Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juni 2011 - XII ZB 363/10

bei uns veröffentlicht am01.06.2011
vorgehend
Landgericht Hamburg, 316 O 253/09, 20.04.2010
Hanseatisches Oberlandesgericht, 4 W 105/10, 29.06.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 363/10
vom
1. Juni 2011
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Juni 2011 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne und die Richter Weber-Monecke, Dose,
Dr. Klinkhammer und Dr. Günter

beschlossen:
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 29. Juni 2010 aufgehoben. Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Rechtspflegers der 16. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 20. April 2010 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers der 16. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 25. Februar 2010 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Die auf Grund des Beschlusses des Landgerichts Hamburg - 316 O 253/09 - vom 18. November 2009 von den Klägern an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 347,22 € nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 23. Dezember 2009. 2. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. 3. Beschwerdewert: 408 €.

Gründe:

I.

1
Die Kläger begehren im Kostenfestsetzungsverfahren gegen die Beklagte im Wege der Nachfestsetzung den Ansatz der ungeminderten Verfahrensgebühr.
2
Das Klagverfahren wurde im Juli 2009 eingeleitet und durch Vergleich beendet. Mit Beschluss vom 18. November 2009 hat das Landgericht den Klägern 2/3 und der Beklagten 1/3 der Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 150.000 € festgesetzt.
3
Nachdem im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. Februar 2010 entsprechend dem Antrag der Kläger lediglich eine 0,65-Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht wurde, haben sie die Nachfestsetzung auf eine 1,3-Verfahrensgebühr beantragt. Diesen Antrag hat der Rechtspfleger des Landgerichts zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Beschluss mit der Begründung bestätigt, der Rechtspfleger habe die zusätzlich geltend gemachte 0,65-Verfahrensgebühr zu Recht nicht berücksichtigt, weil die Geschäftsgebühr teilweise anzurechnen und § 15 a RVG auf den vorliegenden Fall, einen sogenannten Altfall, nicht anzuwenden sei.
4
Hiergegen wenden sich die Kläger mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

5
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft. An die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig.
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
7
a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht allerdings davon ausgegangen, dass auch bei einem rechtskräftigen Kostenfestsetzungsbeschluss eine Nachfestsetzung möglich ist, wenn ein bisher nicht begehrter Posten - wie hier die 0,65-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG - erstmals geltend gemacht wird. Die Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses bezieht sich nur auf die im Antrag geforderten und im Beschluss beschiedenen Beträge und steht daher einer Nachfestsetzung nicht entgegen (BGH Beschluss vom 28. Oktober 2010 - VII ZB 15/10 - AGS 2010, 580, 581 f. mwN).
8
b) Die Rechtsbeschwerde führt aber zur Abänderung der Entscheidung des Oberlandesgerichts und Nachfestsetzung. Die 0,65-Verfahrensgebühr wurde zu Unrecht nicht berücksichtigt.
9
Der Senat hat in Übereinstimmung mit dem II. Zivilsenat (BGH Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07 - ZIP 2009, 1927, 1928) wiederholt entschieden , dass die Vorschrift des § 15 a RVG eine bloße Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage darstellt, so dass die Vorschrift auch insogenannten Altfällen, also Verfahren, in denen die Auftragserteilung des Erstattungsberechtigten an seinen Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten vor Inkrafttreten der Vorschrift am 5. August 2009 erfolgt war, Anwendung findet (Senatsbeschlüsse vom 7. Juli 2010 - XII ZB 79/10 - AGS 2010, 460, 461; vom 23. Juni 2010 - XII ZB 58/10 - FamRZ 2010, 1431 Rn. 6; vom 31. März 2010 - XII ZB 230/09 - AGS 2010, 256, 257 und XII ZB 20/10 - juris Rn. 6; vom 24. März 2010 - XII ZB 227/09 - FamRZ 2010, 1068 Rn. 6; vom 3. Februar 2010 - XII ZB 177/09 - FamRZ 2010, 806 Rn. 10 und vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07 - FamRZ 2010, 456 Rn. 15 ff. mwN). Dieser Auffassung hat sich inzwischen die überwiegende Zahl der Zivilsenate des Bundesgerichtshofs angeschlossen (vgl. BGH Beschlüsse vom 7. Februar 2011 - I ZB 95/09 - Magazindienst 2011, 313 Rn. 10; vom 15. September 2010 - IV ZB 5/10 - AGS 2010, 474, 475; IV ZB 41/09 - AGS 2010, 475, 476 und IV ZIV ZB 3/08 - juris Rn. 9; vom 17. Juni 2010 - V ZB 176/09 - AGS 2010, 459, 460; vom 29. April 2010 - V ZB 38/10 - AGS 2010, 263 f.; vom 7. Dezember 2010 - VI ZB 45/10 - AGS 2011, 6, 7; vom 19. Oktober 2010 - VI ZB 26/10 - juris Rn. 8; vom 28. Oktober 2010 - VII ZB 15/10 - AGS 2010, 580, 581; VII ZB 99/09 - JurBüro 2011, 78 und VII ZB 55/09 - juris Rn. 5; vom 14. September 2010 - VIII ZB 33/10 - AGS 2010, 473, 474; vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10 - AnwBl. 2010, 878 Rn. 10; vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08 - AGS 2010, 159 und vom 28. September 2010 - XI ZB 7/10 - juris Rn. 8; offen gelassen: BGH Beschlüsse vom 9. September 2009 - Xa ZB 2/09 - FamRZ 2009, 2082 Rn. 7 und vom 29. September 2009 - X ZB 1/09 - NJW 2010, 76 Rn. 25).
10
Der vorliegende Sachverhalt gibt keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Mit den vom Oberlandesgericht für seine gegenteilige Rechtsauffassung angeführten Argumenten hat sich der Senat bereits in seinen vorstehend genannten Beschlüssen befasst.
11
c) Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO in der Sache abschließend zu entscheiden. Nachdem auch keiner der Ausnahmefälle des § 15 a Abs. 2 RVG ersichtlich ist, ist die 1,3-Verfahrensgebühr in voller Höhe zu berücksichtigen.
12
Die von den Klägern der Beklagten zu erstattenden Kosten sind somit auf insgesamt 347,22 € nebst Zinsen festzusetzen.
Hahne Weber-Monecke Dose Klinkhammer Günter
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 20.04.2010 - 316 O 253/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 29.06.2010 - 4 W 105/10 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 247 Basiszinssatz


#BJNR001950896BJNE024003377 (1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gef

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Tenor 1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schopfheim vom 08.09.2014, Az. 1 C 166/12 WEG, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor klarstellend wie folgt gefasst wird:Die vom Kläger an die Beklagten

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*

(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.

(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 15/10
vom
28. Oktober 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Auch in Altfällen ist eine Geschäftsgebühr nur unter den Voraussetzungen
des § 15a Abs. 2 RVG auf die Verfahrensgebühr anzurechen (im Anschluss
an BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, FamRZ 2010,
456).

b) Die Rechtskraft einer Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren über
einen Antrag, mit dem eine Verfahrensgebühr unter hälftiger Anrechnung
der Geschäftsgebühr geltend gemacht worden ist, steht einer Nachfestsetzung
der restlichen Verfahrensgebühr nicht entgegen.
BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - VII ZB 15/10 - OLG Dresden
LG Chemnitz
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Oktober 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Bauner, Dr. Eick,
Halfmeier und Leupertz

beschlossen:
Auf die Beschwerden des Klägers werden der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Februar 2010 und der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 21. Januar 2010 aufgehoben. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Chemnitz vom 10. Dezember 2008 sind als Nachfestsetzung zum Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Chemnitz vom 12. Februar 2009 von dem Beklagten an den Kläger weitere Kosten in Höhe von 318,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. November 2009 zu erstatten. Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Wert des Beschwerdegegenstandes: 318,68 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger hat den Beklagten auf Zahlung von Kostenvorschuss in Anspruch genommen. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zah- lung von 7.691,49 € nebst Zinsen verurteilt und ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Kläger lediglich eine um die 0,65-fache Geschäftsgebühr ermäßigte Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht. Das Landgericht hat entsprechend entschieden. Am 5. November 2009 hat der Kläger einen Nachfestsetzungsantrag gestellt und darin die Festsetzung der restlichen Verfahrensgebühr von 318,68 € geltend gemacht, weil die Anrechnung der Geschäftsgebühr zu Unrecht erfolgt sei. Das Landgericht hat den Antrag abgelehnt. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die von ihm zugelassene Rechtsbeschwerde des Klägers, der seinen Antrag weiterverfolgt.

II.

2
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
3
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Nachfestsetzung sei unzulässig, da ihr die materielle Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses vom 12. Februar 2009 entgegenstehe. Das Landgericht habe über die Verfahrensgebühr rechtskräftig entschieden. Daran ändere nichts, dass der Kläger seinerzeit nur die Kosten der ermäßigten Verfahrensgebühr geltend gemacht habe. Mehr habe ihm nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zugestanden. Das Landgericht habe also nicht nur über einen Teil der Verfahrensgebühr entschieden, sondern über den Erstattungsanspruch in voller Höhe, so wie er dem Kläger zugestanden habe. Demnach bleibe kein Rest, der von den Wirkungen der Rechtskraft ausgenommen und daher einer Nachfestsetzung zugänglich wäre.
4
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Nachfestsetzungsantrag ist begründet. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr findet nicht statt (a). Einer Nachfestsetzung steht die Rechtskraft des Beschlusses des Landgerichts Chemnitz vom 12. Februar 2009 nicht entgegen (b).
5
a) Der Bundesgerichtshof hat bis zur Einführung des § 15a RVG durch Artikel 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 entschieden, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV Nr. 3100 auch im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen sei (vgl. grundlegend BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323).
6
Nach Inkrafttreten des § 15a RVG vertreten alle mit der Entscheidung befassten Senate des Bundesgerichtshofs teilweise unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtsprechung die Auffassung, dass durch § 15a RVG lediglich eine Klarstellung der bisherigen Rechtslage erfolgt ist (BGH, Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn. 8; Beschluss vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, FamRZ 2010, 456 Rn. 16; Beschluss vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, AGS 2010, 159 Rn. 6; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, AGS 2010, 263 Rn. 8; Beschluss vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10, bei juris). Danach findet auch für Kostenfestsetzungen vor Inkrafttreten dieser Norm eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur unter den in § 15a Abs. 2 RVG genannten Voraussetzungen statt. Der VII. Zivilsenat schließt sich dieser Rechtsprechung an und nimmt zur Begründung Bezug auf die Entscheidung des XII. Zivilsenats vom 9. Dezember 2009 (XII ZB 175/07, aaO).
7
b) Danach ist auf den Nachfestsetzungsantrag des Klägers eine weitere Verfahrensgebühr in Höhe von 318,68 € nebst Zinsen festzusetzen. Dieser Festsetzung steht nicht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts vom 12. Februar 2009 entgegen.
8
Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass Kostenfestsetzungsbeschlüsse der materiellen Rechtskraft fähig sein können (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2003 - V ZB 51/02, NJW 2003, 1462). Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme, über den im Nachfestsetzungsverfahren geltend gemachten Teil der Verfahrensgebühr sei bereits entschieden. Dieser war nicht Gegenstand der Entscheidung vom 12. Februar 2009.
9
aa) Die Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses bezieht sich nur auf die im Antrag geforderten und im Beschluss beschiedenen Beträge. Eine Nachforderung eines bislang nicht geltend gemachten Teils bezüglich desselben Postens hindert sie grundsätzlich nicht (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 103 Rn. 12; PG/K. Schmidt, ZPO, 2. Aufl., § 103 Rn. 27; MünchKommZPO/Giebel, 3. Aufl., § 104 Rn. 128 f.; vgl. OLG Stuttgart, MDR 2009, 1136, zur Nachfestsetzung der Umsatzsteuer; BVerfG, Rpfleger 1995, 476, zur Nachfestsetzung der Erhöhungsgebühr für Mehrvertretung). Dies deckt sich auch mit dem allgemeinen Verständnis der Rechtskraftwirkung bei offenen (BGH, Urteil vom 30. Januar 1985 - IVb ZR 67/83, BGHZ 93, 330) und verdeckten Teilklagen (BGH, Urteil vom 9. April 1997 - IV ZR 113/96, BGHZ 135, 178). Danach ergreift die Rechtskraft des Urteils nur den geltend gemachten Anspruch im beantragten Umfang; eine Erklärung des Klägers, er behalte sich darüber hinausgehende Ansprüche vor, ist nicht erforderlich. Soweit ein Antrag nur beschränkt geltend gemacht worden ist, ist grundsätzlich über den überschießenden Teil nicht entschieden.
10
bb) Soweit in der Rechtsprechung von diesen Grundsätzen Ausnahmen gemacht worden sind (vgl. dazu BGH, Urteil vom 9. April 1997 - IV ZR 113/96, BGHZ 135, 178, 182 m.w.N.), handelt es sich um besonders gelagerte Sachverhalte , deren Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Kläger hat insbesondere durch seinen Antrag nicht zum Ausdruck gebracht, dass er eine abschließende, eine Nachforderung ausschließende Entscheidung über die Berücksichtigung der Verfahrensgebühr nur in gekürztem Umfang haben wollte. Allein der Umstand , dass er auf der Grundlage der damals gefestigten Rechtsprechung davon ausging, ihm stünde nur eine gekürzte Gebühr zu, rechtfertigt diese Annahme nicht. Etwas anderes kann auch nicht aus der Entscheidung des V. Zivilsenats vom 16. Januar 2003 (V ZB 51/02, NJW 2003, 1462) hergeleitet werden. Diese Entscheidung befasst sich lediglich mit der Auslegung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses hinsichtlich des Zinsanspruchs und kann zu der hier entscheidungserheblichen Frage nichts beitragen.
11
cc) Der Kläger hat von vornherein nur eine um die hälftige Geschäftsgebühr gekürzte Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht. Das Landgericht hat demgemäß auch nur darüber entschieden, dass dem Kläger eine Verfahrensgebühr in dieser Höhe zusteht. Eine Entscheidung über die Frage, ob dem Kläger eine höhere Verfahrensgebühr zusteht, hat es nicht getroffen. Demgemäß hat es auch über die höhere Verfahrensgebühr nicht rechtskräftig entschieden. Eine Nachfestsetzung des Teils der Verfahrensgebühr, über die im Kostenfestsetzungsverfahren nicht entschieden worden ist, weil eine anteilige Geschäftsgebühr von vornherein im Antrag abgezogen worden ist, ist danach möglich (vgl. auch N. Schneider, FamRZ 2009, 1823, 1824; Hansens, RVG-Report 2009, 354, 355; ders. RVG-Report 2009, 417, 418; Thiel, AGS 2010, 308).
12
3. Die angefochtenen Beschlüsse sind danach aufzuheben. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO), entscheidet der Senat selbst und gibt dem Nachfestsetzungsantrag in beantragter Höhe statt.
13
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Kniffka Bauner Eick Halfmeier Leupertz
Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 21.01.2010 - 2 O 2043/06 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 16.02.2010 - 3 W 170/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 35/07
vom
2. September 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
RVG § 15 a, RVG VV Vorb. 3 Abs. 4 VV; ZPO § 91
Der Gesetzgeber hat durch die Einfügung von § 15 a Abs. 1 RVG (Art. 7 Abs. 4
Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen
Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie
zur Änderung sonstiger Vorschriften, BGBl I S. 2449) die bereits unter Geltung
des § 118 BRAGO und nachfolgend unter Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG bestehende Gesetzeslage
klargestellt. Die Anrechnungsvorschrift wirkt sich danach grundsätzlich
im Verhältnis zu Dritten, damit insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht
aus. Im Kostenfestsetzungsverfahren musste und muss eine Verfahrensgebühr, von
den in § 15 a Abs. 2 RVG geregelten Ausnahmen abgesehen, stets auch dann in
der geltend gemachten Höhe festgesetzt werden, wenn für den Bevollmächtigten
des Erstattungsberechtigten eine Geschäftsgebühr entstanden ist.
BGH, Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 2. September 2009
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer,
Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Löffler

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. Oktober 2007 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Beschwerdewert: 676,52 €

Gründe:


I.

1
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. August 2007 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts die von den (vollumfänglich) unterlegenen Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 3.073,84 € festgesetzt. In diesem Betrag ist u.a. die von der Klägerin für ihren Bevollmächtigten geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG in voller Höhe berücksichtigt. Dagegen wenden sich die Beklagten mit der Begründung, wegen der vorgerichtlichen Tätigkeit des Bevollmächtigten der Klägerin und der dadurch entstandenen 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG sei im Hinblick auf die Anrechnungsregelung in Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG die Verfahrensgebühr nur in Höhe von 0,55 entstanden und nur in dieser Höhe festsetzbar.
2
Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.

3
Die statthafte und frist- und formgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Beklagten (§§ 574 Abs. 1 Nr. 2, 575 ZPO) hat in der Sache keinen Erfolg. Die Rechtspflegerin hat zu Recht die von den Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 3.073,84 € festgesetzt und dabei die Verfahrensgebühr des Bevollmächtigten der Klägerin in der geltend gemachten Höhe von 1,3 Gebühren trotz der unstreitig entfalteten außergerichtlichen Tätigkeit des Bevollmächtigten berücksichtigt.
4
1. Die Beklagten stützen - vor allem im Rechtsbeschwerdeverfahren - ihre Ansicht auf die neuere Rechtsprechung einiger Senate des Bundesgerichtshofs. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung mit Beschluss vom 22. Januar 2008 (VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323 ff.) - abweichend von der bis dahin feststehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (Beschl. v. 20. Oktober 2005 - I ZB 21/05, NJWRR 2006, 501; v. 27. April 2006 - VII ZB 116/05, NJW 2006, 2560 und v. 30. Januar 2007 - X ZB 7/06, NJW 2007, 3289) und ohne sich mit ihr auseinanderzusetzen - entschieden, dass in einem Fall wie dem vorliegenden die Verfahrensgebühr nur in Höhe von 0,55 festgesetzt werden könne, da sie im Hinblick auf die vorgerichtliche Tätigkeit des Bevollmächtigten und die Anrechnungsregelung in Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG überhaupt nur in dieser Höhe "entstehe". Dem haben sich mehrere Senate des Bundesgerichtshofs ohne eigene Begründung angeschlossen.
5
Diese Rechtsprechung ist im Schrifttum ganz überwiegend und z.T. auch in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung auf - teilweise heftige - Kritik gestoßen (s. nur Schons, AnwBl. 2008, 356; Hansen, RVG-Report 2008, 121; Junglas, NJOZ 2008, 2707; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 18. Aufl. VV 3100 Rdn. 217; Bericht der Gebührenreferenten der RAK, RVG-Report 2008, 210; KG JurBüro 2008, 304; AnwBl. 2009, 236). Selbst der Petitionsausschuss des Bundestages hat den Gesetzgeber aufgefordert, tätig zu werden.
6
2. Den erkennenden Senat überzeugt die Ansicht des VIII. Zivilsenats nicht. Ohne die gegen diese Lösung des Anrechnungsproblems anzuführenden systematischen, teleologischen und sprachlichen Argumente im Einzelnen darzustellen , vermag der Senat ihr nicht zuletzt im Hinblick auf die teilweise zu Recht als katastrophal bezeichneten Folgen aber auch, weil er sie aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht abzuleiten vermag, nicht zu folgen.
7
Statt im Hinblick auf seine abweichende Meinung den Großen Senat für Zivilsachen anzurufen, hat der Senat die Bearbeitung des vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahrens zurückgestellt, nachdem der Gesetzgeber die vom VIII. Zivilsenat begründete Rechtsprechung zum Anlass für eine klarstellende Änderung des RVG genommen hat. Das Gesetzgebungsverfahren hat am 4. August 2009 durch Verkündung des § 15 a RVG (Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht , zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften) im Bundesgesetzblatt (BGBl I S. 2449) sein Ende gefunden. § 15 a RVG ist gemäß Art. 10 Satz 2 dieses Gesetzes am Tag nach der Verkündung (5. August 2009) in Kraft getreten.
8
Mit dem neu eingefügten § 15 a RVG hat der Gesetzgeber das RVG nicht geändert, sondern lediglich die seiner Ansicht nach bereits vor Einfügung von § 15 a RVG bestehende Gesetzeslage in dem Sinne, wie auch der erkennende Senat sie verstanden hat, klargestellt, derzufolge sich die Anrechnung gemäß Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG grundsätzlich im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht auswirkt. Die Anrechnungsvorschrift betrifft vielmehr grundsätzlich nur das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant. In der Kostenfestsetzung musste und muss daher eine Verfahrensgebühr auch dann in voller Höhe festgesetzt werden, wenn für den Bevollmächtigten eine Geschäftsgebühr entstanden ist. Sichergestellt wird durch § 15 a Abs. 2 RVG lediglich, dass ein Dritter nicht über den Betrag hinaus auf Ersatz und Erstattung in Anspruch genommen werden kann, den der Anwalt von seinem Mandanten verlangen kann (siehe hierzu BT-Drucks. 16/12717 S. 2 und S. 67 f.; Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 5. April 2009; ebenso OLG Stuttgart, Beschl. v. 11. August 2009 - 8 W 339/09, juris Tz. 10; OLG Dresden, Beschl. v. 13. August 2009 - 3 W 0793/09, n.v.; OVG Münster, Beschl. v. 11. August 2009 - 4 E 1609/09, juris Tz. 9 ff.; Kallenbach, AnwBl. 2009, 442; Schons, AGS 2009, 216, 217; Hansens, RVG-Report 2009, 241, 246; ders. AnwBl. 2009, 535 ff.).
9
3. Da - unstreitig - keiner der Anwendungsfälle des § 15 a Abs. 2 RVG vorliegt, hat die Rechtspflegerin die Verfahrensgebühr mit Recht in voller Höhe festgesetzt.
Goette Kraemer Strohn Caliebe Löffler
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 02.08.2007 - 12 O 101/07 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 01.10.2007 - 8 W 380/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 79/10
vom 7. Juli 2010
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juli 2010 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke sowie die Richter
Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Günter

beschlossen:
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 30. Dezember 2009 aufgehoben. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Hildesheim vom 6. November 2009 wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. 3. Beschwerdewert: bis 600 €

Gründe:

I.

1
Die Beklagten begehren im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den Kläger den Ansatz der ungeminderten Verfahrensgebühr.
2
Das Oberlandesgericht hat den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts, welcher die von den Beklagten für ihren erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten geltend gemachte 1,3- zzgl. 0,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100, 1008 VV RVG) in voller Höhe berücksichtigt, auf die so- fortige Beschwerde des Klägers hin aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Denn gemäß Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG sei hier auf die Verfahrensgebühr zum Teil die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr (Nr. 2300, 1008 VV RVG) anzurechnen. Mangels Anwendbarkeit auf Altfälle habe an dieser Rechtslage auch die zwischenzeitlich erfolgte Einführung des § 15 a RVG nichts geändert.
3
Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. An ihre Zulassung durch das Oberlandesgericht ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

III.

5
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Rechtspflegerin des Landgerichts vom 6. November 2009. Das Oberlandesgericht hat die geltend gemachte Verfahrensgebühr (Nr. 3100, 1008 VV RVG) zu Unrecht nicht in voller Höhe berücksichtigt.
6
1. Der erkennende Senat hat in Übereinstimmung mit dem II. Zivilsenat (vgl. BGH Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07 - ZIP 2009, 1927, 1928) wiederholt entschieden, dass die Vorschrift des § 15 a RVG eine bloße Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage darstellt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07 - FamRZ 2010, 456 Tz. 15 ff. m.w.N., vom 3. Februar 2010 - XII ZB 177/09 - AGS 2010, 106 f.; vom 31. März 2010 - XII ZB 230/09 - AGS 2010, 256 und vom 31. März 2010 - XII ZB 20/10 - zur Veröffentlichung bestimmt). Dieser Auffassung hat sich zwischenzeitlich auch der IX. Zivilsenat angeschlossen (vgl. BGH Beschluss vom 11. März 2010 - XI ZB 82/08 - AGS 2010, 159).
7
2. Der vorliegende Sachverhalt gibt keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Mit den vom Oberlandesgericht für seine gegenteilige Rechtsauffassung angeführten Argumenten hat sich der Senat bereits in seinen vorstehend genannten Beschlüssen ausführlich befasst.
8
Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden. Nachdem keiner der Ausnahmefälle des § 15 a Abs. 2 RVG ersichtlich ist, ist die Verfahrensgebühr in voller Höhe zu berücksichtigen. Die von dem Kläger den Beklagten zu erstattenden Kosten sind somit wie im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. November 2009 erfolgt, festzusetzen. Hahne Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Günter
Vorinstanzen:
LG Hildesheim, Entscheidung vom 06.11.2009 - 3 O 35/09 -
OLG Celle, Entscheidung vom 30.12.2009 - 2 W 363/09 -
6
1. Der erkennende Senat hat in Übereinstimmung mit dem II. Zivilsenat (vgl. BGH-Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07 - ZIP 2009, 1927, 1928) wiederholt entschieden, dass die Vorschrift des § 15 a RVG eine bloße Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage darstellt. Folglich findet diese - gemäß Art. 10 des am 4. August 2009 verkündeten Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449) am Tag nach der Verkündung in Kraft getretene - Bestimmung auch Anwendung, wenn die Auftragserteilung des Erstattungsberechtigten an seinen Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten vor dem 5. August 2009 erfolgt war (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07 - FamRZ 2010, 456 Tz. 15 ff. m.w.N., vom 3. Februar 2010 - XII ZB 177/09 - FamRZ 2010, 806 Tz. 10 ff.; vom 31. März 2010 - XII ZB 230/09 - AGS 2010, 256 und vom 31. März 2010 - XII ZB 20/10 - zur Veröffentlichung bestimmt). Dieser Auffassung hat sich zwischenzeitlich auch der IX. Zivilsenat angeschlossen (vgl. BGH Beschluss vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08 - AGS 2010, 159).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 230/09
vom
31. März 2010
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. März 2010 durch den
Richter Dose, die Richterin Dr. Vézina, sowie die Richter Dr. Klinkhammer,
Schilling und Dr. Günter

beschlossen:
I. Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. November 2009 teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst: 1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Münster vom 6. Mai 2009 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Die auf Grund des Urteils des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Juli 2008 - 30 U 32/08 - von den Beklagten gesamtschuldnerisch an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 8.307,30 € - darin enthalten sind Gerichtskosten in Höhe von 2.839,00 € - nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 1. August 2008. 2. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen. 3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Klägerin zu 2/3 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 1/3 zu tragen.
II. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen. III. Beschwerdewert: 633 €.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin begehrt im Kostenfestsetzungsverfahren gegen die Beklagten noch den Ansatz der ungeminderten Verfahrensgebühr.
2
Rechtspfleger und Oberlandesgericht haben die von der Klägerin für ihre erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) nicht in voller Höhe berücksichtigt. Denn gemäß Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG sei hier auf die Verfahrensgebühr die halbe vorgerichtlich entstandene 1,3-Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) anzurechnen. Daran habe die zwischenzeitlich erfolgte Einführung des § 15 a RVG nichts geändert, denn diese Vorschrift stelle eine Gesetzesänderung dar und finde augrund der zumindest entsprechend heranzuziehenden Überleitungsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG auf Altfälle keine Anwendung.
3
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. Das Oberlandesgericht hat sie wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Daran ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

III.

5
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet, denn das Oberlandesgericht hat die geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) zu Unrecht nicht in voller Höhe berücksichtigt.
6
1. Der erkennende Senat hat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung in Übereinstimmung mit dem II. Zivilsenat (vgl. BGH Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07 - ZIP 2009, 1927, 1928) wiederholt entschieden , dass die Vorschrift des § 15 a RVG eine bloße Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage darstellt. Folglich findet diese - gemäß Art. 10 des am 4. August 2009 verkündeten Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449) am Tag nach der Verkündung in Kraft getretene - Bestimmung auch Anwendung, wenn die Auftragserteilung des Erstattungsberechtigten an seinen Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten vor dem 5. August 2009 erfolgt war (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07 - FamRZ 2010, 456 Tz. 15 ff. m.w.N. und vom 3. Februar 2010 - XII ZB 177/09 - zur Veröffentlichung bestimmt m.w.N.).
7
2. Der vorliegende Sachverhalt gibt dem Senat keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Mit den vom Oberlandesgericht für seine gegenteilige Rechtsauffassung angeführten Argumenten, namentlich der Frage der Anwendbarkeit des § 60 Abs. 1 RVG und der aufgeworfenen Rückwirkungsproblematik , hat sich der Senat bereits in seinen vorstehend genannten Beschlüssen ausführlich befasst.
8
Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden. Nachdem keiner der Ausnahmefälle des § 15 a Abs. 2 RVG ersichtlich ist, ist die Verfahrensgebühr antragsgemäß in voller Höhe zu berücksichtigen. Die von den Beklagten der Klägerin zu erstattenden Kosten sind somit auf insgesamt 8.307,30 € nebst Zinsen festzusetzen.
9
Die Kostenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1 ZPO. Danach sind der Klägerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem Oberlandesgericht insoweit aufzuerlegen, als sie ihre Beschwerde bezüglich der geltend gemachten Umsatzsteuer zurückgenommen hatte und das Rechtsmittel darüber hinaus hinsichtlich des Ansatzes weiterer Gerichtskosten zurückgewiesen worden ist.
Dose Vézina Klinkhammer Schilling Günter

Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 06.05.2009 - 2 O 528/06 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 06.11.2009 - I-25 W 486/09 -
10
a) Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, die durch die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten im Verfügungsverfahren entstanden ist, ist im Kostenfestsetzungsverfahren in voller Höhe in Ansatz zu bringen und nicht aufgrund der Regelung in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG über die hälftige Anrechnung der wegen desselben Gegenstands entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zu kürzen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 5/10
vom
15. September 2010
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf,
die Richter Felsch und Lehmann
am 15. September 2010

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Würzburg vom 11. März 2010 aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 4. November 2009 geändert. Die vom Kläger aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Würzburg vom 30. April 2009 an den Beklagten zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 919,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 12. Mai 2009.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Kläger.
Beschwerdewert: 232,83 €

Gründe:


1
Der I. Beklagte begehrt im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den Kläger den Ansatz einer ungeminderten Verfahrensgebühr.
2
Der Kläger hat nach dem klagabweisenden Urteil des Amtsgerichts die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Beklagte begehrte mit einem am 12. Mai 2009 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag die Festsetzung einer 1,3-Verfahrensgebühr nach § 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 4.655,08 €. Da der Prozessbevollmächtigte für den Beklagten bereits außergerichtlich tätig war, brachte die Rechtspflegerin eine hierdurch angefallene 1,3-Geschäftsgebühr nach §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG unter Berufung auf Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zur Hälfte bei der Verfahrensgebühr in Abzug. Die dem Beklagten zu erstattenden außergerichtlichen Kosten wurden auf 686,45 € festgesetzt.
3
Der vom Beklagten gegen diesen Beschluss eingelegten sofortigen Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen. Das Landgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser erstrebt der Beklagte die uneingeschränkte Berücksichtigung der geltend gemachten Verfahrensgebühr.
4
II.DasBeschwerdegeric ht meint, eine entstandene außergerichtliche Geschäftsgebühr sei teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen, soweit es sich um denselben Gegenstand handle. § 15a Abs. 2 RVG sei gemäß dem in § 60 Abs. 1 RVG bestimmten Grundsatz dagegen auf Altfälle nicht anzuwenden, denn die Regelung enthalte nicht nur eine Klarstellung, sondern sei als Gesetzesänderung anzusehen. Sie sei eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, deren Auswirkungen für die Zukunft korrigiert werden sollten, und verhindere - erstmals - unerwünschte Auswirkungen einer Anrechnung.
5
Das III. hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen (§ 575 ZPO) zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
6
1. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, die durch die Tätigkeit des Anwalts im Rechtsstreit entstanden ist, ist im Verfahren der Kostenfestsetzung in voller Höhe in Ansatz zu bringen und nicht auf Grund der Vorschrift in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG über die hälftige Anrechnung der wegen desselben Gegenstands entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zu kürzen.
7
Diese Regelung zur Anrechnung der Geschäftsgebühr betrifft lediglich das Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten und wirkt sich daher im Verhältnis zu Dritten - also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren - grundsätzlich nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, AGS 2010, 263 f.; vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, AGS 2010, 159 und vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375 Rn. 16). Eine Anrechnung findet im Rahmen der Kostenfestsetzung allein in den Fällen statt, die nunmehr in § 15a Abs. 2 RVG gesetzlich geregelt sind.
8
§ 15a RVG stellt nur eine bloße Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage dar und findet somit auch dann Anwendung, wenn die Auftragserteilung des Erstattungsberechtigten an seinen Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten vor dem 5. August 2009 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift - erfolgte. Dies hat der XII. Zivilsenat im Beschluss vom 9. Dezember 2009 (aaO Rn. 15 ff.) im Einzelnen dargelegt; dem tritt der erkennende Senat bei (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 28. Juli 2010 - XII ZB 251/10 Rn. 6; vom 7. Juli 2010 - XII ZB 79/10 Rn. 6; vom 23. Juni 2010 - XII ZB 58/10 Rn. 6; vom 17. Juni 2010 - V ZB 176/09 Rn. 5; vom 29. April 2010 aaO; vom 31. März 2010 - XII ZB 20/10 Rn. 6 f.; vom 31. März 2010 - XII ZB 230/09, AGS 2010, 256 f.; vom 11. März 2010 aaO und vom 3. Februar 2010 - XII ZB 177/09, FamRZ 2010, 806 Rn. 10 ff.; offen gelassen in BGH, Beschlüsse vom 29. September 2009 - X ZB 1/09, NJW 2010, 76 Rn. 25 und vom 9. September 2009 - Xa ZB 2/09, FamRZ 2009, 2082 Rn. 7).
9
Der Senat hält an seiner vor Erlass des § 15a RVG zum Verständnis der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vertretenen Auffassung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. September 2008 - IV ZB 26/07 Rn. 6, 9; vom 25. Juli 2008 - IV ZB 16/08, VersR 2008, 1666 Rn. 8 und vom 16. Juli 2008 - IV ZB 24/07, VersR 2009, 236 Rn. 7) nicht mehr fest und erachtet wie der VIII. Senat (vgl. Beschluss vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10 unter II 2 c) ein Vorgehen nach § 132 GVG für nicht geboten.
10
2. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden.
11
Nachdem keiner der Ausnahmefälle des § 15a Abs. 2 RVG ersichtlich ist, kann sich der Kläger auf die Anrechnungsvorschrift in Vorbemer- kung 3 Abs. 4 VV RVG nicht berufen. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG ist für die Kostenausgleichung in voller Höhe zu berücksichtigen , der Beschluss des Beschwerdegerichts daher aufzuheben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts zu ändern. Die vom Kläger dem Beklagten zu erstattenden Kosten sind somit antragsgemäß auf 919,28 € nebst Zinsen (§ 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO) festzusetzen.
Terno Wendt Dr. Kessal-Wulf
Felsch Lehmann

Vorinstanzen:
AG Würzburg, Entscheidung vom 04.11.2009 - 17 C 1902/08 -
LG Würzburg, Entscheidung vom 11.03.2010 - 3 T 2625/09 -
9
Der Senat hält an seiner vor Erlass des § 15a RVG zum Verständnis der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vertretenen Auffassung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. September 2008 - IV ZB 26/07 Rn. 6, 9; vom 25. Juli 2008 - IV ZB 16/08, VersR 2008, 1666 Rn. 8 und vom 16. Juli 2008 - IV ZB 24/07, VersR 2009, 236 Rn. 7) nicht mehr fest und erachtet wie der VIII. Senat (vgl. Beschluss vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10 unter II 2 c) ein Vorgehen nach § 132 GVG für nicht geboten.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 45/10
vom
7. Dezember 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zu den Voraussetzungen der Gebührenanrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren
nach einem Prozessvergleich.
BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - VI ZB 45/10 - OLG Hamm
LG Dortmund
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Dezember 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin
Diederichsen und den Richter Stöhr

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. Juli 2010 wird auf dessen Kosten zurückgewiesen. Beschwerdewert: 336,47 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger hat den Beklagten wegen ärztlicher Behandlungsfehler auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Er beanspruchte als Nebenforderung mit der Klage vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.971,74 €. Das Landgericht schlug den Parteien eine vergleichsweise Einigung des Inhalts vor, dass der Beklagte zur Abgeltung der Ansprüche an den Kläger 30.000 € sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.999,20 € zahle. Die Parteien vereinbarten hiervon abweichend die Zahlung eines Betrags in Höhe von 32.000 € ohne weitere Vereinbarung hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren des Klägers. Von den Kosten des Rechtsstreits sollten der Kläger ¾ und der Beklagte ¼ tragen. Die Kosten des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben.
2
Durch Beschluss des Landgerichts vom 6. Januar 2010 ist der Vergleich festgestellt worden. Der Berechnung im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Rechtspflegerin die vom Kläger geltend gemachte ungekürzte 1,3-Verfahrensgebühr zugrunde gelegt und die vom Kläger dem Beklagten zu erstattenden Kosten auf 1.171,16 € nebst Zinsen festgesetzt. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde des Beklagten, mit der er die Anrechnung einer 0,75-fachen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr begehrt hat, als unbegründet zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter.

II.

3
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass die auf der Klägerseite nach Nr. 3100 VV-RVG angefallene 1,3-Verfahrensgebühr in voller Höhe in Ansatz zu bringen sei. Die Geschäftsgebühr sei nicht teilweise anzurechnen. Die seit dem 5. August 2009 geltende Vorschrift des § 15a RVG finde auf den Streitfall Anwendung, weil es sich dabei um eine bloße Klarstellung des wahren Willens des Gesetzgebers und nicht um eine Gesetzesänderung handle. Nach der Regelung in § 15a Abs. 1 RVG wirke sich die Anrechnung nur im Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandanten und nicht im Verhältnis zu Dritten aus. Im Kostenfestsetzungsverfahren komme die Anrechnung nur in den Fällen des § 15a Abs. 2 RVG in Betracht. Keine der dort genannten Alternativen sei im Streitfall gegeben. Der Beklagte habe bislang die Geschäfts- oder Verfahrensgebühr nicht erstattet. Es bestehe gegen ihn auch kein Vollstreckungstitel hinsichtlich der fraglichen Gebühren in Form des Vergleichs. Der Formulierung in Ziffer 1 des Vergleichs sei nicht zu entnehmen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Geschäftsgebühr bei der Festsetzung des Vergleichsbetrags Be- rücksichtigung gefunden habe. Etwaige Leistungen des Beklagten könnten daher nicht als teilweise Erfüllung der Kostenforderung angesehen werden.
4
Der Vergleich stelle keinen Vollstreckungstitel bezüglich der Geschäftsgebühr dar, der die Anrechnung gemäß § 15a Abs. 2 Fall 2 RVG rechtfertigen würde. Die vergleichsweise Regelung betreffe den auf die Hauptsache zu zahlenden Betrag und die Verteilung der Kosten. Sonstige mit der Klage geltend gemachte Forderungen würden durch den Vergleich nicht tituliert. Die Anrechnung der mit dem Vergleich abgegoltenen und deshalb nicht mehr erstattungsfähigen Geschäftsgebühr würde auch nicht dem Parteiwillen bei Abschluss des Vergleichs gerecht. Die Anrechnung vermindere nämlich regelmäßig die sich aus der Kostenregelung im Vergleich ergebende Kostenlast der beklagten Partei.
5
Ob Hauptsacheverfahren und Kostenfestsetzungsverfahren als dasselbe Verfahren im Sinne des § 15a Abs. 2 Fall 3 RVG anzusehen seien, könne dahinstehen , da nach dem Vergleichsschluss nicht mehr feststehe, dass die Geschäftsgebühr noch geltend gemacht werde. Es könne auch ein vollständiger oder teilweiser Verzicht auf diese Nebenforderung gegeben sein.
6
2. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 575 ZPO) hat keinen Erfolg.
7
a) Dass § 15a RVG auf den Streitfall Anwendung findet, wird von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt. Nach der Auffassung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 19. Oktober 2010 - VI ZB 26/10, juris Rn. 8 und vom 16. November 2010 - VI ZB 47/10; BGH, Beschlüsse vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn. 6 ff.; vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375 Rn. 11 ff. m.w.N. zum Streitstand; vom 3. Februar 2010 - XII ZB 177/09, FamRZ 2010, 806 Rn. 10; vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, AGS 2010, 159; juris Rn. 6; vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, FamRZ 2010, 1248 Rn. 9 f. und vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10, Rn. 9 juris) ist auch für die Zeit vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes (Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009, BGBl. I S. 2449) davon auszugehen, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG angeordnete Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr für die Höhe der gesetzlichen Gebühren im Verhältnis der Prozessparteien untereinander ohne Bedeutung ist und die entsprechend berechtigte Prozesspartei die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG beanspruchen kann.
8
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht nach den Regelungen in § 15a Abs. 2 RVG in Betracht. Danach kann ein Dritter sich auf die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat oder wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Keine dieser Alternativen ist im Streitfall gegeben.
9
aa) Im Kostenfestsetzungsverfahren haben materiell-rechtliche Einwendungen grundsätzlich unbeachtlich zu bleiben (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 29. September 2010 - 2 W 266/10, juris Rn. 30-33 m.w.N.). Sie sind gegebenenfalls im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend zu machen. Die nach § 15a Abs. 2 Fall 1 RVG zulässige Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr im Fall der Erfüllung lässt ausnahmsweise eine materiell-rechtliche Einwendung zu. Im Hinblick auf die begrenzte Prüfungsbe- fugnis des Rechtspflegers im Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. in Prütting/ Gehrlein/K.Schmidt ZPO, 2. Aufl., § 104 Rn. 15; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl. § 104 Rn. 21 "materiell-rechtliche Einwendungen") ist hierfür aber Voraussetzung , dass die Erfüllung unstreitig oder ohne weiteres feststellbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - XII ZR 285/02, NJW 2007, 1213, Rn. 10 in juris). Mit Recht hält das Beschwerdegericht im Hinblick auf die fehlende Bezifferung des auf die Geschäftsgebühr entfallenden Zahlungsbetrags im Vergleich die Voraussetzungen für eine Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren im Streitfall für nicht gegeben.
10
Der Formulierung in Ziffer 1 des Vergleichs ist nicht zu entnehmen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Geschäftsgebühr bei der Festsetzung des Vergleichsbetrags Berücksichtigung gefunden hat. Der gerichtliche Vergleichsvorschlag einer Zahlung von 30.000 € zuzüglich einer Geschäftsgebühr in Höhe von 1.999,20 € statt der eingeklagten Geschäftsgebühr in Höhe von 3.971,74 € wurde von den Parteien nicht akzeptiert. Dass in den Vergleichsbetrag von 32.000 € die Kostenforderung in Höhe von 1.999,20 € eingeflossen ist, ist möglich, jedoch nicht zwingend. Selbst im Fall vollständiger Leistung des Vergleichsbetrags kann nicht ohne weiteres festgestellt werden, inwieweit dieser Zahlung Erfüllungswirkung im Sinne des § 15a Abs. 2 Fall 1 RVG hinsichtlich der Geschäftsgebühr zukommen könnte. Auch aus der Abgeltungsklausel des Vergleichs folgt nicht zwingend, dass mit der Leistung der Vergleichssumme die geltend gemachten Ansprüche als in voller Höhe erfüllt gelten sollten. Sie bedeutet lediglich, dass der Kläger auf die Forderungen, die die Vergleichssumme der Höhe nach übersteigen, bei Erfüllung des Vergleichs verzichtet.
11
bb) Der Vergleich vom 6. Januar 2010 stellt auch keinen die Anrechnung gemäß § 15a Abs. 2 Fall 2 RVG rechtfertigenden Vollstreckungstitel bezüglich der Geschäftsgebühr dar. Die Abgeltung der klageweise geltend gemachten Forderungen durch eine vergleichsweise vereinbarte Teilleistung kann nicht mit der Titulierung der Gesamtforderung gleichgesetzt werden. Zwar wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung vereinzelt die Auffassung vertreten (OLG Saarbrücken, AGS 2010, 60, 61 ff.), dass die Anrechnung zu erfolgen habe, weil durch den Begriff der "Abgeltung" hinreichend zum Ausdruck gebracht werde, dass die Zahlung des vereinbarten Betrags auch der Erfüllung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr diene. Damit sei die Geschäftsgebühr von dem durch den Vergleich titulierten Zahlungsanspruch umfasst. Jedoch lehnt die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung eine Anrechnung in diesen Fällen ab (vgl. etwa OLG München, JurBüro 2010, 23, 24; OLG Naumburg, JurBüro 2010, 299, 300; OLG Celle, Beschluss vom 29. September 2010 - 2 W 266/10, juris Rn. 23-28; OLG Karlsruhe, AGS 2010, 209 Rn. 29-32 in juris).
12
Es kann dahinstehen, ob von einer Titulierung durch den Vergleich dann ausgegangen werden könnte, wenn der Vergleich eine unmissverständliche Regelung enthielte, wonach die entsprechende Gebühr in einer bestimmten Höhe abgegolten werde. Jedenfalls für den Fall, dass der Vergleich eine solche ausdrückliche Regelung nicht enthält, stellt er keinen Vollstreckungstitel für die Geschäftsgebühr gegen den Dritten dar. Dies folgt schon daraus, dass nur dann, wenn der Vergleich die Geschäftsgebühr als eigenen bezifferten Gegenstand ausweist, konkret festgestellt werden kann, in welcher Höhe die Geschäftsgebühr auf die entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen ist. Auch der Wortlaut des § 15a Abs. 2 Fall 2 RVG macht das Erfordernis einer betragsmäßigen Bezifferung des Anspruchs deutlich. Danach kann sich ein Dritter auf die Anrechnung nur berufen, "soweit wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht …".
13
Im vorliegenden Vergleich ist nur die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs zwischen den Parteien tituliert. In welchem Umfang die vorgerichtlichen Kosten mit dem Vergleichsschluss erledigt werden sollten bzw. in der Vergleichssumme, die an den Kläger zu zahlen ist, eingeschlossen sind, lässt sich daraus nicht entnehmen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann zur Bestimmung des Inhalts des Vergleichs auch nicht auf die Prozessakten und die im Rechtsstreit vor Vergleichsschluss gestellten Anträge zurückgegriffen werden. Da es sich um einen Vollstreckungstitel handelt, ist allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs maßgebend (vgl. Zöller/Stöber, aaO, § 794 Rn. 14a und § 704 Rn. 5).
14
cc) Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr kann auch nicht nach § 15a Abs. 2 Fall 3 RVG erfolgen. Der Rechtsbeschwerde ist zuzugeben, dass der Vorschrift nicht eindeutig entnommen werden kann, was unter demselben Verfahren im Sinne des § 15a Abs. 2 Fall 3 RVG zu verstehen ist. Im Streitfall bedarf diese Frage deshalb keiner Klärung, weil die Voraussetzungen der Anrechnung jedenfalls mangels einer betragsmäßigen Bezifferung der Geschäftsgebühr im Vergleich nicht gegeben sind.
15
Wäre "das selbe Verfahren" im Sinne des § 15a Abs. 2 Fall 3 RVG umfassend als Hauptsache- und Kostenfestsetzungsverfahren zu verstehen, ist nach Sinn und Zweck der Regelungen in § 15a Abs. 2 RVG die Anrechnung jedenfalls daran gebunden, dass die Geschäftsgebühr im Hauptsacheverfahren erfolgreich geltend gemacht worden ist. Nur dann kann die Geschäftsgebühr vom Rechtspfleger betragsmäßig im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren zur Anrechnung auf die Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht werden. Die Parteien haben aber auf eine betragsmäßige Festlegung der Geschäftsgebühr im Vergleich verzichtet. Auch im Übrigen lässt sich dem Vergleich nicht entnehmen , ob die Geschäftsgebühr davon umfasst ist. Kommt die Berufung auf die Anrechnung hingegen nur dann in Frage, wenn beide Gebühren im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht worden sind (BGH, Beschluss vom 29. September 2009 - X ZB 1/09, NJW 2010, 76, Rn. 25), fehlt im vorliegenden Fall die Geltendmachung der Geschäftsgebühr durch den Kläger im Kostenfestsetzungsverfahren. Kommt mithin eine Anrechnung nicht in Betracht, ist die Verfahrensgebühr - wie geschehen - ungeschmälert festzusetzen.
16
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr

Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 23.03.2010 - 4 O 88/08 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 20.07.2010 - I-25 W 298/10 -
8
Sie macht zutreffend geltend, dass die in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgeschriebene Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens im Rahmen der Kostenfestsetzung in der Weise hätte erfolgen müssen, wie sie in § 15a RVG beschrieben ist. Die Vorschrift in § 15a RVG ist durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449) in das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eingefügt worden und gemäß Art. 10 Satz 2 dieses Gesetzes am 5. August 2009 in Kraft getreten. Der Senat folgt der Auffassung der übrigen Senate des Bundesgerichtshofs, wonach § 15a RVG auch auf noch nicht abgeschlossene Kostenfestsetzungsverfahren anzuwenden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10, Rn. 9 z.V.b.; vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, AGS 2010, 263 unter III. 1.; vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, JurBüro 2010, 358, 359; vom 3. Februar 2010 - XII ZB 177/09, FamRZ 2010, 806 Rn. 10.; vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375, Rn. 11 ff. m.w.N. zum Streitstand und vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn. 6 ff.). Danach ist für die Zeit vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes davon auszugehen, dass die in Vormerkung 3 Abs. 4 VV RVG angeordnete Anrechnung für die Höhe der gesetzlichen Gebühren im Verhältnis der Prozessparteien untereinander ohne Bedeutung ist und die entsprechend berechtigte Prozesspartei die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG beanspruchen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 15/10
vom
28. Oktober 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Auch in Altfällen ist eine Geschäftsgebühr nur unter den Voraussetzungen
des § 15a Abs. 2 RVG auf die Verfahrensgebühr anzurechen (im Anschluss
an BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, FamRZ 2010,
456).

b) Die Rechtskraft einer Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren über
einen Antrag, mit dem eine Verfahrensgebühr unter hälftiger Anrechnung
der Geschäftsgebühr geltend gemacht worden ist, steht einer Nachfestsetzung
der restlichen Verfahrensgebühr nicht entgegen.
BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - VII ZB 15/10 - OLG Dresden
LG Chemnitz
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Oktober 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Bauner, Dr. Eick,
Halfmeier und Leupertz

beschlossen:
Auf die Beschwerden des Klägers werden der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Februar 2010 und der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 21. Januar 2010 aufgehoben. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Chemnitz vom 10. Dezember 2008 sind als Nachfestsetzung zum Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Chemnitz vom 12. Februar 2009 von dem Beklagten an den Kläger weitere Kosten in Höhe von 318,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. November 2009 zu erstatten. Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Wert des Beschwerdegegenstandes: 318,68 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger hat den Beklagten auf Zahlung von Kostenvorschuss in Anspruch genommen. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zah- lung von 7.691,49 € nebst Zinsen verurteilt und ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Kläger lediglich eine um die 0,65-fache Geschäftsgebühr ermäßigte Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht. Das Landgericht hat entsprechend entschieden. Am 5. November 2009 hat der Kläger einen Nachfestsetzungsantrag gestellt und darin die Festsetzung der restlichen Verfahrensgebühr von 318,68 € geltend gemacht, weil die Anrechnung der Geschäftsgebühr zu Unrecht erfolgt sei. Das Landgericht hat den Antrag abgelehnt. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die von ihm zugelassene Rechtsbeschwerde des Klägers, der seinen Antrag weiterverfolgt.

II.

2
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
3
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Nachfestsetzung sei unzulässig, da ihr die materielle Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses vom 12. Februar 2009 entgegenstehe. Das Landgericht habe über die Verfahrensgebühr rechtskräftig entschieden. Daran ändere nichts, dass der Kläger seinerzeit nur die Kosten der ermäßigten Verfahrensgebühr geltend gemacht habe. Mehr habe ihm nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zugestanden. Das Landgericht habe also nicht nur über einen Teil der Verfahrensgebühr entschieden, sondern über den Erstattungsanspruch in voller Höhe, so wie er dem Kläger zugestanden habe. Demnach bleibe kein Rest, der von den Wirkungen der Rechtskraft ausgenommen und daher einer Nachfestsetzung zugänglich wäre.
4
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Nachfestsetzungsantrag ist begründet. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr findet nicht statt (a). Einer Nachfestsetzung steht die Rechtskraft des Beschlusses des Landgerichts Chemnitz vom 12. Februar 2009 nicht entgegen (b).
5
a) Der Bundesgerichtshof hat bis zur Einführung des § 15a RVG durch Artikel 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 entschieden, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV Nr. 3100 auch im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen sei (vgl. grundlegend BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323).
6
Nach Inkrafttreten des § 15a RVG vertreten alle mit der Entscheidung befassten Senate des Bundesgerichtshofs teilweise unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtsprechung die Auffassung, dass durch § 15a RVG lediglich eine Klarstellung der bisherigen Rechtslage erfolgt ist (BGH, Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn. 8; Beschluss vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, FamRZ 2010, 456 Rn. 16; Beschluss vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, AGS 2010, 159 Rn. 6; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, AGS 2010, 263 Rn. 8; Beschluss vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10, bei juris). Danach findet auch für Kostenfestsetzungen vor Inkrafttreten dieser Norm eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur unter den in § 15a Abs. 2 RVG genannten Voraussetzungen statt. Der VII. Zivilsenat schließt sich dieser Rechtsprechung an und nimmt zur Begründung Bezug auf die Entscheidung des XII. Zivilsenats vom 9. Dezember 2009 (XII ZB 175/07, aaO).
7
b) Danach ist auf den Nachfestsetzungsantrag des Klägers eine weitere Verfahrensgebühr in Höhe von 318,68 € nebst Zinsen festzusetzen. Dieser Festsetzung steht nicht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts vom 12. Februar 2009 entgegen.
8
Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass Kostenfestsetzungsbeschlüsse der materiellen Rechtskraft fähig sein können (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2003 - V ZB 51/02, NJW 2003, 1462). Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme, über den im Nachfestsetzungsverfahren geltend gemachten Teil der Verfahrensgebühr sei bereits entschieden. Dieser war nicht Gegenstand der Entscheidung vom 12. Februar 2009.
9
aa) Die Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses bezieht sich nur auf die im Antrag geforderten und im Beschluss beschiedenen Beträge. Eine Nachforderung eines bislang nicht geltend gemachten Teils bezüglich desselben Postens hindert sie grundsätzlich nicht (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 103 Rn. 12; PG/K. Schmidt, ZPO, 2. Aufl., § 103 Rn. 27; MünchKommZPO/Giebel, 3. Aufl., § 104 Rn. 128 f.; vgl. OLG Stuttgart, MDR 2009, 1136, zur Nachfestsetzung der Umsatzsteuer; BVerfG, Rpfleger 1995, 476, zur Nachfestsetzung der Erhöhungsgebühr für Mehrvertretung). Dies deckt sich auch mit dem allgemeinen Verständnis der Rechtskraftwirkung bei offenen (BGH, Urteil vom 30. Januar 1985 - IVb ZR 67/83, BGHZ 93, 330) und verdeckten Teilklagen (BGH, Urteil vom 9. April 1997 - IV ZR 113/96, BGHZ 135, 178). Danach ergreift die Rechtskraft des Urteils nur den geltend gemachten Anspruch im beantragten Umfang; eine Erklärung des Klägers, er behalte sich darüber hinausgehende Ansprüche vor, ist nicht erforderlich. Soweit ein Antrag nur beschränkt geltend gemacht worden ist, ist grundsätzlich über den überschießenden Teil nicht entschieden.
10
bb) Soweit in der Rechtsprechung von diesen Grundsätzen Ausnahmen gemacht worden sind (vgl. dazu BGH, Urteil vom 9. April 1997 - IV ZR 113/96, BGHZ 135, 178, 182 m.w.N.), handelt es sich um besonders gelagerte Sachverhalte , deren Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Kläger hat insbesondere durch seinen Antrag nicht zum Ausdruck gebracht, dass er eine abschließende, eine Nachforderung ausschließende Entscheidung über die Berücksichtigung der Verfahrensgebühr nur in gekürztem Umfang haben wollte. Allein der Umstand , dass er auf der Grundlage der damals gefestigten Rechtsprechung davon ausging, ihm stünde nur eine gekürzte Gebühr zu, rechtfertigt diese Annahme nicht. Etwas anderes kann auch nicht aus der Entscheidung des V. Zivilsenats vom 16. Januar 2003 (V ZB 51/02, NJW 2003, 1462) hergeleitet werden. Diese Entscheidung befasst sich lediglich mit der Auslegung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses hinsichtlich des Zinsanspruchs und kann zu der hier entscheidungserheblichen Frage nichts beitragen.
11
cc) Der Kläger hat von vornherein nur eine um die hälftige Geschäftsgebühr gekürzte Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht. Das Landgericht hat demgemäß auch nur darüber entschieden, dass dem Kläger eine Verfahrensgebühr in dieser Höhe zusteht. Eine Entscheidung über die Frage, ob dem Kläger eine höhere Verfahrensgebühr zusteht, hat es nicht getroffen. Demgemäß hat es auch über die höhere Verfahrensgebühr nicht rechtskräftig entschieden. Eine Nachfestsetzung des Teils der Verfahrensgebühr, über die im Kostenfestsetzungsverfahren nicht entschieden worden ist, weil eine anteilige Geschäftsgebühr von vornherein im Antrag abgezogen worden ist, ist danach möglich (vgl. auch N. Schneider, FamRZ 2009, 1823, 1824; Hansens, RVG-Report 2009, 354, 355; ders. RVG-Report 2009, 417, 418; Thiel, AGS 2010, 308).
12
3. Die angefochtenen Beschlüsse sind danach aufzuheben. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO), entscheidet der Senat selbst und gibt dem Nachfestsetzungsantrag in beantragter Höhe statt.
13
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Kniffka Bauner Eick Halfmeier Leupertz
Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 21.01.2010 - 2 O 2043/06 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 16.02.2010 - 3 W 170/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 99/09
vom
28. Oktober 2010
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Oktober 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Bauner, Dr. Eick,
Halfmeier und Leupertz

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 15. September 2009 aufgehoben. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Würzburg vom 6. August 2009 wird dahin abgeändert, dass die von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten der ersten Instanz auf 1.368,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Mai 2009 festgesetzt werden. Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Wert des Beschwerdegegenstandes: 334,69 €

Gründe:

I.

1
Nach Rücknahme der Klage hat das Landgericht ausgesprochen, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat das Landgericht auf die geltend gemachte 1,3-fache Verfahrensgebühr die Hälfte der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr in Höhe von 334,69 € brutto gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu RVG VV Nr. 3100 angerechnet. Die sofortige Beschwerde der Beklagten, mit der sie die Festsetzung der 1,3-fachen Verfahrensgebühr erreichen wollten, ist erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

2
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
3
Die geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 RVG VV ist im Kostenfestsetzungsverfahren in voller Höhe zu berücksichtigen. Eine hälftige Anrechnung der wegen desselben Gegenstandes entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG VV hat nicht zu erfolgen.
4
1. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bis zur Einführung des § 15a RVG durch Artikel 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (vgl. grundlegend BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323).
5
Nach Inkrafttreten des § 15a RVG vertreten alle mit der Entscheidung befassten Senate des Bundesgerichtshofs teilweise unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtsprechung die Auffassung, dass durch § 15a RVG lediglich eine Klarstellung der bisherigen Rechtslage erfolgt ist (BGH, Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn. 8; Beschluss vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, FamRZ 2010, 456 Rn. 16; Beschluss vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, AGS 2010, 159 Rn. 6; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, AGS 2010, 263 Rn. 8; Beschluss vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10, bei juris). Danach findet auch für Kostenfestsetzungen vor Inkrafttreten dieser Norm eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur unter den in § 15a Abs. 2 RVG genannten Voraussetzungen statt. Der VII. Zivilsenat schließt sich dieser Rechtsprechung an und nimmt zur Begründung Bezug auf die Entscheidung des XII. Zivilsenats vom 9. Dezember 2009 (XII ZB 175/07, aaO).
6
2. Die sofortige Beschwerde und die Rechtsbeschwerde rügen demnach zu Recht, dass im Kostenfestsetzungsbeschluss die angemeldete Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3100 um die Hälfte der für die vorgerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Beklagten entstandenen Geschäftsgebühr nach RVG VV Nr. 2300 gekürzt worden ist. Die Verfahrensgebühr ist in voller Höhe von 714 € brutto festzusetzen. Entsprechend war der Kostenfestsetzungsbeschluss vom Senat, da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO), abzuändern.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Kniffka Bauner Eick Halfmeier Leupertz
Vorinstanzen:
LG Würzburg, Entscheidung vom 06.08.2009 - 24 O 2709/08 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 15.09.2009 - 4 W 139/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 33/10
vom
14. September 2010
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. September 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Hessel, den
Richter Dr. Achilles und die Richterin Dr. Fetzer

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 25. März 2010 aufgehoben. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Buxtehude vom 12. Januar 2010 dahin abgeändert, dass über die dort festgesetzten Kosten hinaus die von dem Kläger an die Beklagte aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Buxtehude vom 19. August 2009 zu erstattenden Kosten auf weitere 211,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. August 2009 festgesetzt werden. Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Streitwert: 211,17 €.

Gründe:

I.

1
Die Parteien haben um Ansprüche des Klägers aus Warenlieferungen gestritten. Das Amtsgericht hat die Klage durch rechtskräftiges Urteil vom 19. August 2009 abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von 4.172,02 € auferlegt. Hierauf gestützt hat die Beklagte unter dem 28. August 2009 die Festsetzung von Kosten in Höhe von 835,98 € gegen den Kläger beantragt. Das Amtsgericht hat die der Beklagten zu erstattenden Kosten auf insgesamt 624,81 € nebst Zinsen festgesetzt und dabei die in Höhe von 354,90 € zur Erstattung angemeldete Verfahrensgebühr mit Rücksicht auf ein vorprozessuales Tätigwerden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nur mit dem 0,65-fachen Satz (177,45 € netto zzgl. Mehrwertsteuer = 211,17 €) in Ansatz gebracht. Ihre mit dem Ziel, die Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr zu beseitigen, eingelegte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Festsetzung einer ungekürzten 1,3-fachen Verfahrensgebühr weiter.

II.

2
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 575 ZPO) hat Erfolg.
3
1. Das Beschwerdegericht ist mit dem Amtsgericht der Auffassung, dass es nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zu einer Kürzung der von der Beklagten angesetzten Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG auf den 0,65fachen Satz kommen müsse. An dieser im Senatsbeschluss vom 22. Januar 2008 (VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323) dargestellten Rechtslage ändere auch der seit dem 5. August 2009 geltende § 15a RVG nichts, weil nicht diese Bestimmung , sondern die Übergangsvorschrift des § 60 RVG Anwendung finde, wonach die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen sei, wenn - wie hier - der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne von § 15 RVG vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung erteilt worden sei. Der Auffassung des II. und des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Be- schlüsse vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101; vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375), wonach die Anrechnungsbestimmung des § 15a RVG auch rückwirkend anzuwenden sei, weil es sich hierbei nicht um eine inhaltlich neue Regelung, sondern lediglich um eine Klarstellung der bisherigen Gesetzeslage handele, könne nicht gefolgt werden. Durch § 15a RVG sei vielmehr die Frage der Anrechnung im Wege der Gesetzesänderung inhaltlich neu geregelt worden, so dass § 60 Abs. 1 RVG eingreife und bei den zeitlich vor Inkrafttreten des § 15a RVG entstandenen Gebühren die beschriebene Anrechnung vorzunehmen sei.
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2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
Die Rechtsbeschwerde macht zutreffend geltend, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgeschriebene Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens der Parteien in der Weise hätte erfolgen müssen, wie sie nunmehr in § 15a RVG beschrieben ist, der durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht , zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449) in das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eingefügt worden und gemäß Art. 10 Satz 2 dieses Gesetzes am 5. August 2009 in Kraft getreten ist.
6
a) Die Frage, ob sich durch die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG die in einem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vermindert, war bislang umstritten und ist auch nach Einfügung des § 15a RVG umstritten geblieben, soweit es den zeitlichen Geltungsbereich dieser Anrechnungsvorschrift betrifft. Dessen Absatz 1 bestimmt zur Anrechnung einer Gebühr, dass in Fällen, in denen das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorsieht, der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern kann, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. Absatz 2 sieht vor, dass ein Dritter sich auf die Anrechnung nur berufen kann, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
7
b) Der Senat hat bis zum Erlass des § 15a RVG in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass sich durch die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren nach Nr. 3100 VV RVG anfallende Verfahrensgebühr vermindert und dass es für die Anrechnung ohne Bedeutung ist, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist oder nicht. Dieser im Senatsbeschluss vom 22. Januar 2008 (VIII ZB 57/07, aaO Rn. 6 ff.) näher ausgeführten Sichtweise, der insbesondere mehrere Zivilsenate des Bundesgerichtshofs gefolgt sind, hat sich der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, aaO Rn. 6 ff.), nicht anzuschließen vermocht, seine Bedenken jedoch nicht näher ausgeführt, weil er den zwischenzeitlich in Kraft getretenen § 15a RVG auch auf noch nicht abgeschlossene Kostenfestsetzungsverfahren angewandt wissen will. Dies hat er damit begründet, dass der Gesetzgeber mit dem neu eingefügten § 15a RVG das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht geändert, sondern lediglich die seiner Ansicht nach bereits vor dessen Einfügung bestehende Rechtslage klargestellt habe, derzufolge sich die Anrechnung gemäß Vorbe- merkung 3 Abs. 4 VV RVG grundsätzlich im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht auswirke, sondern nur das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant betreffe. Dieser Sichtweise, der sich mehrere Zivilsenate des Bundesgerichtshofs angeschlossen haben, ist auch der Senat durch Beschluss vom 10. August 2010 (VIII ZB 15/10, zur Veröffentlichung vorgesehen) zur Vermeidung eines der Sache nicht angemessenen Vorgehens nach § 132 GVG beigetreten.
8
Danach ist auch für die Zeit vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes davon auszugehen, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG angeordnete Anrechnung für die Höhe der gesetzlichen Gebühren, deren Erstattung § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Verhältnis der Prozessparteien untereinander vorsieht, ohne Bedeutung ist und eine obsiegende Prozesspartei mithin die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG beanspruchen kann.
9
3. Die Rechtsbeschwerde rügt hiernach zu Recht, dass das Beschwerdegericht die angemeldete Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG nur gekürzt und nicht mit dem 1,3-fachen Satz in Ansatz gebracht hat. Da in der Sache keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, sondern der Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO nach Maßgabe vorstehender Beschlussformel in der Sache selbst zu entscheiden. Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
AG Buxtehude, Entscheidung vom 12.01.2010 - 32 C 186/09 -
LG Stade, Entscheidung vom 25.03.2010 - 7 T 48/10 -
10
Der Senat schließt sich zur Vermeidung eines der Sache nicht angemessenen Vorgehens nach § 132 GVG der vorgenannten, eine Anwendung des § 15a RVG befürwortenden Rechtsprechung ebenfalls an. Danach ist auch für die Zeit vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes davon auszugehen, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG angeordnete Anrechnung für die Höhe der gesetzlichen Gebühren, deren Erstattung § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Verhältnis der Prozessparteien untereinander vorsieht, ohne Bedeutung ist und eine obsiegende Prozesspartei mithin die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG beanspruchen kann.
25
d) Im Streitfall bedürfen die Meinungsverschiedenheiten über das richtige Verständnis des bisherigen Rechts keiner abschließenden Klärung. Auch bei Anwendung des § 15a RVG könnte die Antragsgegnerin nicht mehr als das, was zu ihren Gunsten bereits festgesetzt ist, beanspruchen, weil ein Fall des § 15a Abs. 2, 3. Alt. RVG vorliegt. Im Streitfall werden die Geschäftsgebühr und die Verfahrensgebühr in demselben Verfahren geltend gemacht. "Dasselbe Verfahren" i.S. von § 15a Abs. 2 RVG ist hier das vorliegende Kostenfestsetzungsverfahren. Die Antragstellerin kann sich auf die Anrechnung berufen, weil die Antragsgegnerin aufgrund des in der Beschwerdeentscheidung des Vergabesenats enthaltenen Kostenausspruchs die Erstattung der Geschäftsgebühr zwar grundsätzlich verlangen kann, diese Gebühr aber aus den dargelegten Gründen (oben IV 1) auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist und die Antragsgegnerin jedenfalls in einem solchen Fall nach allen Auffassungen nur den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren geltend machen kann (vgl. auch das eine gleichgelagerte Konstellation betreffende Beispiel bei Müller-Rabe NJW 2009, 2913, 2914 unter IV 2 d, 2. Spiegelstrich).

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.