vorgehend
Amtsgericht Remscheid, 28 C 223/08, 12.08.2009
Landgericht Wuppertal, 9 S 263/09, 10.12.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 59/10
vom
7. Juli 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 85 Abs. 2, 233 Fd, 522 Abs. 1 Satz 4

a) Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen
Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben.

b) Bei der Übermittlung Frist wahrender Schriftsätze per Telefax kommt der Rechtsanwalt
seiner Verpflichtung zu einer wirksamen Ausgangskontrolle nur dann nach,
wenn er seinen Büroangestellten die Weisung erteilt, sich einen Sendebericht
ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung
zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen. Die
Ausgangskontrolle soll nicht nur Fehler bei der Übermittlung ausschließen, sondern
auch die Feststellung ermöglichen, ob der Schriftsatz auch wirklich übermittelt
worden ist.

c) Eine konkrete Einzelanweisung des Rechtsanwalts an seine Büroangestellten,
einen Frist wahrenden Schriftsatz per Telefax zu übersenden, macht die Ausgangskontrolle
nicht entbehrlich.
BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 - XII ZB 59/10 - LG Wuppertal
AG Remscheid
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juli 2010 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Günter

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 10. Dezember 2009 wird auf Kosten des Klägers verworfen. Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.259,10 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Der Kläger wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen die Zurückweisung seines Wiedereinsetzungsantrages und gegen die damit einhergehende Verwerfung seiner Berufung gegen das Endurteil des Amtsgerichts Remscheid vom 12. August 2009.
2
Dieses ist dem Kläger am 14. August 2009 zugestellt worden. Gegen das Urteil hat der Kläger am 25. August 2009 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist am 5. November 2009 beim Berufungsgericht eingegangen.
3
Gegen den seinen Wiedereinsetzungsantrag zurückweisenden und die Berufung verwerfenden Beschluss hat der Kläger Rechtsbeschwerde eingelegt.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit §§ 522 Abs. 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
5
1. Allerdings weist die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hin, dass der angefochtene Beschluss insoweit bedenklich ist, als er keine gesonderte Darstellung des Sachverhalts der Parteien enthält.
6
Beschlüsse, die mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden können, müssen den maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben, über den entschieden wird. Das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von demjenigen Sachverhalt auszugehen, den das Berufungs- oder Beschwerdegericht festgestellt hat (§§ 577 Abs. 2 Satz 4, 559 ZPO; st. Rspr. des Bundesgerichtshofs, siehe nur Beschlüsse vom 3. Dezember 2009 - IX ZB 238/08 - juris Tz. 4; vom 25. April 2007 - VI ZB 66/06 - VersR 2008, 273 Tz. 3 und vom 8. Mai 2007 - VI ZB 74/06 - VersR 2008, 139 Tz. 4).
7
Eine gesonderte Sachverhaltsdarstellung ist hier allerdings ausnahmsweise entbehrlich, weil sich der Sachverhalt mit noch hinreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ergibt (vgl. dazu auch BGH Beschlüsse vom 25. April 2007 - VI ZB 66/06 - VersR 2008, 273 Tz. 3 und vom 8. Mai 2007 - VI ZB 74/06 - VersR 2008, 139 Tz. 4).
8
Diesen ist zu entnehmen, dass der Kläger Wiedereinsetzung hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt hat. Ferner ergibt sich aus dem Beschluss, dass das Wiedereinsetzungsgesuch - soweit für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde von Belang - damit begründet worden ist, dass das Schriftstück "ins Postausgangsfach zur Versendung vorab per Telefax" gelegt worden sei. Im Übrigen enthält der Beschluss die negative Feststellung , dass mit dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht dargelegt wurde, wie die Überprüfung des Umstandes sichergestellt werden sollte, dass der Schriftsatz bereits gefaxt worden sei. Es sei nicht dargelegt worden, dass es die Anweisung gegeben habe, den Sendebericht selbst zur Grundlage für das Löschen der Frist im Fristenkalender zu machen. Dem Wiedereinsetzungsgesuch sei nicht einmal zu entnehmen, dass der Ausgang eines Frist wahrenden Telefaxes schriftlich habe vermerkt werden sollen und daher unmittelbar bei Löschen der notierten Frist zuverlässig habe kontrolliert werden können.
9
2. Das Berufungsgericht hat zu Recht den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Der Kläger hat die Berufungsbegründungsfrist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht unverschuldet versäumt. Das Versäumnis beruht auf einem Organisationsverschulden seiner Prozessbevollmächtigten, das er sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
10
a) Dahinstehen kann, ob die Prozessbevollmächtigten des Klägers ihre Büromitarbeiterin konkret angewiesen haben, die Berufungsbegründung an das Berufungsgericht per Fax zu übersenden. Denn jedenfalls trägt die dargestellte Büroorganisation in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten den Anforderungen an die Ausgangskontrolle nicht hinreichend Rechnung. Von daher kann auch die Frage dahinstehen, ob das Berufungsgericht - wie die Rechtsbeschwerde meint - die Prozessbevollmächtigten des Klägers gemäß § 139 ZPO hätte darauf hinweisen müssen, dass die Angaben des Klägers zu der Anweisung unklar und ergänzungsbedürftig seien.
11
b) Zutreffend hat das Berufungsgericht unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs festgestellt, dass die Ausgangskon- trolle hinsichtlich der per Fax zu versendenden fristgebundenen Schriftsätze bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers unzureichend ist.
12
aa) Der Rechtsanwalt hat in seinem Büro eine Ausgangskontrolle zu schaffen, durch die gewährleistet wird, dass Frist wahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen. Bei der Übermittlung per Telefax kommt der Rechtsanwalt dieser Verpflichtung nur dann nach, wenn er seiner Büroangestellten die Weisung erteilt, sich einen Sendebericht ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (BGH Beschlüsse vom 8. Mai 2007 - VIII ZB 128/06 - juris Tz. 7; vom 16. Juni 1998 - IX ZB 13/98, IX ZB 14/98 - VersR 1999, 996; siehe auch Senatsbeschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07 - FamRZ 2008, 1515 Tz. 11).
13
bb) Dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers ihr Büro entsprechend organisiert haben bzw. ihre Kanzleiangestellte zusätzlich angewiesen haben, die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen (siehe dazu Senatsbeschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07 - FamRZ 2008, 1515 Tz. 12), hat der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht dargetan.
14
(1) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde dient die Ausgangskontrolle anhand eines Sendeberichts nicht nur dazu, Fehler bei der Übermittlung auszuschließen. Vielmehr soll damit ebenso die Feststellung ermöglicht werden, ob der Schriftsatz überhaupt übermittelt worden ist (BGH Beschluss vom 16. Juni 1998 - XI ZB 13/98, XI ZB 14/98 - VersR 1999, 996 - in dem dort entschiedenen Fall hatte die Bürogehilfin ebenfalls versäumt, die Berufungsbegründungsschrift dem Berufungsgericht per Telefax zu übermitteln).
15
(2) Ebenso geht die Rechtsbeschwerde fehl, soweit sie die Auffassung vertritt, die konkrete Einzelanweisung, die Berufungsbegründung per Telefax an das Berufungsgericht zu senden, mache eine Ausgangskontrolle entbehrlich.
16
Die Anweisung, den Schriftsatz per Telefax zu übersenden, betrifft allein die Art der Übersendung. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde umfasst sie indes nicht zugleich Maßnahmen der Ausgangskontrolle. Hierzu hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Bürokraft zusätzlich anweisen müssen, den Übermittlungsvorgang erst als abgeschlossen zu betrachten, wenn ein entsprechender Ausdruck des Sendeberichts vorliegt (vgl. BGH Beschluss vom 16. Juni 1998 - XI ZB 13/98, XI ZB 14/98 - VersR 1999, 996). Ohne seine Vorlage ist eine wirksame Ausgangskontrolle nicht möglich, und zwar weder für die Bürokraft selbst noch für den Rechtsanwalt. Da das zu übersendende Schriftstück gegenständlich bei den Akten bleibt, kann im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden, ob es an das Berufungsgericht gefaxt worden ist oder nicht.
17
Soweit sich die Rechtsbeschwerde auf den Beschluss des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 20. Oktober 2009 beruft (VIII ZB 97/08 - MDR 2010, 100), verkennt sie, dass der Bundesgerichtshof ein Anwaltsverschulden in dem genannten Fall deshalb verneint hat, weil die Angestellte die zusätzlich bestehende, durch die Einzelanweisung nicht außer Kraft gesetzte allgemeine Anweisung missachtet hatte, bei Telefaxsendungen den Versand des Schriftstücks abzuwarten und den Sendebericht auf die gelungene Übermittlung des Schriftsatzes zu überprüfen (BGH Beschluss vom 20. Oktober 2009 - VIII ZB 97/08 - MDR 2010, 100 Tz. 13). Eine solche allgemeine Anweisung der Ausgangskontrolle, die die Bürokraft hätte missachten können, lag hier indes gerade nicht vor.
18
Ebenso wenig kann der Rechtsbeschwerde der Verweis auf den Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2009 (XII ZB 154/09 - MDR 2010, 400) zum Erfolg verhelfen. Abgesehen davon, dass der Senat dort über eine konkrete - hier nicht behauptete - schriftliche Einzelanweisung zu befinden hatte, verhält sich die Entscheidung nicht zu den an die Ausgangskontrolle zu stellenden Anforderungen. Hahne Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Günter
Vorinstanzen:
AG Remscheid, Entscheidung vom 12.08.2009 - 28 C 223/08 -
LG Wuppertal, Entscheidung vom 10.12.2009 - 9 S 263/09 -

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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 238/08
vom
3. Dezember 2009
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, den Richter Vill, die Richterin Lohmann und die Richter Dr. Fischer
und Dr. Pape
am 3. Dezember 2009

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 7. August 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Kläger legte gegen ein klageabweisendes amtsgerichtliches Urteil Berufung ein und beantragt Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist. Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung mit Beschluss vom 7. August 2008 zurückgewiesen.

2
Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger Aufhebung dieses Beschlusses und Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist, hilfsweise Zurückverweisung.

II.


3
Rechtsbeschwerde Die ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und zulässig, § 574 Abs. 2 ZPO. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
4
1. Der angefochtene Beschluss unterliegt schon deshalb der Aufhebung, weil er nicht mit Gründen versehen ist (§ 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6 ZPO). Beschlüsse , die mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden können, müssen den maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben, über den entschieden wird, denn das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von demjenigen Sachverhalt auszugehen, den das Berufungs- oder Beschwerdegericht festgestellt hat (§ 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO). Fehlen tatsächliche Feststellungen, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Berufungsgerichts , die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen Sinne (st. Rspr., vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 9. März 2006 - IX ZB 17/05, NZI 2006, 481; v. 27. März 2008 - IX ZB 144/07, ZIP 2008, 1034 f Rn. 3 f).
5
Das Landgericht hat seinen Rechtsauführungen keinen Sachverhalt vorangestellt. Auch aus den Entscheidungsgründen selbst ist der entscheidungs- erhebliche Sachverhalt nicht zu entnehmen. Insbesondere ergibt sich daraus auch nicht, wann mit welcher Begründung ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt wurde.
6
Der Beschluss des Landgerichts kann damit keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben; die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO).
7
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgende rechtliche Gesichtspunkte hin:
8
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren (vgl. zuletzt etwa BGH, Beschl. v. 23. Januar 2008 - XII ZB 155/07, NJW-RR 2008, 930 Rn. 6 m.w.N.). Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes und auf rechtliches Gehör, den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 88, 118, 123 ff; BVerfG NJW-RR 2002, 1005; BGHZ 151, 221, 227; BGH, Beschl. v. 23. Januar 2008 aaO).
9
b) Der Rechtsbeschwerdeführer konnte sich für den Transport der Berufungsbegründungsschrift eines privaten Kurierdienstes, nämlich des Postverteilungsdienstes des Anwaltsvereins bedienen. In der Auswahl dieses Dienstes ist ein Verschulden des Anwalts grundsätzlich nicht zu sehen (vgl. BVerfG, NJWRR 2002 aaO S. 1006; BGH, Beschl. v. 15. Juli 1998 - IV ZB 8/98, NJW-RR 1998, 1443, 1444; v. 22. Mai 2007 - VI ZB 59/05, NJW-RR 2008, 141, 142; v. 23. Januar 2008 aaO Rn. 10). Dies gilt jedenfalls dann, wenn nach den üblichen Postlaufzeiten des Kurierdienstes mit einem fristgerechten Eingang zu rechnen war (BGH, Beschl. v. 22. Mai 2007 aaO; v. 23. Januar 2008 aaO Rn. 10 f). Entgegen der Auffassung des Landgerichts durfte also der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Kurierdienst des Anwaltsvereins nutzen und musste den Schriftsatz nicht in den Nachtbriefkasten einwerfen oder zur Wachtmeisterei bringen.
10
c) Hat der Rechtsanwalt das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufgegeben, dass es nach den Vorkehrungen des in Anspruch genommenen Kurierdienstes den Empfänger fristgerecht erreichen konnte, ist er nicht gehalten, sich vor Fristablauf durch Rückfrage bei der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts von einem rechtzeitigen Eingang zu überzeugen (BGH, Beschl. v. 23. Januar 2008 aaO). Gerade wenn man mit der Rechtsprechung den Bevollmächtigten im besonderen Maße für verpflichtet hält, für hinreichend sichere Ausgangskontrollen bei der Absendung fristwahrender Schriftsätze zu sorgen, kann er regelmäßig nicht auch noch gehalten sein, den Eingang seiner Schriftsätze bei Gericht zu überwachen (BVerfGE 79, 372, 375 f; BVerfG NJW 1992,

38).


11
Eine Nachfragepflicht kommt nur in Betracht, wenn hierfür ein konkreter Anlass vorliegt (BVerfGE 42, 120, 126; BVerfG NJW 1992, 38, 39). Ein solcher konkreter Anlass besteht nicht schon darin, dass der Anwalt in der noch laufenden Berufungsbegründungsfrist noch keine auf seinen Schriftsatz bezogene Verfügung des Gerichts erhalten hat. Denn allein daraus mussten sich ihm noch keine Zweifel aufdrängen, dass sein Schriftsatz nicht bei Gericht eingegangen sein könnte. Eine Erkundigungspflicht hätte nur eine Mitteilung des Gerichts ausgelöst, die unzweideutig ergeben hätte, dass etwas fehlgelaufen ist (BVerfG NJW 1992, 38, 39).
12
Allerdings geht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung im Rahmen des § 167 ZPO davon aus, dass der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter verpflichtet sind, bei einer Klageeinreichung ohne Kostenvorschuss nach angemessener Frist wegen einer ausgebliebenen Vorschussanforderung bei Gericht nachzufragen (BGHZ 69, 361, 363 f m.w.N.; 168, 306, 311 Rn. 18 m.w.N.). Das beruht jedoch darauf, dass der Kläger oder Prozessbevollmächtigte in diesen Fällen noch nicht alles getan hat, was das Verfahrensrecht von ihnen zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Zustellung fordert. Der Kläger, bzw. sein Prozessbevollmächtigter wissen, dass die von ihnen zu veranlassende Zahlung noch aussteht (BGHZ 168, 306, 311 f Rn. 19).
13
Diese Erkundigungspflicht ist auf die Verpflichtung zur rechtzeitigen Einreichung der Berufungsbegründung nicht übertragbar. Hat der Anwalt diese rechtzeitig und ordnungsgemäß abgeschickt, so dass er auf den rechtzeitigen Eingang bei Gericht vertrauen darf, hat er alles Erforderliche für den Fortgang des Verfahrens getan.
Ganter Vill Lohmann
Fischer Pape

Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 09.04.2008 - 454 C 11978/07 -
LG Hannover, Entscheidung vom 07.08.2008 - 20 S 23/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 66/06
vom
25. April 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Pflicht eines Rechtsanwalts, die Eintragung des Fristendes für eine Berufungsbegründung
auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, wenn ihm die Handakte
aufgrund einer notierten Vorfrist vorgelegt wird.
BGH, Beschluss vom 25. April 2007 - VI ZB 66/06 - OLG Celle
LG Lüneburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2007 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen sowie
die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 10. August 2006 wird auf Kosten des Beklagten verworfen. Beschwerdewert: bis 9.272 €

Gründe:

I.

1
Der Beklagte ist durch Urteil des Landgerichts zur Zahlung verurteilt worden. Dagegen hat der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten Berufung einlegen lassen. Die Frist zur Begründung der Berufung ist bis zum 26. Juni 2006 verlängert worden. Bis zum Ablauf der Frist ist eine Berufungsbegründung nicht beim Berufungsgericht eingegangen. Den Antrag des Beklagten , ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen, die Berufung hat es als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

2
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
3
2. Allerdings begegnet der angefochtene Beschluss Bedenken, weil er keine Darstellung des Sachverhalts sowie der Anträge der Parteien enthält. Es handelt sich um einen Beschluss, der von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt , über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den gesetzmäßigen Gründen versehen (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 75/05 - VersR 2006, 1423, 1424; BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01 - VersR 2003, 926; vom 12. Juli 2004 - II ZB 3/03 - NJW 2005, 78; vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03 - BGH-Report 2005, 1000). Das Fehlen einer Sachdarstellung kann hier nur deshalb hingenommen werden, weil sich die prozessualen Vorgänge, auf die es hier alleine ankommt, mit noch ausreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen und den dort in Bezug genommenen Aktenteilen ergeben.
4
3. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zu Recht zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Der Beklagte hat die Berufungsbegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Versäumnis beruht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten , das er sich nach § 85 Abs. 2 ZPO anrechnen lassen muss.
5
a) Nach dem Vortrag des Beklagten unterlief der zuverlässigen Mitarbeiterin seines Prozessbevollmächtigten beim Notieren der verlängerten Beru- fungsbegründungsfrist ein Zahlendreher, indem sie statt des 26. Juni den 29. Juni 2006 auf der Akte notierte. Dieser Fehler fiel dem Prozessbevollmächtigten nicht auf, als ihm die Akte am Tag der notierten Vorfrist, dem 19. Juni 2006, vorgelegt wurde. Er überprüfte nicht die Richtigkeit der notierten Frist, sondern lediglich, ob aufgrund seines Arbeitsplans ausreichend Zeit für die Erledigung der Frist sei, wenn er sich mit der Sache am Tag vor dem Fristablauf befasse.
6
b) Danach hat der Prozessbevollmächtigte die Versäumung der Frist deswegen verschuldet, weil er die gebotene Fristkontrolle unterlassen hat, als ihm die Akten zu der notierten Vorfrist am 19. Juni 2006 vorgelegt wurden.
7
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und eingetragen worden ist, wenn ihm die Akten - wie hier auf Vorfrist - zur Bearbeitung vorgelegt werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. September 1998 - VI ZB 16/98 - BRAK-Mitt. 1998, 269 und vom 9. März 1999 - VI ZB 3/99 - VersR 1999, 866; BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 12/94 - NJW 1994, 2831 und vom 24. Oktober 2001 - VIII ZB 19/01 - VersR 2002, 1391 f., jeweils m.w.N.). Diese Prüfung muss zwar nicht sofort erfolgen , weil die Vorfrist gerade den Sinn hat, dem Rechtsanwalt einen gewissen Spielraum zur Bearbeitung bis zum endgültigen Ablauf der Frist zu verschaffen. Sie kann daher auch noch am folgenden Tag vorgenommen werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. März 1999 - VI ZB 3/99 - aaO und vom 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99 - VersR 2000, 202, 204; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - VIII ZB 19/01 - aaO). Soll die Prüfung Sinn machen, darf sie jedoch nicht zurückgestellt werden, bis der Rechtsanwalt - gegebenenfalls erst am letzten Tag der Frist (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Mai 1997 - VI ZB 10/97 - VersR 1997, 1252, 1253) - die eigentliche Bearbeitung der Sache vornimmt. Vielmehr ent- steht die Prüfungspflicht mit Vorlage der Akten unabhängig davon, ob sich der Rechtsanwalt daraufhin zur sofortigen Bearbeitung der Sache entschließt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. September 1998 - VI ZB 16/98 - aaO und vom 23. Januar 2007 - VI ZB 5/06 - EBE/BGH 2007, 83; BGH, Beschlüsse vom 11. Dezember 1991 - VIII ZB 38/91 - NJW 1992, 841; vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 12/94 - aaO; vom 27. Februar 1997 - I ZB 50/96 - NJW 1997, 1708; vom 24. Oktober 2001 - VIII ZB 19/01 - aaO). Dementsprechend muss sich der Rechtsanwalt, der die eigentliche Sachbearbeitung zurückstellen will, bei der Vorlage auf Vorfrist auch davon überzeugen, ob ihm am Tag des Fristablaufs noch Zeit für die Anfertigung der Rechtsmittelbegründung oder für einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist verbleibt (Senatsbeschlüsse vom 27. Mai 1997 - VI ZB 10/97 - und vom 29. September 1998 - VI ZB 16/98 - aaO). Auch hat der Senat bereits früher ausgeführt, der Rechtsanwalt habe jedenfalls dann Anlass zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten sei, wenn ihm die Sache anlässlich des bevorstehenden Fristablaufs vorgelegt werde; dass diese Verpflichtung auch und gerade dann entstehe, wenn dem Rechtsanwalt die Akten auf Vorfrist zur Anfertigung der Rechtsmittelbegründung vorgelegt werden, sei im Hinblick auf die Warnfunktion der Vorfrist selbstverständlich und bedürfe deshalb keiner näheren Darlegungen (Senatsbeschluss vom 29. September 1998 - VI ZB 16/98 - aaO).
8
Die Rechtsbeschwerde beruft sich für ihre Auffassung demnach zu Unrecht auf den Senatsbeschluss vom 5. Oktober 1999 (VI ZB 22/99 - aaO). Auch dort ist betont, dass die Vorfrist dem Zweck dient, die Einhaltung der Hauptfrist zu sichern. Dass die Akte nicht bereits am Tag der Vorlage auf die Vorfrist zur Hand genommen werden muss und dass die gesetzliche Frist, deren Einhaltung durch die Notierung der Vorfrist gesichert werden soll, voll ausgeschöpft werden darf, besagt nicht, dass die Akte ohne jegliche Prüfung der notierten Fristen bis zum letzten Tag der notierten Frist wieder weggelegt werden darf.
9
Auch auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. Oktober 2005 (V ZR 111/05 - BGH-Report 2006, 255 f.) beruft sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg. Dort ist zwar (insoweit in BGH-Report 2006, 255 f. nicht abgedruckt ) ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müsse eine Sache, die auf Grund einer Vorfristenanordnung vorgelegt werde, nicht sofort bearbeitet und auch die vom Büropersonal notierte Frist nicht sofort überprüft werden. Dabei ist indes Bezug genommen auf den Senatsbeschluss vom 9. März 1999 (VI ZB 3/99 - aaO), in dem ausgeführt ist, es könne nicht beanstandet werden, wenn der Rechtsanwalt die Bearbeitung der ihm als Vorfristsache vorgelegten Akten erst am Tage nach Vorlage in Angriff nehme und dabei die Fristen überprüfe. In dem der Entscheidung vom 25. Oktober 2005 zu Grunde liegenden Fall endete die Frist bereits am Tag nach Ablauf der Vorfrist, so dass dem Rechtsanwalt ein Verschulden nicht zur Last gelegt werden konnte.
10
Im vorliegenden Fall geht es im Übrigen weniger darum, innerhalb welchen Zeitraums nach Vorlage auf die Vorfrist die Akte zur Hand genommen werden muss. Vielmehr ist entscheidend, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten sich mit der Akte noch am Tag der Vorlage befasst und die Bearbeitung der Berufungsbegründung auf den letzten Tag der notierten Frist verschoben hat, ohne die notierte Frist auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.
11
Da dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben war, hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Recht als unzulässig verworfen.
12
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Lüneburg, Entscheidung vom 17.03.2006 - 3 O 365/04 -
OLG Celle, Entscheidung vom 10.08.2006 - 7 U 87/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 74/06
vom
8. Mai 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Eingang einer Berufungsbegründung um 24:00 Uhr des letzten Tages der Berufungsbegründungsfrist.
BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 - VI ZB 74/06 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmstadt
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Mai 2007 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und
die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 22. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2006 wird auf Kosten des Klägers verworfen. Wert des Beschwerdegegenstandes: 8.336,27 €

Gründe:

I.

1
Das Landgericht Darmstadt hat mit Urteil vom 19. April 2006 die Klage abgewiesen. Die Frist zur Einlegung der Berufungsbegründung lief am 13. Juli 2006 ab. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat vorgetragen, er habe aufgrund starker Arbeitsbelastung am 13. Juli 2006 während seiner Bürozeiten die Berufungsschrift nicht fertig stellen können. Nach Abschluss der Berufungsschrift um ca. 23:30 Uhr habe er den Schriftsatz per Fax versenden wollen, aber feststellen müssen, dass das Faxgerät den Schriftsatz nicht angenommen habe. Nachdem er Kabel und Leitungen geprüft habe, habe er auf dem Display des Faxgerätes einen Vermerk gesehen, dass die Toner-Kartusche gewechselt werden müsse. Obwohl er zunächst die Erschöpfung der Toner-Kartusche als Fehlerursache ausgeschlossen habe, da Toner nur für Ausdrucke gebraucht werde, habe er die Kartusche ausgetauscht. Daraufhin habe das Faxgerät wie- der funktioniert. Das Wechseln der Kartusche, das üblicherweise von der Fachangestellten ausgeführt werde, habe etwa 15 Minuten gedauert. Der Schriftsatz habe daher erst nach Mitternacht versandt werden können. Auf den vom Empfangsgerät des Gerichts ausgedruckten drei Seiten der Berufungsbegründung sowie der beigefügten Anlage befindet sich unten auf der jeweiligen Seite die von einem Faxgerät stammende Zeitangabe "14/07 '06 FR 00:00 …".
2
Den Antrag des Klägers vom 27. Juli 2006, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
4
1. Der angefochtene Beschluss begegnet zwar Bedenken, weil er keine Darstellung der Anträge der Parteien enthält. Es handelt sich um einen Beschluss , der von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand sowie die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; anderenfalls sind sie nicht mit den gesetzmäßigen Gründen versehen (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 75/05 - VersR 2006, 1423, 1424; BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01 - VersR 2003, 926; vom 12. Juli 2004 - II ZB 3/03 - NJW-RR 2005, 78; vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03 - BGH-Report 2005, 1000). Das Fehlen der Anträge , das die Rechtsbeschwerde nicht beanstandet, kann hier nur deshalb hingenommen werden, weil sich die Anträge mit den prozessualen Vorgängen, auf die es hier allein ankommt, mit noch hinreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ergeben.
5
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber unzulässig, denn es ist keiner der in § 574 Abs. 2 ZPO angeführten Zulässigkeitsgründe ersichtlich.
6
a) Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist (§ 520 Abs. 2 ZPO) bis zum Ablauf des 13. Juli 2006 eingegangen sei und dem Kläger Wiedereinsetzung gegen die Fristversäumung nicht gewährt werden könne, weil er sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz an der Fristversäumung zurechnen lassen müsse (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO). Das hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
7
aa) Es entspricht dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung, dass eine nach Monaten bemessene Frist, wie die Frist zur Begründung der Berufung (§ 520 Abs. 1 Satz 2 ZPO), mit dem Ablauf des Tages endet, der dem Tag entspricht , in den das Ereignis der Zustellung des Urteils fällt (§ 222 Abs. 1 ZPO; §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Die Frist endet mit Ablauf dieses Tages, also um 24:00 Uhr. Im vorliegenden Fall lief die Frist - nach den nicht angegriffenen Feststellungen des angefochtenen Beschlusses - deshalb am 13. Juli 2006 um 24:00 Uhr ab.
8
bb) Die Rechtsbeschwerde beanstandet, laut Aufdruck auf dem Fax sei die Berufungsbegründung rechtzeitig um 24:00 Uhr am 13. Juli 2006 eingegangen. Das Berufungsgericht habe hierzu von Amts wegen aufklären müssen, ob das Empfangsgerät - wie häufig - lediglich das Ende der Übertragung als Zeitangabe ausdrucke. Offenbar springe der Zeitanzeiger bei diesem Gerät von der Zeitangabe 13/07 23:59 Uhr sofort auf 14/07 00:00 Uhr. Der Kläger vermöge sich hierzu nicht zu äußern. Ohne entsprechende tatrichterliche Feststellungen sei daher zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass die Anzeige 00:00 im Faxgerät der gerichtlichen Eingangsstelle die Zeitangabe 24:00 bedeute. Damit will die Rechtsbeschwerde geltend machen, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts erfordere , weil das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt habe , ohne die vorrangige Frage, ob der Begründungsschriftsatz verspätet eingegangen sei, näher zu prüfen. Damit versage es dem rechtsuchenden Bürger eine rechtliche Prüfung seiner Sache aufgrund von Anforderungen, die weder vom Gesetz noch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung verlangt werden und mit denen er nicht rechnen musste (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).
9
(1) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeerwiderung war das Berufungsgericht einer näheren Abklärung nicht schon deshalb enthoben, weil der Kläger selbst vorgetragen hatte, dass die Berufungsbegründung verspätet eingegangen sei, und dies unstreitig war. Die Fristen zur Begründung von Rechtsmitteln unterliegen ebenso wie Rechtsmittelfristen nicht der Disposition der Parteien. Übereinstimmender Vortrag der Parteien hierzu mag zwar verständlich machen, warum eine nähere Prüfung nicht erfolgt, kann diese jedoch nicht entbehrlich machen (vgl. § 522 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO; Rosenberg /Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 7 Rn. 7; MünchKommZPO -Aktualisierungsband/Rimmelspacher, aaO, § 522 Rn. 5; MünchKommZPO /Prütting, aaO, § 295 Rn. 11; Musielak/Huber, ZPO, 5. Aufl., § 295 Rn. 3; Thomas/Putzo/Reichold, aaO, § 295 Rn. 3).
10
(2) Die Rechtsbeschwerde geht davon aus, dass ein Eingang der Berufungsbegründung am 14. Juli 2006 00:00 Uhr rechtzeitig sei, weil dies gleichbedeutend sei mit "13. Juli 2006 24:00 Uhr". Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
11
Allerdings ist im naturwissenschaftlichen Sinne der Zeitpunkt 13. Juli 2006 24:00 Uhr identisch mit dem Zeitpunkt 14. Juli 2006 00:00 Uhr (vgl. schon Jauernig JZ 1989, 615, 616 zu Ziff. 4). Darum geht es jedoch nicht, wenn zu beurteilen ist, ob eine Rechtsmittel-(begründungs-)frist gewahrt ist oder nicht.
12
Entscheidend zur Wahrung einer solchen Frist ist, ob der fristwahrende Schriftsatz bis zum Ablauf des letzten Tages der Begründungsfrist, hier also am 13. Juli 2006 bis 24.00 Uhr eingegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2000 - II ZR 268/98 - NJW 2000, 1328; Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - NJW 2003, 3487; BVerfG, BVerfGE 52, 203, 207; 102, 254, 295). Zu berücksichtigen ist hierbei, dass es maßgeblich nicht auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem die Rechtsmittelbegründungsschrift im Telefaxgerät des Gerichts ausgedruckt worden ist, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die gesendeten Signale vom Empfangsgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) wurden (vgl. BGH, BGHZ 167, 214, 219 ff.). Die Frist ist gewahrt, wenn dies bei Ablauf des letzten Tages der Frist, also am 13. Juli 2006 24.00 Uhr der Fall war (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2000 - II ZR 268/98 - NJW 2000, 1328; Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - NJW 2003, 3487; BVerfG, BVerfGE 52, 203, 207, 209). Der Schriftsatz muss vor Beginn des Folgetages 00:00 Uhr eingegangen sein (so ausdrücklich BGH, Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - aaO "vor Beginn" des Folgetages; vgl. BVerfG, BVerfGE 41, 323, 328) und damit - weil zwischen 24:00 Uhr und 00:00 Uhr keine, auch keine logische Sekunde exisitiert - vor Ablauf von 23:59 Uhr. Das aber bedeutet, dass das Empfangsgerät des Gerichts als Empfangszeit 23:59 Uhr hätte angeben müssen.
Einen solchen hiernach allein genügenden Eingang vor 24:00 Uhr aber macht auch die Rechtsbeschwerde nicht geltend.
13
Wie es zu dem Eingangsvermerk 14.07.2006 00:00 Uhr gekommen sein kann, wenn zugleich nach dem (mutmaßlichen) Aufdruck des Faxgeräts des Klägervertreters die Übermittlung erst am 14. Juli 2006 um 00:13 bis 00:14 Uhr erfolgt sein soll, bedarf nach allem keiner Klärung. Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob das Empfangsgerät des Berufungsgerichts nach Ablauf des 13.07.2006 23:59 Uhr sofort auf 14.07.2006 00:00 Uhr umgeschaltet hat.
14
3. Die Begründung des den Wiedereinsetzungsantrag abweisenden Beschlusses beanstandet die Rechtsbeschwerde nicht.
15
Nach allem ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 19.04.2006 - 4 O 199/03 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 11.09.2006 - 22 U 132/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 66/06
vom
25. April 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Pflicht eines Rechtsanwalts, die Eintragung des Fristendes für eine Berufungsbegründung
auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, wenn ihm die Handakte
aufgrund einer notierten Vorfrist vorgelegt wird.
BGH, Beschluss vom 25. April 2007 - VI ZB 66/06 - OLG Celle
LG Lüneburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2007 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen sowie
die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 10. August 2006 wird auf Kosten des Beklagten verworfen. Beschwerdewert: bis 9.272 €

Gründe:

I.

1
Der Beklagte ist durch Urteil des Landgerichts zur Zahlung verurteilt worden. Dagegen hat der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten Berufung einlegen lassen. Die Frist zur Begründung der Berufung ist bis zum 26. Juni 2006 verlängert worden. Bis zum Ablauf der Frist ist eine Berufungsbegründung nicht beim Berufungsgericht eingegangen. Den Antrag des Beklagten , ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen, die Berufung hat es als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

2
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
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2. Allerdings begegnet der angefochtene Beschluss Bedenken, weil er keine Darstellung des Sachverhalts sowie der Anträge der Parteien enthält. Es handelt sich um einen Beschluss, der von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt , über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den gesetzmäßigen Gründen versehen (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 75/05 - VersR 2006, 1423, 1424; BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01 - VersR 2003, 926; vom 12. Juli 2004 - II ZB 3/03 - NJW 2005, 78; vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03 - BGH-Report 2005, 1000). Das Fehlen einer Sachdarstellung kann hier nur deshalb hingenommen werden, weil sich die prozessualen Vorgänge, auf die es hier alleine ankommt, mit noch ausreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen und den dort in Bezug genommenen Aktenteilen ergeben.
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3. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zu Recht zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Der Beklagte hat die Berufungsbegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Versäumnis beruht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten , das er sich nach § 85 Abs. 2 ZPO anrechnen lassen muss.
5
a) Nach dem Vortrag des Beklagten unterlief der zuverlässigen Mitarbeiterin seines Prozessbevollmächtigten beim Notieren der verlängerten Beru- fungsbegründungsfrist ein Zahlendreher, indem sie statt des 26. Juni den 29. Juni 2006 auf der Akte notierte. Dieser Fehler fiel dem Prozessbevollmächtigten nicht auf, als ihm die Akte am Tag der notierten Vorfrist, dem 19. Juni 2006, vorgelegt wurde. Er überprüfte nicht die Richtigkeit der notierten Frist, sondern lediglich, ob aufgrund seines Arbeitsplans ausreichend Zeit für die Erledigung der Frist sei, wenn er sich mit der Sache am Tag vor dem Fristablauf befasse.
6
b) Danach hat der Prozessbevollmächtigte die Versäumung der Frist deswegen verschuldet, weil er die gebotene Fristkontrolle unterlassen hat, als ihm die Akten zu der notierten Vorfrist am 19. Juni 2006 vorgelegt wurden.
7
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und eingetragen worden ist, wenn ihm die Akten - wie hier auf Vorfrist - zur Bearbeitung vorgelegt werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. September 1998 - VI ZB 16/98 - BRAK-Mitt. 1998, 269 und vom 9. März 1999 - VI ZB 3/99 - VersR 1999, 866; BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 12/94 - NJW 1994, 2831 und vom 24. Oktober 2001 - VIII ZB 19/01 - VersR 2002, 1391 f., jeweils m.w.N.). Diese Prüfung muss zwar nicht sofort erfolgen , weil die Vorfrist gerade den Sinn hat, dem Rechtsanwalt einen gewissen Spielraum zur Bearbeitung bis zum endgültigen Ablauf der Frist zu verschaffen. Sie kann daher auch noch am folgenden Tag vorgenommen werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. März 1999 - VI ZB 3/99 - aaO und vom 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99 - VersR 2000, 202, 204; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - VIII ZB 19/01 - aaO). Soll die Prüfung Sinn machen, darf sie jedoch nicht zurückgestellt werden, bis der Rechtsanwalt - gegebenenfalls erst am letzten Tag der Frist (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Mai 1997 - VI ZB 10/97 - VersR 1997, 1252, 1253) - die eigentliche Bearbeitung der Sache vornimmt. Vielmehr ent- steht die Prüfungspflicht mit Vorlage der Akten unabhängig davon, ob sich der Rechtsanwalt daraufhin zur sofortigen Bearbeitung der Sache entschließt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. September 1998 - VI ZB 16/98 - aaO und vom 23. Januar 2007 - VI ZB 5/06 - EBE/BGH 2007, 83; BGH, Beschlüsse vom 11. Dezember 1991 - VIII ZB 38/91 - NJW 1992, 841; vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 12/94 - aaO; vom 27. Februar 1997 - I ZB 50/96 - NJW 1997, 1708; vom 24. Oktober 2001 - VIII ZB 19/01 - aaO). Dementsprechend muss sich der Rechtsanwalt, der die eigentliche Sachbearbeitung zurückstellen will, bei der Vorlage auf Vorfrist auch davon überzeugen, ob ihm am Tag des Fristablaufs noch Zeit für die Anfertigung der Rechtsmittelbegründung oder für einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist verbleibt (Senatsbeschlüsse vom 27. Mai 1997 - VI ZB 10/97 - und vom 29. September 1998 - VI ZB 16/98 - aaO). Auch hat der Senat bereits früher ausgeführt, der Rechtsanwalt habe jedenfalls dann Anlass zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten sei, wenn ihm die Sache anlässlich des bevorstehenden Fristablaufs vorgelegt werde; dass diese Verpflichtung auch und gerade dann entstehe, wenn dem Rechtsanwalt die Akten auf Vorfrist zur Anfertigung der Rechtsmittelbegründung vorgelegt werden, sei im Hinblick auf die Warnfunktion der Vorfrist selbstverständlich und bedürfe deshalb keiner näheren Darlegungen (Senatsbeschluss vom 29. September 1998 - VI ZB 16/98 - aaO).
8
Die Rechtsbeschwerde beruft sich für ihre Auffassung demnach zu Unrecht auf den Senatsbeschluss vom 5. Oktober 1999 (VI ZB 22/99 - aaO). Auch dort ist betont, dass die Vorfrist dem Zweck dient, die Einhaltung der Hauptfrist zu sichern. Dass die Akte nicht bereits am Tag der Vorlage auf die Vorfrist zur Hand genommen werden muss und dass die gesetzliche Frist, deren Einhaltung durch die Notierung der Vorfrist gesichert werden soll, voll ausgeschöpft werden darf, besagt nicht, dass die Akte ohne jegliche Prüfung der notierten Fristen bis zum letzten Tag der notierten Frist wieder weggelegt werden darf.
9
Auch auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. Oktober 2005 (V ZR 111/05 - BGH-Report 2006, 255 f.) beruft sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg. Dort ist zwar (insoweit in BGH-Report 2006, 255 f. nicht abgedruckt ) ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müsse eine Sache, die auf Grund einer Vorfristenanordnung vorgelegt werde, nicht sofort bearbeitet und auch die vom Büropersonal notierte Frist nicht sofort überprüft werden. Dabei ist indes Bezug genommen auf den Senatsbeschluss vom 9. März 1999 (VI ZB 3/99 - aaO), in dem ausgeführt ist, es könne nicht beanstandet werden, wenn der Rechtsanwalt die Bearbeitung der ihm als Vorfristsache vorgelegten Akten erst am Tage nach Vorlage in Angriff nehme und dabei die Fristen überprüfe. In dem der Entscheidung vom 25. Oktober 2005 zu Grunde liegenden Fall endete die Frist bereits am Tag nach Ablauf der Vorfrist, so dass dem Rechtsanwalt ein Verschulden nicht zur Last gelegt werden konnte.
10
Im vorliegenden Fall geht es im Übrigen weniger darum, innerhalb welchen Zeitraums nach Vorlage auf die Vorfrist die Akte zur Hand genommen werden muss. Vielmehr ist entscheidend, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten sich mit der Akte noch am Tag der Vorlage befasst und die Bearbeitung der Berufungsbegründung auf den letzten Tag der notierten Frist verschoben hat, ohne die notierte Frist auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.
11
Da dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben war, hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Recht als unzulässig verworfen.
12
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Lüneburg, Entscheidung vom 17.03.2006 - 3 O 365/04 -
OLG Celle, Entscheidung vom 10.08.2006 - 7 U 87/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 74/06
vom
8. Mai 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Eingang einer Berufungsbegründung um 24:00 Uhr des letzten Tages der Berufungsbegründungsfrist.
BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 - VI ZB 74/06 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmstadt
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Mai 2007 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und
die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 22. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2006 wird auf Kosten des Klägers verworfen. Wert des Beschwerdegegenstandes: 8.336,27 €

Gründe:

I.

1
Das Landgericht Darmstadt hat mit Urteil vom 19. April 2006 die Klage abgewiesen. Die Frist zur Einlegung der Berufungsbegründung lief am 13. Juli 2006 ab. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat vorgetragen, er habe aufgrund starker Arbeitsbelastung am 13. Juli 2006 während seiner Bürozeiten die Berufungsschrift nicht fertig stellen können. Nach Abschluss der Berufungsschrift um ca. 23:30 Uhr habe er den Schriftsatz per Fax versenden wollen, aber feststellen müssen, dass das Faxgerät den Schriftsatz nicht angenommen habe. Nachdem er Kabel und Leitungen geprüft habe, habe er auf dem Display des Faxgerätes einen Vermerk gesehen, dass die Toner-Kartusche gewechselt werden müsse. Obwohl er zunächst die Erschöpfung der Toner-Kartusche als Fehlerursache ausgeschlossen habe, da Toner nur für Ausdrucke gebraucht werde, habe er die Kartusche ausgetauscht. Daraufhin habe das Faxgerät wie- der funktioniert. Das Wechseln der Kartusche, das üblicherweise von der Fachangestellten ausgeführt werde, habe etwa 15 Minuten gedauert. Der Schriftsatz habe daher erst nach Mitternacht versandt werden können. Auf den vom Empfangsgerät des Gerichts ausgedruckten drei Seiten der Berufungsbegründung sowie der beigefügten Anlage befindet sich unten auf der jeweiligen Seite die von einem Faxgerät stammende Zeitangabe "14/07 '06 FR 00:00 …".
2
Den Antrag des Klägers vom 27. Juli 2006, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
4
1. Der angefochtene Beschluss begegnet zwar Bedenken, weil er keine Darstellung der Anträge der Parteien enthält. Es handelt sich um einen Beschluss , der von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand sowie die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; anderenfalls sind sie nicht mit den gesetzmäßigen Gründen versehen (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 75/05 - VersR 2006, 1423, 1424; BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01 - VersR 2003, 926; vom 12. Juli 2004 - II ZB 3/03 - NJW-RR 2005, 78; vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03 - BGH-Report 2005, 1000). Das Fehlen der Anträge , das die Rechtsbeschwerde nicht beanstandet, kann hier nur deshalb hingenommen werden, weil sich die Anträge mit den prozessualen Vorgängen, auf die es hier allein ankommt, mit noch hinreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ergeben.
5
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber unzulässig, denn es ist keiner der in § 574 Abs. 2 ZPO angeführten Zulässigkeitsgründe ersichtlich.
6
a) Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist (§ 520 Abs. 2 ZPO) bis zum Ablauf des 13. Juli 2006 eingegangen sei und dem Kläger Wiedereinsetzung gegen die Fristversäumung nicht gewährt werden könne, weil er sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz an der Fristversäumung zurechnen lassen müsse (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO). Das hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
7
aa) Es entspricht dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung, dass eine nach Monaten bemessene Frist, wie die Frist zur Begründung der Berufung (§ 520 Abs. 1 Satz 2 ZPO), mit dem Ablauf des Tages endet, der dem Tag entspricht , in den das Ereignis der Zustellung des Urteils fällt (§ 222 Abs. 1 ZPO; §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Die Frist endet mit Ablauf dieses Tages, also um 24:00 Uhr. Im vorliegenden Fall lief die Frist - nach den nicht angegriffenen Feststellungen des angefochtenen Beschlusses - deshalb am 13. Juli 2006 um 24:00 Uhr ab.
8
bb) Die Rechtsbeschwerde beanstandet, laut Aufdruck auf dem Fax sei die Berufungsbegründung rechtzeitig um 24:00 Uhr am 13. Juli 2006 eingegangen. Das Berufungsgericht habe hierzu von Amts wegen aufklären müssen, ob das Empfangsgerät - wie häufig - lediglich das Ende der Übertragung als Zeitangabe ausdrucke. Offenbar springe der Zeitanzeiger bei diesem Gerät von der Zeitangabe 13/07 23:59 Uhr sofort auf 14/07 00:00 Uhr. Der Kläger vermöge sich hierzu nicht zu äußern. Ohne entsprechende tatrichterliche Feststellungen sei daher zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass die Anzeige 00:00 im Faxgerät der gerichtlichen Eingangsstelle die Zeitangabe 24:00 bedeute. Damit will die Rechtsbeschwerde geltend machen, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts erfordere , weil das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt habe , ohne die vorrangige Frage, ob der Begründungsschriftsatz verspätet eingegangen sei, näher zu prüfen. Damit versage es dem rechtsuchenden Bürger eine rechtliche Prüfung seiner Sache aufgrund von Anforderungen, die weder vom Gesetz noch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung verlangt werden und mit denen er nicht rechnen musste (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).
9
(1) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeerwiderung war das Berufungsgericht einer näheren Abklärung nicht schon deshalb enthoben, weil der Kläger selbst vorgetragen hatte, dass die Berufungsbegründung verspätet eingegangen sei, und dies unstreitig war. Die Fristen zur Begründung von Rechtsmitteln unterliegen ebenso wie Rechtsmittelfristen nicht der Disposition der Parteien. Übereinstimmender Vortrag der Parteien hierzu mag zwar verständlich machen, warum eine nähere Prüfung nicht erfolgt, kann diese jedoch nicht entbehrlich machen (vgl. § 522 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO; Rosenberg /Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 7 Rn. 7; MünchKommZPO -Aktualisierungsband/Rimmelspacher, aaO, § 522 Rn. 5; MünchKommZPO /Prütting, aaO, § 295 Rn. 11; Musielak/Huber, ZPO, 5. Aufl., § 295 Rn. 3; Thomas/Putzo/Reichold, aaO, § 295 Rn. 3).
10
(2) Die Rechtsbeschwerde geht davon aus, dass ein Eingang der Berufungsbegründung am 14. Juli 2006 00:00 Uhr rechtzeitig sei, weil dies gleichbedeutend sei mit "13. Juli 2006 24:00 Uhr". Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
11
Allerdings ist im naturwissenschaftlichen Sinne der Zeitpunkt 13. Juli 2006 24:00 Uhr identisch mit dem Zeitpunkt 14. Juli 2006 00:00 Uhr (vgl. schon Jauernig JZ 1989, 615, 616 zu Ziff. 4). Darum geht es jedoch nicht, wenn zu beurteilen ist, ob eine Rechtsmittel-(begründungs-)frist gewahrt ist oder nicht.
12
Entscheidend zur Wahrung einer solchen Frist ist, ob der fristwahrende Schriftsatz bis zum Ablauf des letzten Tages der Begründungsfrist, hier also am 13. Juli 2006 bis 24.00 Uhr eingegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2000 - II ZR 268/98 - NJW 2000, 1328; Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - NJW 2003, 3487; BVerfG, BVerfGE 52, 203, 207; 102, 254, 295). Zu berücksichtigen ist hierbei, dass es maßgeblich nicht auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem die Rechtsmittelbegründungsschrift im Telefaxgerät des Gerichts ausgedruckt worden ist, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die gesendeten Signale vom Empfangsgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) wurden (vgl. BGH, BGHZ 167, 214, 219 ff.). Die Frist ist gewahrt, wenn dies bei Ablauf des letzten Tages der Frist, also am 13. Juli 2006 24.00 Uhr der Fall war (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2000 - II ZR 268/98 - NJW 2000, 1328; Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - NJW 2003, 3487; BVerfG, BVerfGE 52, 203, 207, 209). Der Schriftsatz muss vor Beginn des Folgetages 00:00 Uhr eingegangen sein (so ausdrücklich BGH, Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - aaO "vor Beginn" des Folgetages; vgl. BVerfG, BVerfGE 41, 323, 328) und damit - weil zwischen 24:00 Uhr und 00:00 Uhr keine, auch keine logische Sekunde exisitiert - vor Ablauf von 23:59 Uhr. Das aber bedeutet, dass das Empfangsgerät des Gerichts als Empfangszeit 23:59 Uhr hätte angeben müssen.
Einen solchen hiernach allein genügenden Eingang vor 24:00 Uhr aber macht auch die Rechtsbeschwerde nicht geltend.
13
Wie es zu dem Eingangsvermerk 14.07.2006 00:00 Uhr gekommen sein kann, wenn zugleich nach dem (mutmaßlichen) Aufdruck des Faxgeräts des Klägervertreters die Übermittlung erst am 14. Juli 2006 um 00:13 bis 00:14 Uhr erfolgt sein soll, bedarf nach allem keiner Klärung. Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob das Empfangsgerät des Berufungsgerichts nach Ablauf des 13.07.2006 23:59 Uhr sofort auf 14.07.2006 00:00 Uhr umgeschaltet hat.
14
3. Die Begründung des den Wiedereinsetzungsantrag abweisenden Beschlusses beanstandet die Rechtsbeschwerde nicht.
15
Nach allem ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 19.04.2006 - 4 O 199/03 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 11.09.2006 - 22 U 132/06 -

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 128/06
vom
8. Mai 2007
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Mai 2007 durch den Vorsitzenden
Richter Ball, den Richter Wiechers, die Richterinnen Hermanns und
Dr. Milger sowie den Richter Dr. Koch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 7. November 2006 aufgehoben.
Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 11. August 2006 gewährt.
Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gebührenstreitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.429,18 € festgesetzt.

Gründe:


I.

1
Das Urteil des Landgerichts, mit dem die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 5.429,18 € nebst Zinsen zu zahlen, ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 21. August 2006 zugestellt worden. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte mit einem am 22. September 2006 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt.
2
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen und durch anwaltliche Versicherung sowie eidesstattliche Versicherung bekräftigt, ihr Prozessbevollmächtigter habe am 21. September 2006 die von ihm ordnungsgemäß gefertigte und unterzeichnete Berufungsschrift der in der Kanzlei seit 2002 beschäftigten und für die Überwachung und Einhaltung der Fristen zuständigen Rechtsanwaltsfachangestellten mit der ausdrücklichen Weisung übergeben, diesen Schriftsatz zur Wahrung der Berufungsfrist vorab an das Berufungsgericht zu faxen und darauf zu achten, dass der ordnungsgemäße Versand der Berufungsschrift durch positiven Telefaxbericht bestätigt werde. Ihr Prozessbevollmächtigter habe, als seine Rechtsanwaltsfachangestellte das Büro verlassen habe, nachgefragt, ob die Berufungsschrift vollständig per Telefax an das Berufungsgericht übertragen und ein entsprechender positiver Telefaxbericht vom Faxgerät ausgedruckt worden sei, was diese ihm bestätigt habe.
3
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag durch Beschluss als unbegründet zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufungsfrist sei wegen eines der Be- klagten zuzurechnenden Organisationsverschuldens ihres Prozessbevollmächtigten im Hinblick auf eine wirksame Ausgangskontrolle versäumt worden. Die Anweisung des Prozessbevollmächtigten an seine Mitarbeiterin, den ordnungsgemäßen Versand der Berufungsschrift per Telefax durch positiven Telefaxbericht zu bestätigen, verhalte sich nicht darüber, unter welchen Voraussetzungen die Notfrist im Fristenkalender zu löschen sei; folglich sei nicht sichergestellt gewesen, dass die Frist erst nach Kontrolle des Sendeberichts habe gelöscht werden dürfen.

II.


4
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
5
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zulässig, weil gemäß den nachstehenden Ausführungen die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367 unter II 1 bb m.w.N.). Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 575 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zu Unrecht zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten daher zu Unrecht wegen Versäumung der Berufungsfrist verworfen. Die Beklagte war ohne ihr Verschulden verhindert, die Notfrist zur Einlegung der Berufung einzuhalten (§ 233, § 517 ZPO). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts beruht die Versäumung der Berufungsfrist nicht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das die Beklagte sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsste.
7
Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Prozessbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen müssen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze rechtszeitig hinausgehen, und dass der Rechtsanwalt dieser Verpflichtung bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax nur dann nachkommt, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05, NJW 2006, 1519, unter III 1; v. 19. November 1997 - VIII ZB 33/97, NJW 1998, 907, unter II 1; jeweils m.w.N.).
8
Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, dass es im Streitfall nicht darauf ankommt, ob sichergestellt war, dass die Frist erst nach Kontrolle des Sendeberichts gelöscht werden durfte. Hätte die Rechtsanwaltsfachangestellte der Einzelweisung des Prozessbevollmächtigten entsprochen und vor dem Verlassen der Kanzlei den ordnungsgemäßen Versand der Berufungsschrift per Telefax anhand des Telefaxberichts überprüft, hätte sie bemerkt, dass für die Berufungsschrift kein Sendeprotokoll vorlag. Sie hätte die Berufungsschrift dann noch fristwahrend an das Berufungsgericht übersenden können. Dass der Mitarbeiterin das Fehlen des Faxberichts nicht schon am Tag des Fristablaufs aufgefallen ist, weil sie, wie sie versichert hat, abgelenkt durch ein Telefonat die Faxberichte der per Telefax zu versendenden Schriftsätze vor dem Ablegen nicht nochmals einzeln geprüft hat, ist ein unvorhersehbares Versehen der Mitarbeiterin , das dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht zum Ver- schulden gereicht. Dies zumal er sich vor ihr, als sie das Büro verließ, bestätigen ließ, dass die Berufungsschrift vollständig per Telefax an das Berufungsgericht übertragen und ein entsprechender positiver Telefaxbericht vom Faxgerät ausgedruckt worden sei.
9
3. Nach alledem kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben und ist daher aufzuheben. Der Klägerin ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung zu gewähren. Im Übrigen ist die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Ball Wiechers Hermanns Dr.Milger Dr.Koch
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 11.08.2006 - 10 O 97/06 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 07.11.2006 - 7 U 160/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 34/07
vom
14. Mai 2008
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender
Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach
einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob
die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Dabei
ist ein Vergleich der Anzahl der zu übermittelnden Seiten mit den laut Sendeprotokoll
versandten Seiten besonders nachdrücklich anzuordnen, wenn die
Vorgaben eines in der Anwaltskanzlei verwendeten Qualitätshandbuchs in diesem
Punkt lückenhaft sind (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 18. Juli
2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722 ff.).
BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07 - OLG Köln
AG Aachen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2008 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Sprick, die Richterinnen
Weber-Monecke und Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Februar 2007 wird auf Kosten der Klägerin verworfen. Beschwerdewert: 4.524 €.

Gründe:

I.

1
Durch das am 3. Januar 2007 zugestellte Urteil hat das Amtsgericht die Abänderungsklage der Klägerin teilweise abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin mit am 8. Februar 2007 bei dem Oberlandesgericht - im Original - eingegangenem Schriftsatz vom 5. Februar 2007 (Montag) Berufung eingelegt. Bereits am 5. Februar 2007 waren die erste Seite der zweiseitigen Berufungsschrift sowie das sechs Seiten umfassende erstinstanzliche Urteil per Telefax beim Berufungsgericht eingegangen. Die bei der Faxübermittlung fehlende Seite 2 der Berufungsschrift enthält neben der Angabe der gegnerischen Prozessbevollmächtigten erster Instanz die Mitteilung, dass und gegen welches Urteil Berufung eingelegt werden soll, sowie die Unterschrift des Prozessbevollmächtig- ten der Klägerin. Die mit "Berufungsschrift" überschriebene Seite 1 nennt demgegenüber die Parteien und die Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
2
Auf telefonischen gerichtlichen Hinweis vom 7. Februar 2007, dass die Seite 2 der Berufungsschrift fehle, hat die Klägerin am selben Tag erneut Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat sie ausgeführt:
3
Die unterbliebene Übermittlung der zweiten Seite der Berufungsschrift per Telefax sei auf ein Versäumnis der Rechtsanwaltsfachangestellten M. zurückzuführen , die den Auftrag gehabt habe, die Berufungsschrift zusammen mit dem angefochtenen Urteil per Telefax an das Berufungsgericht zu senden. Zu den Aufgaben von Frau M. gehöre die Notierung von Fristen und deren Überwachung. Die Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten sei nach ISO 9001 zertifiziert , was es mit sich bringe, dass nahezu sämtliche Arbeitsvorgänge, insbesondere die der Rechtsanwaltsfachangestellten, in einem Qualitätshandbuch verzeichnet seien. Die Einhaltung der so vorgegebenen Vorgänge werde regelmäßig überprüft. Frau M. sei mit dem Inhalt des Qualitätshandbuchs gut vertraut. Sie sei angewiesen, den Zugang der Fristpost durch Telefax besonders zu überprüfen. Diese Überprüfung sei durch den Ausdruck eines Sendeberichts erfolgt, den Frau M. auf die Richtigkeit des Adressaten sowie der Fax-Nummer und selbstverständlich auch auf die Anzahl der übermittelten Seiten habe überprüfen müssen. Sie habe an dem betreffenden Tag erstmals versäumt, die Vollständigkeit einer Faxübermittlung zu kontrollieren. Nach Beendigung des Sendevorgangs habe Frau M. den Sendebericht sowie den Fristenzettel mit dem Vermerk "SB (Sendebericht) in Akte, Frist streichen?" dem Prozessbevollmächtigten vorgelegt, damit dieser die Frist streichen könne. Der Anwalt habe den Sendebericht in Bezug auf die korrekte Faxnummer sowie den Erfolg der Über- tragung kontrolliert, allerdings ebenfalls versäumt, die Anzahl der versendeten Seiten zu überprüfen.
4
Dieser Vortrag ist von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin anwaltlich und von M. an Eides statt versichert worden. Außerdem ist neben einer Kopie des Fristenzettels ein Auszug aus dem Qualitätshandbuch vorgelegt worden.
5
Das Oberlandesgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

6
Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil der von der Rechtsbeschwerde allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht vorliegt (§ 574 Abs. 2 ZPO).
7
1. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen , weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhe. Dabei könne offen bleiben, ob das Versehen der Rechtsanwaltsfachangestellten M. auf einem Büroorganisationsverschulden des Anwalts beruhe. Denn dieser hätte bei der der Absendung per Telefax folgenden eigenen Kontrolle des Sendeberichts jedenfalls noch rechtzeitig erkennen können, dass eine Seite, bei der es sich um einen Teil der Berufungsschrift habe handeln können, nicht übermittelt worden sei. Übernehme der Anwalt die Ausgangskontrolle im konkreten Fall mit, komme er der damit verbundenen Verpflichtung nur nach, wenn er sich selbst davon überzeuge, dass alle abzusendenden Seiten des Schriftsatzes ordnungsgemäß gesendet worden seien.
8
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
9
2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die am 5. Februar 2007 abgelaufene Berufungsfrist nicht gewahrt ist. Zwar könnte sich die Erklärung der Berufungseinlegung (§ 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) möglicherweise aus der Überschrift der ersten Seite des Schriftsatzes vom 5. Februar 2007 (Berufungsschrift ) entnehmen lassen; die angefochtene Entscheidung (§ 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) könnte aus dem beigefügten erstinstanzlichen Urteil zu ersehen sein. In jedem Fall mangelt es dem per Telefax am letzten Tag der Berufungsschrift eingegangenen Schriftsatz aber an der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten. Diese war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil sich nicht aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür ergab, dass der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen und diesen willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 120/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
10
3. Der Klägerin ist die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt worden, weil nach ihrem Vortrag ein ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden nicht ausgeräumt ist.
11
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermitt- lung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722, 1723; vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f. und vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - FamRZ 2006, 1104, 1105 f.).
12
Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Fehlt es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, muss sich die Einzelanweisung, einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden, in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die Kanzleiangestellte ist dann zusätzlich anzuweisen , die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen (Senatsbeschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722, 1723).
13
b) Eine diesen Anforderungen genügende Ausgangskontrolle im Büro des Klägervertreters ist nicht dargetan worden.
14
aa) Dass durch allgemeine Kanzleianweisungen vorgeschrieben ist, bei der Übermittlung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift per Telefax nicht nur die Versendung an den richtigen Empfänger zu prüfen, sondern auch die Vollständigkeit der Übermittlung einer Kontrolle zu unterziehen, ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht. Danach sind zwar nahezu sämtliche Arbeitsvorgänge, insbesondere die der Rechtsanwaltsfachangestellten , in einem Qualitätshandbuch niedergeschrieben; die Einhaltung der so vorgegebenen Vorgänge wird auch regelmäßig überprüft. Der in Kopie vorgelegte Auszug aus dem Qualitätshandbuch sieht für die Ausgangskontrolle der Fristpost durch Telefax allerdings nur vor, dass die Fachsekretärin einen Sendebe- richt ausdrucken lässt und diesen auf die Richtigkeit des Adressaten und der Faxnummer überprüft. Der weitere Vortrag, Frau M. sei angewiesen, die Übermittlung der Fristpost durch Fax besonders zu überprüfen, lässt nicht erkennen, welche konkreten, allgemeingültigen Vorgaben insofern gemacht worden sind, insbesondere dass und in welcher Weise diese über die Anweisungen des Qualitätshandbuchs hinausgehen. Solche waren hinsichtlich der Überprüfung der Übermittlung auf Vollständigkeit in besonderer Weise erforderlich, weil die Vorgaben des Qualitätshandbuchs in diesem Punkt lückenhaft waren, andererseits die Fachangestellten mit diesen Vorgaben aber gut vertraut gewesen sein sollen. Gerade unter diesen Umständen hätte ausdrücklich darauf hingewiesen werden müssen, dass die Vorgaben des Qualitätshandbuchs nicht ausreichen, sondern in jedem Fall zusätzlich die Vollständigkeit des Übermittlungsvorgangs zu überprüfen ist. Soweit ausgeführt wird, die besondere Überprüfung sei durch den Ausdruck eines Sendeberichts erfolgt, diesen habe Frau M. auf die Richtigkeit des Adressaten sowie der Faxnummer und selbstverständlich auch auf die Anzahl der übermittelten Seiten überprüfen müssen, wird hieraus, ebenso wenig wie aus dem weiteren Vorbringen, erkennbar, dass diesen Anforderungen eine allgemeine Kanzleianweisung zugrunde lag. Das Vorbringen lässt sich ebenso dahin verstehen, dass es sich auf die stillschweigend erwartete Behandlung der konkreten Sache bezieht.
15
bb) Eine den genannten Anforderungen genügende konkrete Einzelanweisung ist ebenfalls nicht dargetan. Es ist nämlich nicht im Einzelnen vorgetragen , dass Frau M. im vorliegenden Fall der Auftrag erteilt worden sei, die Berufungsschrift nebst dem angefochtenen Urteil per Telefax an das Oberlandesgericht zu übermitteln, anschließend einen Sendebericht ausdrucken zu lassen und diesen sodann auch auf die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen.
16
c) Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob den Klägervertreter auch deshalb ein Verschulden an der Fristversäumung trifft, weil die einzelnen Schritte der Fristenkontrolle in seiner Kanzlei nicht eindeutig zugewiesen waren. Nach dem Vortrag zum Wiedereinsetzungsantrag ist nämlich davon auszugehen, dass der Anwalt selbst die Streichung einer Frist verfügt und es hier bei der zu diesem Zweck erfolgten Vorlage des Fristenzettels versehentlich unterlassen hat, die Vollständigkeit der Übermittlung zu kontrollieren. Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass sowohl der Anwalt selbst als auch Frau M. für die Fristenkontrolle zuständig waren. Die dadurch bedingte Überschneidung von Kompetenzen eröffnet aber Fehlerquellen, weil die Gefahr besteht, dass sich im Einzelfall einer auf den anderen verlässt (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 1992 - XII ZB 55/92 - FamRZ 1993, 45). Ob auch insofern ein für die Fristversäumnis ursächliches Organisationsverschulden vorliegt, kann aber dahinstehen. Hahne Weber-Monecke Sprick Vézina Dose
Vorinstanzen:
AG Aachen, Entscheidung vom 21.12.2006 - 23 F 89/06 -
OLG Köln, Entscheidung vom 20.02.2007 - 10 UF 15/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 97/08
vom
20. Oktober 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 233 B, Fd, Ff
Erteilt ein Rechtsanwalt einer bis dahin sorgfältig arbeitenden Büroangestellten
die konkrete Einzelanweisung, einen von ihm unterzeichneten Antrag auf
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vorab an das Berufungsgericht
zu faxen, ist es ihm nicht als Organisationsverschulden anzurechnen, wenn
die Angestellte dieser Weisung zwar nachkommt, dabei aber die zusätzlich
bestehende, durch die Einzelanweisung nicht außer Kraft gesetzte allgemeine
Anweisung missachtet, bei Faxsendungen - insbesondere bei fristgebundenen
Schriftsätzen - den Versand des Schriftstücks abzuwarten und den
Sendebericht auf die gelungene Übermittlung des Schriftsatzes zu überprüfen.
BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - VIII ZB 97/08 - OLG München
LG München I
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Oktober 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Hessel, den Richter
Dr. Schneider sowie die Richterin Dr. Fetzer

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. November 2008 aufgehoben. Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München vom 23. Juni 2008 gewährt. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 4.881,78 €

Gründe:

I.

1
Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung rückständiger Leasingraten, auf Schadensersatz wegen vorzeitiger Rückgabe des geleasten Fahrzeugs und auf Ersatz von Abholungskosten in Höhe von insgesamt 8.178,70 € in Anspruch genommen. Das der Klage teilweise stattgebende Urteil des Landgerichts ist dem Beklagten am 1. Juli 2008 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist am 1. August 2008 beim Oberlandesgericht eingegangen. Mit Schriftsatz vom 28. August 2008 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um drei Wochen bis zum 22. September 2008 beantragt. Das Fristverlängerungsgesuch ist allerdings erst am 2. September 2008 per Telefax und als Einwurf- oder Postsendung am 3. September 2008 beim Oberlandesgericht eingegangen.
2
Der Vorsitzende des zuständigen Senats hat mit Verfügung vom 2. September 2008 die Frist zur Begründung der Berufung um drei Wochen verlängert. Auf den Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22. September 2008, per Telefax am selben Tag beim Oberlandesgericht eingegangen, hat der Vorsitzende eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 30. September 2008 bewilligt. Die Berufungsbegründung des Beklagten ist am 30. September zum Oberlandesgericht gelangt.
3
Mit Verfügung vom 1. Oktober 2008 hat der Vorsitzende den Hinweis erteilt , der Antrag auf Verlängerung dieser Frist sei erst am 2. September und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist per Fax beim Oberlandesgericht eingegangen, weswegen die Fristverlängerungen ins Leere gingen und die Frist zur Berufungsbegründung versäumt sei. Daraufhin hat der Beklagtenvertreter den ursprünglichen Fristverlängerungsantrag wiederholt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und der Frist zur Stellung eines Verlängerungsantrags begehrt.
4
Zur Rechtfertigung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hat der Beklagte vorgetragen und glaubhaft gemacht, eine seit über zwei Jahren in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten tätige, äußerst sorgfältig und gründlich arbeitende Anwaltsgehilfin habe den Auftrag erhalten, das Fristverlängerungsgesuch vom 28. August 2008 vorab an das Oberlandesgericht zu faxen. Sie habe den vom Prozessbevollmächtigten unterzeichneten und in der Unterschriftenmappe an sie zurückgeleiteten Schriftsatz am Abend des 1. September 2008 auf das Faxgerät gelegt. Zuvor habe sie sich im Fristenbuch vergewissert, dass eine Faxsendung an diesem Tag noch rechtzeitig gewesen sei. Wie sich im Nachhinein herausgestellt habe - das zerrissene Sendeprotokoll sei später im zum Schreddern vorgesehenen Altpapier aufgefunden worden -, habe die Mitarbeiterin den Schriftsatz am 1. September 2008 um 16.59 Uhr an die richtige Faxnummer gesendet. Sie habe aber wegen des anstehenden Dienstschlusses ausnahmsweise den Ausdruck des Sendejournals nicht abgewartet und daher nicht erkannt, dass die Faxsendung nicht erfolgreich übermittelt worden sei. Am darauf folgenden Tag sei der Schriftsatz ordnungsgemäß an das Oberlandesgericht gefaxt worden.
5
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Dabei hat es ausgeführt, es sei nicht glaubhaft gemacht, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Sorgfalt eines ordentlichen Anwalts eingehalten habe und der Fristverstoß ausschließlich auf ein - dem Beklagten nicht zuzurechnendes - Verschulden des Büropersonals zurückzuführen sei. Eine Glaubhaftmachung setze voraus, dass die eine Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen überwiegend wahrscheinlich seien. Hieran fehle es, wenn der Sachvortrag - wie hier - widersprüchlich und damit nicht nachvollziehbar sei. Es sei nicht ersichtlich , weshalb das Fristverlängerungsgesuch vom 28. August 2008 nicht bis zum Ablauf des 1. September 2008 übermittelt worden sei. Daher sei eine ausreichende Beurteilungsgrundlage für ein fehlendes Verschulden des Beklagtenvertreters nicht vorhanden.
6
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde. Der Beklagte macht in erster Linie geltend, die gewährte Fristverlängerung sei trotz ihrer Fehlerhaftigkeit wirksam, so dass die Berufungsbegründungsfrist gewahrt sei. Falls gleichwohl eine Fristversäumung bejaht werde, sei jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Denn die verspätete Übermittlung des Fristverlängerungsgesuchs beruhe ausschließlich auf einem - dem Beklagten nicht anzulastenden - Fehlverhalten der Bürokraft seines Prozessbevollmächtigten. Das Oberlandesgericht habe unter Verletzung der verfassungsrechtlich verbürgten Grundsätze auf Gewährung rechtlichen Gehörs und auf Einhaltung eines fairen Verfahrens davon abgesehen, den Beklagten auf eine erforderliche Ergänzung seines Vorbringens hinzuweisen. Die vom Gericht geäußerten Zweifel an der Nachvollziehbarkeit und Wahrscheinlichkeit des geschilderten Geschehensablaufs hätten - soweit überhaupt erheblich - durch einfache Erläuterungen ausgeräumt werden können. Da das Oberlandesgericht die gebotenen Hinweise unterlassen habe, könne der Beklagte ergänzende Angaben nachholen.

II.

7
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
8
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die angegriffene Entscheidung ist unter Missachtung des Verfahrensgrundrechts auf Gewährung rechtli- chen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ergangen und verletzt zudem den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Denn sie überspannt in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise die Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes (vgl. Senatsbeschluss vom 16. November 2004 - VIII ZB 32/04, NJWRR 2005, 1006, unter III 2 m.w.N.).
9
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Zwar hat der Beklagte die Frist zur Berufungsbegründung versäumt. Ihm ist aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne Verschulden daran gehindert war, diese Frist einzuhalten (§ 233 ZPO). Nach dem glaubhaft gemachten und im Rechtsbeschwerdeverfahren ergänzten Vorbringen des Beklagten beruht das Fristversäumnis ausschließlich auf einem - weder dem Prozessbevollmächtigten noch der von ihm vertretenen Partei anzulastenden (§ 85 Abs. 2 ZPO) - Fehlverhalten der mit der Versendung des Fristverlängerungsantrags vom 28. August 2008 beauftragten Büroangestellten.
10
a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat der Beklagte die Frist zur Begründung seiner am 1. August 2008 eingelegten Berufung versäumt. Dem am 2. September 2008, also einen Tag nach Ablauf der Berufungsbegründungfrist (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO), eingegangenen Fristverlängerungsgesuch hätte der Vorsitzende des zuständigen Berufungssenats nicht stattgeben dürfen. Denn eine abgelaufene Frist kann - was letztlich auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel zieht - nicht verlängert werden. Die gleichwohl gewährte Fristverlängerung blieb damit - wie auch das Berufungsgericht nachträglich erkannt hat - ohne Wirkung. Dies hat der Bundesgerichtshof im Jahr 1991 unter ausdrücklicher Aufgabe der von der Rechtsbeschwerde angeführten gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden (BGHZ 116, 377, 378 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Januar 1996 - XII ZB 184/95, NJW-RR 1996, 513, unter II 2). Dem hat sich das Schrifttum überwiegend angeschlossen (Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 520 Rdnr. 16a; Musielak /Ball, ZPO, 7. Aufl., § 520 Rdnr. 12; Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 520 Rdnr. 15; aA MünchKommZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl., § 520 Rdnr. 19).
11
b) Dem Beklagten ist aber auf sein rechtzeitig angebrachtes Gesuch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Die Fristversäumung beruht nach den glaubhaft gemachten Angaben des Beklagten nicht auf einem - ihm zuzurechnenden - Eigenverschulden seines Prozessbevollmächtigten, sondern allein auf einer fehlerhaften Erledigung der dessen Büropersonal übertragenen Aufgaben.
12
aa) Ein Rechtsanwalt hat zwar durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen , dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Er muss aber nicht jeden zur Fristwahrung erforderlichen Arbeitsschritt persönlich ausführen, sondern ist grundsätzlich befugt, einfachere Verrichtungen zur selbständigen Erledigung seinem geschulten Personal zu übertragen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2007 - II ZB 20/07, NJW-RR 2008, 576, Tz. 15; vom 4. April 2007 - III ZB 109/06, NJW-RR 2007, 1429, Tz. 7; vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, unter 1; jeweils m.w.N.). Dies gilt auch für die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes mittels eines Telefaxgerätes (BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2007, aaO; vom 4. April 2007, aaO; vom 14. Februar 2006 - VI ZB 44/05, NJW 2006, 1521, Tz. 12; vom 11. Februar 2003, aaO; vgl. ferner Senatsbeschluss vom 17. Juli 2007 - VIII ZB 107/06, juris , Tz. 4; jeweils m.w.N.).
13
bb) Diesen Anforderungen hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten genügt. Er hat seiner seit zwei Jahren in seinem Büro tätigen Angestellten, die sich bis dahin als sorgfältig und zuverlässig erwiesen hatte, die konkrete Einzelanweisung erteilt, das ihr rechtzeitig zum 1. September 2008 in einer Unterschriftenmappe zugeleitete, vom Beklagtenvertreter unterzeichnete Fristverlängerungsgesuch vorab per Fax an das Berufungsgericht zu übermitteln. Bei ordnungsgemäßer Befolgung dieser Weisung und bei Beachtung der - sie ergänzenden - allgemeinen Anweisungen über die bei Faxsendungen einzuhaltende Verfahrensweise wäre der rechtzeitige Eingang eines formgerechten Fristverlängerungsantrags (§ 130 Nr. 6 ZPO) beim Berufungsgericht gewährleistet gewesen. Der Beklagte hat im Rechtsbeschwerdeverfahren unter Bezugnahme auf die bereits dem Berufungsgericht vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten ergänzend vorgetragen, im Büro seines Prozessbevollmächtigten bestehe die allgemeine Anweisung, bei Faxsendungen - insbesondere bei fristgebundenen Schriftsätzen - den Versand des Schriftstücks abzuwarten und den Sendebericht auf die gelungene Übermittelung des Schriftsatzes (Aufdruck "OK") zu überprüfen. Damit hat er nach seinem glaubhaft gemachten Vorbringen ausreichende organisatorische Maßnahmen für eine rechtzeitige Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen getroffen.
14
cc) Das Berufungsgericht hat gleichwohl ausreichenden Vortrag zu der Handhabung von Sendeprotokollen und zur Gewährleistung der Ausgangskontrolle vermisst. Es hat letztlich aus dem der Angestellten unterlaufenen Fehler und dem Umstand, dass der ursprüngliche Sendebericht zum Altpapier gelangt ist, den Schluss auf eine unzureichende Büroorganisation bei der Versendung von Telefaxen gezogen. Dem ist nicht zu folgen.
15
Zunächst hätte das Berufungsgericht seine Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch nicht auf die vom ihm beanstandete Lückenhaftigkeit des Beklagtenvorbringens stützen dürfen, ohne vorher auf bestehende Bedenken hinzuweisen und dem Beklagten die Möglichkeit zu geben, Unklarheiten auch nach Ablauf der in § 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 ZPO geregelten Frist auszuräumen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Juni 2007 - XII ZB 232/06, NJW 2007, 3212, Tz. 5, 8; vom 19. Juni 2006 - II ZB 25/05, NJW-RR 2006, 1501, Tz. 9, 13; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 4. März 2004 - IX ZB 71/03, FamRZ 2004, 1552, unter [II 2] b, jeweils m.w.N.). Auf einen solchen Hinweis hätte der Beklagte dem Berufungsgericht - wie nun in der Rechtsbeschwerde geschehen - nachvollziehbar erläutern können, dass das Faxjournal vom 1. September 2008 deswegen in den Altpapierbehälter gelangt ist, weil sich die Anweisung, die Journale zu den Akten zu nehmen, nur auf Sendeberichte bezog, die eine erfolgreiche Übermittlung dokumentierten. Angesichts der klaren Weisung, die erfolgreiche Versendung eines Schriftstücks per Fax abzuwarten, besteht und bestand für den Beklagtenvertreter keine Veranlassung, auch Sendeprotokolle über fehlgeschlagene Sendungen aufzubewahren. Soweit das Berufungsgericht Vortrag des Beklagten dazu vermisst hat, wer und aus welchen Gründen die fehlgeschlagene Faxübermittlung erneut am Folgetag in die Wege geleitet hat, hat der Beklagte im Rechtsbeschwerdeverfahren ergänzend vorgetragen, eine seiner zwei weiteren Mitarbeiterinnen habe die Versendung erfolgreich vorgenommen. Dieses Vorbringen steht nicht in Widerspruch zu der eidesstattlichen Versicherung der ursprünglich mit der Angelegenheit betrauten Bürokraft. Diese hat lediglich erklärt, sich nach dem 1. September 2008 nicht mehr persönlich mit der Sache befasst zu haben.
16
Soweit das Berufungsgericht eine lückenlose Darlegung aller weiteren im konkreten Fall angefallenen Arbeitsschritte und ergriffenen Maßnahmen verlangt , überspannt es die Anforderungen an die Darlegung eines ordnungsgemäßen Bürobetriebs. Es ist unerheblich, wann der Kanzleikraft das vom Beklagtenvertreter unterzeichnete Schriftstück zugegangen ist. Der Beklagtenvertreter war auch nicht gehalten, die Bürokraft anzuweisen, den Schriftsatz sofort nach Erhalt an das Gericht zu faxen. Laufende Fristen dürfen grundsätzlich ausgeschöpft werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - III ZB 73/07, juris, unter 2). Auch sonstige Maßnahmen waren vom Beklagtenvertreter nicht zu fordern. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die mit der Erledigung der Aufgabe betraute Angestellte bereits in der Vergangenheit die Versendung fristgebundener Schriftstücke bis kurz vor Dienstschluss zurückstellte und die übertragene Aufgabe dann aus Zeitgründen nicht mehr ordnungsgemäß ausführte. Ob der Beklagtenvertreter seiner Angestellten die Anweisung erteilt hat, sich zu vergewissern, dass das Fristverlängerungsgesuch unterzeichnet war, ist im Streitfall ohne Bedeutung. Denn das Schriftstück war nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Beklagten ordnungsgemäß unterschrieben. Unerheblich ist schließlich auch, ob und welche Anweisung über die Notierung erledigter Fristen bestand. Die Fristversäumung beruhte ausschließlich auf anderen Gründen.
17
dd) Dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten kann auch nicht angelastet werden, dass er die Ausführung der ausgegebenen Anweisungen nicht überwacht hat. Die seiner Mitarbeiterin erteilte Anweisung, das unterzeichnete Fristverlängerungsgesuch - aus Gründen der Fristwahrung - per Fax an das Berufungsgericht zu übermitteln, hatte - ebenso wie die daneben bestehende grundsätzliche Weisung, den Sendebericht abzuwarten und darauf zu überprüfen , ob die Übermittlung erfolgreich durchgeführt wurde - einfache Aufgaben zum Gegenstand. Bei solchen Tätigkeiten darf ein Rechtsanwalt regelmäßig darauf vertrauen, eine ansonsten zuverlässig und sorgfältig arbeitende Bürokraft werde sie fehlerfrei erledigen (Senatsbeschluss vom 17. Juli 2007, aaO; BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2007, aaO; vom 4. April 2007, aaO; vom 11. Februar 2003, aaO; jeweils m.w.N.). Ihn trifft keine Verpflichtung, sich anschließend zu vergewissern, ob die Weisung ordnungsgemäß ausgeführt wurde (Senatsbeschluss vom 29. Juli 2003 - VIII ZB 107/02, FamRZ 2003, 1650; BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 2008 - III ZB 54/08, NJW 2009, 296, Tz. 10; vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 26/03, NJW-RR 2004, 711, unter II; jeweils m.w.N.). Dies gilt in gleicher Weise für allgemeine Weisungen und für konkrete Anweisungen im Einzelfall (BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2003, aaO, m.w.N.; vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98, VersR 1999, 1170, unter [II] 2 b bb; jeweils m.w.N.). Dass der Beklagtenvertreter am Tag des Fristablaufs aufgrund eines auswärtigen Gerichtstermins daran gehindert war, die Ausführung der seiner Kanzleimitarbeiterin übertragenen Aufgabe zu überwachen, begründet damit kein eigenes Verschulden des Anwalts.
18
ee) Der verspätete Zugang des Fristverlängerungsgesuchs beruht damit ausschließlich auf einem dem Beklagten nicht zuzurechnenden Fehlverhalten der Büroangestellten seines Prozessbevollmächtigten. Dem Beklagten ist auch nicht als Verschulden anzulasten, dass sein Prozessvertreter von der Möglichkeit einer Fristverlängerung Gebrauch gemacht hat. Denn dieser durfte darauf vertrauen, dass den - unter Darlegung eines erheblichen Grundes im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestellten und nicht von der Zustimmung des Gegners abhängigen - Verlängerungsanträgen stattgegeben wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. März 2009, VIII ZB 55/06, NJW-RR 2009, 933, Tz. 12; vom 11. Sep- tember 2007 - VIII ZB 73/05, juris, Tz. 7; BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06, juris, Tz. 6; vom 4. März 2004 - IX ZB 121/03, NJW 2004, 1742, unter 2; jeweils m.w.N.). Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Schneider Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 23.06.2008 - 35 O 18550/07 -
OLG München, Entscheidung vom 17.11.2008 - 18 U 4079/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 154/09
vom
9. Dezember 2009
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Büroangestellte
, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete schriftliche
Einzelanweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich
anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. Auf allgemeine
organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung
in einer Anwaltskanzlei kommt es in solchen Fällen nicht mehr an.
BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 154/09 - KG Berlin
AG Berlin-Pankow/Weißensee
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Dezember 2009 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke sowie die Richter
Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Klinkhammer und Schilling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 13. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 26. Mai 2009 aufgehoben. Dem Antragsteller wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Kammergericht zurückverwiesen. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.

1
Der Antragsteller wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung seiner befristeten Beschwerde wegen Versäumung der Begründungsfrist.
2
Der Antragsteller begehrt Umgang mit seiner im Jahre 2004 geborenen Tochter. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2008 hat das Familiengericht den Umgang für die Dauer eines Jahres im Wesentlichen ausgeschlossen. Gegen diesen Beschluss, der ihm am 5. Januar 2009 zugestellt worden ist, hat der Antragsteller befristete Beschwerde eingelegt, die am 12. Januar 2009 beim Beschwerdegericht eingegangen ist. Am 12. März 2009 (nicht: 10. März 2009) hat der Antragsteller schließlich beantragt, ihm wegen der versäumten Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zugleich hat er die Beschwerde begründet.
3
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages hat der Antragsteller u.a. vorgetragen, die Büroangestellte seiner Verfahrensbevollmächtigten habe zunächst versehentlich eine Beschwerdefrist von lediglich 14 Tagen (Ablauf 19. Januar 2009) sowie eine Beschwerdebegründungsfrist von weiteren 14 Tagen (Ablauf 5. Februar 2009) eingetragen. Seine Verfahrensbevollmächtigte habe sie darauf hingewiesen, dass für die Beschwerde und Beschwerdebegründung hinsichtlich der Versagung der Prozesskostenhilfe eine Monatsfrist (Ablauf 5. Februar 2009), für die übrige Beschwerdebegründung eine weitere Monatsfrist (Ablauf 5. März 2009) notiert werden müsse. Dies sei von seiner Verfahrensbevollmächtigten auch auf dem entsprechenden Verfügungszettel, der jedem Posteingang beigefügt sei, schriftlich für ihre Mitarbeiterin notiert worden. Zwar sei die vollständige Eintragung der Frist in der Akte erfolgt, was nach der Kanzleianweisung erst nach Eintragung im Fristenkalender geschehen solle, jedoch sei die Eintragung in den Fristenkalender hinsichtlich der weiteren Beschwerdebegründungsfrist und der, gemäß der allgemeinen Kanzleianweisung einzutragenden, üblichen Vorfrist von einer Woche unterblieben.
4
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Beschwerdegericht dem Antragsteller Wiedereinsetzung versagt und seine Beschwerde als unzulässig http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE028002301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE061502301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE067803301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE067803301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE067803301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE001800314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 4 - verworfen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
6
1. Die gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Indem das Beschwerdegericht die befristete Beschwerde des Antragstellers verworfen und ihm zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist verweigert hat, hat es das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip ) verletzt. Es hat dem Antragsteller den Zugang zur Beschwerdeinstanz ungerechtfertigt versagt.
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2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
8
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, eine fristgerechte Begründung sei weder in der Begründung der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrages noch in der Begründung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu sehen. Der Antragsteller sei schließlich nicht ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die Frist zur Begründung der Beschwerde einzuhalten. Seine Verfahrensbevollmächtigte habe die Fristenkontrolle in ihrem Büro nicht so organisiert, dass ein Versäumen der Frist aufgrund einer fehlenden Fristnotierung im Fristenkalender verhindert werde. Zu- gunsten des Antragstellers sei zwar zu unterstellen, dass es sich bei der Mitarbeiterin seiner Verfahrensbevollmächtigten um eine zuverlässig erprobte und sorgfältig überwachte und gut ausgebildete Angestellte handele. Der Rechtsanwalt habe jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen , dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Dabei werde verlangt, dass die Eintragung der Frist im Fristenkalender auch feststellbar notiert werden müsse, was zweckmäßigerweise durch einen Vermerk in der Handakte mit Handzeichen und Datumsangabe zu erfolgen habe. Nach dem Vortrag des Antragstellers werde üblicherweise erst die Frist im Fristenkalender notiert und dann die Frist in der Handakte. Bereits dieser Vortrag lasse keine zuverlässige Fristenkontrolle feststellen. Denn es fehle an der klaren Anweisung , stets zunächst die Frist im Fristenkalender zu notieren und erst nach dieser Notierung einen Fristenvermerk in der Handakte aufzunehmen. Mithin könne der Fristnotierung im Handaktenblatt nicht entnommen werden, dass die Notierung der Frist im Fristenkalender von der Angestellten überprüft worden sei.
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Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht Stand.
10
a) Allerdings ist dem Beschwerdegericht dahin zu folgen, dass weder die Begründung der Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe seitens des Familiengerichts noch die Begründung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung den Anforderungen genügen, die an die Begründung einer befristeten Beschwerde gestellt werden (vgl. § 621 e Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. Art. 111 FGG-RG). Zwar sind danach an den Inhalt der Beschwerdebegründung nicht die gleichen Anforderungen zu stellen wie an eine Berufungsbegründung. Der Beschwerdeführer muss aber vortragen , was er an der angefochtenen Entscheidung missbilligt (Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 621 e Rdn. 49). Vorliegend beziehen sich die jeweiligen Be- http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE061502301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE027604160&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE027802301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE027802301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 6 - gründungen des Antragstellers jedoch ausschließlich auf die Prozesskostenhilfebeschwerde und den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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b) Gleichwohl hätte das Beschwerdegericht die befristete Beschwerde nicht gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 2, § 621 a Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG verwerfen dürfen, weil dem Antragsteller hinsichtlich der Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
12
Der Wiedereinsetzungsantrag ist rechtzeitig beim Beschwerdegericht eingegangen. Das Hindernis zur Einhaltung der Frist entfiel den unbestrittenen Angaben des Antragstellers zufolge am 6. März 2009. Von diesem Tag an lief die Frist von einem Monat, um Wiedereinsetzung zu beantragen und die Beschwerdebegründung nachzuholen, §§ 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Diese Frist hat der Antragsteller gewahrt; Wiedereinsetzungsantrag und nachgeholte Beschwerdebegründung gingen am 12. März 2009 und damit rechtzeitig beim Beschwerdegericht ein.
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c) Der Antragsteller hat die Beschwerdebegründungsfrist weder aus eigenem noch aus einem ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten versäumt.
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Es ist bereits zweifelhaft, ob trotz der vom Antragsteller geschilderten Büroorganisation in der Kanzlei seiner Verfahrensbevollmächtigten ein gesonderter Vermerk über die Erledigung der Eintragung im Fristenkalender erforderlich ist. Die Frage kann indes unbeantwortet bleiben. Denn nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Antragstellers, mit dem sich das Beschwerdegericht allerdings nicht befasst hat, lagen hinsichtlich der Eintragung der Fristen sowohl eine mündliche als auch schriftliche Einzelanweisung vor, die eine spätere Kontrolle entbehrlich machten.
15
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Eintragung der Frist im Fristenkalender grundsätzlich durch einen Erledigungsvermerk kenntlich zu machen (vgl. dazu insbesondere Beschlüsse vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02 - NJW 2003, 1815, 1816; vom 22. Januar 2008 - VI ZB 46/07 - NJW 2008, 1670, 1671 und vom 14. Juni 2006 - IV ZB 18/05 - NJW 2006, 2778, 2779). Allerdings ist ein bestimmtes Verfahren hinsichtlich der Fristwahrung weder vorgeschrieben noch allgemein üblich. Vielmehr steht es dem Rechtsanwalt grundsätzlich frei, auf welche Weise er sicherstellt, dass die Eintragung im Fristenkalender und die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig erfolgen (BGH Beschluss vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07 - juris Tz. 10). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe spricht vieles dafür, dass ein Rechtsanwalt seiner Organisationspflicht auch dann hinreichend Rechnung trägt, wenn er - wie hier - zwar nicht die Erstellung eines Erledigungsvermerkes verfügt, gleichwohl aber anordnet, die Frist erst in der Handakte zu notieren, nachdem sie im Fristenkalender eingetragen worden ist. Die Frage kann hier indes unbeantwortet bleiben.
16
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsanwalt jedenfalls grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete schriftliche Einzelanweisung befolgt, weshalb er im Allgemeinen nicht verpflichtet ist, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (BGH Beschlüsse vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07 - juris Tz. 7 f.; vom 23. November 2000 - IX ZB 83/00 - NJW 2001, 1578, 1579). In diesem Fall kommt es auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei nicht mehr an (BGH Beschluss vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07 - juris Tz. 7).
17
So liegt der Fall hier. Denn dem Vortrag des Antragstellers zufolge hat seine Verfahrensbevollmächtigte die Büroangestellte mündlich zum Eintrag der von ihr (der Verfahrensbevollmächtigten) mitgeteilten Fristen angewiesen und dies nochmals auf dem beiliegenden Verfügungszettel schriftlich vermerkt. Zwar ist es richtig, dass die Büroangestellte hinsichtlich der Ermittlung der Fristen ersichtlich unsicher war. Dem hat sie allerdings dadurch Rechnung getragen, dass sie die von ihr unzutreffend, nämlich zu kurz, ermittelte Frist vorläufig zur Sicherheit vermerkt hatte. Zudem handelt es sich nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts bei der Mitarbeiterin der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers um eine zuverlässig erprobte, sorgfältig überwachte und gut ausgebildete Angestellte. Demgemäß musste die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers auch nicht befürchten, dass ihre Mitarbeiterin die entsprechende Anweisung zur Eintragung der Fristen nicht ordnungsgemäß befolgen würde, zumal diese - wie dargetan - schriftlich auf dem Verfügungszettel vermerkt waren.
18
3. Dem Antragsteller war somit unter Aufhebung des Beschlusses des Beschwerdegerichts vom 26. Mai 2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde zu gewähren.
Damit ist der auf die Verwerfung der befristeten Beschwerde beruhende Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrags des Antragstellers ebenfalls die Grundlage entzogen.
Hahne Weber-Monecke Wagenitz Klinkhammer Schilling

Vorinstanzen:
AG Berlin-Pankow/Weißensee, Entscheidung vom 22.12.2008 - 17 F 6231/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 26.05.2009 - 13 UF 9/09 -