Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2014 - XII ZB 405/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- In einem gegen die Betroffene als Beklagte geführten Zivilrechtsstreit hat das zuständige Amtsgericht R. deren Prozessfähigkeit untersuchen lassen. Das eingeholte Sachverständigengutachten hat zum Ergebnis, dass die Betroffene prozessunfähig sei. Das Amtsgericht hat daraufhin die Anordnung einer Betreuung für die Betroffene angeregt.
- 2
- Das Betreuungsgericht hat nach Bestellung eines Verfahrenspflegers und Einholung eines Sachverständigengutachtens mehrere Anhörungstermine anberaumt. Es hat schließlich ohne Anhörung durch Beschluss vom 17. Dezember 2013 eine Betreuung für den Aufgabenkreis der Vertretung im genann- ten Zivilverfahren angeordnet. Durch Beschluss vom 19. Dezember 2013 hat es die Betreuung auf einen weiteren Zivilrechtsstreit vor dem Amtsgericht P. erweitert. Gegen beide Beschlüsse hat die Betroffene Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat einen vom Berichterstatter als beauftragtem Richter durchzuführenden Anhörungstermin auf den 11. Juni 2014 in der Wohnung der Betroffenen bestimmt. Nachdem dort nicht geöffnet wurde und die Betroffene auf telefonische Anfrage des Verfahrenspflegers nicht bereit war, den Termin durchzuführen, wurde der Anhörungstermin beendet. Durch Beschluss vom selben Tag hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen, die die Aufhebung der Betreuung und - soweit die Zivilverfahren zwischenzeitlich beendet sind - die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Betreuungsbeschlüsse begehrt.
II.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie rügt mit Recht als verfahrensfehlerhaft , dass das Landgericht ohne persönliche Anhörung der Betroffenen entschieden hat.
- 4
- 1. Gemäß § 278 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor der (erstmaligen) Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Die Pflicht zur persönlichen Anhörung besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Allerdings darf das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von der persönlichen Anhörung absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, wovon offensichtlich auch das Beschwerdegericht ausgegangen ist.
- 5
- Zwar kann das Betreuungsgericht in bestimmten Fallkonstellationen das Verfahren nach § 34 Abs. 3 FamFG auch ohne persönliche Anhörung des Betroffenen beenden. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Anwendung dieser Vorschrift auch im Anwendungsbereich von § 278 FamFG nicht ausgeschlossen (Senatsbeschluss vom 2. Juli 2014 - XII ZB 120/14 - FamRZ 2014, 1543 Rn. 11 ff.). Da die Anhörung in Betreuungssachen aber nicht nur der Gewährung rechtlichen Gehörs, sondern auch der Sachverhaltsaufklärung dient, darf das Betreuungsgericht nach § 34 Abs. 3 FamFG grundsätzlich nur verfahren , wenn und soweit die gemäß § 278 Abs. 5 bis 7 FamFG zu Gebote stehende Vorführung des Betroffenen unverhältnismäßig ist und zudem alle zwanglosen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, den Betroffenen anzuhören bzw. sich von ihm einen persönlichen Eindruck zu verschaffen (Senatsbeschluss vom 2. Juli 2014 - XII ZB 120/14 - FamRZ 2014, 1543 Rn. 16 ff.).
- 6
- 2. Gemessen daran kann das Verfahren des Beschwerdegerichts keinen Bestand haben. Zwar hat das Landgericht einen Termin zur Anhörung in der Wohnung der Betroffenen bestimmt und damit einen Versuch unternommen, die Betroffene nach § 278 Abs. 1 Satz 3 FamFG in ihrer üblichen Umgebung anzuhören. Selbst wenn man das von der Rechtsbeschwerde in Abrede gestellte unentschuldigte Ausbleiben der Betroffenen zu diesem Termin unterstellt, durfte das Landgericht aber noch nicht ohne Weiteres in der Sache entscheiden. Dem angefochtenen Beschluss lassen sich keine Erwägungen dazu entnehmen , dass eine Vorführung der Betroffenen nach § 278 Abs. 5 bis 7 FamFG etwa unverhältnismäßig und mithin unzulässig gewesen wäre (vgl. Fröschle FamRZ 2014, 1545, 1546). Damit hat das Landgericht nicht alle zu Gebote stehenden Mittel genutzt, um die zur Sachverhaltsaufklärung erforderliche Anhö- rung zu ermöglichen. Schließlich ergibt sich aus dem angefochtenen Beschluss auch nicht, dass die Betroffene auf die Folgen des unentschuldigten Fernbleibens hingewiesen worden ist (§ 34 Abs. 3 Satz 2 FamFG).
- 7
- 3. Da sich nicht ausschließen lässt, dass das Landgericht nach Anhörung der Betroffenen zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Die hilfsweise beantragte Entscheidung nach § 62 FamFG kann mangels einer im Rechtsbeschwerdeverfahren feststellbaren Erledigung nicht ergehen. Die Sache ist deswegen an das Landgericht zurückzuverweisen , das, falls keine Erledigung eingetreten ist, einen erneuten Termin zur Anhörung der Betroffenen zu bestimmen hat.
Vorinstanzen:
AG Pirmasens, Entscheidung vom 19.12.2013 - 1 XVII 419/13 -
LG Zweibrücken, Entscheidung vom 11.06.2014 - 4 T 52/14 -
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Annotations
(1) Das Gericht hat einen Beteiligten persönlich anzuhören,
- 1.
wenn dies zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beteiligten erforderlich ist oder - 2.
wenn dies in diesem oder in einem anderen Gesetz vorgeschrieben ist.
(2) Die persönliche Anhörung eines Beteiligten kann unterbleiben, wenn hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder der Beteiligte offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun.
(3) Bleibt der Beteiligte im anberaumten Anhörungstermin unentschuldigt aus, kann das Verfahren ohne seine persönliche Anhörung beendet werden. Der Beteiligte ist auf die Folgen seines Ausbleibens hinzuweisen.
(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.
(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.
(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:
- 1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder - 3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(1) Das Gericht hat einen Beteiligten persönlich anzuhören,
- 1.
wenn dies zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beteiligten erforderlich ist oder - 2.
wenn dies in diesem oder in einem anderen Gesetz vorgeschrieben ist.
(2) Die persönliche Anhörung eines Beteiligten kann unterbleiben, wenn hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder der Beteiligte offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun.
(3) Bleibt der Beteiligte im anberaumten Anhörungstermin unentschuldigt aus, kann das Verfahren ohne seine persönliche Anhörung beendet werden. Der Beteiligte ist auf die Folgen seines Ausbleibens hinzuweisen.
(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.
(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn
(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.