Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2013 - XII ZB 233/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Amtsgericht bestellte am 28. Juni 2011 den Beteiligten als Betreuer für den Betroffenen mit dem Aufgabenkreis der Wahrnehmung seiner Rechte in einem Zivilrechtsstreit einschließlich etwaiger Folge- und Rechtsmittelverfahren längstens bis zum 27. Juni 2013. Der Rechtsstreit wurde durch einen am 20. Juli 2011 geschlossenen Vergleich beendet. Am 21. November 2011 zeigte der Betreuer dem Amtsgericht an, dass das Verfahren abgeschlossen und der Vergleich erfüllt sei. Zugleich regte er die Aufhebung seiner Betreuung an, da seine Aufgabe erledigt sei. Erst mit Beschluss vom 31. Januar 2013 hob das Amtsgericht die Betreuung auf.
- 2
- Für die Zeit vom 2. April bis 1. Oktober 2012 hat der Betreuer die Festsetzung seiner vom Betroffenen zu erstattenden pauschalen Betreuervergütung gemäß §§ 4, 5 VBVG beantragt. Das Amtsgericht hat die Vergütung des Betreuers antragsgemäß festgesetzt. Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht den Beschluss aufgehoben und den Antrag auf Betreuervergütung für den beantragten Zeitraum zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Betreuers.
II.
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- Die Rechtsbeschwerde ist begründet; sie führt zur Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.
- 4
- 1. Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Im maßgeblichen Antragszeitraum vom 2. April 2012 bis 1. Oktober 2012 habe der Betreuer keinerlei Betreuungstätigkeit geleistet. Sein Aufgabenkreis habe die Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen in einem bestimmten Rechtsstreit umfasst, welcher durch Abschluss eines Vergleichs am 20. Juli 2011 beendet worden sei. Danach habe der Betreuer keine Mühewaltung mehr entfaltet und dies sei ihm auch nicht mehr möglich gewesen. Im Unterschied zu einer fehlerhaften oder einer zu lange aufrechterhaltenen Bestellung, bei der der Betreuer weiterhin tätig werde, sei hier schon die Möglichkeit einer weiteren Tätigkeit des Betreuers ausgeschlossen gewesen.
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- 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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- Der Beteiligte zu 1 hat als Berufsbetreuer des Betroffenen für die Wahrnehmung von dessen Rechten in einem Zivilrechtsstreit bis zur Aufhebung der Betreuung durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 31. Januar 2013 einen Anspruch auf pauschale Vergütung nach §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 VBVG. Der Anspruch ist somit für den geltend gemachten Zeitraum vom 2. April bis 1. Oktober 2012 begründet.
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- a) Wie der Senat bereits entschieden hat, steht dem Betreuer für die Dauer der Betreuung gemäß §§ 1 Abs. 2, 4, 5 VBVG i.V.m. § 1908 i BGB ein Vergütungsanspruch in dem pauschal festgelegten Umfang zu, ohne dass der Rechtspfleger zu überprüfen hat, ob und in welchem Umfang der Betreuer tätig geworden ist und ob die Aufhebung der Betreuung früher hätte erfolgen müssen (Senatsbeschluss vom 11. April 2012 - XII ZB 459/10 - FamRZ 2012, 1051 Rn. 22).
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- Mit der Einführung der Pauschalierung der Betreuervergütung durch das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz, deren Ziel es ist, Betreuer und Rechtspfleger von den zeitaufwändigen Abrechnungen zu entlasten, ist ein vom tatsächlichen Aufwand im konkreten Fall unabhängiges Vergütungssystem geschaffen worden. Die in § 5 VBVG anhand einer Mischkalkulation zwischen aufwändigen und weniger aufwändigen Fällen festgelegten Stundenansätze stehen von Beginn des Betreuungsverfahrens an fest (BT-Drucks. 15/2494 S. 33). Die Ausübung einer konkreten Betreuungstätigkeit wird bei der pauschalen Vergütung typisierend unterstellt; nicht erforderlich ist, dass der Betreuer in dem zu vergütenden Zeitraum auch tatsächlich für den Betreuten in dem vom Gesetz pauschalierend unterstellten Umfang tätig geworden ist (Senatsbeschlüsse vom 11. April 2012 - XII ZB 459/10 - FamRZ 2012, 1051 Rn. 23 und vom 28. Mai 2008 - XII ZB 53/08 - FamRZ 2008, 1611 Rn. 30).
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- Der Vergütungsanspruch besteht in dem durch § 5 VBVG pauschal festgelegten Umfang für den gesamten Zeitraum der Betreuung. Diese endet ge- mäß § 1908 d BGB erst durch ausdrückliche gerichtliche Entscheidung. Die Regelung dient der Klarheit der Rechtsverhältnisse. Denn es ist vielfach zweifelhaft und erst durch gerichtliche Ermittlungen zu klären, ob die Voraussetzungen für eine Betreuung nicht mehr vorliegen (BT-Drucks. 11/4528, S. 155). Deshalb ist es hinzunehmen, dass zwischen dem Ende der Notwendigkeit der Betreuung und der Aufhebung der Betreuung eine gewisse noch mit dem pauschalen Stundenansatz nach § 5 VBVG zu vergütende Zeitspanne liegt, die auf gerichts- oder behördeninterne Abläufe und auf die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Aufhebung der Betreuung tatsächlich vorliegen, zurückzuführen ist (Senatsbeschlüsse vom 11. April 2012 - XII ZB 459/10 - FamRZ 2012, 1051 Rn. 24 und vom 14. Dezember 2011 - XII ZB 489/10 - FamRZ 2012, 295 Rn. 11 ff.).
- 10
- Dem Rechtspfleger ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren lediglich die Prüfung übertragen, ob und wann die gemäß § 1908 d Abs. 1 BGB i.V.m. § 23 c Abs. 2 GVG, § 19 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 RPflG dem Richter vorbehaltene Aufhebung der Betreuung erfolgt ist, nicht aber, ob die Aufhebung früher hätte erfolgen können.
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- b) Auch eine analoge Anwendung des § 6 VBVG, der für die dort genannten Sonderfälle eine Berechnung der Vergütung nach tatsächlich aufgewandtem und erforderlichem Zeitaufwand zulässt, kommt nicht zur Anwendung. Denn § 6 VBVG ist als eng begrenzte Ausnahmevorschrift einer analogen Anwendung nicht zugänglich (vgl. Senatsbeschluss vom 11. April 2012 - XII ZB 459/10 - FamRZ 2012, 1051 Rn. 14).
- 12
- c) Ebenso musste der Rechtspfleger im Vergütungsfestsetzungsverfahren auch keine Ermittlungen zur Feststellung eines etwaigen treuwidrigen Ver- haltens des Beteiligten zu 1 durchführen (Senatsbeschluss vom 11. April 2012 - XII ZB 459/10 - FamRZ 2012, 1051 Rn. 26).
Vorinstanzen:
AG Büdingen, Entscheidung vom 20.02.2013 - 31 XVII 56/12 -
LG Gießen, Entscheidung vom 08.04.2013 - 7 T 96/13 -
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(1) Die dem Betreuer nach § 1 Absatz 2 zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C der Anlage festgelegt sind.
(2) Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach Vergütungstabelle A, sofern der Betreuer über keine besonderen Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind.
(3) Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so richtet sich die Vergütung
- 1.
nach Vergütungstabelle B, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind; - 2.
nach Vergütungstabelle C, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.
(4) § 3 Absatz 2 gilt entsprechend. § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 findet keine Anwendung.
(1) Die Höhe der Fallpauschalen nach § 4 Absatz 1 richtet sich nach
- 1.
der Dauer der Betreuung, - 2.
dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betreuten und - 3.
dem Vermögensstatus des Betreuten.
(2) Hinsichtlich der Dauer der Betreuung wird bei der Berechnung der Fallpauschalen zwischen den Zeiträumen in den ersten drei Monaten der Betreuung, im vierten bis sechsten Monat, im siebten bis zwölften Monat, im 13. bis 24. Monat und ab dem 25. Monat unterschieden. Für die Berechnung der Monate gelten § 187 Absatz 1 und § 188 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. Ändern sich Umstände, die sich auf die Vergütung auswirken, vor Ablauf eines vollen Monats, so ist die Fallpauschale zeitanteilig nach Tagen zu berechnen; § 187 Absatz 1, § 188 Absatz 1 und § 191 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten entsprechend.
(3) Hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Betreuten ist zwischen stationären Einrichtungen und diesen nach Satz 3 gleichgestellten ambulant betreuten Wohnformen einerseits und anderen Wohnformen andererseits zu unterscheiden. Im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
stationäre Einrichtungen: Einrichtungen, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung oder Pflege zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden; - 2.
ambulant betreute Wohnformen: entgeltliche Angebote, die dem Zweck dienen, Volljährigen das Leben in einem gemeinsamen Haushalt oder einer Wohnung bei gleichzeitiger Inanspruchnahme extern angebotener entgeltlicher Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege zu ermöglichen.
(4) Hinsichtlich der Bestimmung des Vermögensstatus des Betreuten ist entscheidend, ob am Ende des Abrechnungsmonats Mittellosigkeit nach § 1836d des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegt.
(5) Die Fallpauschalen gelten auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Betreuung entstandener Aufwendungen ab. Die gesonderte Geltendmachung von Aufwendungen im Sinne des § 1835 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt unberührt.
(1) Das Familiengericht hat die Feststellung der Berufsmäßigkeit gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu treffen, wenn dem Vormund in einem solchen Umfang Vormundschaften übertragen sind, dass er sie nur im Rahmen seiner Berufsausübung führen kann, oder wenn zu erwarten ist, dass dem Vormund in absehbarer Zeit Vormundschaften in diesem Umfang übertragen sein werden. Berufsmäßigkeit liegt im Regelfall vor, wenn
- 1.
der Vormund mehr als zehn Vormundschaften führt oder - 2.
die für die Führung der Vormundschaft erforderliche Zeit voraussichtlich 20 Wochenstunden nicht unterschreitet.
(2) Trifft das Familiengericht die Feststellung nach Absatz 1 Satz 1, so hat es dem Vormund oder dem Gegenvormund eine Vergütung zu bewilligen. Ist der Mündel mittellos im Sinne des § 1836d des Bürgerlichen Gesetzbuchs, so kann der Vormund die nach Satz 1 zu bewilligende Vergütung aus der Staatskasse verlangen.
(1) Die Höhe der Fallpauschalen nach § 4 Absatz 1 richtet sich nach
- 1.
der Dauer der Betreuung, - 2.
dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betreuten und - 3.
dem Vermögensstatus des Betreuten.
(2) Hinsichtlich der Dauer der Betreuung wird bei der Berechnung der Fallpauschalen zwischen den Zeiträumen in den ersten drei Monaten der Betreuung, im vierten bis sechsten Monat, im siebten bis zwölften Monat, im 13. bis 24. Monat und ab dem 25. Monat unterschieden. Für die Berechnung der Monate gelten § 187 Absatz 1 und § 188 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. Ändern sich Umstände, die sich auf die Vergütung auswirken, vor Ablauf eines vollen Monats, so ist die Fallpauschale zeitanteilig nach Tagen zu berechnen; § 187 Absatz 1, § 188 Absatz 1 und § 191 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten entsprechend.
(3) Hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Betreuten ist zwischen stationären Einrichtungen und diesen nach Satz 3 gleichgestellten ambulant betreuten Wohnformen einerseits und anderen Wohnformen andererseits zu unterscheiden. Im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
stationäre Einrichtungen: Einrichtungen, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung oder Pflege zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden; - 2.
ambulant betreute Wohnformen: entgeltliche Angebote, die dem Zweck dienen, Volljährigen das Leben in einem gemeinsamen Haushalt oder einer Wohnung bei gleichzeitiger Inanspruchnahme extern angebotener entgeltlicher Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege zu ermöglichen.
(4) Hinsichtlich der Bestimmung des Vermögensstatus des Betreuten ist entscheidend, ob am Ende des Abrechnungsmonats Mittellosigkeit nach § 1836d des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegt.
(5) Die Fallpauschalen gelten auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Betreuung entstandener Aufwendungen ab. Die gesonderte Geltendmachung von Aufwendungen im Sinne des § 1835 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt unberührt.
In den Fällen des § 1899 Abs. 2 und 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erhält der Betreuer eine Vergütung nach § 1 Abs. 2 in Verbindung mit § 3; für seine Aufwendungen kann er Vorschuss und Ersatz nach § 1835 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit Ausnahme der Aufwendungen im Sinne von § 1835 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs beanspruchen. Ist im Fall des § 1899 Absatz 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Verhinderung tatsächlicher Art, sind die Vergütung und der Aufwendungsersatz nach § 4 in Verbindung mit § 5 sowie die Pauschale nach § 5a Absatz 1 zu bewilligen und im Fall des § 5 nach Tagen zu teilen; § 187 Absatz 1 und § 188 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten entsprechend.