Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juni 2005 - XII ZB 186/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
1. Die Parteien streiten um die Vollstreckbarerklärung der Sorgerechtsund Kostenentscheidung aus einem italienischen Verbundurteil im Verfahren über die Trennung der Ehegatten von Tisch und Bett (separazione personale dei coniugi). Der Antragsteller ist Italiener; die Antragsgegnerin ist Deutsche. Aus der Ehe der Parteien sind zwei - 1995 und 1997 geborene - Kinder hervorgegangen , die beide Staatsangehörigkeiten besitzen und mit denen sie bis zum Scheitern der Ehe gemeinsam in Oleggio (Italien) lebten. Am 10. Mai 1999 zog die Antragsgegnerin mit den beiden Kindern nach Deutschland, wo diese sich seitdem mit ihr aufhalten. Mit einem am 9. Juni 1999 bei dem Tribunale (Landgericht) di Novara eingegangenen Schriftsatz leitete der Antragsteller das Trennungsverfahren ein. Im Anschluß an einen am 14. Dezember 1999 durchgeführten Anhörungstermin , zu dem die Antragsgegnerin trotz Ladung nicht erschien, erließ die Gerichtspräsidentin einen vorläufigen Beschluß, in dem sie unter anderem die Ehegatten zum Getrenntleben ermächtigte, das Sorgerecht für die beiden Kinder dem Antragsteller zusprach und die Antragsgegnerin verpflichtete, die sofortige Rückkehr der Kinder nach Italien zu veranlassen. Auf einen weiteren Termin am 6. April 2000, zu dem beide Parteien in Novara erschienen waren, wies das Gericht am 20. April 2000 die Einwendungen der Antragsgegnerin gegen den vorläufigen Beschluß vom 14. Dezember 1999 zurück. Ein am 9. August 2000 bei dem Amtsgericht Nürnberg eingegangener und auf das Europäische Übereinkommen über die Anerkennung und Voll-streckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses vom 20. Mai 1980 (BGBl. 1990 II, 220 - im Folgenden: ESÜ) gestützter Antrag des Generalbundesanwalts, die durch Beschluß vom 20. April 2000 aufrechterhaltene Sorgerechts- und Rückführungsentscheidung aus dem Beschluß des Tribunale di Novara vom 14. Dezember 1999 für vollstreckbar zu erklären, wurde von dem Amtsgericht Nürnberg durch Beschluß vom 13. Februar 2001 zurückgewiesen. Die dagegen durch den Generalbundesanwalt im Namen des Antragstellers eingelegte Beschwerde wies das Oberlandesgericht Nürnberg durch Beschluß vom 27. Juni 2001 zurück. Beide Instanzen stellten darauf ab, daß der Versagungsgrund gemäß Art. 10 Abs. 1 lit. b ESÜ einer Anerkennung der italienischen Entscheidung entgegenstehe , weil die noch sehr kleinen Kinder mittlerweile in ihre deutsche Umgebung vollständig integriert seien und eine Rückführung nach Italien ihrem Wohl nicht entspreche. Die Antragsgegnerin hatte ihrerseits bereits am 21. Juli 1999 bei dem Amtsgericht Erlangen beantragt, ihr die elterliche Sorge für die beiden in ihrer Obhut befindlichen Kinder zu übertragen. Diesen Antrag wies das Amtsgericht Erlangen durch Beschluß vom 25. Februar 2000 mit der Begründung zurück, daß es für die begehrte Entscheidung international unzuständig sei. Am 17. August 2000 stellte die Antragsgegnerin bei dem Amtsgericht Erlangen einen neuen Sorgerechtsantrag, der durch Beschluß vom 5. Januar 2001 ebenfalls zurückgewiesen wurde. Auf die nunmehr eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin änderte das Oberlandesgericht Nürnberg die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts nach Anhörung der Parteien und der Kinder ab und übertrug mit Beschluß vom 24. April 2002 (veröffentlicht in FamRZ 2003, 163) die elterliche Sorge für die beiden Kinder auf die Antragsgegnerin.
Am 22. Juli 2002 erließ das Tribunale di Novara ein das Verfahren abschließendes Urteil, in dem es - unter anderem - die persönliche Trennung der Ehegatten erklärte, die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder auf den Antragsteller übertrug und die Antragsgegnerin zur Übernahme von Verfahrenskosten in einer vom Gericht festgesetzten Höhe von 9.398,62 € verurteilte. Mit einem am 6. Februar 2003 bei dem Amtsgericht Nürnberg eingegangenen "Antrag auf Klauselerteilung nach Art. 21 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29.05.2000" begehrte der Antragsteller, das Urteil des Tribunale di Novara vom 22. Juli 2002, soweit ihm das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder übertragen und die Antragsgegnerin in die Verfahrenskosten verurteilt wurde, durch Anbringung einer Vollstreckungsklausel für vollstreckbar zu erklären. Gegen den am 4. März 2003 antragsgemäß ergangenen Beschluß des Amtsgerichts Nürnberg legte die Antragsgegnerin Beschwerde ein. Das Oberlandesgericht änderte auf die Beschwerde der Antragsgegnerin den angefochtenen Beschluß ab und wies den Antrag des Antragstellers auf Vollstreckbarerklärung der Entscheidungen zur elterlichen Sorge und zu den Verfahrenskosten insgesamt zurück. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses hinsichtlich der Vollstreckbarerklärung der Sorgerechts - und Kostenentscheidung erstrebt. 2. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung auszugsweise in FamRZ 2004, 278 (mit krit. Anm. Coester-Waltjen FamRZ 2004, 280 ff.) veröffentlicht ist, hat ausgeführt, daß die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (ABl. EG 2000 Nr. L 160, 19 - im Folgenden: Brüssel II-VO) auf den streitgegenständlichen Fall keine Anwen-
dung finden könne, weil das Verfahren vor dem Gericht in Novara bereits im Juni 1999 und damit vor dem Inkrafttreten der Verordnung am 1. März 2001 anhängig gemacht worden sei. Auch nach Art. 42 Abs. 2 Brüssel II-VO könne die Entscheidung in Deutschland mangels internationaler Zuständigkeit des Gerichts in Novara für die Sorgerechtsentscheidung nicht vollstreckt werden. Lasse man die Brüssel II-VO zunächst außer Acht, sei die internationale Zuständigkeit nach dem Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (BGBl. 1971 II, 217 - im Folgenden: MSA) zu bestimmen. Nach diesem Abkommen seien für die in Frage stehenden Sorgerechtsentscheidungen die deutschen Gerichte zuständig gewesen, weil die seit Mai 1999 in Deutschland lebenden und sozial eingegliederten Kinder der Parteien jedenfalls im Jahre 2002 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt hätten. Auf die Frage der möglichen Widerrechtlichkeit der Verbringung nach Deutschland komme es nicht an, weil auch in diesem Falle keine besonders hohen Anforderungen an die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes zu stellen seien. Der Grundsatz der perpetuatio fori finde im Rahmen des MSA keine Anwendung, so daß mit der Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthaltes im Zufluchtsstaat die Zuständigkeit der Behörden am bisherigen Aufenthaltsort ende. Dies gelte auch dann, wenn man davon ausginge, daß aufgrund der nationalen italienischen Verfahrensvorschriften im Trennungsverfahren eine Verbundzuständigkeit für die Frage der elterlichen Sorge begründet worden sei, weil Italien keinen Vorbehalt nach Art. 15 Abs. 1 MSA zugunsten seiner Ehegerichte erklärt habe. Auch aus Art. 4 MSA lasse sich eine konkurrierende Zuständigkeit des italienischen Gerichts nicht herleiten, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, daß ein Eingreifen der Heimatbehörden dem Wohl der Kinder mehr diene und ihren Schutz besser gewährleiste als ein Handeln der deutschen Behörden.
Im Rahmen des Art. 42 Abs. 2 Brüssel II-VO könne nach Art. 32 des italienischen Gesetzes Nr. 218 vom 31. Mai 1995 über die Reform des italienischen Systems des internationalen Privatrechtes eine internationale Zuständigkeit des Gerichts in Novara nicht begründet werden. Denn Art. 32 des Gesetzes Nr. 218 knüpfe für die Begründung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts an die Staatsangehörigkeit der Ehegatten oder an den Ort der Eheschließung an, was nicht mit der Regelung in Art. 3 Abs. 1 Brüssel II-VO übereinstimme, wo auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im Forumstaat der Ehesache abgestellt werde. Im Übrigen ließe sich auch aus der Brüssel II-VO selbst eine internationale Zuständigkeit des Gerichts in Novara nicht herleiten. Eine Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 Brüssel II-VO sei im Zeitpunkt der Sorgerechtsentscheidung vom 22. Juli 2002 nicht gegeben gewesen, weil auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder im Zeitpunkt der Entscheidung im Jahre 2002 und nicht - unter Anwendung des Grundsatzes der perpetuatio fori - im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung im Jahre 1999 abzustellen sei. Eine Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 2 Brüssel II-VO scheide ebenfalls aus, weil die Antragsgegnerin bereits seit 1999 mehrfach und durch mehrere Instanzen vor den deutschen Gerichten Sorgerechtsentscheidungen zu ihren Gunsten zu erwirken versucht habe und deshalb aus ihrer Beteiligung am Verfahren vor dem Gericht in Novara nicht hergeleitet werden könne, daß die internationale Zuständigkeit des dortigen Gerichtes von ihr anerkannt worden sei.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG bzw. §§ 28, 55 des Gesetzes zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des Internationalen Familien-rechts (IntFamRVG) vom 26. Januar 2005 (BGBl. 2005 I, 162) statthaft. Sie ist insgesamt zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO), weil der Rechtssache im Hinblick auf die Abgrenzung der Zuständigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Brüssel II-VO in Kindesentführungsfällen grundsätzliche Bedeutung zukommt.
III.
In der Sache hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg, soweit das Oberlandesgericht es abgelehnt hat, das Urteil des Tribunale di Novara vom 22. Juli 2002 hinsichtlich der darin enthaltenen Entscheidung zur Übertragung der elterlichen Sorge auf den Antragsteller für vollstreckbar zu erklären. 1. Insoweit steht einer Vollstreckbarerklärung nach Art. 21 Abs. 1 Brüssel II-VO von vornherein entgegen, daß Entscheidungen über die Zuweisung der elterlichen Sorge - anders als Umgangsregelungen und Herausgabeanordnungen - keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben (Rauscher/Rauscher, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 21 Brüssel II-VO Rdn. 4; Schlosser, EU-Zivilprozeßrecht , 2. Aufl., Vorbem. vor Art. 21 EuEheVO; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 21 VO (EG) Nr. 1347/2000 Rdn. 2; MünchKomm /Gottwald, ZPO, 2. Aufl., Art. 21 EheGVO Rdn. 2; Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., Art. 28 EG-VO Ehesachen Rdn. 1; Krefft, Vollstreckung und Abänderung ausländischer Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, S. 111). Das Begehren des Antragstellers, der vom italienischen Gericht zu seinen Gunsten vorgenommenen Verteilung der elterlichen Sorge auf der Grundlage der Brüssel II-VO in Deutschland Geltung zu verschaffen, konnte nur im Wege ei-nes fakultativen Anerkennungsverfahrens (Art. 14 Abs. 3 Brüssel II-VO) verfolgt werden. Es kommt darauf im einzelnen aber nicht an, weil die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur internationalen Unzuständigkeit des Tribunale di Novara für den Erlaß der streitgegenständlichen Sorgerechtsentscheidung am 22. Juli 2002 im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung standhalten. 2. Im Ausgangspunkt hat das Oberlandesgericht zutreffend erkannt, daß die Brüssel II-VO auf den vorliegenden Sachverhalt nicht unmittelbar anzuwenden ist. Gemäß Artt. 42 Abs. 1, 46 Brüssel II-VO gilt die Verordnung nur für solche gerichtlichen Verfahren, die nach dem Inkrafttreten der Verordnung am 1. März 2001 eingeleitet worden sind; dies ist hier in Ansehung des bereits im Jahre 1999 bei dem Tribunale di Novara anhängig gewordenen Trennungsverfahrens der Parteien nicht der Fall. Diese Beurteilung wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht angegriffen. Gemäß Art. 42 Abs. 2 Brüssel II-VO werden Entscheidungen, die nach Inkrafttreten der Verordnung in einem vor diesem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren ergangen sind, nach Maßgabe des Kapitels III (Artt. 13 ff. Brüssel II-VO) anerkannt und vollstreckt, sofern das Gericht aufgrund von Vorschriften zuständig war, die mit den Zuständigkeitsvorschriften des Kapitels II (Artt. 2 ff. Brüssel II-VO) oder eines Abkommens übereinstimmen, das zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zwischen dem Ursprungsmitgliedstaat und dem ersuchten Mitgliedstaat in Kraft war. Entsprechende Übergangsvorschriften finden sich in Art. 54 Abs. 2 des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (BGBl. 1972 II, 773 - im Folgenden: EuGVÜ) und Art. 66 Abs. 2 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates
vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG 2001, Nr. L 12, 1 - im Folgenden: Brüssel I-VO). Durch die Formulierung "mit den Zuständigkeitsvorschriften des Kapitels II …. übereinstimmen" sollte klargestellt werden, daß in den Übergangsfällen das Gericht des ersuchten Staates - abweichend vom grundsätzlichen Nachprüfungsverbot der Artt. 17, 24 Abs. 2 Brüssel II-VO - ausnahmsweise die internationale Zuständigkeit des Ursprungsstaates festzustellen hat, weil diese im Erkenntnisverfahren mangels unmittelbarer Geltung der Verordnung nicht auf Betreiben des Antragsgegners hatte geprüft werden können (Borrás, Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen aufgrund von Artikel K. 3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen, ABl. EG 1998 Nr. C 221, 27, Nr. 111; Albers in Baumbach /Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 63. Aufl., Anh. I zu § 606 a, Art. 42 EheGVVO Rdn. 4; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 26. Aufl., Art. 42 EheVO Rdn. 4). Die mit Art. 42 Abs. 2 Brüssel II-VO verbundene Erweiterung des intertemporalen Geltungsbereiches der Verordnung soll die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen der Ehegerichte bereits in Übergangsfällen erleichtern. Die Entscheidung des Ursprungsstaates kann bereits dann anerkannt und zur Vollstreckung zugelassen werden, wenn das Gericht des ersuchten Staates aufgrund eigener Prüfung zu der Ansicht gelangt, daß die internationale Zuständigkeit des Gerichtes im Ursprungsstaat bei Verfahrenseinleitung auch nach der Brüssel II-VO gegeben gewesen wäre oder nach einem damals zwischen den Vertragsstaaten geltenden völkerrechtlichen Abkommen gegeben war (Spellenberg, Der Anwendungsbereich der EheGVO ["Brüssel II"] in Statussachen , in FS Schumann, 423, 429; vgl. weiterhin zu Art. 54 EuGVÜ: OLG Frankfurt RIW/AWD 1976, 107; OLG Zweibrücken IPRspr. 2001, Nr. 186; MünchKomm/Gottwald aaO Art. 54 EuGVÜ Rdn. 5; Geimer NJW 1975, 1086 f.;
zu Art. 66 Brüssel I-VO: Geimer/Schütze aaO Art. 66 EuGVVO Rdn. 4; Kropholler , Europäisches Zivilprozeßrecht, 7. Aufl., Art. 66 EuGVO Rdn. 6; Rauscher/A. Staudinger aaO Art. 66 Brüssel I-VO Rdn. 12); auf das autonome Verfahrensrecht des Ursprungsstaates kommt es dagegen nicht an (vgl. bereits Geimer NJW aaO, S. 1087 zu Art. 54 EuGVÜ). Deshalb könnte in den Fällen, in denen das Gericht im ersuchten Staat eine hypothetische Verordnungszuständigkeit oder eine Abkommenszuständigkeit des Ursprungsgerichtes feststellt, dessen nach Inkrafttreten der Brüssel II-VO ergangene Entscheidung selbst dann anerkannt und vollstreckt werden, wenn das Ursprungsgericht im Erkenntnisverfahren das nationale Verfahrensrecht falsch angewendet und sich zu Unrecht für international zuständig gehalten hätte (Spellenberg aaO). Gleiches gilt, wenn das Ursprungsgericht - wie das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall meint - seine Zuständigkeit auf exorbitante und der Brüssel II-VO fremde Anknüpfungspunkte seines autonomen Rechtes gestützt hätte. Im Übrigen hat das Oberlandesgericht insoweit möglicherweise übersehen, daß auch das italienische Gesetz Nr. 218 vom 31. Mai 1995 grundsätzlich auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder abstellt und die Staatsangehörigkeit in Art. 37 nur zur Begründung einer zusätzlichen internationalen Zuständigkeit heranzieht (vgl. CoesterWaltjen aaO, S. 281 und Fn. 10). Umgekehrt ist den Gerichten des ersuchten Staates die eigene Prüfung der internationalen Zuständigkeit des Gerichtes des Ursprungsstaates aber nicht schon dann verwehrt, wenn dessen Ansicht, international zuständig zu sein, mit den autonomen Regelungen seines Rechts übereinstimmt. 3. Soweit auf völkerrechtliche Abkommen abzustellen ist, deren Vertragsstaaten Deutschland und Italien sind, können Fragen der internationalen Zuständigkeit für Sorgerechtsentscheidungen nur nach dem MSA beurteilt werden , da das ESÜ und das Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über
die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (BGBl. 1990 II, 206 - im Folgenden: HKÜ) keine eigenen Regelungen zur internationalen Zuständigkeit enthalten (vgl. hierzu Schulz FamRZ 2003, 336, 339, 340) und das als Nachfolgeabkommen zum MSA konzipierte Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung , Vollstreckung und Zusammenarbeit bezüglich der elterlichen Verantwortung und Maßnahmen zum Schutz von Kindern (abgedruckt bei Jayme/ Hausmann, Internationales Privatrecht, 12. Aufl., Nr. 55 - im Folgenden: KSÜ) im Juni 1999 weder in Deutschland noch in Italien in Kraft war (und es auch jetzt noch nicht ist).
a) Art. 1 MSA begründet für Schutzmaßnahmen zugunsten eines Minderjährigen eine ausschließliche gerichtliche Zuständigkeit des Staates, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; die Regelung der elterliche Sorge für das Kind der Parteien gehört zu den Schutzmaßnahmen im Sinne dieser Vorschrift (Senatsbeschluß vom 11. April 1984 - IVb ZB 96/82 - FamRZ 1984, 686, 687). Das Oberlandesgericht geht davon aus, daß die seit Mai 1999 in Deutschland befindlichen Kinder infolge ihrer sozialen Integration jedenfalls im Jahre 2002 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten. Zwar ist mangels entgegenstehender Feststellungen des Oberlandesgerichts in tatsächlicher Hinsicht für das Rechtsbeschwerdeverfahren davon auszugehen, daß der Antragsteller am 10. Mai 1999 nicht damit einverstanden war, daß die Antragsgegnerin mit den beiden Kindern dauerhaft nach Deutschland übersiedelte. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes aber keine notwendige Voraussetzung für einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Art. 1 MSA. Bei der Begründung des gewöhnlichen Aufenthaltes handelt es sich um einen rein faktisch geprägten Vorgang, der bei langer Verweildauer des Kindes und bei vollständiger Eingliederung in seine soziale Umwelt auch gegen den Willen des in seinem Sorgerecht verletzten
Elternteils vollzogen werden kann (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 78, 293, 296 ff. = FamRZ 1981, 135 ff. und BGHZ 151, 63, 65 = FamRZ 2002, 1182, 1183; vgl. auch BVerfGE 99, 145, 159 = FamRZ 1999, 85, 88). Dabei rechtfertigt die vom Tatrichter herangezogene Lebenserfahrung die Annahme, daß ein kleineres Kind auch in Entführungsfällen jedenfalls nach einem Aufenthalt von fünfzehn Monaten an einem neuen Ort so fest integriert ist, daß es dort seinen neuen Daseinsmittelpunkt gefunden hat (Senatsbeschluß BGHZ 78 aaO S. 301). Vor diesem Hintergrund läßt die tatrichterliche Beurteilung durch das Oberlandesgericht keine Rechtsfehler erkennen, zumal die bei ihrer Ankunft in Deutschland noch sehr jungen Kinder im Jahre 2002 schon einen großen Teil ihres Lebens im deutschen Sprachraum verbracht hatten und von der Antragsgegnerin durchgehend an ihrem neuen Wohnort in Deutschland betreut und versorgt worden sind. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde läßt sich aus dem Grundsatz der perpetuatio fori eine fortdauernde internationale Zuständigkeit nach Art. 1 MSA für die Behörden des früheren Aufenthaltsortes der Kinder in Italien nicht herleiten. Der Senat hat bereits entschieden, daß im Hinblick auf das Zusammenspiel von Art. 1 und Art. 5 MSA für eine perpetuatio fori im Rahmen des MSA kein Raum ist, weil mit der Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthaltes die Zuständigkeit der Behörden am früheren Aufenthaltsort des Minderjährigen zwangsläufig erlischt (Senatsbeschluß BGHZ 151, aaO S. 68 f. = FamRZ aaO S. 1184 mit zust. Anm. Henrich). Das Tribunale di Novara konnte daher am 22. Juli 2002 aus Art. 1 MSA keine internationale Zuständigkeit mehr dafür herleiten, dem Antragsteller die elterliche Sorge für die beiden Kinder zu übertragen.
b) Eine solche Zuständigkeit ergibt sich auch nicht aus Art. 4 MSA. Unabhängig davon, daß es dafür einer vorherigen Verständigung der Behörden im
Aufenthaltsstaat bedurft hätte, begründet Art. 4 MSA eine konkurrierende internationale Zuständigkeit der Behörden und Gerichte des Heimatstaates - der bei Doppelstaatlern nicht der Staat der effektiven Staatsangehörigkeit sein muß (Senatsbeschluß vom 18. Juni 1997 - XII ZB 156/95 - FamRZ 1997, 1070 f.) - für Schutzmaßnahmen im Sinne des Art. 1 MSA nur dann, wenn sie ein Einschreiten zum Wohle des Minderjährigen für erforderlich halten. Dies erfordert die formale Prüfung, ob die Heimatbehörde ihr Einschreiten überhaupt als Notmaßnahme unter den besonderen materiellen Voraussetzungen des Art. 4 MSA begreifen wollte (OLG Hamm IPRspr. 1987 Nr. 78 mit Anm. Henrich IPrax 1988, 39 f.; Hüßtege IPRax 1996, 104, 106 f.). Aus den Gründen des Urteils vom 22. Juli 2002 ergibt sich jedoch kein Anhaltspunkt dafür, daß das italienische Gericht von einem besonderen Eintrittsrecht nach Art. 4 MSA Gebrauch machen wollte, sondern es ist vielmehr davon auszugehen, daß das Tribunale di Novara seine fortdauernde internationale Zuständigkeit für Sorgerechtsentscheidungen aus der Rechtsansicht herleitete, daß im Falle des widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens eines Minderjährigen eine auf dem MSA beruhende internationale Zuständigkeit der Behörden im Zufluchtsstaat für Schutzmaßnahmen von vornherein nicht begründet werden könne und deshalb die Zuständigkeit der Heimatbehörden durch den Aufenthaltswechsel unberührt bleibe. 4. Auch bei hypothetischer Anwendung der - inzwischen durch Art. 71 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. EG 2003 Nr. L 338, 19 - im Folgenden: Brüssel IIa-VO) zum 1. März 2005 aufgehobenen - Brüssel II-VO ließe sich eine internationale Zuständigkeit des Tribunale di No-
vara für die am 22. Juli 2002 ergangene Sorgerechtsentscheidung nicht herleiten.
a) Gemäß Art. 3 Abs. 1 Brüssel II-VO sind die Gerichte eines Mitgliedstaats , in dem eine Ehesache im Sinne des Art. 2 Brüssel II-VO zu entscheiden ist, für Entscheidungen, welche die elterliche Verantwortung für ein gemeinsames Kind der beiden Ehegatten betreffen, nur dann international zuständig, wenn dieses Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hat. Entscheidungen der elterlichen Verantwortung sind jedenfalls solche, welche die Zuweisung der elterlichen Sorge zum Gegenstand haben (Vogel MDR 2000, 1045, 1047). Die Frage, ob für eine aus Art. 3 Abs. 1 Brüssel II-VO hergeleitete Zuständigkeit der Ehegerichte bei einem Aufenthaltswechsel des Kindes der perpetuatio -Grundsatz gilt, beurteilt sich in den Fällen der Kindesentführung nach Art. 4 Brüssel II-VO, wonach die nach Maßgabe von Art. 3 Brüssel II-VO zuständigen Gerichte ihre Zuständigkeit im Einklang mit den Bestimmungen des HKÜ, insbesondere dessen Artt. 3 und 16, auszuüben haben. Bei Art. 4 Brüssel II-VO handelt es sich um eine besondere Zuständigkeitsvorschrift, die aber keinen neuen Gerichtsstand für Entscheidungen der elterlichen Verantwortung eröffnet, sondern die Zuständigkeiten nach Art. 3 Brüssel II-VO in Entführungsfällen in einer Weise überlagert, daß ein Widerspruch zu den vorrangigen Zielsetzungen des HKÜ ausgeschlossen ist. Nach Art. 16 HKÜ dürfen die Behörden des Zufluchtsstaates nach der Mitteilung über die widerrechtliche Verbringung oder Zurückhaltung des Kindes im Sinne von Art. 3 HKÜ eine Sachentscheidung über das Sorgerecht erst dann treffen, wenn entschieden ist, daß das Kind aufgrund des HKÜ nicht zurückzugeben oder wenn innerhalb angemessener Frist ein Antrag auf Rückführung
nach dem HKÜ nicht gestellt worden ist (vgl. dazu im einzelnen auch Senatsbeschluß BGHZ 145, 97 ff. = FamRZ 2000, 1502 ff.). Hieraus folgt für die internationale Zuständigkeit der Ehegerichte zum einen, daß die nach Art. 3 Abs. 1 Brüssel II-VO zuständigen Gerichte ihre Zuständigkeit nicht ausüben und keine in die elterliche Verantwortung eingreifenden Maßnahmen treffen dürfen, wenn sie davon Mitteilung erhalten, daß sich das Kind nur infolge eines widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens im Forumstaat aufhält (Borrás-Bericht aaO Nr. 41; Hau FamRZ 2000, 1333, 1338; Sumampouw, Parental Responsibility under Brussels II, in Liber Amicorum Kurt Siehr 2000, 729, 741). Zum anderen soll durch den Verweis auf Art. 16 HKÜ im umgekehrten Fall gewährleistet sein, daß der frühere und rechtmäßige Aufenthalt des Kindes im Ursprungsstaat auch dann als Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des dortigen Ehegerichtes dienen kann, wenn in Folge des widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens eine Änderung des Aufenthaltsortes eingetre ten ist (Erwägungsgrund Nr. 13 zur Brüssel II-VO; vgl. Borrás-Bericht aaO;Hau aaO; Sumampouw aaO S. 735 f., 741). Aus dieser Erwägung läßt sich aber gerade im Lichte des HKÜ nicht ableiten, daß in Entführungsfällen die internationale Zuständigkeit ausschließlich an den früheren und rechtmäßigen Aufenthalt des Kindes angeknüpft werden könnte. Auch der widerrechtlich begründete gewöhnliche Aufenthalt wird vom HKÜ in bestimmten Fällen hingenommen, und zwar insbesondere dann, wenn innerhalb der Jahresfrist des Art. 12 Abs. 1 HKÜ kein Antrag auf Rückführung des Kindes nach dem HKÜ gestellt worden ist, weil dann eine Rückführung unterbleibt, wenn sich das Kind erweislich in seine neue Umgebung eingelebt hat (Art. 12 Abs. 2 HKÜ). Auch bei einem innerhalb der Jahresfrist gestellten Antrag findet eine Rückführung nicht statt, wenn diese von den Behörden des Zufluchtsstaates ausnahmsweise nach Art. 13 HKÜ verweigert werden kann. Würde auch in solchen Fällen die fortdauernde Annexzuständigkeit des Ehegerichtes im Ursprungsstaat eine aus staatsvertraglichen Zustän-
digkeitsvorschriften oder aus dem autonomen Recht des Zufluchtsstaates hergeleitete Restzuständigkeit (Art. 8 Abs. 1 Brüssel II-VO) der dortigen Behörden für Sorgerechtsentscheidungen ausschließen, liefe der Wegfall der Entscheidungssperre nach Art. 16 HKÜ ins Leere. Schon vor diesem Hintergrund liegt es nahe, in Entführungsfällen die aus Art. 3 Brüssel II-VO hergeleitete Zuständigkeit der Ehegerichte bei einem Aufenthaltswechsel in einen anderen Mitgliedstaat allenfalls so lange fortdauern zu lassen, wie die Entscheidungssperre des Art. 16 HKÜ für Sorgerechtsentscheidungen im Zufluchtsstaat anhält (Geimer /Schütze aaO Art. 4 VO (EG) Nr. 1347/2000 Rdn. 7 f.; Gruber RPfleger 2002, 545, 547; Coester-Waltjen aaO S. 281). Daß die internationale Zuständigkeit der Ehegerichte im Ursprungsstaat nicht länger andauern kann, findet seine Bestätigung auch im Auslegungsrückgriff auf die Zuständigkeitsvorschriften des für Deutschland und Italien allerdings noch nicht in Kraft getretenen KSÜ. Anders als die Brüssel II-VO enthält das KSÜ - ebenso wie die am 1. März 2005 in Kraft getretene Brüssel IIa-VO - ausdrückliche Abgrenzungsregeln für die internationale Zuständigkeit in den Fällen, in denen das Kind im Sinne des Art. 3 HKÜ widerrechtlich in einen anderen Vertragsstaat verbracht oder dort zurückgehalten wird. Nach Art. 7 Abs. 1 lit. b KSÜ (vgl. nunmehr auch die entsprechende Regelung in Art. 10 lit. b (1) Brüssel IIa-VO) endet die Zuständigkeit der Behörden im Ursprungsstaat, wenn sich das Kind im Zufluchtsstaat mindestens ein Jahr aufgehalten hat, nachdem der Sorgeberechtigte diesen Aufenthaltsort kannte oder hätte kennen müssen, während dieses Zeitraums kein Rückgabeantrag gestellt worden ist und das Kind sich in seinem neuen Umfeld eingelebt hat; durch diese an Art. 12 Abs. 1 HKÜ angelehnte Regelung soll die Harmonisierung der Zuständigkeitsvorschriften mit Art. 16 HKÜ hergestellt werden (Lagarde, Erläuternder Bericht zum KSÜ, Nr. 46 f., 49b, in Conférence de la Haye de droit international privé, Actes et documents de la Dix-huitième session, Tome II - 1998 - S. 534 ff; Kropholler,
Das Haager Kinderschutzübereinkommen von 1996, Liber Amicorum Kurt Siehr aaO S. 379, 384; Schulz aaO S. 345; vgl. zu Art. 10 Brüssel IIa-VO auch Solomon FamRZ 2004, 1409, 1417). Für die Abgrenzung der internationalen Zuständigkeiten nach der Brüssel II-VO können keine anderen Maßstäbe gelten. Zwar kannte der EU-Verordnungsgeber Art. 7 Abs. 1 KSÜ, ohne daß eine entsprechende Regelung ausdrücklich in die Brüssel II-VO übernommen worden wäre. Das schließt jedoch nicht aus, entsprechende Abgrenzungsregeln unmittelbar aus Art. 4 Brüssel II-VO und der darin enthaltenen Verweisung auf Art. 16 HKÜ herzuleiten, wenn dadurch den vom HKÜ akzeptierten Zuständigkeiten und Befugnissen der Behörden im Zufluchtsstaat Geltung verschafft werden kann. Nach diesen Maßstäben konnte eine bei Einleitung des Trennungsverfahrens nach Art. 3 Abs. 1 Brüssel II-VO begründete Annexzuständigkeit des Tribunale di Novara für Entscheidungen der elterlichen Verantwortung jedenfalls nicht mehr bis zum Jahre 2002 fortdauern, da der Antragsteller innerhalb der Jahresfrist keinen Rückführungsantrag nach dem HKÜ gestellt hat und die mittlerweile vollzogene Integration der Kinder in ihr soziales Umfeld in Deutschland vom Oberlandesgericht zu Recht nicht mehr in Zweifel gezogen worden ist.
b) Gemäß Art. 3 Abs. 2 Brüssel II-VO sind die Gerichte im Forumstaat der Ehesache auch dann für Entscheidungen der elterlichen Verantwortung international zuständig, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hat, zumindest einer der Ehegatten die elterliche Verantwortung für das Kind besitzt, die Zuständigkeit der betreffenden Gerichte von den Ehegatten anerkannt worden ist und im Einklang mit dem Wohl des Kindes steht.
Im Ausgangspunkt setzt die Begründung der Annexzuständigkeit nach Art. 3 Abs. 2 Brüssel II-VO keine ausdrückliche Zuständigkeitsvereinbarung der Ehegatten voraus, so daß ein Anerkenntnis der Zuständigkeit auch aus einem konkludenten Verhalten der Ehegatten geschlossen werden kann (Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO Art. 3 EheGVVO Rdn. 7 m.w.N.). Auf die - für das europäische Zivilprozeßrecht aus Art. 24 Satz 1 Brüssel I-VO herzuleitenden - Grundsätze der rügelosen Einlassung kann allerdings in dem Verfahren über Entscheidungen zur elterlichen Verantwortung nicht ohne weiteres zurückgegriffen werden; entscheidend ist vielmehr, wie das gesamte Verhalten der Eltern im Verfahren nach Treu und Glauben zu würdigen ist (Rauscher /Rauscher aaO Art. 3 Brüssel II-VO Rdn. 17). Dabei scheidet ein stillschweigendes Anerkenntnis der internationalen Zuständigkeit des Ehegerichtes für Entscheidungen der elterlichen Verantwortung durch einen Elternteil in der Regel aus, wenn von diesem vor oder nach Einleitung der Ehesache im Aufenthaltsstaat des Kindes ein isoliertes Sorgerechtsverfahren anhängig gemacht worden ist (wie hier: Rauscher/Rauscher aaO Art. 3 Brüssel II-VO Rdn. 18; Puszkajler IPrax 2001, 81, 83). Gerade die in Art. 3 Abs. 2 lit. b Brüssel II-VO als materielles Kriterium besonders verankerten Grundsätze des Kindeswohls gebieten Zurückhaltung bei der Annahme, daß ein Ehegatte allein durch das Unterlassen einer formellen Zuständigkeitsrüge stillschweigend die internationale Zuständigkeit der Gerichte im Forumstaat der Ehesache anerkennt, obwohl er parallel zum Eheverfahren die sachnäheren Behörden und Gerichte im Aufenthaltsstaat anruft, die im allgemeinen besser ermitteln und beurteilen können, in welchen Verhältnissen das Kind lebt und welche Maßnahmen zu seinem Wohl erforderlich sind. Die nach diesen Maßstäben erforderliche Gesamtwürdigung des Verhaltens der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht vorgenommen und aus dem Umstand, daß die Antragsgegnerin im Anschluß an ihre Übersiedlung
nach Deutschland zunächst am 21. Juli 1999 und danach am 17. August 2000 bei dem Amtsgericht Erlangen eigene Sorgerechtsanträge angebracht hat, in rechtlich unbedenklicher Weise geschlossen, daß ein stillschweigendes Anerkenntnis der internationalen Zuständigkeit des Tribunale di Novara für Entscheidungen der elterlichen Verantwortung am 6. April 2000 nicht vorgelegen habe.
IV.
Der angefochtene Beschluß des Oberlandesgerichts kann dagegen keinen Bestand haben, soweit in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung auch der Antrag des Antragstellers auf Vollstreckbarerklärung der Kostenentscheidung aus dem Urteil des Tribunale di Novara vom 22. Juli 2002 insgesamt zurückgewiesen worden ist. Zwar erstreckt sich die Verpflichtung zur Vollstreckbarerklärung nach dem Wortlaut des Art. 21 Abs. 1 Brüssel II-VO nur auf - vollstreckbare - Entscheidungen zur elterlichen Sorge. Darauf ist der Anwendungsbereich der Vorschrift aber nicht beschränkt. Nach Art. 13 Abs. 2 Brüssel II-VO werden ausdrücklich Entscheidungen über die Kostenfestsetzung in das Anerkennungsund Vollstreckungssystem nach dem Kapitel III der Brüssel II-VO einbezogen. Es entspricht daher allgemeiner Ansicht, daß alle Entscheidungen zur Kostenfestsetzung nach den Art. 21 ff. Brüssel II-VO vollstreckbar sind, wenn sie in einem vom Anwendungsbereich der Brüssel II-VO erfaßten Verfahren ergangen sind (Wagner IPrax 2001, 73, 79; Rauscher/Rauscher aaO Art. 13 Brüssel II-VO Rdn. 15, MünchKomm/Gottwald aaO Art. 21 EheGVO Rdn. 4; Albers in Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann aaO Art. 21 EheGVVO Rdn. 3). Kommt danach eine Vollstreckbarerklärung der Kostenfestsetzung aus dem Urteil desTribunale di Novara vom 22. Juli 2002 grundsätzlich in Betracht, konnte das Oberlandesgericht diese nicht mit der Begründung verweigern, daß das Tribunale di Novara für die Sorgerechtsentscheidung international unzuständig gewesen sei. Denn die Kostenentscheidung aus dem Urteil vom 22. Juli 2002 ist nicht in einem isolierten Sorgerechtsverfahren, sondern im Verbund der Ehesache ergangen; daß die italienischen Gerichte bei hypothetischer Anwendung der Brüssel II-VO für das Statusverfahren international zuständig gewesen wäre , ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 lit. a, zweiter, fünfter und sechster Spiegelstrich Brüssel II-VO. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da weitere Feststellungen zu den Verfahrenskosten erforderlich sind. Das Tribunale di Novara hat in seinem Urteil vom 22. Juli 2002 nicht nur über die Trennung der Parteien und die Frage der elterlichen Sorge, sondern im Verbund auch über Folgesachen - Unterhalt, Zuweisung von Ehewohnung und Hausrat - entschieden, die nicht in den Anwendungsbereich der Brüssel II-VO fallen. Das Oberlandesgericht wird danach zu prüfen haben, ob durch diese Folgesachen abtrennbare Kosten verursacht worden sind, weil die Kosten dieser Folgesachen nur dann nach den Vorschriften der Brüssel II-VO für vollstreckbar erklärt werden können , wenn sie von den Kosten des Ehestatusverfahrens praktisch nicht zu trennen sind (Rauscher/Rauscher aaO Art. 13 Brüssel II-VO, Rdn. 17; ähnlich Schlosser aaO Art. 13 EuEheVO Rdn. 2). Vergleichbare Grundsätze gelten unter den hier obwaltenden Umständen für die Entscheidung zur elterlichen Sorge , für die das Tribunale di Novara international unzuständig war. Auch insoweit können die entstandenen Kosten, soweit sie von den Kosten des Ehestatusverfahrens und den übrigen Kosten abtrennbar sind, nicht für vollstreckbar erklärt werden. Dabei wird das Oberlandesgericht allerdings zu beachten haben, daß das Tribunale di Novara beim Vorliegen einer Kindesentführung erst im Laufe des Verfahrens international unzuständig geworden wäre und einer Vollstreck-
barerklärung hinsichtlich der in der Sorgerechtssache bis zu diesem Zeitpunkt bereits entstandenen Kosten aus dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit keine Bedenken entgegenstehen.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.
(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.