Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Feb. 2017 - XII ZB 465/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:150217BXIIZB465.15.0
bei uns veröffentlicht am15.02.2017
vorgehend
Amtsgericht Eilenburg, 2 XVII 205/13, 30.03.2015
Landgericht Leipzig, 1 T 432/15, 28.08.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 465/15
vom
15. Februar 2017
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Besondere und für die Betreuung nutzbare Kenntnisse im Sinne des § 4
Abs. 1 Satz 2 VBVG sind solche, die über das jedermann zu Gebote stehende
Wissen hinausgehen und den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben
zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen (im Anschluss
an Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2013 - XII ZB 429/13 - FamRZ
2014, 116).

b) Sind dem Betreuer die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge und der Vermögenssorge
übertragen, sind die im Kernbereich einer abgeschlossenen
Berufsausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten erworbenen
Kenntnisse regelmäßig für die Führung der Betreuung besonders nutzbar.
BGH, Beschluss vom 15. Februar 2017 - XII ZB 465/15 - LG Leipzig
AG Eilenburg
ECLI:DE:BGH:2017:150217BXIIZB465.15.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Februar 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 28. August 2015 aufgehoben. Auf die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts Eilenburg vom 30. März 2015 aufgehoben und die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Eilenburg vom 8. Januar 2014 zurückgewiesen. Die Rechtsmittelverfahren sind gerichtsgebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des weiteren Beteiligten zu 1 werden dem weiteren Beteiligten zu 2 auferlegt. Wert: 137 €

Gründe:

1
Die Rechtsbeschwerde, mit welcher der Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Betreuer) für die Zeit vom 13. April 2013 bis zum 12. Oktober 2013 die Festsetzung einer Betreuervergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 33,50 € statt der vom Beschwerdegericht zuerkannten 27 € erstrebt, ist begrün- det.
2
1. Die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass der Betreuer durch seine abgeschlossene Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten (Sozialversicherungskaufmann ) nur am Rande für die Betreuung nutzbare besondere Kenntnisse erworben habe, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Im Ansatz zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG ein erhöhter Stundensatz nicht bereits gerechtfertigt ist, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dadurch das erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht. Besondere und für die Betreuung nutzbare Kenntnisse im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG sind solche, die über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehen und den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2013 - XII ZB 429/13 - FamRZ 2014, 116 Rn. 12 mwN).
4
b) Das Beschwerdegericht hat den Begriff der "für die Betreuung nutzbaren" Kenntnisse verkannt und daher den Einzelfall im Ergebnis unzutreffend gewürdigt. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts zu den inhaltlichen Schwerpunkten der Ausbildung ist insbesondere davon auszugehen, dass der Betreuer im Kernbereich seiner Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten bei einer gesetzlichen Krankenkasse umfassende Einblicke in Organisationsstruktur und Leistungsspektrum der Sozialversicherung und vertiefte Rechtskenntnisse im Sozialrecht und im Verwaltungsverfahrensrecht erworben hat. Diese besonderen Kenntnisse sind jedenfalls dann für die Führung der Betreuung nutzbar, wenn dem Betreuer - wie im vorliegenden Fall - die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge und der Vermögenssorge übertragen sind. Personen , die in diesen Bereichen einer Betreuung bedürfen, benötigen häufig auch Unterstützung durch verschiedene Systeme der sozialen Sicherung. Ein entsprechend ausgebildeter Betreuer kann daher die Betreuung besser und effektiver erbringen als ein Betreuer ohne diese Kenntnisse. Die Annahme, die im Schwerpunkt auf diese Kenntnisse ausgerichtete Ausbildung habe nur am Rande betreuungsrelevante Kenntnisse vermittelt, kann deswegen keinen Bestand haben.
5
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist daher aufzuheben. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist der Senat auch zu einer abschließenden Entscheidung in der Sache in der Lage (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Be- deutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG). Dose Schilling Nedden-Boeger Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Eilenburg, Entscheidung vom 30.03.2015 - 2 XVII 205/13 -
LG Leipzig, Entscheidung vom 28.08.2015 - 1 T 432/15 -

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 74 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz - VBVG | § 4 Vergütung des Betreuers


(1) Die dem Betreuer nach § 1 Absatz 2 zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C der Anlage festgelegt sind. (2) Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach Vergütungstabelle

Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern


Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz - VBVG

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(1) Die dem Betreuer nach § 1 Absatz 2 zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C der Anlage festgelegt sind.

(2) Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach Vergütungstabelle A, sofern der Betreuer über keine besonderen Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind.

(3) Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so richtet sich die Vergütung

1.
nach Vergütungstabelle B, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind;
2.
nach Vergütungstabelle C, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.

(4) § 3 Absatz 2 gilt entsprechend. § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 findet keine Anwendung.

12
(1) Besondere und für die Betreuung nutzbare Kenntnisse im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG sind solche, die über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehen und den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen. Angesichts der Pflichten des Betreuers, auf den Willen des Betreuten einzugehen, um seine Wünsche zu erkennen und ihnen weitgehend zu entsprechen (§ 1901 Abs. 2, Abs. 3 BGB), sind unter anderem Fachkenntnisse, die den Umgang mit und das Verständnis für die besondere Situation von psychisch Kranken oder Behinderten fördern, als für die Betreuung nutzbar anzusehen.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.