der Wilmington-Trust-Bank geführten Konten gelangt (Nr. 2 a der Anklageschrift). Angesichts dieser engen sachlichen und zeitlichen Verknüpfung handelte es sich bei den bezeichneten Abläufen um eine Tat im prozessualen Sinn. Deren einheitliche Untersuchung und Aburteilung war daher nicht nur - wie das Landgericht selbst einräumt - „sinnvoll“ (UA 40), sondern geboten, weil eine prozessuale Tat nicht nach Tat- beständen differenziert, sondern umfassend, hier also auch unter dem Gesichtspunkt der Untreue, zu würdigen ist, um dem verwirklichten Unrechts- und Schuldgehalt gerecht zu werden. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn die in Betracht kommenden Delikte - wovon die Anklageschrift naheliegend ausgeht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2001 - 3 StR 549/00 = BGHSt 47, 22, 26) - aus materiell-rechtlicher Sicht in Tateinheit zueinander verwirklicht worden sein könnten, so dass sich eine Aburteilung in getrennten Verfahren ohnehin verbieten würde (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2001 - 2 StR 513/00 = BGHSt 47, 68,

82).

44
4. Der von der Generalstaatsanwaltschaft ohne Begründung angegriffene Schuldspruch wegen der als Fall II. 4. der Urteilsgründe festgestellten Untreue des Angeklagten H. hält rechtlicher Überprüfung stand. Die Verfahrensrügen betreffen diesen Teil des Urteils nicht.
45
5. Die Strafzumessung weist für sich genommen keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Soweit die Revisionsführerin im Rahmen der Begründung ihrer Sachrüge vorbringt, das Landgericht habe, nachdem Verständigungsbemühungen gemäß § 257c StPO an fehlender Mitwirkung der Staatsanwaltschaft gescheitert waren, den drei Angeklagten jeweils eigenständig Strafobergrenzen zugesagt und dadurch die Obergrenzen der anzuwendenden Strafrahmen zu Unrecht verringert, veranlasst dies den Senat zu folgendem Hinweis: Eine der- artige „informelle“, d.h. außerhalb des gesetzlich geregelten, insbesondere eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft vorsehenden Verfahrens getroffene „Ver- ständigung“ allein zwischen Gericht und Angeklagten widerspräche der Straf- prozessordnung. Sie könnte weder eine gerichtliche Bindung an die in Aussicht gestellte Strafobergrenze noch einen durch den fair-trial-Grundsatz geschützten Vertrauenstatbestand bei den Angeklagten hervorrufen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR 274/11 mwN).
46
Das gerügte gerichtliche Vorgehen lässt sich jedoch ausschließlich dem staatsanwaltschaftlichen Revisionsvorbringen, nicht aber dem mit der Sachrüge dem Senat allein zur Prüfung unterbreiteten schriftlichen Urteil entnehmen. Eine Verfahrensrüge ist insoweit nicht ausdrücklich erhoben worden. Einer grundsätzlich möglichen Umdeutung der Sachrüge in eine entsprechende Verfahrensrüge steht entgegen, dass diese bereits unzulässig wäre, weil der diesbezügliche Vortrag nicht alle zur revisionsgerichtlichen Prüfung notwendigen Tatsachen mitteilen und daher den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht entsprechen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2011 - 1 StR 153/11; Hanack in Löwe/Rosenberg, 25. Aufl., § 344 Rn. 72). Beispielsweise wird nicht vorgetragen, mit welcher Begründung die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung den ursprünglichen, dem nunmehr gerügten Procedere vorausgehenden landgerichtlichen Verständigungsvorschlag abgelehnt hat.
47
6. Die Revision rügt dagegen zu Recht, dass das Landgericht nicht umfassend geprüft hat, ob auch hinsichtlich der Angeklagten B. und S. die Voraussetzungen des Verfalls bzw. des Wertersatzverfalls vorliegen. Denn das Landgericht hat sich dabei infolge seiner - unzutreffenden - Annahme von Verfahrenshindernissen bezüglich der angeklagten Untreuetaten auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die Angeklagten B. und S. durch ihre an den Mitangeklagten geleisteten Bestechungszahlungen unmittelbar „etwas“ i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt haben, und dies verneint (UA S. 51). Damit aber hat es jedenfalls die Möglichkeit außer Betracht gelassen, dass die beiden Angeklagten durch die dem Angeklagten H. zur Last gelegten Untreue- handlungen „etwas“, nämlich zumindest Teile der von diesem gezahlten Provi- sionen erlangt haben; nach der Anklageschrift sollen sie hierzu - in Tateinheit zu zwei ihrer Bestechungstaten stehend (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. Mai 2001 - 3 StR 549/00 = BGHSt 47, 22, 26; s. auch BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05 = BGHR StGB § 299 Abs. 1 Konkurrenzen 1) - Beihilfe geleistet haben.
48
7. Die bezeichneten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils, soweit das Landgericht über die Beteiligung der Angeklagten an den ihnen zur Last gelegten Untreuedelikten nicht entschieden hat (Nr. 1 a und 2 a der Anklageschrift ). Daher waren auch die - für sich genommen rechtlich nicht zu beanstandenden - Schuldsprüche zu den unter II. 1. bis 3. festgestellten Bestechlichkeits - bzw. Bestechungstaten und die zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben, da insofern - wie oben dargelegt - von zwei einheitlichen prozessualen Taten auszugehen ist.
49
Dies zieht die Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafen, der gegen den Angeklagten H. ausgesprochenen Verfallsentscheidung sowie der Gesamtstrafen nach sich. Ferner wird das Urteil aufgehoben, soweit eine Entscheidung nach den §§ 73 ff. StGB betreffend die Angeklagten B. und S. unterblieben ist. Darüber hinaus hebt der Senat die gegen den Angeklagten H. für die drei Bilanzfälschungsdelikte (Taten II. 5. bis 7. der Urteilsgründe ), die vier Steuerhinterziehungen (Taten II. 8. bis 11. der Urteilsgründe) sowie die zu II. 4. festgestellte Untreue an sich rechtsfehlerfrei festgesetzten Einzelstrafen wegen des zwischen sämtlichen Taten bestehenden inneren Zusam- menhangs auf, um dem neuen Tatgericht eine umfassende und in sich stimmige neue Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2002 - 2 StR 10/02 = NStZ-RR 2002, 165).

III.

50
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 StPO). Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, bei seiner Entscheidung die weiteren vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 10. Juni 2011 (S. 7 ff.) erörterten Gesichtspunkte zu beachten und im Übrigen die der Anklageschrift - ungeachtet der oben zur Frage eines Verfahrenshindernisses gemachten Ausführungen - anhaftenden Mängel hinsichtlich ihrer Informationsfunktion durch entsprechende Hinweise zu beheben. Sollte die Beweislage, wie sie den Urteilsgründen zu entnehmen ist, unverändert bleiben, wird die Aufklärungspflicht die Übersetzung der entscheidungserheblichen Urkunden ins Deutsche erfordern. Im Übrigen bemerkt der Senat, dass es zweckmäßig gewesen wäre, wenn die Generalstaatsanwaltschaft bereits bei der Anklageerhebung zumindest die zentralen Schriftstücke ins Deutsche übersetzt mit vorgelegt hätte. Wahl Hebenstreit Graf Jäger Sander
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
________________
Verweigert eine Tatzeugin in der Hauptverhandlung das Zeugnis, dürfen ihre Angaben
, die sie bei der Exploration für die Glaubhaftigkeitsprüfung zum Tatgeschehen
gemacht hat (Zusatztatsachen), nicht für Feststellungen zum Tathergang verwertet
werden, indem die Sachverständige als Zeugin gehört wird; das gilt auch für die erneute
Hauptverhandlung nach der Wiederaufnahme des Verfahrens.
BGH, Urt. vom 3. November 2000 - 2 StR 354/00 - Landgericht Bonn

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 354/00
vom
3. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. November
2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Dr. Bode,
die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Elf
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizhauptsekretärin bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 21. März 2000 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht Köln hatte den Angeklagten mit Urteil vom 20. April 1994, rechtskräftig seit dem 24. November 1994, wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte die Taten in den Jahren 1988 bis 1990 in E. und in W. an seiner am 15. Juli 1977 geborenen Enkelin N. P. begangen. Die Verurteilung beruhte im wesentlichen auf den belastenden Angaben der Zeugin N. P. .
Am 13. Februar 1995 beantragte der Angeklagte die Wiederaufnahme des Verfahrens, weil N. P. ihre den Angeklagten belastende Aussage in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Köln vom 17. Dezember 1994 als falsch widerrufen hatte. Im Probationsverfahren wurde N. P. z u ihrem Widerruf am 16. Mai 1995 richterlich vernommen. Am 8. Februar 1996 verwarf das Landgericht Bonn den Wiederaufnahmeantrag als unbegründet. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten ordnete das Oberlandesgericht Köln am 7. Mai 1996 die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an. Mit Urteil vom 21. März 2000 hat das Landgericht Bonn das Urteil des Landgerichts Köln aufgehoben und den Angeklagten - nach Fortfall der fortgesetzten Handlung - im wesentlichen wegen desselben Tatgeschehens wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in elf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die Revision hat mit der Verfahrensrüge Erfolg, das Landgericht habe die Angaben der Enkelin des Angeklagten nicht verwerten dürfen, die diese gegenüber der früheren Sachverständigen und jetzigen Zeugin J. bei der Glaubwürdigkeitsprüfung gemacht hat, weil N. P. in der neuen Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe. 1. Die Verfahrensrüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil auf Grund der zulässig erhobenen Sachrüge der Urteilsinhalt ergänzend zum Vorbringen der Revisionsbegründung herangezogen werden kann.
2. Der Rüge liegen folgende Verfahrensvorgänge zu Grunde: Im Ermittlungsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft Köln die Sachverständige J. mit einem Gutachten zur Glaubhaftigkeit der belastenden Angaben von N. P. beauftragt. Bei der Exploration äußerte sich die Zeugin am 14. September 1993 ausführlich zum Tatgeschehen. Auch in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Köln machte N. P. ausführliche belastende Angaben zum Tatgeschehen, die das Landgericht in Übereinstimmung mit der damaligen Sachverständigen J. für glaubhaft erachtete und seinen Feststellungen zu Grunde legte. Zur Vorbereitung der Entscheidung im Probationsverfahren beauftragte das Landgericht die Sachverständige J. mit einem ergänzenden Gutachten zur Glaubhaftigkeit des Aussagewiderrufs. Auch bei der hierzu erfolgten Exploration äußerte sich N. P. am 8. Dezember 1995. Wegen Bedenken der Verteidigung gegen die Unbefangenheit der Sachverständigen J. beauftragte das Landgericht Bonn zur Vorbereitung der erneuten Hauptverhandlung im Wiederaufnahmeverfahren die Sachverständige M. mit der Erstattung eines weiteren Glaubhaftigkeitsgutachtens. Diese Sachverständige wurde in der Hauptverhandlung gehört. Ihr stand die Zeugin P. jedoch nicht mehr zu einer Exploration zur Verfügung. In der abgebrochenen Hauptverhandlung vom 7. Oktober 1997 machte N. P. nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht zunächst Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen und zur Vernehmungsfähigkeit und verweigerte schließlich weitere Angaben. Auch in der neu anberaumten Hauptverhandlung am 14. März 2000 machte sie nach Belehrung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Die Strafkammer hat in der dem ange-
fochtenen Urteil zugrunde liegenden Hauptverhandlung u.a. den Vorsitzenden und den Berichterstatter der Strafkammer des Landgerichts Köln, vor der N. P. nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht ausgesagt hatte, und die frühere Sachverständige J. als Zeugen dazu vernommen, was N. P. ihnen gegenüber zum Tatgeschehen ausgesagt hat, und die Sachverständige M. gehört. In seiner Beweiswürdigung (UA S. 29 ff.) stützt sich das Landgericht Bonn in weiten Teilen auf die Angaben der Zeugin J. über das, was N. P. ihr gegenüber bei der Exploration und in der Hauptverhandlung als Zeugin vor dem Landgericht Köln zum Tatgeschehen ausgesagt hat. Ihre Angaben stimmten mit dem überein, was die beiden als Zeugen gehörten Richter der damals erkennenden Strafkammer über den Inhalt der Aussage in der Hauptverhandlung berichtet haben. Das Landgericht Bonn hat sich für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung aber maßgeblich auf die hohe Konstanz in der Aussage N. P. gestützt und diese als wesentliches Glaubhaftigkeitskriterium gewertet. Zum Beleg nennt das Urteil 45 Details zum Tatgeschehen, die die Zeugin sowohl bei der Exploration als auch in der Hauptverhandlung in Köln übereinstimmend geschildert habe. Diese Konstanz konnte nur unter Heranziehung der Angaben der Zeugin J. über das Ergebnis ihrer Exploration festgestellt werden. 3. Das angefochtene Urteil stützt sich somit bei seiner Beweiswürdigung auf die Ausführungen der Zeugin und früheren Sachverständigen J. z u den Angaben, die N. P. ihr gegenüber bei der Exploration am 14. September 1993 insbesondere zum Tatgeschehen gemacht hat. Darin liegt ein Verstoß gegen § 252 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO.

a) Seit der Entscheidung BGHSt 2, 99 ist es ständige Rechtsprechung und einhellige Meinung im Schrifttum, daß § 252 StPO nicht nur ein Verlesungs -, sondern ein Verwertungsverbot enthält, das nach der berechtigten Zeugnisverweigerung auch jede andere Verwertung der bei einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Aussage, insbesondere die Vernehmung von Verhörspersonen, ausschließt (vgl. BGHSt 45, 203, 205 m.w.N.). Mitteilungen eines gemäß § 52 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen gegenüber einem Sachverständigen über Zusatztatsachen (vgl. hierzu BGHSt 18, 107, 108), zu denen regelmäßig auch die Tatschilderung eines auf seine Glaubwürdigkeit zu begutachtenden Zeugen gehört (BGH NStZ 1997, 95 = StV 1996, 522), stehen einer Aussage im Sinn des § 252 StPO gleich. Soweit die Rechtsprechung ausnahmsweise die Vernehmung der Richter zuläßt, die an der früheren Vernehmung mitgewirkt haben (BGHSt 2, 99; 27, 231), kann diese Ausnahme auf die Befragung durch den Sachverständigen, die einer richterlichen Vernehmung nicht gleich gesetzt werden kann, keine Anwendung finden (BGHSt 13, 1, 4). Macht der Zeuge später sein Zeugnisverweigerungsrecht geltend, dürfen seine Mitteilungen über Zusatztatsachen daher weder durch das Sachverständigengutachten noch durch die Vernehmung des Sachverständigen als Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der richterlichen Überzeugungsbildung verwertet werden (BGHSt 13, 1, 3; 250; 18, 107, 109; 36, 217, 219; 36, 384, 385 f.; 45, 203, 206; StV 1984, 453; 1996, 522 = NStZ 1997, 95; BGHR StPO § 252 Verwertungsverbot 1 [= StV 1987, 328] und 2 [= MDR 1987, 625 = NStZ 1988, 19]; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 252 Rdn. 10; Diemer in KK § 252 Rdn. 18; Gollwitzer in Löwe /Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 252 Rdn. 32 jeweils m.w.N.). Da sich die Enkelin des Angeklagten in der neuen Hauptverhandlung berechtigt auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO) berief,
waren ihre Angaben zum Tatgeschehen, die sie gegenüber der früheren Sachverständigen J. gemacht hat, nicht verwertbar.
b) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 1957 (BGHSt 11, 97) rechtfertigt keine andere Beurteilung. In dieser Entscheidung hatte der 4. Strafsenat in einem unverbindlichen Hinweis an den neuen Tatrichter Ä ußerungen eines richterlich über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrten Zeugen gegenüber dem Sachverständigen trotz inzwischen erklärter Zeugnisverweigerung bei der Erstattung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens auch in Bezug auf die "Anklagetatsachen" für verwertbar erachtet. Der 4. Strafsenat hat jedoch in seinem bereits genannten späteren Urteil BGHSt 13, 1, in dem er erstmals die Vernehmung des Gutachters über Zusatztatsachen nach der Zeugnisverweigerung des Untersuchten weder als Sachverständiger noch als Zeuge für zulässig erachtete, selbst darauf hingewiesen, daß sich die zugrundeliegenden Fragestellungen unterschieden: In BGHSt 11, 97 sei es um die Frage gegangen, ob die von einem über sein Aussageverweigerungsrecht belehrten Zeugen gegenüber dem Sachverständigen gemachten Angaben auch dann der Begutachtung über seine Glaubwürdigkeit zugrundegelegt werden dürften, wenn der Zeuge nachträglich seine Aussage verweigert. Davon sei die in BGHSt 13, 1 entschiedene Frage zu unterscheiden, ob der Sachverständige als solcher oder als Zeuge vom Untersuchten erfahrene Belastungstatsachen unter den gleichen Voraussetzungen in die Hauptverhandlung einführen dürfe. Es kann dahinstehen, ob dieser Abgrenzung zu folgen ist oder ob darin nicht vielmehr eine Aufgabe des Hinweises in BGHSt 11, 97 zu sehen ist, denn es ist kaum vorstellbar, daß einem Sachverständigengutachten Tatsachen oder Ä ußerungen zugrundegelegt werden dürfen, die nicht auch sonst als Verfahrensstoff in die Hauptverhandlung eingeführt werden dürfen. Selbst wenn man aber unterstellt, daß die früheren Angaben für die Erstattung des Glaubwürdigkeits-
gutachtens (begrenzt) verwertbar seien, könnte dies auch nach der vom 4. Strafsenat vertretenen Ansicht allenfalls dazu führen, daß die fraglichen Angaben für das Glaubwürdigkeitsgutachten verwertet werden dürfen. Im vorliegenden Fall wurden die Angaben jedoch für die Feststellungen des Landgerichts zum Tatgeschehen verwendet. Zudem wurde das Gutachten in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Bonn nicht von der Zeugin J. , sondern von der Sachverständigen M. erstattet. Deshalb läßt sich auch mit dem Beschluß des 1. Strafsenats vom 20. Juli 1995 (StV 1995, 564 = NJW 1998, 838 mit krit. Anm. von Wohlers StV 1996, 192; Eisenberg/Kopatsch NStZ 1997, 297; Schmidt-Ricla NJW 1998, 800), der sich auf BGHSt 11, 97 beruft und mit dem das angefochtene Urteil die Verwertbarkeit der Ä ußerungen N. P. gegenüber der Zeugin J. zu rechtfertigen versucht, die Verwertbarkeit der Angaben zum Tatgeschehen nicht begründen. Zudem ging es in der Entscheidung des 1. Strafsenats nicht um die Verwertung von Zusatztatsachen zum Tatgeschehen, sondern um Angaben des Vaters zur Persönlichkeit und zum Lebenslauf des Beschuldigten , die bei einem Gutachten über seine Schuldfähigkeit verwendet wurden.
c) Der Senat hat ferner erwogen, ob wegen der besonderen Verfahrenskonstellation im Wiederaufnahmeverfahren eine Einschränkung des Verwertungsverbots für die von der Zeugin J. berichteten Zusatztatsachen zum Tatgeschehen gerechtfertigt ist. Hierfür könnte sprechen, daß auf Grund der belastenden Angaben der Enkelin des Angeklagten zum Tatgeschehen bereits ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Köln bestand, das erst im Wiederaufnahmeverfahren beseitigt wurde, weil die Tatzeugin ihre belastenden Angaben inzwischen widerrufen hatte. Erst in der neuen Hauptverhandlung hat die Zeugin sodann von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Trotz dieses Verfahrensgangs kommt aber eine Einschränkung des in ständiger Rechtsprechung anerkannten Verwertungsverbots nicht in Betracht. aa) Der Bundesgerichtshof hat seit BGHSt 2, 99 daran festgehalten, daß eine Ausnahme von dem Verwertungsverbot des § 252 StPO nur für solche Angaben gerechtfertigt ist, die nach Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht vor einem R i c h t e r gemacht wurden. Nur der Richter selbst kann dann im Falle einer Zeugnisverweigerung als Zeuge über den Aussageinhalt vernommen werden. Zu Recht hat das Landgericht Bonn daher in der erneuten Hauptverhandlung den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Waldbröl und zwei Richter der erkennnenden Strafkammer des Landgerichts Köln als Zeugen vernommen. Eine Vernehmung des Sachverständigen als Zeugen zu Zusatztatsachen ist hingegen seit BGHSt 13, 1 in ständiger Rechtsprechung für ausgeschlossen erachtet worden (vgl. oben II, 3 a). Der wesentliche Grund für die unterschiedliche Behandlung von richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen wird nach der neueren Rechtsprechung darin gesehen, daß schon das Gesetz - wie aus § 251 Abs. 1 und 2 StPO zu entnehmen - richterlichen Vernehmungen ganz allgemein höheres Vertrauen entgegenbringt. Dieser Grund ist auch nach Einführung der Belehrungspflicht für Polizeibeamte und Staatsanwälte durch § 161 a Abs. 1 und § 163 a Abs. 5 StPO nicht entfallen (BGHSt 45, 342, 345 f.; 36, 384, 386; 21, 218, 219). Für diese Unterscheidung ist es aber ohne Bedeutung, ob sich das Verfahren in der ersten Instanz oder im Wiederaufnahmeverfahren befindet. bb) Im übrigen wird der Umfang des Verwertungsverbots des § 252 StPO aus Sinn und Zweck der Norm und durch eine Abwägung zwischen den gegenläufigen Belangen, einerseits den durch das Zeugnisverweigerungsrecht geschützten Interessen an einer Nichtverwertung, andererseits der für weitest-
gehende Verwertung sprechenden Pflicht zur Wahrheitsermittlung im Strafverfahren bestimmt (BGHSt 2, 99, 105; 45, 342, 345). Es sind aber keine durchgreifenden Gründe dafür erkennbar, diese Belange deshalb anders zu gewichten und den Interessen der Wahrheitsfindung im Strafverfahren deshalb größere Bedeutung beizumessen, weil es sich um ein wiederaufgenommenes Verfahren handelt und zuvor ein rechtskräftiges Urteil bestand. Durch die Wiederaufnahme wurde das Verfahren in die Lage z urückversetzt, die es durch den Eröffnungsbeschluß erreicht hatte (BGHSt 14, 64, 66). In der neuen Hauptverhandlung war ohne Bindung an das frühere Urteil in jeder Hinsicht neu und selbständig zu verhandeln und zu entscheiden (Kleinknecht/MeyerGoßner a.a.O. § 373 Rdn. 2 m.w.N.). Es spricht nichts dafür, dem Interesse der Strafverfolgung und der Wahrheitsfindung in der neuen Hauptverhandlung im Wiederaufnahmeverfahren ein größeres Gewicht zu geben als in einer früheren Hauptverhandlung. Die Situation unterscheidet sich nicht grundlegend von einer neuen Hauptverhandlung in einer zurückverwiesenen Sache oder in der Berufungshauptverhandlung, in der ein Zeuge erstmals sein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch nimmt. cc) Schließlich lassen sich den Urteilsgründen auch keine hinreichenden Anzeichen dafür entnehmen, daß dem Aussageverhalten der Zeugin eine Manipulationsabsicht zugrundeliegen könnte (vgl. hierzu BGHSt 45, 342, 347 ff.). 3. Da das angefochtene Urteil schon wegen des dargelegten Verfahrensfehlers keinen Bestand hat, kommt es auf die übrigen Verfahrensrügen und die Sachrüge nicht mehr an. Der Senat verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Auch ohne die Angaben der Zeugin J. über die Explorationsergebnisse zum Tatgeschehen ist eine erneute Verurteilung des Angeklagten
nicht unwahrscheinlich. Als Zeugen für Feststellungen zum Tatgeschehen stehen insbesondere die Richter zur Verfügung, die N. P. wiederholt zum Tatvorwurf und zum späteren Widerruf ihrer Beschuldigung vernommen haben. Jähnke Detter Bode Otten Elf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 296/07
vom
18. Juli 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juli 2007 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15. Februar 2007 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu der Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Senat ergänzt die Ausführungen des Generalbundesanwalts wie folgt:
2
Die Rüge der Verletzung des § 252 StPO ist zulässig, aber unbegründet.
3
Die Vernehmung des Polizeibeamten J. zu den Angaben des Zeugen F. A. bei ihm und deren Verwertung war rechtsfehlerfrei.
4
Der Rüge liegt Folgendes zugrunde:
5
Dem Angeklagten wird die Tötung seiner Ehefrau zur Last gelegt. Der Zeuge - und Nebenkläger - ist deren Bruder. Während des Ermittlungsverfahrens machte er bei der Polizei Angaben zur Sache. In der Hauptverhandlung erklärte der ihm gemäß § 397a Abs. 1 Satz 1 StPO als Beistand bestellte Rechtsanwalt, dass der - geladene, aber nicht erschienene - Zeuge von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO Gebrauch mache. Der Nebenklägervertreter erklärte weiter, dass der Zeuge mit der Verwertung seiner vor der Polizei gemachten Angaben einverstanden ist. Daraufhin wurde der Vernehmungsbeamte zu den Angaben des Zeugen bei der Polizei gehört.
6
1. Das Revisionsvorbringen genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Zwar werden die der Rüge zugrunde liegenden Verfahrensvorgänge nicht vollständig mitgeteilt. So fehlt - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - die Mitteilung des Inhalts der Vernehmung. Insoweit kann jedoch nach zulässig erhobener Sachrüge ergänzend auf die Urteilsgründe zurückgegriffen werden (vgl. BGHSt 36, 384, 385; 45, 203, 204 f.; 46, 189, 190 f.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 344 Rdn. 20; Kuckein in KK-StPO 5. Aufl. § 344 Rdn. 39), die den Kern der Aussage wiedergeben, soweit sie - am Rande - für die Beweiswürdigung mit herangezogen wurde. Danach kann auch ausgeschlossen werden, dass es sich bei der "Vernehmung" um eine unaufgeforderte , spontane und damit von den Beschränkungen des § 252 StPO ausgenommene (vgl. BGHSt 36, 384, 389; BGH NStZ 1992, 247; 1998, 629; StV 2007, 401 f.) Äußerung des Angeklagten gehandelt hat. Ausdrücklicher Revisionsvortrag zu diesem Gesichtspunkt war daher nicht erforderlich.
7
2. Die Vernehmung des Polizeibeamten zu den Angaben des Zeugen während des Ermittlungsverfahrens war hier zulässig:
8
a) Dem Zeugen steht als Schwager des Angeklagten gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Über dieses Recht ist er zu belehren , jedoch kann sich ein Zeuge, dem schon anderweit - z.B. infolge anwaltlicher Beratung - bekannt ist, dass ihm dieses Recht zusteht, auch ohne ausdrückliche Belehrung wirksam auf dieses Recht berufen. Dies kann schriftlich erfolgen (BGHSt 21, 12 f.), aber auch, wie hier, durch Erklärung des anwaltlichen Beistands in der Hauptverhandlung (ebenso BGH, Beschl. vom 13. August 2003 - 1 StR 280/03 zum vergleichbaren Fall einer anwaltlichen Mitteilung außerhalb der Hauptverhandlung). Die Auffassung der Revision, eine solche "Mitteilung eines Dritten" reiche in diesem Zusammenhang nicht aus, teilt der Senat nicht. Die von der Revision in Bezug genommene Entscheidung BGH bei Holtz MDR 1979, 989 betrifft keine anwaltliche Erklärung. Beruft sich der Zeuge aber außerhalb der Hauptverhandlung auf sein Aussageverweigerungsrecht , hat das Gericht regelmäßig keine Veranlassung, gleichwohl auf seinem Erscheinen in der Hauptverhandlung zu bestehen (BGHSt 21, 12 f.; BGH, Beschl. vom 1. Juni 2001 - 1 StR 208/01; in vergleichbarem Sinne BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Unerreichbarkeit 17 zum Fall der Berufung auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 55 StPO). Allerdings kann sich im Einzelfall anderes aus der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) - deren Verletzung hier nicht ausdrücklich gerügt ist - ergeben, etwa bei konkreten Anhaltspunkten dafür, dass der Zeuge über die Tragweite seiner Erklärung irrt (vgl. BGHSt 21, 12), oder z.B. dafür, dass der Zeuge bei Abwesenheit des Angeklagten (§§ 247, 247a StPO) oder Ausschluss der Öffentlichkeit (§§ 171b, 172 Nr. 4 GVG) doch aussagen werde (BGH NStZ 1999, 94 f.).
9
b) Anhaltspunkte für derartige Besonderheiten sind jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Zeuge mit der Berufung auf sein Aussageverweigerungsrecht zugleich über seinen Rechtsanwalt erklären ließ, er sei mit der Verwertbarkeit seiner früheren nichtrichterlichen Vernehmung einverstanden. Eine derartige Erklärung ist grundsätzlich möglich (BGHSt 45, 203, 205 ff.; StV 2007, 401, 402 m.w.N.). Der Sache nach handelt es sich dabei um den Verzicht auf das sonst mit der Aussageverweigerung verbundene Verwertungsverbot gemäß § 252 StPO. Für die Abgabe einer solchen Erklärung gelten daher, soweit hier von Interesse, vergleichbare verfahrensrechtliche Regeln wie für die Berufung auf das Aussageverweigerungsrecht. Das bedeutet, dass sie nicht notwendig in der Hauptverhandlung abgegeben werden muss. Entscheidendist vielmehr, dass sie eindeutig ist und sich der Zeuge zur Überzeugung des Gerichts darüber klar ist, dass ohne seine Zustimmung die in Rede stehende nichtrichterliche Vernehmung nicht verwertet werden könnte. Erklärt ein, zumal anwaltlich vertretener, Zeuge etwa schriftlich oder durch seinen Rechtsanwalt im Zusammenhang mit der Berufung auf sein Aussageverweigerungsrecht, er sei mit der Verwertung seiner früheren, z.B. vor der Polizei gemachten Aussagen einverstanden, folgt hieraus in der Regel die Kenntnis des Zeugen, dass ohne seine Einverständniserklärung auf die früheren Aussagen nicht zurückgegriffen werden könnte (BGH StV 2007, 401, 402). Bleibt dagegen zweifelhaft, dass der Zeuge all dies erfasst hat, muss das Gericht sein Erscheinen in der Hauptverhandlung veranlassen. Der Zeuge ist dann gerichtlich, ebenso wie über sein Aussageverweigerungsrecht auch über die Rechtslage im Übrigen, insbesondere über das mit seiner Aussageverweigerung sonst notwendig verbundene Verwertungsverbot hinsichtlich der nichtrichterlichen Vernehmung zu belehren. All dies ist dann ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung und als solcher auch im Protokoll festzuhalten. Insoweit gilt nichts anderes, als dann, wenn das Einverständnis des Zeugen mit der Verwertbarkeit seiner früheren nichtrichterlichen Vernehmung Ergebnis von Erörterungen in der Hauptverhandlung ist (vgl. BGHSt 45, 203, 208; BGH NStZ 2007, 352, 353).
10
c) Hier sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der anwaltlich beratene Zeuge keine Kenntnis über die Auswirkung seines Zeugnisverweigerungsrechts gehabt hätte oder darüber, dass die Verwertung der sonst unverwertbaren polizeilichen Vernehmung erst durch seine Einverständniserklärung ermöglicht wurde. Mit seiner über seinen Beistand mitgeteilten Zustimmung konnte das Gericht daher durch Vernehmung des Vernehmungsbeamten über die Angaben des Zeugen bei der Polizei Beweis erheben. Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit Graf

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 441/10
vom
9. November 2010
in der Strafsache
gegen
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Der Ausgleich für eine in dem Ausschluss einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung
liegende Härte ist bei der Verhängung zeitiger Freiheitsstrafen
nicht in Anwendung des Vollstreckungsmodells, sondern bei der
Bemessung der Strafe für die nunmehr abzuurteilende Tat vorzunehmen.
BGH, Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 441/10 - Landgericht Essen -
wegen schwerer Brandstiftung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. November 2010 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. Mai 2010 im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung "unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Essen vom 20. Dezember 2007" zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Gesamtstrafenausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken , weil die Strafkammer einen Härteausgleich für die wegen der Vollstreckung der Strafe nicht mehr mögliche Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe mit der Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 20 Euro aus der Verurteilung durch das Amtsgericht Essen vom 10. Juli 2007 mit nicht tragfähiger Begrün- dung versagt hat. Der Ausgleich für eine in dem Ausschluss einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung liegende Härte ist bei der Verhängung zeitiger Freiheitsstrafen nicht in Anwendung des Vollstreckungsmodells, sondern bei der Bemessung der Strafe für die nunmehr abzuurteilende Tat vorzunehmen.
3
1. Grundgedanke der Vorschrift des § 55 StGB ist, dass Taten, die bei gemeinsamer Aburteilung nach §§ 53, 54 StGB behandelt worden wären, auch bei getrennter Aburteilung dieselbe Behandlung erfahren sollen, so dass der Täter im Endergebnis weder besser noch schlechter gestellt ist, als wenn alle Taten in dem zuerst durchgeführten Verfahren abgeurteiltworden wären. Scheitert eine nach § 55 StGB an sich mögliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung daran, dass die zunächst erkannte Strafe bereits vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, so erfordert eine darin liegende Härte einen angemessenen Ausgleich (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. Januar 2010 - 2 StR 403/09, NStZ 2010, 386).
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Die Strafkammer hat eine einen Härteausgleich erfordernde Benachteiligung des Angeklagten durch die nicht mehr mögliche Gesamtstrafenbildung mit der Geldstrafe aus der Verurteilung durch das Amtsgericht Essen vom 10. Juli 2007 deshalb verneint, weil sie wegen des Wegfalls der Zäsur durch die Verurteilung vom 10. Juli 2007 eine nachträgliche Gesamtstrafe mit der Freiheitsstrafe von zwei Jahren aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 20. Dezember 2007 gebildet hat. Dabei hat sie allerdings nicht bedacht, dass die Vollstreckung der zweijährigen Freiheitsstrafe im Urteil vom 20. Dezember 2007 zur Bewährung ausgesetzt worden war. Die nur infolge der Erledigung der früher verhängten Strafe zwingend vorzunehmende Gesamtstrafenbildung mit der Freiheitsstrafe von zwei Jahren aus dem Urteil vom 20. Dezember 2007 hat für den Angeklagten den Verlust der gewährten Strafaussetzung zur Bewährung zur Fol- ge, die bei einer nachträglichen Gesamtstrafe unter Einbeziehung der an sich gesamtstrafenfähigen Geldstrafe aus der Verurteilung vom 10. Juli 2007 bestehen geblieben wäre. Hierin liegt ein besonderer Nachteil, welcher einen Härteausgleich erforderlich macht (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 5 StR 478/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 18; Urteil vom 2. März 1994 - 2 StR 740/93).
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2. Der danach gebotene Härteausgleich ist hier bei der Festsetzung der Gesamtfreiheitsstrafe vorzunehmen.
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a) Der Nachteil, der darin liegt, dass eine an sich mögliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung nicht mehr in Betracht kommt, weil die frühere Strafe bereits vollstreckt oder anderweitig erledigt ist, ist nach der bisherigen Rechtsprechung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs bei der Bemessung der neu zu erkennenden Strafe auszugleichen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1982 - 4 StR 75/82, BGHSt 31, 102, 103; vom 23. Januar 1985 - 1 StR 645/84, BGHSt 33, 131, 132; vom 23. Juni 1988 - 4 StR 169/88, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 1; Urteil vom 15. September 1988 - 4 StR 397/88, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 15; vom 2. Mai 1990 - 3 StR 59/89, NStZ 1990, 436; Beschluss vom 9. November 1995 - 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310, 311; Urteil vom 30. April 1997 - 1 StR 105/97, BGHSt 43, 79, 80; Beschluss vom 8. Oktober 2003 - 2 StR 328/03, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 13; vom 16. September 2008 - 5 StR 408/08, NStZ-RR 2008, 370; vom 10. März 2009 - 5 StR 73/09, StV 2010, 240). Auf welche Weise der Tatrichter den Härteausgleich vornimmt, steht dabei in seinem Ermessen. Er kann von einer unter Heranziehung der bereits vollstreckten Strafe gebildeten "fiktiven Gesamtstrafe" ausgehen und diese um die vollstreckte Strafe mindern oder den Umstand, dass eine Gesamtstrafenbildung mit der früheren Strafe ausscheidet, unmittelbar bei der Festsetzung der neuen Strafe berücksichtigen. Erforderlich ist nur, dass er einen angemessenen Härteausgleich vornimmt und dies den Urteilsgründen zu entnehmen ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Juli 1982 - 4 StR 75/82, aaO; vom 23. Januar 1985 - 1 StR 645/84, aaO). Kann der Ausgleich ausnahmsweise nicht bei der Gesamtstrafenbildung erfolgen, ist der Nachteil bei der Bemessung der Einzelstrafe zu kompensieren (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1997 - 1 StR 105/97, aaO).
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b) Der 5. Strafsenat erachtet es nunmehr in Anknüpfung an seine Entscheidungen zum Härteausgleich bei lebenslanger Freiheitsstrafe (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 5 StR 433/09, NStZ 2010, 385; vom 23. Juli 2008 - 5 StR 293/08, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 15; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Januar 2010 - 2 StR 403/09, NStZ 2010, 386; vom 9. Dezember 2008 - 4 StR 358/08, NStZ-RR 2009, 104) auch bei der Verhängung zeitiger Freiheitsstrafen für vorzugswürdig, die Kompensation des Nachteils in Anwendung des Vollstreckungsmodells vorzunehmen, weil die Verwirklichung des Härteausgleichs nicht an der Tatschuld als der maßgeblichen Grundlage für die Strafhöhe anknüpfe und die Transparenz hinsichtlich des gewährten Ausgleichs und der Straffestsetzung erhöht werde (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 5 StR 478/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 18; vom 28. September 2010 - 5 StR 343/10).
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c) Der Senat hält demgegenüber bei zeitiger Freiheitsstrafe daran fest, dass die Benachteiligung durch eine entgangene Gesamtstrafenbildung bei der Bemessung der nunmehr zu verhängenden Strafe auszugleichen ist. Bei dem Ausschluss einer an sich möglichen Gesamtstrafenbildung infolge der Vollstreckung der früheren Strafe handelt es sich um einen Nachteil, der aus der Anwendung zwingender strafzumessungsrechtlicher Vorschriften über die Ge- samtstrafe resultiert und damit einen unmittelbaren Zusammenhang zum Vorgang der Strafzumessung aufweist. Er ist vom Tatrichter ebenso wie andere schuld-unabhängige Zumessungsfaktoren im Rahmen der Strafzumessung zu bewerten und kann systematisch stimmig bei der Festsetzung der Strafe berücksichtigt werden. Anders als bei der - mit der Strafzumessung nicht wesensmäßig zusammenhängenden - Kompensation der Konventions- und Rechtstaatswidrigkeit von Verfahrensverzögerungen, für welche der Große Senat für Strafsachen die Vollstreckungslösung entwickelt hat (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124), besteht für den Ausgleich der in einer nicht mehr möglichen Gesamtstrafenbildung liegenden Härte kein Grund, diesen aus dem Vorgang der Strafzumessung herauszulösen und durch die bezifferte Anrechnung auf die verhängte Strafe gesondert auszuweisen.
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d) Durch die Entscheidungen des 5. Strafsenats vom 26. Januar und 28. September 2010 ist der Senat nicht gehindert, wie dargelegt zu entscheiden. Den Beschlüssen ist entscheidungstragend nicht zu entnehmen, dass der gebotene Härteausgleich ausschließlich in Anwendung des Vollstreckungsmodells und nicht jedenfalls auch - entsprechend der bisherigen einheitlichen Rechtsprechung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs - bei der Festsetzung der Strafe erfolgen darf. Für dieses Verständnis spricht im Übrigen, dass der 5. Strafsenat bislang davon abgesehen hat, ein Anfrageverfahren nach § 132 Abs. 3 GVG einzuleiten.
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3. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Die zugehörigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende tatsächliche Feststellungen bleiben möglich.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Franke Bender