Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2019 - XII ZB 251/19

bei uns veröffentlicht am25.09.2019
vorgehend
Landgericht Lüneburg, 8 T 12/19, 24.04.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 251/19
vom
25. September 2019
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers nach § 1899 Abs. 4 BGB ist veranlasst
, wenn eine Verhinderung des Betreuers konkret zu besorgen und daher zu
erwarten ist, dass der Ergänzungsbetreuer von seiner Entscheidungsverantwortung
Gebrauch machen muss.
BGH, Beschluss vom 25. September 2019 - XII ZB 251/19 - LG Lüneburg
AG Winsen (Luhe)
ECLI:DE:BGH:2019:250919BXIIZB251.19.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. NeddenBoeger und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 24. April 2019 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Wert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Für die im Jahr 1973 geborene Betroffene ist ihre Mutter (die Beteiligte) zur Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung und Zustimmung zu Heil- und Pflegemaßnahmen bestellt.
2
Im Jahr 2001 errichteten die Eltern der Betroffenen ein privatschriftliches Testament, in dem sie unter anderem Folgendes bestimmten: "Unser Grundgedanke ist, daß unser mühsam und unter Entbehrungen erbautes Haus, als Ganzes in der Familie erhalten bleibt.
Dabei soll sichergestellt werden, daß unsere behinderte Tochter […] nicht benachteiligt wird und alles getan wird, was zu ihrem Wohl getan werden kann. Unsere andere Tochter […] soll aber auch nicht benachteiligt wer- den. Nach dem Tode eines Ehepartners soll der Überlebende alleiniger Vorerbe sein. Nach dem Tode des Letztlebenden sollen unsere beiden Töchter […] erben. Für [die Betroffene] soll ein Vermächtnis über das Wohnrecht des Dachgeschosses gemacht werden. Über unser noch vorhandenes Vermögen soll [die Betroffene] den Pflichtteil erhalten. Dieses soll vor allen Dingen für folgende Ausgaben benutzt werden. Unterhaltung und Betriebskosten des Dachgeschosses. Falls [die Betroffene] ihr Wohnrecht nicht ausüben kann oder will, steht ihr der Anspruch in der Höhe des fiktiven bzw. tatsächlichen Miete hinsichtlich der oberen Räume des Dachgeschosses zu. Der vorhandene Nachlaß soll dazu dienen, daß [die Betroffene] ihr Leben so weiterführen kann wie bisher. Wir ordnen bezüglich des Erbes [der Betroffenen] eine Testamentsvollstreckung nach unser beider Ableben an, so lange [die Betroffene] lebt […]. Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, nach unser beider Ableben, das Vermächtnis zu verwalten. Der vorhandene Nachlaß soll dazu dienen, daß [die Betroffene] ihr Leben so weiterführen kann, wie bisher. Der Testamentsvollstrecker soll nach Ermessen und wenn er es für erforderlich hält, aus den Erträgen und der Substanz des Vermächtnisses und der Erbschaft Sachleistungen und Vergünstigun- gen für [die Betroffene] erbringen […]. Wir bestimmen nach unser beider Ableben als Testamentsvoll- strecker […] unsere andere Tochter […]."
3
Mit einem Nachtrag hierzu aus dem Jahr 2002 ordneten die Eltern der Betroffenen unter anderem weiter an, dass die Betroffene "befreiter Vorerbe" der anderen Tochter sein solle.
4
Nachdem der Vater der Betroffenen im Mai 2004 verstorben war, wurde für die Betroffene aufgrund notarieller Urkunde vom 22. August 2005 ein le- benslanges Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB hinsichtlich des Dachgeschosses des nun im Alleineigentum der Betreuerin stehenden Hauses in das Grundbuch eingetragen.
5
Im September 2018 hat die Betreuerin um Bestellung eines Ergänzungsbetreuers gebeten, um die Frage des Wohnungsrechts und die Erbfolge neu regeln zu können. Denn mit dem bestehenden Testament komme das Wohnungsrecht nur dem öffentlichen Kostenträger, nicht aber der Betroffenen - die den Unterhalt des Hauses nicht finanzieren könne - zu Gute. Daher sei neben der Löschung des bereits eingetragenen Wohnungsrechts der Abschluss eines Erbvertrags beabsichtigt, mit dem die Betroffene auf das Wohnungsrecht sowie den Nutzungsersatzanspruch bei Nichtausübung verzichte, neben ihrer Schwester zu gleichen Teilen erben und einen Mietvertrag mit der hierzu per Auflage verpflichteten Schwester über die Dachgeschossräume schließen solle.
6
Das Amtsgericht hat die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers abgelehnt , weil die angedachte vertragliche Regelung sittenwidrig sei. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Betreuerin zurückgewiesen. Dagegen wendet sich diese mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

7
Die zulässige, insbesondere aufgrund der Zulassung statthafte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. Mai 2011 - XII ZB 283/10 - FamRZ 2011, 1219 Rn. 13 f. und vom 19. Dezember 2012 - XII ZB 241/12 - juris Rn. 3) Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
8
1. Dieses hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
9
Die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers sei nicht erforderlich, weil das zu genehmigende Rechtsgeschäft von vornherein nicht genehmigungsfähig sei. Denn die beabsichtigte Regelung der Erbfolge sei sittenwidrig. Anders als bei einem sog. Behindertentestament könne die Betreuerin hier nicht mehr frei über ihr Vermögen verfügen, da die Betroffene als Vermächtnisnehmerin bereits eine dinglich gesicherte Rechtsposition erworben habe. In dieser Situation stelle sich ein aktiver Verzicht der Betroffenen zu Lasten des Sozialleistungsträgers mit dem Ziel, ihre Bedürftigkeit zu erhöhen, als sittenwidrig dar. Hierdurch werde auch nicht die Testierfreiheit eingeschränkt, die nur so weit reiche, wie der Erblasser über sein Vermögen verfügen könne. Das Wohnungsrecht befinde sich jedoch bereits im Vermögen der Betroffenen. Selbst bei einer Löschung stehe ihr aus dem Vermächtnis ein Anspruch auf Bewilligung und Eintragung nach Versterben der Betreuerin zu. Das Wohnungsrecht sei einer einseitigen Verfügung der Betreuerin entzogen.
10
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Landgericht gegebenen Begründung kann die Notwendigkeit einer Ergänzungsbetreuung nach § 1899 Abs. 4 BGB nicht verneint werden.
11
a) Gemäß § 1899 Abs. 4 BGB kann das Gericht mehrere Betreuer in der Weise bestellen, dass der eine die Angelegenheiten des Betreuten nur zu besorgen hat, soweit der andere verhindert ist. Die Verhinderung kann auf tatsächlicher Abwesenheit oder rechtlichen Ausschlusstatbeständen beruhen. Eine Verhinderung aus Rechtsgründen ist unter anderem gegeben, wenn der Hauptbetreuer von der Vertretung des Betreuten kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, etwa aus Gründen des § 181 BGB oder der §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1795 BGB, oder wenn das Gericht ihm die Vertretungsmacht gemäß §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1796 BGB entzieht (Senatsbeschluss vom 11. Januar 2017 - XII ZB 305/16 - FamRZ 2017, 549 Rn. 11 mwN).
12
Dabei ist die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers nur dann veranlasst, wenn eine derartige Verhinderung des Betreuers konkret zu besorgen und daher zu erwarten ist, dass der Ergänzungsbetreuer von seiner Entscheidungsverantwortung Gebrauch machen muss (vgl. BayObLG FamRZ 2004, 1993, 1994). Dies folgt allerdings nicht aus § 1896 Abs. 2 BGB (so aber z.B. BayObLG FamRZ 2004, 1993, 1994), der normiert, dass die Betreuung dem Grunde nach und für den jeweiligen Aufgabenkreis erforderlich sein muss. Denn die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers lässt die Betreuung und den Umfang des Aufgabenkreises unberührt (Senatsbeschlüsse vom 25. Mai 2011 - XII ZB 283/10 - FamRZ 2011, 1219 Rn. 13 und vom 19. Dezember 2012 - XII ZB 241/12 - juris Rn. 3). Vielmehr ergibt es sich daraus, dass die Durchbrechung des in § 1897 Abs. 1 BGB verankerten Grundsatzes der Einzelbetreuung (Senatsbeschluss vom 11. Januar 2017 - XII ZB 305/16 - FamRZ 2017, 549 Rn. 11 mwN) nur bei einem entsprechend konkret absehbaren Bedarf für das Tätigwerden eines Ergänzungsbetreuers als weiterer Betreuungsperson auf der Grundlage des § 1899 Abs. 4 BGB gerechtfertigt ist.
13
b) Nach diesen Maßgaben hat das Landgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers nach § 1899 Abs. 4 BGB zu Unrecht verneint. An diesen würde es im vorliegenden Fall nämlich nur dann fehlen, wenn feststünde, dass es entweder zum Wohl der Betroffenen schon aus objektiver Sicht keiner vermögens- und erbrechtlichen Regelung bedarf oder einem solchen Bedarf eindeutig nicht mit einer zulässigen Regelung begegnet werden könnte. Beides ist hier jedoch nicht der Fall.
14
aa) Ausgangspunkt der von der Betreuerin an das Amtsgericht gerichteten Anregung ist ihre Befürchtung, die aktuelle rechtliche Situation mit dem bereits der Betroffenen zustehenden Wohnungsrecht sowie ggf. wechselbezüglichen (vgl. § 2270 BGB) und in erbrechtlicher Bindung (vgl. § 2271 BGB) erwachsenen letztwilligen Verfügungen in dem gemeinschaftlichen Testament der Eltern der Betroffenen könnte für die Betroffene mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden sein. Auch angesichts ihres Lebensalters sieht die Betreuerin die Notwendigkeit, solchen möglichen Nachteilen durch rechtliche Maßnahmen zu begegnen. Da diese jeweils rechtsgeschäftliche Erklärungen erfordern dürften, bei denen die Betreuerin nach § 181 BGB oder wegen Interessenkollision im Sinne von §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1796 Abs. 2 BGB an der Vertretung der Betroffenen gehindert sein könnte, war die Bitte um Bestellung eines Ergänzungsbetreuers folgerichtig.
15
bb) Dass diese Befürchtung der Betreuerin unbegründet ist, hat das Landgericht nicht festgestellt und kann nach derzeitigem Stand auch nicht angenommen werden. Mithin lässt sich nicht verneinen, dass ein objektiver Bedarf für eine Neuregelung der vermögens- und erbrechtlichen Lage der Betroffenen besteht.
16
Die Betreuerin hat der Betroffenen das Wohnungsrecht bereits eingeräumt. Ob sie sich dazu, wie sie geltend gemacht hat, durch das in dem gemeinschaftlichen Testament angeordnete Vermächtnis veranlasst sah - das nach dem Wortlaut des Testaments allerdings wohl erst mit dem Tod des letztversterbenden Elternteils anfallen sollte - oder aufgrund einer schuldrechtlichen Vereinbarung, ist ungeklärt. Auf welchem Rechtsgrund die Bestellung des Wohnungsrechts beruht, ist aber für die Frage von Bedeutung, inwieweit im Falle der Nichtausübung des Wohnungsrechts durch die Betroffene ein Zugriff des Sozialleistungsträgers auf Zahlungsansprüche der Betroffenen erfolgen könnte.
17
Nach dem Vermächtnis steht der Betroffenen bei Nichtausübung des Wohnungsrechts ein Anspruch auf eine fiktive oder die tatsächlich erzielte Miete für das Dachgeschoss zu. Insoweit sind eventuelle Erträge jedoch ausdrücklich unter die mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehene Testamentsverwaltung gestellt und damit im Wege des - auch nach Ansicht des Landgerichts - wirksamen Behindertentestaments (vgl. dazu etwa Senatsbeschlüsse vom 10. Mai 2017 - XII ZB 614/16 - FamRZ 2017, 1259 Rn. 12 und vom 24. Juli 2019 - XII ZB 560/18 - zur Veröffentlichung bestimmt) dem Zugriff des Sozialleistungsträgers grundsätzlich entzogen. Bei einem auf schuldrechtlicher Grundlage eingeräumten Wohnungsrecht dürfte eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend, dass der Eigentümer verpflichtet ist, bei Nichtausübung des Wohnungsrechts die Räume entweder zu vermieten oder der Betroffenen die Vermietung zu gestatten, und daraus folgend bei Nichtvermietung ein Nutzungsentgelt in Höhe der fiktiven Miete zu zahlen, im Zweifel zwar nicht in Betracht kommen (vgl. BGH Versäumnisurteil vom 9. Januar 2009 - V ZR 168/07 - FamRZ 2009, 598 Rn. 18 ff.). Hingegen könnte eine ergänzende Vertragsauslegung durchaus einen Anspruch der Betroffenen auf Auskehr von für die Räume erzielten Mieteinnahmen ergeben (vgl. BGH Urteil vom 19. Januar 2007V ZR 163/06 - FamRZ 2007, 632, 634 f. mwN), der dann nicht unter die Testamentsvollstreckung fiele und auf den der Sozialleistungsträger daher zugreifen könnte.
18
Demnach besteht jedenfalls insoweit die Möglichkeit, dass das von den Eltern mit dem gemeinschaftlichen Testament ausdrücklich verfolgte Ziel verfehlt wird, ein Profitieren der Betroffenen vom elterlichen Vermögen unter Ausschluss des Sozialleistungsträgers sicherzustellen.
19
cc) Es kann auch nicht eindeutig festgestellt werden, dass eine rechtsgeschäftliche Regelung, mit der das von der Betreuerin jetzt verfolgte Ziel, die künftige wirtschaftliche Situation der Betroffenen zu verbessern, in rechtlich zulässiger Weise erreicht werden könnte, von vornherein ausscheidet.
20
(1) Dem Landgericht kann bereits nicht darin gefolgt werden, dass es seine Erwägungen zur Sittenwidrigkeit nur auf die in der Anregung der Betreuerin skizzierte vertragliche Regelung bezogen hat. Welche Regelungen im Einzelnen getroffen werden sollen, hätte vielmehr ein zu bestellender Ergänzungsbetreuer noch zu prüfen. Erst wenn dieser sich allein mit Blick auf das Wohl der Betroffenen (vgl. § 1901 Abs. 2 BGB) für eine bestimmte Regelung entschieden und zudem mit der Betreuerin eine entsprechende rechtsgeschäftliche Übereinkunft gefunden hat, stellt sich im Zuge der ggf. nach §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1821, 1822 BGB erforderlichen Genehmigung die Frage nach der Sittenwidrigkeit dieses ganz konkreten Rechtsgeschäfts. Dass es im vorliegenden Fall ausnahmsweise nur eine einzige - nämlich die von der Betreuerin derzeit angedachte - Regelungsmöglichkeit gibt, hat das Landgericht nicht festgestellt. Daher kann dahinstehen, ob die in der angegriffenen Entscheidung enthaltene rechtliche Einschätzung zur Sittenwidrigkeit der von der Betreuerin beabsichtigten Regelung zutrifft.
21
(2) Es ist auch nicht erkennbar, dass jede rechtsgeschäftliche Regelung, die der von der Betreuerin verfolgten Zielsetzung zu dienen geeignet ist, dem Verdikt der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB unterfallen würde.
22
So wäre vorliegend zu prüfen, ob der Betreuerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ein Anspruch auf Rückgewähr des der Betroffenen bereits übertragenen Wohnungsrechts zusteht. Dies könnte der Fall sein, wenn die Übertragung in Erfüllung eines vermeintlich bereits entstandenen, tatsächlich aber erst mit dem Tod der Betreuerin anfallenden Vermächtnisses erfolgt sein sollte. Bei Bestehen eines solchen Anspruchs hätte die Betroffene eine Löschungsbewilligung zu erteilen. Im Übrigen ist ein Verzicht auf das Wohnungsrecht ohnehin nicht generell ausgeschlossen, sondern kommt etwa dann in Betracht , wenn ein Betroffener das Wohnungsrecht auf Dauer nicht mehr ausüben wird (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 25. Januar 2012 - XII ZB 479/11 - FamRZ 2012, 967 Rn. 7 ff. mwN).
23
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Landgericht entgegen dem Wortlaut des Testaments ersichtlich davon ausgegangen ist, der der Betroffenen vermächtnisweise zugedachte Zahlungsanspruch bei Nichtausübung des Wohnungsrechts bzw. die daraus erzielten Einnahmen unterlägen nicht der Testamentsvollstreckung. Schließlich weist die Rechtsbeschwerde jedenfalls im Ausgangspunkt zu Recht darauf hin, dass mit der Vermächtnisanordnung als solcher unabhängig von §§ 2270, 2271 BGB noch keine gesicherte Rechtsposition verbunden ist. Denn auch wenn Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Erben eingesetzt haben, einer dritten Person durch eine wechselbezügliche Verfügung ein Vermächtnis zugewendet haben, das nach dem Tode des Überlebenden erfüllt werden soll, wird nicht gewährleistet, dass der Dritte auch in den Genuss des vermachten Gegenstands kommt. Vielmehr kann der überlebende Ehegatte durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden weiterhin grundsätzlich uneingeschränkt über sein Vermögen verfügen (vgl. BGHZ 26, 274 = NJW 1958, 547, 548). Ob dies hier mit Blick auf die Vorerbenstellung der Betreuerin anders zu beurteilen ist, bedarf keiner Erörterung.
24
3. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen. Dieses wird unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu über die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers zu befinden haben.


25
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG). Dose Klinkhammer Nedden-Boeger Guhling Krüger
Vorinstanzen:
AG Winsen (Luhe), Entscheidung vom 11.12.2018 - 14 XVII A 12 -
LG Lüneburg, Entscheidung vom 24.04.2019 - 8 T 12/19 -

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(2) Der Berechtigte ist befugt, seine Familie sowie die zur standesmäßigen Bedienung und zur Pflege erforderlichen Personen in die Wohnung aufzunehmen.

(3) Ist das Recht auf einen Teil des Gebäudes beschränkt, so kann der Berechtigte die zum gemeinschaftlichen Gebrauch der Bewohner bestimmten Anlagen und Einrichtungen mitbenutzen.

13
2. Ausgehend hiervon liegt auch im vorliegenden Fall keine Betreuungssache im Sinne der §§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 271 Nr. 1 FamFG vor. Die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers nach den §§ 1899 Abs. 4, 1908 i Abs. 1, 1795 Abs. 1, 1796 BGB lässt die angeordnete Betreuung und den in Rede stehenden Aufgabenkreis der Vermögensangelegenheiten in seinem Umfang unberührt. Eine Änderung ergibt sich allein hinsichtlich der Zuständigkeit der Betreuer zur Wahrnehmung einzelner Angelegenheiten: Soweit die Ergänzungsbetreuung reicht, tritt der Ergänzungsbetreuer an die Stelle des (eigentlichen) Betreuers; im Übrigen bleibt der Betreuer für den Aufgabenkreis zuständig. Ein solches Verfahren fällt - ebenso wie die Entlassung des bisherigen Betreuers - unter die Auffangbestimmung des § 271 Nr. 3 FamFG.
3
Die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers nach den §§ 1899 Abs. 4, 1908 i Abs. 1, 1795 Abs. 1, 1796, 181 BGB lässt demgegenüber die angeordnete Betreuung und den hier hinsichtlich der begehrten Änderung des Erbvertrages in Rede stehenden Aufgabenkreis der Vermögensangelegenheiten in seinem Umfang unberührt. Eine Änderung ergibt sich allein hinsichtlich der Zuständigkeit der Betreuer zur Wahrnehmung einzelner Angelegenheiten: Soweit die Ergänzungsbetreuung reicht, tritt der Ergänzungsbetreuer an die Stelle des (eigentlichen) Betreuers; im Übrigen bleibt der Betreuer für den Aufgabenkreis zuständig. Ein solches Verfahren fällt - ebenso wie die Entlassung des bisherigen Betreuers - unter die Auffangbestimmung des § 271 Nr. 3 FamFG (Senatsbeschluss vom 25. Mai 2011 - XII ZB 283/10 - FamRZ 2011, 1219 Rn. 13).

Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

11
bb) Weiter zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dassfür einen Betreuten trotz des in § 1897 Abs. 1 BGB verankerten Grundsatzes der Einzelbetreuung dann mehrere Betreuer bestellt werden können, wenn die Angelegenheiten des Betreuten hierdurch besser besorgt werden können (§ 1899 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dabei können gemäß § 1899 Abs. 4 BGB mehrere Betreuer auch in der Weise bestellt werden, dass der eine die Angelegenheiten des Betreuten nur zu besorgen hat, soweit der andere verhindert ist (sog. Verhinderungs - oder Ergänzungsbetreuer). Die Verhinderung kann auf tatsächlicher Abwesenheit oder rechtlichen Ausschlusstatbeständen beruhen (Jurgeleit/Jurgeleit Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1899 BGB Rn. 17). Eine Verhinderung aus Rechtsgründen ist unter anderem gegeben, wenn der Hauptbetreuer von der Vertretung des Betreuten kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, etwa aus Gründen des § 181 BGB oder der §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1795 BGB, oder wenn das Gericht ihm die Vertretungsmacht gemäß §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1796 BGB entzieht (Jurgeleit/Jurgeleit Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1899 BGB Rn. 18).
13
2. Ausgehend hiervon liegt auch im vorliegenden Fall keine Betreuungssache im Sinne der §§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 271 Nr. 1 FamFG vor. Die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers nach den §§ 1899 Abs. 4, 1908 i Abs. 1, 1795 Abs. 1, 1796 BGB lässt die angeordnete Betreuung und den in Rede stehenden Aufgabenkreis der Vermögensangelegenheiten in seinem Umfang unberührt. Eine Änderung ergibt sich allein hinsichtlich der Zuständigkeit der Betreuer zur Wahrnehmung einzelner Angelegenheiten: Soweit die Ergänzungsbetreuung reicht, tritt der Ergänzungsbetreuer an die Stelle des (eigentlichen) Betreuers; im Übrigen bleibt der Betreuer für den Aufgabenkreis zuständig. Ein solches Verfahren fällt - ebenso wie die Entlassung des bisherigen Betreuers - unter die Auffangbestimmung des § 271 Nr. 3 FamFG.
3
Die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers nach den §§ 1899 Abs. 4, 1908 i Abs. 1, 1795 Abs. 1, 1796, 181 BGB lässt demgegenüber die angeordnete Betreuung und den hier hinsichtlich der begehrten Änderung des Erbvertrages in Rede stehenden Aufgabenkreis der Vermögensangelegenheiten in seinem Umfang unberührt. Eine Änderung ergibt sich allein hinsichtlich der Zuständigkeit der Betreuer zur Wahrnehmung einzelner Angelegenheiten: Soweit die Ergänzungsbetreuung reicht, tritt der Ergänzungsbetreuer an die Stelle des (eigentlichen) Betreuers; im Übrigen bleibt der Betreuer für den Aufgabenkreis zuständig. Ein solches Verfahren fällt - ebenso wie die Entlassung des bisherigen Betreuers - unter die Auffangbestimmung des § 271 Nr. 3 FamFG (Senatsbeschluss vom 25. Mai 2011 - XII ZB 283/10 - FamRZ 2011, 1219 Rn. 13).
11
bb) Weiter zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dassfür einen Betreuten trotz des in § 1897 Abs. 1 BGB verankerten Grundsatzes der Einzelbetreuung dann mehrere Betreuer bestellt werden können, wenn die Angelegenheiten des Betreuten hierdurch besser besorgt werden können (§ 1899 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dabei können gemäß § 1899 Abs. 4 BGB mehrere Betreuer auch in der Weise bestellt werden, dass der eine die Angelegenheiten des Betreuten nur zu besorgen hat, soweit der andere verhindert ist (sog. Verhinderungs - oder Ergänzungsbetreuer). Die Verhinderung kann auf tatsächlicher Abwesenheit oder rechtlichen Ausschlusstatbeständen beruhen (Jurgeleit/Jurgeleit Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1899 BGB Rn. 17). Eine Verhinderung aus Rechtsgründen ist unter anderem gegeben, wenn der Hauptbetreuer von der Vertretung des Betreuten kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, etwa aus Gründen des § 181 BGB oder der §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1795 BGB, oder wenn das Gericht ihm die Vertretungsmacht gemäß §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1796 BGB entzieht (Jurgeleit/Jurgeleit Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1899 BGB Rn. 18).

(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge.

(2) Ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander ist im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

(3) Auf andere Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Wahl des anzuwendenden Erbrechts findet Absatz 1 keine Anwendung.

(1) Der Widerruf einer Verfügung, die mit einer Verfügung des anderen Ehegatten in dem in § 2270 bezeichneten Verhältnis steht, erfolgt bei Lebzeiten der Ehegatten nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschrift des § 2296. Durch eine neue Verfügung von Todes wegen kann ein Ehegatte bei Lebzeiten des anderen seine Verfügung nicht einseitig aufheben.

(2) Das Recht zum Widerruf erlischt mit dem Tode des anderen Ehegatten; der Überlebende kann jedoch seine Verfügung aufheben, wenn er das ihm Zugewendete ausschlägt. Auch nach der Annahme der Zuwendung ist der Überlebende zur Aufhebung nach Maßgabe des § 2294 und des § 2336 berechtigt.

(3) Ist ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling der Ehegatten oder eines der Ehegatten bedacht, so findet die Vorschrift des § 2289 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

12
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum sogenannten Behindertentestament sind Verfügungen von Todes wegen, in denen Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie einer – mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen – Dauertestamentsvollstreckung so gestalten, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann, grundsätzlich nicht sittenwidrig, sondern vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus. Die angeordnete Testamentsvollstreckung schränkt die Verfügungsbefugnis des Betroffenen gemäß § 2211 BGB ein; demgemäß können sich die Gläubiger des Erben, die nicht zu den Nachlassgläubigern gehören, nicht an die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände halten, § 2214 BGB. Allerdings hat der Betroffene als Erbe einen durchsetzbaren Anspruch darauf, dass der Testamentsvollstrecker die vom Erblasser getroffenen Verwaltungsanordnungen im Sinne des § 2216 Abs. 2 BGB umsetzt. Für die insoweit notwendige Feststellung des Erblasserwillens gelten die allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 133, 2084 BGB. Hiernach ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Diese Aufgabe der Auslegung obliegt in erster Linie dem Tatrichter. Seine Auslegung kann mit der Revision bzw. Rechtsbeschwerde nur angegriffen werden, wenn sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denkgesetze oder Erfah- rungssätze oder Verfahrensvorschriften verstößt (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2017 - XII ZB 299/15 - FamRZ 2017, 758 Rn. 15 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 560/18
vom
24. Juli 2019
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 138 Abs. 1 Aa, 1836 c, 1908 i Abs. 1 Satz 1, 2205, 2209, 2216 Abs. 1
Ein Behindertentestament ist nicht allein deshalb sittenwidrig, weil in der letztwilligen
Verfügung konkrete Verwaltungsanweisungen an den Testamentsvollstrecker
fehlen, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang und zu welchen
Zwecken der Betroffene Vorteile aus dem Nachlass erhalten soll.
BGH, Beschluss vom 24. Juli 2019 - XII ZB 560/18 - LG Verden
AG Verden (Aller)
ECLI:DE:BGH:2019:240719BXIIZB560.18.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juli 2019 durch die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger und die Richterin Dr. Krüger

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 22. Oktober 2018 aufgehoben. Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Verden vom 12. Juni 2018 aufgehoben. Die Rechtsmittelverfahren sind gerichtskostenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt. Wert: 3.432 €

Gründe:

I.

1
Der Betroffene wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen die ihm auferlegte Verpflichtung zur Erstattung einer bereits aus der Landeskasse bezahlten Betreuervergütung.
2
Für den Betroffenen ist wegen einer psychischen Erkrankung seit 1998 ein Berufsbetreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge, Gesundheitssorge sowie Geltendmachung von gesetzlichen Ansprüchen bestellt. Der am 30. Oktober 2014 verstorbene Vater des Betroffenen setzte in einem notariellen Testament vom 23. Juni 2010 den Betroffenen und dessen Schwester, die zu 100 % behindert ist, mit einem Anteil von jeweils 18 % am Nachlass als Vorerben ein. Ein weiterer Sohn des Erblassers wurde zum Vollerben mit einem Anteil von 64 % bestimmt und im Übrigen auch als Nacherbe nach dem Betroffenen und dessen Schwester eingesetzt. Weiter ordnete der Erblasser hinsichtlich der beiden Vorerben Dauertestamentsvollstreckung nach § 2209 BGB bis zu deren jeweiligen Tod an. Als Aufgabe des Testamentsvollstreckers bestimmte der Erblasser die Ausübung der den Vorerben zustehenden Verwaltungsrechte. Verfügungen über die Erbteile selbst sind dem Testamentsvollstrecker nicht gestattet. Der Wert des Erbteils des Betroffenen beträgt nach Auskunft des Tes- tamentsvollstreckers ca. 32.456 €. Der Nacherbe erklärte sich bereit, auf eine mündelsichere Anlage des Erbteils zu verzichten, und gestattete es dem Testamentsvollstrecker , für den Betroffenen aus der Vermögenssubstanz jährlich "bis zu 2.500 €" zur Steigerung von dessen Lebensqualität zu entnehmen.
3
Nachdem die Betreuervergütung zunächst im vereinfachten Verwaltungsverfahren aus der Landeskasse gezahlt wurde, hat das Amtsgericht mit dem angegriffenen Beschluss entschieden, dass der Betroffene für den unverjährten Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 31. März 2018 einen Betrag in Höhe von 3.432 € an die Landeskasse zu erstatten hat. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich dieser mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses. Zudem ist die Festsetzung der Erstattung ersatzlos aufzuheben.
5
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
6
Wegen der in den letzten drei Jahren aus der Staatskasse erfolgten Vergütung des Betreuers sei Rückgriff in das Vermögen des Betroffenen zu nehmen. Dieser sei nicht mittellos, weil sein Erbe, das nach den Angaben des Testamentsvollstreckers einen Wert von 32.520,41 € habe, Bestandteil des Vermögens des Betroffenen geworden und vom Testamentsvollstrecker zur Entrichtung der Betreuervergütung freizugeben sei. Zwar führe die durch ein sogenanntes Behindertentestament angeordnete (Vor-)Erbschaft bei gleichzeitiger Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung grundsätzlich zu einer Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Erben gemäß § 2211 BGB. Daher könnten sich Gläubiger, die nicht zu den Nachlassgläubigern gehören, nicht an die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände halten. Dies schließe auch eine Verwertung des Nachlasses für die Betreuervergütung grundsätzlich aus. Im vorliegenden Fall verstoße das Testament jedoch gegen § 138 Abs. 1 BGB, weil der Erblasser seine beiden behinderten Kinder sittenwidrig benachteiligt habe, indem er öffentlichen Leistungsträgern , die in der Vergangenheit für ihre Versorgung aufgekommen seien oder in Zukunft aufkommen würden, keinen Anteil am Nachlass eröffne. In dem Testament fehle es an konkreten Verwaltungsanweisungen an den Testamentsvollstrecker , aus denen sich ergebe, in welchem Umfang und für welche Zwecke der Betroffene Vorteile aus dem Nachlass erhalten solle. Das Testament sei auch unter Berücksichtigung seines weiteren Inhalts nicht dahingehend auszulegen , dass der Betroffene irgendwelche Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhalten solle. Folglich sei das Testament nicht Ausdruck einer sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod des Erblassers hinaus , sondern diene ausschließlich der einseitigen Bevorzugung und Sicherung des gesamten Nachlasses zugunsten des nicht behinderten Sohns und damit der Verhinderung eines Zugriffs der Sozialhilfe- und übrigen Leistungsträger auf die Erbteile der beiden behinderten Familienangehörigen. Dafür spreche auch, dass die den beiden behinderten Kindern zugewandten Erbteile nur geringfügig über dem Wert des Pflichtteilsanspruchs lägen und der ebenfalls behinderten Ehefrau des Erblassers lediglich ein Vermächtnis ausgesetzt worden sei.
7
Die Sittenwidrigkeit des Testaments entfalle auch nicht dadurch, dass sich der Nacherbe bereit erklärt habe, auf eine mündelsichere Anlage des Erbteils zu verzichten und es dem Testamentsvollstrecker zu gestatten, für den Betroffenen aus der Vermögenssubstanz jährlich "bis zu 2.500 €" zur Steigerung von dessen Lebensqualität zu entnehmen. Eine solche Anordnung habe der Erblasser treffen müssen, um dem Betroffenen auch einen entsprechenden Anspruch auf die Leistung zu verschaffen.
8
Da der Erbteil des Betroffenen das Schonvermögen von 5.000 € übersteige , sei der gegen das Vermögen des Betroffenen festgesetzte Betrag an die Landeskasse zu leisten.
9
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10
a) Vergütungsschuldner des Berufsbetreuers ist bei Mittellosigkeit des Betreuten die Staatskasse (§§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 3 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG) und bei vorhandenem verwertbaren Vermögen der Betreute (§§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 VBVG). Soweit die Staatskasse Leistungen zur Vergütung eines Betreuers erbracht hat, geht gemäß § 1908 i Abs. 1 BGB i.V.m. § 1836 e Abs. 1 Satz 1 BGB der Anspruch des Betreuers gegen den Betreuten auf die Staatskasse über. Ob bzw. inwieweit die Staatskasse den Betreuten aus der übergegangenen Forderung tatsächlich in Anspruch nehmen kann, bestimmt sich nach dessen Leistungsfähigkeit. Maßstab hierfür ist das nach § 1836 c BGB einzusetzende Einkommen und Vermögen des Betreuten, auf das seine Inanspruch- nahme begrenzt ist (Senatsbeschluss vom 26. November 2014 - XII ZB 542/13 - FamRZ 2015, 488 Rn. 8). Das vom Betreuten einzusetzende Vermögen bestimmt sich gemäß § 1836 c Nr. 2 BGB nach § 90 SGB XII. Dabei geht § 90 Abs. 1 SGB XII von dem Grundsatz aus, dass das gesamte verwertbare Vermögen für die Betreuervergütung einzusetzen ist, soweit es nicht zu dem in § 90 Abs. 2 SGB XII abschließend aufgezählten Schonvermögen gehört. Im Übrigen bleibt gemäß § 90 Abs. 3 SGB XII Vermögen unberücksichtigt, dessen Einsatz oder Verwertung für den Betroffenen eine Härte bedeuten würde (Senatsbeschluss vom 26. November 2014 - XII ZB 542/13 - FamRZ 2015, 488 Rn. 8 f. mwN).
11
b) Danach verfügt der Betroffene über kein verwertbares Vermögen. Der Betroffene muss weder seinen Erbteil noch die daraus erzielten Erträge für die Betreuervergütung einsetzen. Die angeordnete Testamentsvollstreckung schränkt die Verfügungsbefugnis des Betroffenen gemäß § 2211 BGB ein; dementsprechend können sich die Gläubiger des Erben, die nicht zu den Nachlassgläubigern gehören, nicht an die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände halten, § 2214 BGB (Senatsbeschluss vom 27. März 2013 - XII ZB 679/11 - FamRZ 2013, 874 Rn. 21). Dies schließt eine Verwertung des Nachlasses für die Betreuervergütung grundsätzlich aus. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist das Testament vom 23. Juni 2010 auch nicht nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig.
12
aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum sogenannten Behindertentestament sind Verfügungen von Todes wegen, in denen Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie einer - mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen - Dauertestamentsvollstreckung so gestalten , dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann, grundsätzlich nicht sittenwidrig , sondern vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus (Senatsbeschlüsse vom 10. Mai 2017 - XII ZB 614/16 - FamRZ 2017, 1259 Rn. 12; vom 1. Februar 2017 - XII ZB 299/15 - FamRZ 2017, 758 Rn. 15 und vom 27. März 2013 - XII ZB 679/11 - FamRZ 2013, 874 Rn. 20; BGHZ 188, 96 = FamRZ 2011, 472 Rn. 12 mwN).
13
bb) Den Grund für die Annahme, das vorliegende Testament sei sittenwidrig , hat das Landgericht insbesondere darin gesehen, dass in der letztwilligen Verfügung keine konkreten Verwaltungsanweisungen an den Testamentsvollstrecker enthalten sind, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang und zu welchen Zwecken der Betroffene Vorteile aus dem Nachlass erhalten soll. Aus diesem Unterschied zwischen dem "klassischen" und damit nicht sittenwidrigen Behindertentestament zu dem vorliegenden Testament hat das Landgericht geschlossen, dass die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft im vorliegenden Fall allein dazu diene, den Zugriff des Sozialhilfeträgers auf die Erbteile der behinderten Kinder zu verhindern und dies zur Sittenwidrigkeit des Testaments führe. Dem kann nicht gefolgt werden.
14
Aufgrund der grundrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Testierfreiheit kann einer letztwilligen Verfügung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen die Wirksamkeit versagt werden, wenn dies aufgrund übergeordneter Wertungen, etwa infolge objektiver Wertentscheidungen der Grundrechte, die über Generalklauseln wie § 138 Abs. 1 BGB in das Zivilrecht hineinwirken, erforderlich ist. In solchen Fällen muss jedoch stets die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, nicht etwa dessen Rechtfertigung konkret begründet werden. Grundsätzlich können demzufolge alle im Erbrecht vom Gesetz bereitgestellten Gestaltungsinstrumente einschließlich ihrer Kombinationsmöglichkeiten zu- nächst ausgeschöpft werden (vgl. BGHZ 188, 96 = FamRZ 2011, 472 Rn. 18 und BGHZ 123, 368 = FamRZ 1994, 162, 164 f.).
15
Im Lichte dieses Verständnisses kommt eine Einschränkung der Testierfreiheit durch Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB nur in Betracht, wenn sich das Verdikt der Sittenwidrigkeit auf eine klare, deutlich umrissene Wertung des Gesetzgebers oder allgemeine Rechtsauffassung stützen könnte (BGHZ 123, 368 = FamRZ 1994, 162, 164 f.). Weder das eine noch das andere hat das Landgericht hier festgestellt. Allein die vom Landgericht dem Erblasser unterstellte Absicht , durch die Gestaltung des Testaments den gesamten Nachlass nur zugunsten des nicht behinderten Sohns sichern und einen Zugriff der Sozialhilfe - und übrigen Leistungsträger auf die Erbteile der beiden behinderten Familienangehörigen verhindern zu wollen, würde hierfür nicht genügen (vgl. BGHZ 188, 96 = FamRZ 2011, 471 Rn. 23; BGHZ 123, 368 = FamRZ 1994, 162, 164 f. und BGHZ 111, 36 = FamRZ 1990, 730, 732 jeweils hinsichtlich des Trägers der Sozialhilfe). Hinzu kommt, dass die Annahme des Landgerichts, dem Betroffenen würden aus der (Vor-)Erbschaft keinerlei Vorteile zufließen, nicht zutrifft.
16
Auch der Vorerbe ist grundsätzlich wahrer Erbe und damit Inhaber der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte (MünchKommBGB/Grunsky 7. Aufl. § 2100 Rn. 20). Allerdings kann er, soweit er nicht gemäß § 2136 BGB von den Beschränkungen und Verpflichtungen des § 2113 Abs. 1 BGB und der §§ 2114, 2116 bis 2119, 2123, 2127 bis 2131, 2133, 2134 BGB befreit wurde, nicht über die Nachlassgegenstände verfügen. Ihm stehen jedoch im Verhältnis zum Nacherben die vollen Nutzungen (§ 100 BGB) seiner Vorerbschaft zu, während für den Nacherben lediglich die Substanz des Nachlasses erhalten bleiben muss (BGH Urteil vom 4. November 1987 - IVa ZR 118/86 - FamRZ 1988, 279, 280 mwN). Ist eine Dauertestamentsvollstreckung angeordnet, erfasst diese allerdings auch die aus der Vorerbschaft erwirtschafteten Erträge (vgl. Staudinger/Avenarius BGB [2013] § 2214 Rn. 3; Staudinger/Reimann BGB [2016] § 2205 Rn. 44). Ob und in welchem Umfang der Testamentsvollstrecker die Erträge an den Vorerben auszahlen muss, bestimmt sich vorrangig nach den Verwaltungsanordnungen, die der Erblasser in der letztwilligen Verfügung festgelegt hat. Finden sich dort - wie im vorliegenden Fall - keine entsprechenden Regelungen, bestimmt sich dies nach § 2216 Abs. 1 BGB (Staudinger/Reimann BGB [2016] § 2209 Rn. 24). Der Testamentsvollstrecker ist demnach - außerhalb des Anwendungsbereichs des § 2338 Abs. 1 Satz 2 BGB - grundsätzlich befugt, Erträge zu thesaurieren. Nutzungen sind jedoch an den Erben herauszugeben, soweit dies zur Bestreitung des angemessenen Unterhalts des Erben sowie zur Begleichung fälliger Steuerschulden erforderlich ist (OLG Frankfurt FamRZ 2016, 1496, 1497; Staudinger/Reimann BGB [2016] § 2216 Rn. 17; Palandt/Weidlich BGB 78. Aufl. § 2209 Rn. 4; MünchKommBGB/Zimmermann 7. Aufl. § 2209 Rn. 12; BeckOGK BGB/Suttmann [Stand: 1.5.2018] § 2209 Rn. 37.1).
17
Da der Erblasser im vorliegenden Fall keine anderweitigen Verwaltungsanordnungen für den Testamentsvollstrecker getroffen hat, insbesondere keine ausschließliche Thesaurierung der durch die Erbschaftsgegenstände erzielten Erträge angeordnet hat, kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass der Betroffene im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 2216 Abs. 1 BGB) vom Testamentsvollstrecker die Auszahlung von erzielten Erträgen zur Bestreitung seines Unterhalts verlangen kann und ihm deshalb bis zum Eintritt des Nacherbfalls Vorteile aus der Vorerbschaft zufließen. Eine Sittenwidrigkeit des Testaments i.S.v. § 138 Abs. 1 BGB liegt somit nicht vor.
18
3. Die angefochtene Entscheidung ist daher gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Deshalb ist auf die Beschwerde des Betroffenen auch der Beschluss des Amtsgerichts vom 12. Juni 2018 aufzuheben.
19
4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG). Klinkhammer Schilling Günter Nedden-Boeger Krüger
Vorinstanzen:
AG Verden (Aller), Entscheidung vom 12.06.2018 - 4 XVII 98/97 -
LG Verden, Entscheidung vom 22.10.2018 - 1 T 121/18 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 163/06 Verkündet am:
19. Januar 2007
Weschenfelder,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein in der Person des Berechtigten liegendes Ausübungshindernis führt nicht generell
zum Erlöschen des Wohnungsrechts, selbst wenn das Hindernis auf Dauer besteht.
BGB §§ 157 D, 313, 1093
Kann der Berechtigte sein auf Lebenszeit eingeräumtes Wohnungsrecht wegen eines
medizinisch notwendigen Aufenthalts in einem Pflegeheim nicht ausüben, kommt die
Begründung einer Zahlungspflicht des Verpflichteten im Wege der Vertragsanpassung
nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage nur in Betracht,
wenn der Heimaufenthalt auf Dauer erforderlich ist und die Vertragsschließenden
nicht mit dem Eintritt dieses Umstands gerechnet haben; fehlen diese Voraussetzungen
, kann die ergänzende Vertragsauslegung einen Geldanspruch des Berechtigten
begründen.
BGH, Urt. v. 19. Januar 2007 - V ZR 163/06 - OLG Hamm
LG Detmold
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. Juni 2006 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 10. Mai 1980 übertrug der zwischenzeitlich verstorbene Vater des Beklagten diesem zwei Hausgrundstücke. Als Gegenleistung räumte der Beklagte seinen Eltern als Gesamtberechtigten lebenslängliche unentgeltliche Wohnungsrechte an den beiden jeweils in den oberen Geschossen der Häuser gelegenen Wohnungen ein, welche in die jeweiligen Grundbücher eingetragen wurden. Weiter wurde vereinbart, dass die Eltern die Schönheitsreparaturen selbst durchführen und die Stromkosten bezahlen sollten; die übrigen Nebenkosten einschließlich der Heizungskosten sollte der Beklagte tragen.
2
In der Folgezeit bewohnte der Vater des Beklagten die eine, die Mutter die andere Wohnung. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1996 vermietete der Beklagte mit Zustimmung seiner Mutter die bisher von dem Vater genutzte Wohnung und vereinnahmt seither die Mieten.
3
Ende des Jahres 2000 erlitt die Mutter des Beklagten einen Schlaganfall und musste nach einem Krankenhausaufenthalt in ein Pflegeheim aufgenommen werden. Mit ihrem Einverständnis renovierte der Beklagte die bis dahin von ihr genutzte Wohnung, auch baute er eine neue Heizungsanlage ein; sodann vermietete er die Wohnung. Die Mieten nimmt der Beklagte ein.
4
Der Kläger leistet der Mutter des Beklagten seit dem 1. Februar 2003 Hilfe zur Pflege in Höhe der ungedeckten Heimkosten. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. November 2003 leitete er "sämtliche Ansprüche auf Geldleistungen , die sich aus der Nichtinanspruchnahme der vertraglichen Leistungen aus dem Übergabevertrag ergeben", ab dem 1. Februar 2003 bis zur Höhe der gewährten Sozialhilfe auf sich über.
5
Die Betreuerin der Mutter des Beklagten teilte dem Kläger im Juni 2004 mit, der Beklagte habe ihr erklärt, dass seine Mutter keine Ansprüche auf die von ihm vereinnahmten Mieten habe. Darauf erhob der Kläger Klage, mit der er die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 8.940,89 € nebst Zinsen für den Zeitraum vom 1. Februar 2003 bis zum 31. März 2004 verlangt hat. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 7.868,90 € nebst Zinsen stattgegeben. Die Berufung des Klägers, mit der er die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer 1.071,99 € nebst Zinsen beantragt hat, ist ebenso ohne Erfolg geblieben wie die Berufung des Beklagten.
6
Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, will der Beklagte die Aufhebung des Beru- fungsurteils, soweit es ihn beschwert, und die vollständige Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe:


I.


7
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Mutter des Beklagten das Wohnungsrecht an den beiden Wohnungen nach wie vor zu. Es sei weder durch den Tod des Vaters noch durch ihren Aufenthalt in dem Pflegeheim erloschen. Allerdings habe die Mutter mit dem Beklagten konkludent eine abändernde schuldrechtliche Vereinbarung dahingehend getroffen, dass er die früher von dem Vater genutzte Wohnung auf eigene Rechnung vermieten dürfe. Der Abschluss einer gleichartigen Vereinbarung betreffend die von der Mutter vor ihrem Umzug in das Pflegeheim genutzte Wohnung könne nicht festgestellt werden. Zwar sei die Mutter bzw. später ihre Betreuerin mit der Renovierung der Wohnung einverstanden gewesen und habe auch der Vermietung durch den Beklagten nicht widersprochen. Aber darin liege kein Einverständnis mit der Vereinnahmung der Mieten durch den Beklagten. Die erstmals in der Berufungsinstanz aufgestellte Behauptung des Beklagten, alle Beteiligten seien sich seinerzeit einig gewesen, dass ihm die Mieteinnahmen zustehen sollten, sei nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen. Das Wohnungsrecht sei deshalb eingeräumt worden, weil der Vater des Beklagten habe sicherstellen wollen , dass ihm und seiner Ehefrau die bisher genutzten Wohnungen bis an ihr Lebensende erhalten blieben; die Eltern des Beklagten hätten damit ihren Wohnungsbedarf auf Dauer abdecken wollen. Die Einräumung des Wohnungsrechts sei deshalb als Teil ihrer Altersversorgung anzusehen. Diese sei hinsicht- lich der Mutter des Beklagten nicht mehr gewährleistet, weil ihr Wohnungsbedarf nunmehr ungedeckt sei; denn sie könne einerseits das Wohnungsrecht nicht mehr ausüben, andererseits die für ihren Wohn- und Pflegebedarf anfallenden Kosten nicht in vollem Umfang tragen. Dass die Altersversorgung der Eltern des Beklagten nicht mehr gewährleistet sein könne, hätten die Vertragsschließenden nicht bedacht und diesen Fall der Versorgungslücke nicht geregelt. Damit sei die Geschäftsgrundlage des Übergabevertrags gestört. Hätten die Vertragsparteien den jetzt eingetretenen Fall bedacht, hätten sie redlicherweise eine Vereinbarung dahin getroffen, dass der Mutter die aus der Vermietung ihrer früheren Wohnung gezogenen wirtschaftlichen Vorteile zustünden. Deshalb sei der Übergabevertrag nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage dahin anzupassen, dass der Beklagte seiner Mutter die Einkünfte aus der Vermietung der Wohnung bis zur Deckung ihrer Versorgung zukommen lassen müsse. Die Höhe des Anspruchs bemesse sich nach den von dem Beklagten durch die Vermietung erzielten finanziellen Vorteilen. Der Kläger habe diesen Anspruch, der durch die Höhe der geleisteten Sozialhilfe begrenzt sei, wirksam auf sich übergeleitet.
8
Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nur im Ergebnis stand.

II.


9
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen nach § 90 BSHG übergegangenen vertraglichen Anspruch der Mutter auf Herausgabe der von dem Beklagten vereinnahmten Mieten und auf Erstattung der von dem Beklagten tatsächlich ersparten Aufwendungen in der von den Vorinstanzen zuerkannten Höhe.
10
1. Zu Recht - und von der Revision nicht angegriffen - ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger sämtliche der Mutter des Beklagten wegen der Nichtausübung des ihr in dem Übergabevertrag vom 10. Mai 1980 eingeräumten Wohnungsrechts zustehenden Ansprüche gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG auf sich übergeleitet hat. Aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 28. November 2003 ergibt sich, dass nicht das Wohnungsrecht selbst, sondern die sich aus dem Übergabevertrag möglicherweise als Ausgleich für die Nichtinanspruchnahme des Wohnungsrechts ergebenden Zahlungsansprüche übergeleitet worden sind.
11
2. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts , dass das der Mutter eingeräumte Wohnungsrecht weder durch den Tod des Vaters des Beklagten im Jahr 1996 noch durch ihren krankheitsbedingten Umzug in ein Pflegeheim erloschen ist.
12
a) Nach § 2a des Übergabevertrags hatte der Beklagte als Gegenleistung für die Übertragung der Grundstücke seinem Vater und seiner Mutter "als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB" ein lebenslängliches Wohnungsrecht eingeräumt. Auf die dem entsprechende Bewilligung des Beklagten wurden die Wohnungsrechte in die Grundbücher eingetragen. Das ist rechtlich möglich und hat u.a. zur Folge, dass mit dem Tod des Erstversterbenden nicht alle Wohnungsrechte erlöschen, sondern nur das Wohnungsrecht dieses Berechtigten erlischt und das Wohnungsrecht des anderen Berechtigten bis zu seinem Tod bestehen bleibt (Senat, BGHZ 46, 253, 259 f.).
13
b) Das Wohnungsrecht ist eine besondere Art der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§ 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB). Für sein Erlöschen gelten deshalb dieselben Grundsätze wie für das Erlöschen einer solchen Dienstbar- keit. Danach erlischt das Recht, wenn seine Ausübung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauernd unmöglich wird (Senat, Urt. v. 7. Dezember 1984, V ZR 189/83, NJW 1985, 1025). Das ist u.a. der Fall, wenn das Recht niemandem mehr einen Vorteil bietet (Senat, BGHZ 41, 209, 214). An diesen Voraussetzungen fehlt es, wenn das Wohnungsrecht auf Grund der Aufnahme des Berechtigten in ein Pflegeheim nicht ausgeübt werden kann. Denn ihm bleibt nach § 1090 Abs. 1 Satz 2 BGB die Möglichkeit, mit Gestattung des Grundstückseigentümers die Ausübung seines Rechts anderen zu überlassen und dadurch z.B. für sich einen Mietanspruch gegen den Besitzer der dem Recht unterliegenden Räume zu begründen (vgl. Senat, BGHZ 59, 51, 56 ff.). Ein in der Person des Berechtigten liegendes Ausübungshindernis führt somit nicht generell zum Erlöschen des Wohnungsrechts (OLG Zweibrücken OLGZ 1987, 27; OLG Oldenburg NJW-RR 1994, 467, 468; OLG Köln NJW-RR 1995, 1358; OLG Celle MDR 1998, 1344; OLG Düsseldorf Rpfleger 2001, 542, 543), selbst wenn das Hindernis auf Dauer besteht.
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3. Ebenfalls rechtlich zutreffend hat das Berufungsgericht einen Zahlungsanspruch der Mutter des Beklagten nach landesgesetzlichen Vorschriften (Art. 96 EGBGB i.V.m. Lipp. AGBGB) verneint. In dem Übergabevertrag vom 10. Mai 1980 wurde kein Altenteilsrecht im Sinne des Art. 96 EGBGB zu Gunsten der Eltern des Beklagten vereinbart. Denn eine Grundstücksübertragung wird noch nicht dadurch zum Altenteilsvertrag, dass dem Übergeber ein Wohnungsrecht eingeräumt wird; hinzutreten muss, dass ein Beteiligter dem anderen seine wirtschaftliche Lebensgrundlage überträgt, um dafür in die persönliche Gebundenheit eines abhängigen Versorgungsverhältnisses einzutreten, während der Übernehmer eine wirtschaftlich selbständige Stellung erlangt (siehe nur Senat, Urt. v. 25. Oktober 2002, V ZR 293/01, WM 2003, 1483, 1485).
Diese Voraussetzungen liegen hier nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor.
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4. Fehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch den Zahlungsanspruch der Mutter gegen den Beklagten auf die gerichtliche Anpassung des Übergabevertrags vom 10. Mai 1980 nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gestützt. Die in dem Berufungsurteil getroffenen Feststellungen rechtfertigen das nicht.
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a) Offen bleiben kann, ob die Rechtsprechung des Senats, nach welcher ein Zahlungsausgleich für den auf der Zerrüttung des persönlichen Verhältnisses zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem beruhenden Ausfall von in Übergabeverträgen vereinbarten Versorgungsleistungen aus dem Rechtsgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht kommt (Urt. v. 20. März 1981, V ZR 152/79, WM 1981, 657, 658; Urt. v. 23. September 1994, V ZR 113/93, NJW-RR 1995, 77, 78; Urt. v. 1. Februar 2002, V ZR 61/01, WM 2002, 772, 773), auch auf den Fall anzuwenden ist, dass die Ausübung eines Wohnungsrechts dem Berechtigten wegen eines medizinisch notwendigen und dauerhaften Aufenthalts in einem Pflegeheim nicht möglich ist. Bedenken dagegen können sich, worauf die Revision zutreffend hinweist, aus der Überlegung ergeben, dass bei der Vereinbarung eines lebenslangen Wohnungsrechts jeder Vertragsteil damit rechnen muss, dass der Berechtigte sein Recht wegen Krankheit und Pflegebedürftigkeit nicht bis zu seinem Tod ausüben kann; tritt dieser Fall ein, fehlt es an der für eine gerichtliche Vertragsanpassung notwendigen Voraussetzung der unvorhergesehenen Änderung der Umstände, die Geschäftsgrundlage geworden sind (vgl. OLG Oldenburg NJW-RR 1994, 1041, 1042; OLG Hamm NJW-RR 1996, 1360, 1361; OLG Brandenburg DtZ 1997, 364, 365; OLG Düsseldorf Rpfleger 2001, 542; Staudinger/Mayer, BGB [2002], § 1093 Rdn. 55; E. Schneider, MDR 1999, 87 f.; Littig/Mayer, Sozialhilferegress gegenüber Erben und Beschenkten, Rdn. 114; a.A. [Anwendbarkeit der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage] OLG Köln ZMR 1995, 256, 257; OLG Schleswig OLG-Report 1997, 357, 358; OLG Celle NJW-RR 1999, 10, 11; AnwK-BGB/Otto, § 1093 Rdn. 37; Bamberger/Roth/Wegmann, BGB, § 1093 Rdn. 32).
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b) Hier kommt die gerichtliche Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil das Berufungsgericht eine entscheidende Voraussetzung dafür, nämlich das dauerhafte Unvermögen der Mutter des Beklagten zur Ausübung ihres Wohnungsrechts, nicht festgestellt hat. Es ist auch weder von den Parteien vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass ihre Rückkehr in ihre frühere Wohnung - gegebenenfalls unter Aufnahme von Pflegepersonen (§ 1093 Abs. 2 BGB) - ausgeschlossen ist. Solange das nicht feststeht, kann keine gerichtliche Vertragsanpassung erfolgen; denn bei einem nur vorübergehenden subjektiven Ausübungshindernis fehlt es an dem Merkmal der schwerwiegenden Veränderung der Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind (vgl. § 313 Abs. 1 BGB).
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c) Die Frage, ob die Mutter des Beklagten dauerhaft ihr Wohnungsrecht nicht ausüben kann, bedarf jedoch keiner Klärung. Denn das Berufungsgericht hat auch übersehen, dass der Beklagte und seine Mutter bereits eine Anpassung des Vertrags vorgenommen haben, indem sie die Vermietungsvereinbarung hinsichtlich der dem Wohnungsrecht der Mutter unterliegenden Räume getroffen haben. Für die rechtlichen Beziehungen zwischen ihnen ist im Hinblick darauf, wem die Mieten zustehen, nunmehr der Inhalt dieser Vereinbarung und nicht mehr der des Übergabevertrags vom 10. Mai 1980 maßgeblich. Das schließt die gerichtliche Anpassung des Übergabevertrags nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage aus. Er kann aus demselben Grund auch nicht ergänzend ausgelegt werden, um einen Geldanspruch der Mutter gegen den Beklagten zu begründen (vgl. zur ergänzenden Vertragsauslegung bei dem durch einen Heimaufenthalt bedingten Wegfall von Versorgungsverpflichtungen , die auf dem übergebenen Grundstück zu erfüllen sind, Senat, Urt. v. 21. September 2001, V ZR 14/01, WM 2002, 598, 599; Beschl. v. 21. November 2002, V ZB 40/02, WM 2003, 1827, 1828; Beschl. v. 23. Januar 2003, V ZB 48/02, NJW-RR 2003, 577, 578).
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5. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO). Die Auslegung der zwischen dem Beklagten und seiner Mutter getroffenen Vermietungsvereinbarung ergibt nämlich, dass die Mutter einen Anspruch auf Auskehr der von dem Beklagten vereinnahmten Mieten hat.
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a) Das dingliche Wohnungsrecht ist eine besondere Art der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§ 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB). Deshalb darf Dritten, wenn sie nicht zu den in § 1093 Abs. 2 BGB genannten Personen gehören, die Allein- oder Mitbenutzung der Wohnung nur bei Gestattung durch den Grundstückseigentümer überlassen werden (§ 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB). Für eine solche Gestattung bedarf es einer Vereinbarung zwischen dem Eigentümer und dem Berechtigten (BGH, Urt. v. 25. September 1963, VIII ZR 39/62, NJW 1963, 2319). Weitere Anforderungen an die Wirksamkeit der Gestattung wie etwa eine Vereinbarung darüber, wem die aus der Wohnungsüberlassung erzielten Mieteinnahmen zustehen, stellt das Gesetz nicht auf.
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b) Die zwischen dem Beklagten und seiner Mutter getroffene Vermietungsvereinbarung enthält nicht nur die Gestattung zur Vermietung der Wohnung an Dritte, sondern geht darüber hinaus. Die Vermietung sollte nicht - wie bei der bloßen Überlassungsgestattung - durch die Mutter als Berechtigte des Wohnungsrechts erfolgen, so dass ihr als Vermieterin - mangels anderer Absprachen mit dem Grundstückseigentümer - die Mieten zustehen (vgl. Senat, BGHZ 59, 51, 56 ff.). Vielmehr durfte der Beklagte die Wohnung im eigenen Namen vermieten. Falls die darauf erfolgte Vermietung eine Auftragsgeschäftsbesorgung (§ 662 BGB) des Beklagten war, ist er - worauf der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zutreffend hingewiesen hat - nach § 667 BGB verpflichtet, an seine Mutter die vereinnahmten Mieten herauszugeben.
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c) Dieselbe Verpflichtung trifft den Beklagten, wenn man kein Auftragsverhältnis zwischen ihm und seiner Mutter im Hinblick auf die Vermietung der Wohnung annimmt, sondern z.B. von einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis ausgeht. Dann ist die Vermietungsvereinbarung unvollständig, denn es fehlt die Einigung darüber, wem die Mieteinnahmen zustehen. Dass die Beteiligten diesen Punkt bewusst ungeregelt gelassen haben, ist weder festgestellt noch ersichtlich. Denn nach ihrem Vortrag in den Tatsacheninstanzen hat die Betreuerin der Mutter für diese die Mieten beansprucht, während der Beklagte der Meinung ist, sie stünden ihm zu. Obwohl dieser Punkt damit, auch nach den Vorstellungen der Vertragsparteien, regelungsbedürftig war, ist er ungeregelt geblieben; das macht die Ermittlung des vollständigen Inhalts der Vereinbarung unter dem Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung notwendig, also die Ermittlung dessen, was die Beteiligten (bei angemessener Abwägung ihrer Interessen und als redliche Vertragspartner) zur Schließung der Lücke selbst unternommen hätten (Senat, Urt. v. 2. Juli 2004, V ZR 209/03, NJW-RR 2005, 205, 206 m.w.N.).
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d) Da das Berufungsgericht die Vermietungsvereinbarung nicht ausgelegt hat und weitere tatsächliche Feststellungen wegen der von der Revision nicht angegriffenen Nichtzulassung des zweitinstanzlichen Vortrags des Beklagten zu dem behaupteten übereinstimmenden Willen der Beteiligten, die Mieten sollten ihm zustehen, nicht in Betracht kommen, ist der Senat zur eigenen Auslegung befugt. Sie führt dazu, dass die Mutter des Beklagten von ihm die vereinnahmten Mieten herausverlangen kann. Nur dieses Auslegungsergebnis berücksichtigt ausreichend Sinn und Zweck des der Mutter eingeräumten Wohnungsrechts und die Interessenlage der Parteien. Denn wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang zutreffend festgestellt hat, ist das Wohnungsrecht ein Teil der Altersversorgung der Mutter; sie soll auf Lebenszeit unentgeltlich wohnen können mit der Folge, dass sie ihre Einkünfte - bis auf die Begleichung von Schönheitsreparaturen und Stromkosten - anders als zum Wohnen verwenden kann. Der Beklagte muss nach der in dem Übergabevertrag getroffenen Regelung die übrigen Nebenkosten tragen, die durch die Ausübung des Wohnungsrechts seiner Mutter entstehen; eine Zahlung seiner Mutter an ihn für die Benutzung der dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume ist nicht vorgesehen. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte und seine Mutter vereinbart hätten, dass ihm die Mieten zustehen sollen. Denn das führte zu einer wirtschaftlichen Besserstellung des Beklagten gegenüber den Regelungen in dem Übergabevertrag auf Kosten seiner Mutter, die durch nichts gerechtfertigt ist. Im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass die Mutter des Beklagten mit der Vermietung ihrer früheren Wohnung das Eintreten des Sozialhilfeträgers für die ungedeckten Kosten ihres Heimaufenthalts herbeiführen wollte. Das wäre aber die bei Abschluss der Vermietungsvereinba- rung vorausgesehene wirtschaftliche Folge, wenn dem Beklagten die Mieteinnahmen zustünden. Auch deshalb verbietet sich eine ergänzende Vertragsauslegung mit diesem Ergebnis.
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6. Aus denselben Gründen ergibt die ergänzende Auslegung der Vermietungsvereinbarung weiter, dass der Beklagte seiner Mutter auch die tatsächlich ersparten Aufwendungen, also die von ihm nach den Regelungen in dem Übergabevertrag zu tragenden Nebenkosten, erstatten muss (vgl. Senat, Beschl. v. 23. Januar 2003, V ZB 48/02, NJW-RR 2003, 577, 578), soweit diese von dem Mieter getragen werden.
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7. Die Berechnung der Höhe des wirksam auf den Kläger übergeleiteten Anspruchs durch das Berufungsgericht ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie wird von der Revision auch nicht angegriffen.

III.


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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
LG Detmold, Entscheidung vom 29.09.2005 - 9 O 322/05 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 08.06.2006 - 10 U 130/05 -

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

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2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge.

(2) Ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander ist im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

(3) Auf andere Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Wahl des anzuwendenden Erbrechts findet Absatz 1 keine Anwendung.

(1) Der Widerruf einer Verfügung, die mit einer Verfügung des anderen Ehegatten in dem in § 2270 bezeichneten Verhältnis steht, erfolgt bei Lebzeiten der Ehegatten nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschrift des § 2296. Durch eine neue Verfügung von Todes wegen kann ein Ehegatte bei Lebzeiten des anderen seine Verfügung nicht einseitig aufheben.

(2) Das Recht zum Widerruf erlischt mit dem Tode des anderen Ehegatten; der Überlebende kann jedoch seine Verfügung aufheben, wenn er das ihm Zugewendete ausschlägt. Auch nach der Annahme der Zuwendung ist der Überlebende zur Aufhebung nach Maßgabe des § 2294 und des § 2336 berechtigt.

(3) Ist ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling der Ehegatten oder eines der Ehegatten bedacht, so findet die Vorschrift des § 2289 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.