Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Mai 2005 - XII ZB 202/04
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Die Beklagte war mit dem Vater der Kläger verheiratet. Sie war als dessen Betreuerin, auch für den Bereich der Vermögenssorge, bestellt. Der Vater verstarb am 2. September 1998. Die Parteien sind jeweils zu ¼ Erben geworden. Die Kläger haben die Beklagte im Wege der Stufenklage u.a. auf Auskunft und Rechnungslegung über das Vermögen des Erblassers im Betreuungszeitraum in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich des Antrags auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung durch Teilurteil abgewiesen, weil der Auskunftsanspruch bereits erfüllt sei. Für den Zeitraum vom 1. September bis 31. Dezember 1995 habe die Beklagte die ihr obliegende Verpflichtung zur Rechnungslegung durch Vorlage der Zusammenstellung vom 14. März 2002 nebst Anlagen und ergänzenden Erklärungen erfüllt. Für denZeitraum vom 1. Januar 1996 an könne sie sich auf die gegenüber dem Vormundschaftsgericht erfolgte Rechnungslegung berufen. Durch weiteres Teilurteil vom 29. April 2004 hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben für den Zeitraum vom 8. September 1995 bis 2. September 1998 an Eides statt zu versichern. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteige. Gegen diesen Beschluß legte die Beklagte Rechtsbeschwerde ein. Nach deren Begründung beantragten die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten mit Schriftsatz vom 21. April 2005, die Zwangsvollstreckung aus dem Teilurteil des Landgerichts vom 29. April 2004 auszusetzen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Kläger betrieben aus dem Teilurteil die Zwangsvollstrekkung ; die Beklagte sei für den 12. Mai 2005 zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen. Wenn die Zwangsvollstreckung fortgesetzt würde und die Beklagte die eidesstattliche Versicherung abgeben müsse, werde die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. 1. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist dem Beschwerdeführer gemäß §§ 575 Abs. 5, 570 Abs. 3 ZPO die Möglichkeit eröffnet, um Aussetzung der Vollziehung der erstinstanzlichen Entscheidung nachzusuchen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist nicht darauf beschränkt, die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung gemäß § 570 Abs. 3 Halbs. 2 ZPO auszusetzen. Es kann vielmehr im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 570 Abs. 3 Halbs. 1 ZPOauch die Vollziehung der Entscheidung der ersten Instanz aussetzen (BGH Beschluß vom 21. März 2002 - IX ZB 48/02 - NJW 2002, 1658). 2. Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die den Gläubigern im Falle des Zuwartens mit der Vollstreckung drohenden Nachteile gegeneinander abzuwägen (BGH Beschluß vom 21. März 2002 aaO). Erfolgsaussicht kommt der Rechtsbeschwerde nur zu, wenn sie zumindest zulässig erscheint. Das setzt nach § 574 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO voraus, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das ist hier nicht der Fall.
a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß für den Wert des Beschwerdegegenstandes der Zeit- und Kostenaufwand der ihre Verurteilung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bekämpfenden Beklagten entscheidend sei, wobei es auf die tatsächlichen Besonderheiten des Falles ankomme. Entgegen der im Berufungsverfahren vertretenen Auffassung der Beklagten bedürfe sie zur Vorbereitung der abzugebenden Erklärung weder der Unterstützung durch einen Hausverwalter noch durch einen Steuerberater. Abzustellen sei nämlich auf die von den Klägern konkret erhobenen Einwände, nicht dagegen auf die Frage, ob etwa Miete, Strom- und Telefonkosten von der Beklagten nur zur Hälfte angesetzt werden könnten bzw. inwieweit zu hohe Lebenshaltungskosten berücksichtigt worden seien. Dies sei eine Rechtsfrage, über die erst in der dritten - auf Zahlung von Schadensersatz gerichteten - Stufe der Klage zu entscheiden sei.
b) Entgegen der von der Beklagten im Rechtsbeschwerdeverfahren vertretenen Auffassung ist die Rechtsbeschwerde nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) zuzulassen. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nur erforderlich , wenn es gilt, der Entwicklung einer uneinheitlichen Rechtsprechung schon in den Anfängen durch eine höchstrichterliche Leitentscheidung entgegenzutreten (BGH Beschluß vom 31. Oktober 2002 - V ZR 100/02 - NJW 2003, 754, 755). Dessen bedarf es im vorliegenden Fall nicht. Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ausgegangen, daß sich im Falle der Verurteilung zur Versicherung der Richtigkeit einer erteilten Auskunft an Eides statt der Wert des Beschwerdegegenstandes danach bemißt, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Abgabe der Versicherung erfordert (BGHZ - GSZ - 128, 85, 87 ff.). Da die eidesstattliche Versicherung dazu dient, die erteilte Auskunft zu erhärten, wird der für die Abgabe maßgebliche Zeit- und Kostenaufwand zwar regelmäßig demjenigen für die Erteilung der vorangegangenen Auskunft entsprechen (BGH Beschluß vom 1. April 1992 - VIII ZB 2/92 - NJW 1992, 2020). Auch davon ist das Berufungsgericht aber nicht abgewichen. Welche Kosten die Erteilung der Auskunft für die Zeit vom Beginn der Betreuung im September 1995 bis zum 31. Dezember 1995 verursacht hat, ist von der Beklagten nicht dargelegt worden. Der Erteilung der Auskunft für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum Tod des Erblassers bedurfte es nach dem ersten Teilurteil des Landgerichts nicht, weil die Beklagte sich insoweit auf die gegenüber dem Vormundschaftsgericht erfolgte Rechnungslegung berufen konnte.
Daß das Berufungsgericht im übrigen darauf abgestellt hat, die Beklagte müsse zur Überprüfung der allein relevanten tatsächlichen Angaben nicht sämtliche Unterlagen durchsehen, sondern nur einzelne konkrete Daten überprüfen, begründet unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles ebenfalls kein Abweichen von der vorgenannten Rechtsprechung. Denn ein Teil der Angaben, wie etwa die Aufwendungen für Miete, Telefon, Strom und Heimkosten , steht der Höhe nach ersichtlich nicht im Streit. In welchem Umfang die entsprechenden Ansätze, auch für die sonstigen Kosten der Lebenshaltung, gerechtfertigt waren, ist erst im Rahmen der Entscheidung über die auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete dritte Stufe der Klage zu entscheiden. Bei dieser Rechtslage kam eine Aussetzung der Zwangsvollstreckung nicht in Betracht.
Hahne Sprick Weber-Monecke Ahlt Vézina
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(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und - 2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.
(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge), - 2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2, - 3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar - a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; - b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.
(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Mit notariellem Vertrag vom 9. Februar 1995 verkaufte die Beklagte unter Gewährleistungsausschluß mehrere Grundstücke, auf denen ein "ländliches Wohnhaus" errichtet war und die im übrigen als Weidefläche genutzt wurden, zum Preis von 540.000 DM an die Kläger. Die Weidefläche war beim Verkauf von einem 1,3 m hohen Zaun umgeben; außerdem befanden sich auf dem Gelände zwei Blockhütten, die als Unterstände für die dort gehaltenen Schafe sowie zur Lagerung von Holz und Futtermitteln genutzt wurden. 1998 erließ der zuständige Landkreis eine Abrißverfügung für den Zaun und die beiden Hütten. In einem anschließend geführten Verwaltungsstreitverfahren unterlagen die Kläger.
Die Kläger haben behauptet, der Beklagten sei die formelle und materielle Baurechtswidrigkeit des Zaunes und der Hütten schon seit 1994 nach einer Ortsbesichtigung durch das Bauordnungsamt bekannt gewesen. Sie sehen sich daher arglistig getäuscht und machen einen Schadensersatzanspruch auf Zahlung von 691.682,90 DM Zug um Zug gegen Rückauflassung des Grundbesitzes geltend. Die Beklagte ist dieser Forderung insbesondere mit der Behauptung entgegengetreten, vor Vertragsschluß sei auf das Fehlen einer Baugenehmigung für die Hütten hingewiesen und deren Abriß angeboten worden. Nach Abweisung der Klage durch das Landgericht hat das Oberlandesgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberlandesgerichts.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) der Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache selbst Erfolg.
1. Das Berufungsgericht bejaht einen Schadensersatzanspruch aus § 463 Satz 2 BGB a.F.; denn es sei davon auszugehen, daß die Beklagte die Baurechtswidrigkeit zwar nicht des Zaunes, wohl aber der Hütten arglistig verschwiegen habe. Daß eine Information über die Baurechtswidrigkeit der Hütten erfolgt sei, sei nach den Aussagen der Zeugen, die die Beklagte für die von ihr behauptete Aufklärung benannt habe, nicht erwiesen. Dieses Beweisergebnis wirke sich zu Lasten der Beklagten aus. Zwar sei es grundsätzlich Sache der Kläger, den gesamten Sachverhalt, aus dem Arglist folge, zu beweisen. Hier
ergebe sich aber eine "abweichende Regelung" aus dem Inhalt des Kaufver- trages, der die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit begründe. Die Beklagte habe nämlich in dem Kaufvertrag erklärt, daß ihr "vom Vorhandensein wesentlicher unsichtbarer Mängel nichts bekannt" sei. Hieraus könne nur der Schluß gezogen werden, daß über die formelle Baurechtswidrigkeit der Unterstände nicht gesprochen worden sei. Eine über den Vertragsinhalt hinaus erfolgte Aufklärung müsse danach die Beklagte beweisen.
2. Dies verwirklicht zwar nicht aus Gründen der Divergenz, wohl aber wegen (a) fehlerhafter Anwendung des Rechts verbunden mit (b) der im konkreten Fall gegebenen Gefahr der Wiederholung und Nachahmung den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Daß die Beschwerde demgegenüber von einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ausgehen will, ist unschädlich, weil der maßgebliche Zulassungsgrund gleichwohl in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargelegt ist (vgl. BGH, Beschl. vom 23. Juli 2002, VI ZR 91/02, NJW 2002, 3334, 3335 zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
a) Das Berufungsgericht hat nicht die Überzeugung gewonnen, daß eine Aufklärung über die Baurechtswidrigkeit der Hütten unterblieben sei. Vielmehr zeigen die Ausführungen zur Verteilung der Beweislast, daß die Annahme des Berufungsgerichts, die behauptete Unterrichtung sei nicht erwiesen, die Entscheidung trägt. Getroffen wurde demnach eine Beweislastentscheidung zum Nachteil der Beklagten. Bei dieser ist dem Berufungsgericht ein Fehler unterlaufen. Es obliegt dem Käufer, der bei § 463 Satz 2 BGB a.F. für den gesamten Arglisttatbestand die Darlegungs- und Beweislast trägt, vorzu-
tragen und nachzuweisen, daß der Verkäufer ihn nicht gehörig aufgeklärt hat (Senat, Urt. v. 20. Oktober 2000, V ZR 285/99, NJW 2001, 64, 65). Zwar hat das Berufungsgericht diese Regel seiner Entscheidung zugrunde gelegt und auch bei seinen weiteren Überlegungen keinen Rechtssatz aufgestellt, der den Rechtssätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Verteilung der Beweislast widerspricht. Der Zulassungsgrund aus § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO ist mithin nicht aus Gründen einer Divergenz eröffnet (vgl. Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, NJW 2002, 2957; zur Rechtsbeschwerde auch Senat , Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, NJW 2002, 2473, 2474, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, NJW 2002, 3029, 3030, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Das Berufungsgericht hat allerdings die Beweislastregel fehlerhaft angewandt, weil entgegen seiner Auffassung die in der Kaufvertragsurkunde enthaltene Erklärung der Beklagten, ihr sei "vom Vorhandensein wesentlicher unsichtbarer Mängel nichts bekannt", keine Ausnahme von dem geschilderten Grundsatz im Sinne einer Beweislast des Verkäufers für eine tatsächlich erfolgte Unterrichtung des Käufers über aufklärungsbedürftige Mängel des Kaufobjekts rechtfertigt.
aa) Das Berufungsgericht hält die von der Beklagten behauptete Aufklärung für unvereinbar mit der in der Vertragsurkunde beanspruchten fehlenden Kenntnis von unsichtbaren Mängeln. Ersichtlich läßt es sich von der Überlegung leiten, daß niemand über einen ihm selbst nicht bekannten Umstand unterrichten kann. Hieraus folgert das Berufungsgericht, daß nach dem Inhalt der notariellen Urkunde eine Information der Kläger unterblieben ist. Im Anschluß daran weist es - wegen der für die Urkunde streitenden Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit - der Beklagten die Beweislast für eine gleichwohl erfolgte Aufklärung zu.
bb) Diese Argumentation ist schon im Ansatz verfehlt. Das Berufungs- gericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, daß sich die Erklärung mangelnder Kenntnis überhaupt auf den baurechtswidrigen Zustand bezog. Zwingend ist das keineswegs; denn waren - wie von der Beklagten behauptet - die Kläger vor Vertragsschluß bereits informiert, so liegt es doch nahe, daß die Beklagte insoweit nicht länger von einem "unsichtbaren" Mangel ausging. Die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts auf eine nach dem Inhalt der Urkunde unterbliebene Aufklärung ist mithin nicht möglich. Aber selbst wenn das fehlerhafte Zwischenergebnis hingenommen wird, durfte das Berufungsgericht zur Begründung der von ihm auf dieser Grundlage angenommenen Beweislastumkehr nicht die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit notarieller Urkunden heranziehen. Sie erstreckt sich nämlich nur auf die vollständige und richtige Wiedergabe der getroffenen Vereinbarungen. Dagegen gilt sie nicht für eine etwa erteilte Information; denn eine solche bedarf nicht der notariellen Beurkundung und nimmt daher an der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der notariellen Urkunde nicht teil (Senat, Urt. v. 1. Februar 1985, V ZR 180/83, WM 1985, 699, 700; Urt. v. 20. Juni 1986, V ZR 158/85, BGHR § 313 Satz 1 BGB Vollständigkeitsvermutung 1). Der Vertragsinhalt hätte in dieser Hinsicht - wäre die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts möglich gewesen - allenfalls eine mehr oder minder große indizielle Bedeutung für die den Klägern obliegende Beweisführung erlangen können (vgl. Senat, Urt. v. 20. Juni 1986, V ZR 158/85, aaO).
b) Über den dargestellten Rechtsanwendungsfehler hinaus liegt auch die weitere Voraussetzung vor, die notwendig ist, um für diesen Fall den Zulassungsgrund aus § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zu eröffnen. Dafür reicht es
nicht aus, daß in einem Einzelfall eine Fehlentscheidung getroffen wurde, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich oder von Gewicht ist (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, aaO; auch Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, aaO, mit zustimmender Anmerkung von Burgermeister, BGHReport 2002, 747). Anderes läßt sich auch der in dieser Hinsicht widersprüchlichen Gesetzesbegründung (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 67, 104 zu § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO einerseits und S. 104 zu § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO andererseits ) nicht entnehmen (MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband , § 543 Rdn. 19; a.A. Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911, 918). Vielmehr erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dann eine Entscheidung des Revisionsgerichts, wenn ein Fehler bei der Anwendung revisiblen Rechts über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berührt (vgl. Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, aaO für die Rechtsbeschwerde), weil auf Grund der Publizitätswirkung das Vertrauen in die Rechtsprechung als Ganzes erschüttert ist (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, aaO) oder weil es gilt, der Entwicklung einer uneinheitlichen Rechtsprechung schon in den Anfängen durch eine höchstrichterliche Leitentscheidung entgegenzutreten. Das ist namentlich der Fall, wenn auf Grund konkreter Anhaltspunkte zu besorgen ist, daß einem Rechtsfehler ohne Korrektur durch das Revisionsgericht eine Wiederholungsgefahr oder ein Nachahmungseffekt zukommen könnte (vgl. Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, aaO; zur Rechtsbeschwerde auch Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, aaO; BGH, Beschl. v. 4. September 2002, VIII ZB 23/02, Umdruck S. 6, zur Veröffentlichung vorgesehen). Daß dem Berufungsgericht hier ein Fehler nicht bei der Anwendung von Gesetzesvorschriften unterlaufen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch die Beweislastre-
geln sind bindend (vgl. BGHZ 112, 222, 224 f) und unterliegen hinsichtlich ih- rer richtigen Anwendung von Amts wegen der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. Senat, BGHZ 119, 387, 391 f; BGHZ 28, 251, 254; 46, 260, 267).
Die hiernach notwendige Gefahr der Wiederholung oder Nachahmung ist mit dem vorliegenden Rechtsfehler verbunden; denn die Begründung des Berufungsurteils läßt sich zum einen verallgemeinern, und zum anderen ist eine nicht unerhebliche Zahl künftiger Sachverhalte zu erwarten, auf welche die Argumentation übertragen werden kann. Das Berufungsgericht beschränkt seine Überlegungen zwar auf den konkreten Sachverhalt, sie können aber ohne weiteres von diesem gelöst und auch für andere Fälle herangezogen werden , in denen nach Erklärungen des Verkäufers über seine Unkenntnis von versteckten Mängeln über die Verteilung der Beweislast für eine angebliche Aufklärung der Käufer zu befinden ist. Mit einer Vielzahl ähnlicher Sachverhalte ist jedenfalls im Hinblick auf die Menge der Vertragsverhältnisse zu rechnen , für die nach Art. 229 § 5 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch weiterhin in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung Anwendung findet. In solchen Verträgen finden sich regelmäßig im Zusammenhang mit dem üblichen Gewährleistungsausschluß bei dem Verkauf von Grundstücken mit Altbauten ohne Herstellungsverpflichtung (vgl. Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf, 7. Aufl., Rdn. 217) vergleichbare Erklärungen zur fehlenden Kenntnis des Verkäufers von versteckten Mängeln, an denen eine Argumentation wie die des Berufungsgerichts anknüpfen könnte. Es ist daher zu befürchten, daß sich
nicht nur das Berufungsgericht, sondern auch andere Instanzgerichte in künftigen Fällen, die ähnlich dem vorliegenden gelagert sind, der geschilderten Begründung bedienen und so zu gleichermaßen fehlerhaften Entscheidungen über die Verteilung der Beweislast gelangen werden.
Wenzel Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch