Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2007 - XII ZB 69/07

bei uns veröffentlicht am12.12.2007
vorgehend
Amtsgericht Lahnstein, 5 F 342/06, 21.11.2006
Oberlandesgericht Koblenz, 13 UF 60/07, 23.04.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 69/07
vom
12. Dezember 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Von einem Anwalt kann nicht verlangt werden, den Fristablauf oder die Erledigung
von Fristnotierungen stets auch dann selbst zu prüfen, wenn ihm eine
Sache ohne Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt
wird oder ohne dass Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, die zur
Fristwahrung getroffenen Maßnahmen könnten versagt haben (im Anschluss
an Senatsbeschluss vom 25. November 1998 - XII ZB 204/96 - FamRZ 1999,
649, 650 f.).
BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 69/07 - OLG Koblenz
AG Lahnstein
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2007 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Fuchs und Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz vom 23. April 2007 wird ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Lahnstein vom 21. November 2006 bewilligt. Gerichtskosten werden für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht erhoben. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des Oberlandesgerichts vorbehalten. Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:


I.

1
Der Antragsteller (Vater) und die Antragsgegnerin (Mutter) sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des Kindes L.D. Sie streiten über das Sorge- recht für das Kind, nachdem sie nach ihrer Trennung vor dem Jugendamt erklärt hatten, die elterliche Sorge gemeinsam übernehmen zu wollen.
2
Das Amtsgericht hat u.a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater allein übertragen. Gegen den am 24. November 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 29. November 2006 bei dem Amtsgericht eingegangene Beschwerde der Mutter. Auf Anforderung ihres Verfahrensbevollmächtigten wurden die Gerichtsakten diesem am 29. November 2006 für die Dauer von fünf Tagen zur Einsicht überlassen. Am 6. Dezember 2006 gingen die Akten wieder beim Amtsgericht ein. Am 26. Januar 2007 wurden sie durch das Amtsgericht an das Oberlandesgericht weitergeleitet, wo sie am 2. Februar 2007 eintrafen. Bereits am 26. Januar 2007 reichte der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter seine Beschwerdeschrift beim Oberlandesgericht nochmals ein. Gleichzeitig beantragte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist.
3
Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Mutter.

II.

4
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 621 e Abs. 3 Satz 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch zulässig, weil die angefochtene Entscheidung die Mutter in ihren Verfahrensgrundrechten verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG), was eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
5
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der Mutter ist wegen der Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Damit ist die Entscheidung über die Verwerfung der Beschwerde gegenstandslos (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792).
6
a) Die Beschwerde ist verspätet eingegangen, weil sie nicht an das richtige Gericht gerichtet war. Nach § 621 e Abs. 3 Satz 1 ZPO muss die befristete Beschwerde bei dem Beschwerdegericht eingelegt werden; sie kann nicht wirksam bei dem Gericht eingelegt werden, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Da die Beschwerde bei dem Oberlandesgericht erst am 26. Januar 2007 eingegangen ist, war die - bis zum 27. Dezember 2006 währende - einmonatige Frist (§ 621 e Abs. 3 Satz 2, 517 ZPO) nicht gewahrt.
7
b) Das Berufungsgericht hat der Mutter jedoch zu Unrecht keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdefrist nicht durch ein Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten der Mutter, das dieser zuzurechnen wäre (§ 85 Abs. 2 ZPO), versäumt worden ist (§ 233 ZPO), so dass ihr auf ihren rechtzeitig gestellten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen ist.
8
aa) Eine Verzögerung des Eingangs einer Rechtsmittelschrift, die an das falsche Gericht gerichtet ist, hat die Partei zwar grundsätzlich zu vertreten (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 6. Mai 1992 - XII ZB 39/92 - VersR 1993, 79; BGH Beschluss vom 12. Oktober 1995 - VII ZB 14/95 - NJW 1996, 393). Dennoch ist in solchen Fällen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Schriftsatz so rechtzeitig eingegangen ist, dass eine fristgerechte Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht ohne weiteres erwartet werden konnte; die Weiterleitung obliegt dem Ausgangsgericht auf- grund einer nachwirkenden Fürsorgepflicht (BGH Urteil vom 1. Dezember 1997 - II ZR 85/97 - NJW 1998, 908; Senatsbeschluss vom 24. September 1997 - XII ZB 144/96 - FamRZ 1998, 285, 286; BGH Beschluss vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98 - VersR 1999, 1170, 1171).
9
bb) Das Oberlandesgericht hat gleichwohl ein für die Versäumung der Beschwerdefrist ursächliches Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten der Mutter bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Mutter könne sich nicht darauf berufen, dass das Amtsgericht die Beschwerdeschrift an das Oberlandesgericht hätte weiterleiten müssen und dass bei pflichtgemäßer Weiterleitung eine Fristversäumung vermieden worden wäre. Vielmehr sei zu berücksichtigen , dass die Akten dem Verfahrensbevollmächtigten der Mutter antragsgemäß übersandt worden seien und ihm vom 1. bis zum 4. Dezember vorgelegen hätten. Bei dieser Gelegenheit hätte er den Fehler erkennen und dafür Sorge tragen müssen, dass die Beschwerdeschrift an das zuständige Oberlandesgericht weitergeleitet oder dort erneut eine Beschwerde eingelegt wird. Angesichts dieses Fehlverhaltens des Anwalts, das die Mutter sich zurechnen lassen müsse, könne sie sich nicht auf die pflichtwidrige Nichtweiterleitung der Beschwerdeschrift durch das Amtsgericht berufen. Ursächlich für die Fristversäumung sei nicht mehr das für den Anwalt der Mutter erkennbare Versäumnis des Amtsgerichts , sondern dessen eigenes Versäumnis.
10
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
11
cc) Dabei kann dahinstehen, ob dem Verfahrensbevollmächtigten der Mutter die Gerichtsakten überhaupt vorgelegt oder ob sie lediglich von seinem Büropersonal kopiert und alsdann wieder zurückgeschickt worden sind. Selbst wenn die Akten dem Anwalt vorgelegt worden wären, hätte für ihn nicht die Verpflichtung bestanden, den Fristablauf sowie die ordnungsgemäße Einreichung der Beschwerdeschrift zu überprüfen.
12
Ein Rechtsanwalt ist zwar verpflichtet, etwa die Anbringung von Erledigungsvermerken über die Notierung von Rechtsmitteleinlegungs- und -begründungsfristen zu überprüfen, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden (Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 2004 - XII ZB 263/03 - FamRZ 2004, 696; vom 21. April 2004 - XII ZB 243/03 - FamRZ 2004, 1183 f. und vom 1. Dezember 2004 - XII ZB 164/03 - FamRZ 2005, 435 f.). Die an die Sorgfalt des Anwalts zu stellenden Anforderungen würden aber überspannt, wenn man von ihm verlangen würde, den Fristablauf oder die Erledigung von Fristnotierungen stets auch dann selbst zu prüfen, wenn ihm die Sache ohne Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt wird oder ohne dass Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, die zur Fristwahrung getroffenen Maßnahmen könnten versagt haben (Senatsbeschluss vom 25. November 1998 - XII ZB 204/96 - FamRZ 1999, 649, 650 f.).
13
Danach bestand für den Rechtsanwalt vor dem 22. Januar 2007, dem Tag der beabsichtigten Beschwerdebegründung, an dem ihm auffiel, dass die Beschwerdeschrift an das Amtsgericht gerichtet worden war, kein Anlass zu prüfen, ob die Beschwerdefrist gewahrt worden war. In der Zeit vom Eingang der Gerichtsakten in seinem Büro bis zu deren Rücksendung am 4. oder 5. Dezember 2006 war eine fristgebundene Prozesshandlung aus seiner Sicht nicht vorzunehmen. Die Vorlage der Akten erfolgte - falls überhaupt - auch nicht im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, da die Frist für die Beschwerdebegründung erst am 24. Januar 2007 ablief und zuvor eine Besprechung mit der Mutter erfolgen sollte. Ein für die Fristversäumnis ursächliches Verschulden des Anwalts liegt deshalb nicht vor.
Hahne Sprick Weber-Monecke Fuchs Dose

Vorinstanzen:
AG Lahnstein, Entscheidung vom 21.11.2006 - 5 F 342/06 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 23.04.2007 - 13 UF 60/07 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 263/03
vom
11. Februar 2004
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Februar 2004 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Dr. Ahlt und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 15. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. Oktober 2003 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: 35.218

Gründe:


I.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO), aber unzulässig. 1. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO, auf die sich die Rechtsbeschwerde allein stützt, erfordert eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nur in Fällen einer Divergenz oder dann, wenn bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren (BT-Drucks. 14/4722 S. 67, 104, 116; BGHZ 151, 221, 225 ff.). Letzteres ist vor allem der Fall, wenn Verfahrensgrundsätze, insbesondere die Grundrechte auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf
ein objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip ) verletzt sind. Dabei sollen Art und Weise eines Rechtsfehlers nach dem Willen des Gesetzgebers aber nur dann Bedeutung erlangen, wenn sie geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung im ganzen zu beschädigen. (BTDrucks. aaO S. 104; BGHZ 151, 42; BGHZ 151, aaO, 227). Regelmäßig ist eine auf § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO gestützte Rechtsbeschwerde deswegen nur dann zulässig, wenn dargelegt ist, daß ein Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zu Tage tritt, also offenkundig ist, und die angefochtene Entscheidung hierauf beruht (BGHZ 151, aaO 227). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, die Rechtsschutzgarantie und das rechtliche Gehör zu gewährleisten. Die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes und auf rechtliches Gehör gebieten es daher, den Zugang zu den Gerichten und den weiteren Instanzen nicht in unzumutbarer, sachlich nicht gerechtfertigter Weise zu erschweren. Deswegen dürfen gerade bei der Auslegung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung die Anforderungen an die Sorgfalt eines Rechtsanwalts und die Kausalität einer Pflichtverletzung nicht überspannt werden (BGHZ 151, aaO, 227 f. m.w.N. aus der Rspr. des Bundesverfassungsgerichts

).

2. Gegen diese Grundsätze hat das Beschwerdegericht nicht verstoßen.
a) Die Rechtsbeschwerde hat keinen erheblichen Unterschied des vorliegenden Sachverhalts zu den der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Zusammenhang mit der Prüfungspflicht bei fristgebundenen Prozeßhandlungen zugrundeliegenden Sachverhalten und somit keine rechtliche Divergenz aufgezeigt. Eine solche kommt nur dann in Betracht, wenn nach den Darlegungen
der Rechtsbeschwerde der angefochtenen Entscheidung ein Rechtssatz zugrunde liegt, der von einem die Entscheidung tragenden Rechtssatz eines höherrangigen Gerichts, eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts abweicht (vgl. BGH Beschlüsse vom 4. Juli 2002 - V ZB 75/02 - NJW 2002, 2957 und vom 5. November 2002 - VI ZB 40/02 - NJW 2003, 437). Das ist hier nicht der Fall. Nach der von der Rechtsbeschwerde zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Rechtsanwalt den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen zwar nicht bei jeder Vorlage der Handakten, aber dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozeßhandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung , vorgelegt werden (BGH Beschlüsse vom 25. März 1985 - II ZB 2/85 - VersR 1985, 552, vom 16. März 2000 - VII ZR 320/99 - HFR 2001, 297 und vom 5. November 2002 - VI ZB 40/02 - NJW 2003, 437). Dieser Rechtsprechung ist - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - schon nicht zu entnehmen, daß eine eigenverantwortliche Prüfung der Rechtsmittelbegründungsfrist "nur dann" veranlaßt ist, wenn ihm die Handakte zur Vorbereitung der (später versäumten) Rechtsmittelbegründung vorgelegt wurde. Der Bundesgerichtshof hat die eigene Prüfungspflicht des Rechtsanwalts stets auf alle Fälle erstreckt, in denen ihm die Handakte im Zusammenhang mit nur einer fristgebundenen Prozeßhandlung vorgelegt wurde (BGH Beschlüsse vom 16. März 2000 - VII ZR 320/99 - HFR 2001, 297, vom 25. November 1998 - XII ZB 204/96 - FamRZ 1999, 649, vom 25. März 1985 - II ZB 2/85 - VersR 1985, 552, vom 14. Oktober 1987 - VIII ZB 16/87 - VersR 1988, 414 und vom 11. Februar 1992 - VI ZB 2/92 - NJW 1992, 1632). Darauf, ob die Vorlage der Handakten wegen der Berufungsbegründungsfrist oder aus Anlaß einer anderen fristgebundenen Prozeßhandlung erfolgt ist, kommt es mithin nicht an (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Oktober 1993 - XII ZB 120/93 - EzFamR ZPO § 234 Nr. 6).
Das gilt schon deswegen, weil der Rechtsanwalt im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung eigenverantwortlich stets auch alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in den Handakten prüfen muss. Für die Berufungsbegründungsfrist ist ihm das seit Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes zum 1. Januar 2002 schon ab der Zustellung des Urteils möglich und zumutbar, weil der Ablauf der Begründungsfrist nicht mehr vom Zeitpunkt der Berufungseinlegung abhängt, sondern nach § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO zwei Monate ab Zustellung des vollständig abgefaßten Urteils beträgt.
b) Entgegen § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO hat die Rechtsbeschwerde nicht dargelegt, inwieweit das Oberlandesgericht gegen diese Rechtsgrundsätze zur Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts bei der Vorlage von Handakten für eine fristgebundene Prozesshandlung verstoßen hat.
Hahne Sprick Weber-Monecke Ahlt Dose

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 243/03
vom
21. April 2004
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. April 2004 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des 2. Familiensenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 29. September 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Beschwerdewert: 72.264 €

Gründe:


I.

Die Antragstellerin hat gegen das ihr Zugewinnausgleichsbegehren teilweise abweisende Scheidungsverbundurteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - vom 29. April 2003, das ihr am 27. Mai 2003 zugestellt worden ist, am 27. Juni 2003 Berufung eingelegt. Die Berufung hat sie - nach einem Hinweis des Oberlandesgerichts - am 27. August 2003 begründet. Zugleich hat sie mit einem am selben Tag eingegangenen Schriftsatz vom 26. August 2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Sie hat vorgetragen, in der Kanzlei ihres Prozeßbevollmächtigten sei die Überwachung von Notfristen so organisiert, daß von dem Empfangsbekenntnis
eine Kopie gefertigt werde, die mit dem Urteil zusammengeheftet werde, und auf dieser Kopie die Berufungs- wie auch die Berufungsbegründungsfrist vermerkt würden. Die Fristen würden sodann nebst Vorfristen in einem besonderen Fristenkalender eingetragen; außerdem würde die Eintragung im Fristenkalender in den Handakten vermerkt. Im vorliegenden Fall habe die geschulte, zuverlässige und durch regelmäßige Kontrollen überwachte Kanzleiangestellte G., der die Eintragung und Kontrolle der Fristen obliege, versehentlich nur die Berufungsfrist sowie die entsprechende Vorfrist notiert. Üblicherweise weise der Prozeßbevollmächtigte Frau G. auch noch bei dem Diktat der Berufung selbst an, die Eintragung der Vorfrist und der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender zu überprüfen. Auch dies habe Frau G., obwohl sie die Berufung selbst geschrieben habe, nicht erledigt. Dies habe dazu geführt, daß der Prozeßbevollmächtigte die Akte weder zur Vorfrist noch am Tage des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist erhalten habe. Die Kanzleiangestellte G. hat die Richtigkeit dieses Vortrags eidesstattlich versichert. Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, aber nicht zulässig. Die Rechtssache wirft entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf; sie ist auch nicht geeignet, der Fortbildung des Rechts zu dienen (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit Nr. 2 ZPO).
1. Der Frage, ob ein Prozeßbevollmächtigter seine Handakten, die ihm zwecks Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden, auf die Erledigung der Notierung auch der Berufungsbegründungsfrist hin überprüfen muß, kommt - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu. Die Antwort auf diese Frage ergibt sich vielmehr aus den zur anwaltlichen Fristenkontrolle entwickelten Grundsätzen: Danach muß der Prozeßbevollmächtigte alles ihm Zumutbare tun und veranlassen, damit die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird (st.Rspr., etwa BGH Beschluß vom 28. September 1989 - VII ZR 115/89 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 12). Er hat insbesondere allgemein die Anbringung von Erledigungsvermerken über die Notierung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist anzuordnen und nach diesen Erledigungsvermerken zu forschen , wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozeßhandlung vorgelegt werden (vgl. etwa BGH Beschlüsse vom 22. September 1971 - V ZB 7/71 - NJW 1971, 2269 und vom 11. Februar 1992 - VI ZB 2/92 - NJW 1992, 1632 m.w.N.). Diese Kontrollpflicht beschränkt sich, wenn Handakten im Zusammenhang mit der Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden, nicht auf die Prüfung, ob die Berufungsfrist notiert ist; sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Erledigung der Notierung der Berufungsbegründungsfrist. Die Berufungsbegründungsfrist beginnt nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F. mit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils. Ihr Ablauf steht daher im Zeitpunkt der Fertigung der Berufungsschrift bereits fest. Mit der anwaltlichen Verpflichtung , alle zumutbaren Vorkehrungen gegen Fristversäumnisse zu treffen, wäre es deshalb nicht zu vereinbaren, wollte sich der Anwalt bei der - im Zusammenhang mit der Aktenvorlage zwecks Fertigung der Berufungsschrift - gebotenen Prüfung der Fristennotierung auf die Berufungsfrist beschränken und die - ebenfalls bereits feststehende - Berufungsbegründungsfrist aussparen.
2. Auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht. Die angefochtene Entscheidung steht zu dem von der Rechtsbeschwerde angeführten Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 22. September 1971 (aaO) nicht in Widerspruch. Wie der Bundesgerichtshof in diesem Beschluß dargelegt hat, trifft einen Prozeßbevollmächtigten zwar keine allgemeine Pflicht, bei jeder, aus irgendeinem Grunde veranlaßten Aktenvorlage (im entschiedenen Fall ging es um eine Aktenvorlage zwecks Bearbeitung einer Kostenerinnerung ) die Erledigung von Fristnotierungen nachzuprüfen. Dies gilt, wie der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung ebenfalls klargestellt hat, jedoch nicht für Fälle, in denen die Aktenvorlage an den Prozeßbevollmächtigten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozeßhandlung - hier im Zusammenhang mit der Einlegung der Berufung - erfolgt; in diesen Fällen bewendet es vielmehr bei der unter 1. dargestellten Kontrollpflicht (Senatsbeschluß vom 11. Februar 2004 - XII ZB 263/03 - zur Veröffentlichung bestimmt). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 139 ZPO), auf die sich die Rechtsbeschwerde beruft, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Antragstellerin hat darzutun, daß ihren Prozeßbevollmächtigten an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist kein - ihr zurechenbares (§ 85 Abs. 2 ZPO) - Verschulden trifft. Ein solches Verschulden wäre hier allenfalls dann ausgeschlossen, wenn der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin die Fristnotierungen anhand der Erledigungsvermerke in den ihm zwecks Fertigung der Berufungsschrift vorgelegten Handakten überprüft hätte, wenn er dabei das Fehlen eines die Berufungsbegründungsfrist betreffenden Erledigungsvermerks bemerkt hätte und wenn er deshalb seine Kanzleiangestellte angewiesen hätte, die Eintragung dieser Frist einschließlich einer Vorfrist im Fristenkalender zu überprüfen. Dies hat die Antragstellerin jedoch nicht dargetan. Aus ihrem Wiedereinset-
zungsantrag ergibt sich lediglich, daß ihr Prozeßbevollmächtigter "üblicherweise" seine Mitarbeiterin auch noch bei dem Diktat der Berufung selbst anweise, die Eintragung der Vorfrist und der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender zu überprüfen. Dieser Darlegung ist weder zu entnehmen, daß der Prozeßbevollmächtigte seiner Kontrollpflicht überhaupt nachgekommen ist, noch daß ihm dabei das Fehlen eines die Berufungsbegründungsfrist betreffenden Erledigungsvermerks aufgefallen ist und ihn zu einer konkreten Prüfungsanweisung an die Kanzleikraft veranlaßt hat.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 164/03
vom
1. Dezember 2004
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 Fc, 85 Abs. 2, 520 Abs. 2 Satz 1
Zur Verpflichtung des Rechtsanwalts, die Notierung sowohl der Berufungs- als
auch der Berufungsbegründungsfrist zu prüfen, wenn ihm die Handakte zu einer
Besprechung mit seinem Mandanten vorgelegt worden ist, in deren Verlauf
der Mandant ihn beauftragt, Berufung einzulegen, und im Anschluß an die er
die Berufungsschrift diktiert (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 11. Februar
2004 - XII ZB 263/03 - FamRZ 2004, 696 und vom 21. April 2004 - XII ZB
243/03 - FamRZ 2004, 1183 f.).
BGH, Beschluß vom 1. Dezember 2004 - XII ZB 164/03 - OLG München
LG Landshut
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Dezember 2004 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. Juni 2003 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen. Beschwerdewert: 112.484 €

Gründe:

I.

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Das Landgericht verurteilte den Beklagten zur Rückzahlung eines ihm von der Klägerin gewährten Darlehens von 220.000 DM nebst Zinsen. Der Beklagte ließ das ihm am 28. Februar 2003 zugestellte Urteil durch seine erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte nebst Anschreiben am 14. März 2003 per Fax an die Münchener Kanzlei der Rechtsanwaltspartnerschaft K. übermitteln und vereinbarte mit dem dort tätigen Rechtsanwalt Dr. N. einen Besprechungstermin für den 19. März 2003. Im Rahmen dieses Besprechungstermins, zu dem Rechtsanwalt Dr. N. die neu angelegte Akte mit dem Fax vom 14. März 2003 vorgelegt wurde, beauftragte der Beklagte ihn, fristwahrend Berufung gegen das Urteil einzulegen und die Erfolgsaussichten der Berufung zu prüfen. Unmittelbar im Anschluß an
diese Besprechung diktierte Rechtsanwalt Dr. N. die Berufungsschrift, die am 21. März 2003 gefertigt wurde und am 26. März 2003 beim Oberlandesgericht einging. Am 6. Mai 2003 ließ Rechtsanwalt Dr. N. sich die Akte erneut vorlegen und stellte dabei fest, daß die am 28. April 2003 abgelaufene Frist zur Begründung der Berufung im Fristenkalender nicht notiert und ihm die Akte deshalb nicht rechtzeitig zur Fertigung der Berufungsbegründungsschrift vorgelegt worden war. Das Berufungsgericht hat den am 20. Mai 2003 zugleich mit einer Berufungsbegründung eingegangenen Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluß wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, aber nicht zulässig. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, noch ist sie geeignet, der Fortbildung des Rechts zu dienen; auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht. 1. Das Berufungsgericht sieht ein dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten Dr. N. darin, daß dieser bei Annahme des Mandats die Berufungs-
begründungsfrist nicht selbst geprüft und deren Notierung veranlaßt habe. Diese Aufgabe habe ihm allein oblegen, da er nicht davon habe ausgehen dürfen, daß seine zuverlässige Büroangestellte die Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung nebst Vorfristen schon anläßlich des Eingangs des Faxschreibens der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten am 14. März 2003 notiert habe. Weder lägen Anhaltspunkte dafür vor, daß dem übermittelten Urteil das Datum seiner Zustellung habe entnommen werden können, noch stelle der Eingang einer solchen Faxnachricht in einer Sache, in der zuvor noch kein Mandatsverhältnis bestanden habe, einen Vorgang dar, bei der sich einer Rechtsanwaltsfachangestellten aufdrängen müsse, daß Fristen zu notieren seien. 2. Demgegenüber macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Faxanschreiben der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten habe einen ausdrücklichen Hinweis auf die Zustellung des Urteils am 28. Februar 2003 enthalten, was das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt habe. Deshalb habe die mit der Fristenüberwachung beauftragte zuverlässige Angestellte - auch aufgrund einer im einzelnen dargelegten allgemeinen Büroanweisung - sehr wohl Anlaß gehabt, die einfache Fristenberechnung eigenverantwortlich vorzunehmen und die entsprechenden Fristen zu notieren. Rechtsanwalt Dr. N. habe deshalb bei der Besprechung am 19. März 2003 darauf vertrauen dürfen, daß dies geschehen sei. 3. Darauf kommt es indes im Ergebnis nicht an. Ein dem Beklagten zuzurechnendes Verschulden seines zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten ist jedenfalls darin zu sehen, daß dieser nicht alles ihm Zumutbare getan und veranlaßt hat, damit die Frist zur Begründung des Rechtsmittels gewahrt wird (std. Rspr., etwa BGH, Beschluß vom 28. September 1989 - VII ZR 115/89 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 12). Der Rechtsanwalt ist nämlich insbesondere
verpflichtet, die Anbringung von Erledigungsvermerken über die Notierung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfristen zu überprüfen, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozeßhandlung vorgelegt werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 2004 - XII ZB 263/03 - FamRZ 2004, 696 und vom 21. April 2004 - XII ZB 243/03 - FamRZ 2004, 1183 f. m.N.).
a) Hier waren Rechtsanwalt Dr. N. die Handakten zu dem Besprechungstermin am 19. März 2003 vorgelegt worden. Auch wenn ihm das Mandat zur Einlegung der Berufung erst im Rahmen dieser Besprechung erteilt wurde, lagen ihm die Akten somit von diesem Zeitpunkt an und insbesondere bei dem anschließenden Diktat der Berufungsschrift "im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozeßhandlung" (vgl. Senatsbeschluß vom 21. April 2004 aaO S. 1184 oben) vor. Denn auch die Vorlage zu einer Besprechung, in der erst noch entschieden werden sollte, ob eine fristgebundene Prozeßhandlung vorzunehmen war, ist jedenfalls dann, wenn diese Entscheidung positiv ausfällt, eine Vorlage im Zusammenhang mit einer solchen Prozeßhandlung.
b) Auch wenn die Ansicht der Rechtsbeschwerde zuträfe, daß Rechtsanwalt Dr. N. am 19. März 2003 allenfalls die Eintragung der Berufungsfrist, nicht aber auch der Berufungsbegründungsfrist hätte kontrollieren müssen, hätte ihm auffallen müssen, daß die Handakten keinen Vermerk über die Eintragung der Berufungsfrist enthielten, so daß er dem sich daraus ohne weiteres ergebenden konkreten Verdacht hätte nachgehen müssen, auch die Notierung der Berufungsbegründungsfrist könne unterblieben sein. Der Umstand, daß die Berufungsfrist hier trotz fehlender Fristnotierung gewahrt wurde, läßt daher - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - die Ursächlichkeit dieser versäumten Kontrolle für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht entfallen.

c) Allerdings trifft die Auffassung der Rechtsbeschwerde, aus Anlaß der Besprechung vom 19. März 2003 und des daran anschließenden Diktats der Berufungsschrift habe allenfalls die Berufungsfrist und deren Notierung überprüft werden müssen, nicht zu. Denn die Kontrollpflicht des Rechtsanwalts beschränkt sich, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit der Fertigung der Berufungsschrift vorliegen, nicht auf die Prüfung, ob die Berufungsfrist notiert ist; sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Erledigung der Notierung der Berufungsbegründungsfrist. Diese beginnt nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils. Ihr Ablauf steht daher im Zeitpunkt der Fertigung der Berufungsschrift bereits fest. Mit der anwaltlichen Verpflichtung , alle zumutbaren Vorkehrungen gegen Fristversäumnisse zu treffen, wäre es deshalb nicht zu vereinbaren, wollte sich der Anwalt bei der gebotenen Prüfung der Fristennotierung auf die Berufungsfrist beschränken und die - ebenfalls bereits feststehende - Berufungsbegründungsfrist aussparen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 2004 und vom 21. April 2004 aaO S. 1184).
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose