Bundesgerichtshof Beschluss, 31. März 2010 - XII ZB 166/09

bei uns veröffentlicht am31.03.2010
vorgehend
Landgericht Siegen, 5 O 187/08, 22.01.2009
Oberlandesgericht Hamm, 30 U 41/09, 12.08.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 166/09
vom
31. März 2010
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. März 2010 durch den
Richter Dose, die Richterin Dr. Vézina und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling
und Dr. Günter

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. August 2009 wird auf Kosten des Beklagten verworfen. Beschwerdewert: 11.535 Euro

Gründe:

I.

1
Mit Telefaxschreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 12. März 2009 legte der Beklagte Berufung gegen das ihm am 12. Februar 2009 zugestellte Urteil des Landgerichts ein, mit dem er zur Zahlung von 11.534,61 € nebst Zinsen verurteilt wurde. Als Empfänger wies der Schriftsatz das Oberlandesgericht aus. Die Berufungsschrift ging am 12. März 2009 zwischen 14.54 Uhr und 15.15 Uhr auf dem Telefaxgerät der Generalstaatsanwaltschaft ein und wurde am 13. März 2009 an die Posteingangsstelle des Oberlandesgerichts weitergeleitet. Mit einem am 14. April 2009 (Dienstag nach Ostern) eingegangenen Schriftsatz begründete der Beklagte seine Berufung.
2
Mit einem dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 23. Juni 2009 zugestellten Schreiben wies das Oberlandesgericht auf die versäumte Berufungsfrist hin und räumte dem Prozessbevollmächtigten eine Stellungnah- mefrist hierzu von zwei Wochen ein. Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2009 beantragte der Prozessbevollmächtigte eine Verlängerung dieser Frist bis zum 17. Juli 2009. Auf den Hinweis des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2009, dass die Frist für die Wiedereinsetzung nicht verlängert werden könne, stellte ein Vertreter des Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 30. Juni 2009, eingegangen beim Oberlandesgericht am 1. Juli 2009, Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die von der Kanzleimitarbeiterin verwendete Telefaxnummer im Telefonverzeichnis der Anwaltskanzlei als die Nummer des Oberlandesgerichts eingetragen sei. Eine Ausgangskontrolle durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten habe nicht erfolgen können, weil dieser aufgrund einer an diesem Tag bei ihm durchgeführten Darmspiegelung gesundheitliche Beschwerden gehabt habe. Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2009 legte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten erneut Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts ein und wiederholte seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung wurde nunmehr vorgetragen, dass eine bislang zuverlässige Kanzleiangestellte bei der Übermittlung des Schriftsatzes versehentlich die Telefaxnummer der im gleichen Haus befindlichen Generalstaatsanwaltschaft in das Gerät eingegeben habe, weil sie in dem in der Kanzlei vorgehaltenen Telefon- und Faxnummernverzeichnis sowohl bei der Eingabe als auch bei der Kontrolle der Nummer in die falsche Zeile gerutscht sei. Die Eingangsbestätigung des Berufungsgerichts sei dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten erst am 10. Juli 2009 anlässlich einer Besprechung mit seinen Mitarbeitern vorlegt worden. Aufgrund eines Kanzleiversehens sei das Schreiben falsch abgeheftet worden.
3
Das Berufungsgericht hat den Antrag des Beklagten vom 30. Juni 2009 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und den Antrag des Beklagten vom 13. Juli 2009 auf Wiedereinset- zung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der er Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und der Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt und die Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht zur erneuten Entscheidung erreichen will.

II.

4
Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde des Beklagten ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Eine Entscheidung des Senats ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor noch beruht die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem Verstoß gegen den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG i.V.m. § 139 ZPO), noch verletzt sie den Anspruch des Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281).
5
1. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Berufung verworfen, weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten beruhe, welches sich der Beklagte gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse. Die Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft seien nicht verpflichtet gewesen, die am 12. März 2009 per Telefax eingegangene Berufungsschrift noch an diesem Tag an das Oberlandesgericht weiterzuleiten. Dem Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in die ebenfalls versäumte Wiedereinsetzungsfrist könne ebenfalls nicht entsprochen werden, weil der Prozessbevollmächtigte des Beklagten jedenfalls nach Eingang der Verfügung des Vorsitzenden des Berufungsgerichts am 23. Juni 2009 Anlass zur Überprüfung gehabt hätte, wie es zu dem fehlerhaften Faxversand gekommen sei. Deshalb könne das weitere Vorbringen , wonach eine Kanzleimitarbeiterin sowohl bei der Eingabe als auch bei der Kontrolle der Telefaxnummer versehentlich in eine falsche Zeile des Telefonverzeichnisses gerutscht sei, nicht berücksichtigt werden.
6
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
7
Zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Berufungsschrift nicht innerhalb der am 12. März 2009 abgelaufenen Frist beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Der Umstand, dass bei der Generalstaatsanwaltschaft ein Eingangsfach für an das Oberlandesgericht gerichtete Schriftstücke vorhanden war, ändert nichts daran, dass die an das Telefaxgerät der Generalstaatsanwaltschaft gesendete Berufungsschrift erst am 13. März 2009 und somit nach Ablauf der Berufungsfrist in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Oberlandesgerichts gelangte (BGH Beschluss vom 4. April 2007 - III ZB 109/06 - NJW-RR 2007, 1429, 1430).
8
3. Dem Beklagten ist die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt worden, weil nach seinem Vortrag ein ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden nicht ausgeräumt ist.
9
a) Die Rechtsbeschwerde geht zwar zutreffend davon aus, dass eine Partei sich das einmalige Versehen einer als zuverlässig bekannten, hinreichend unterrichteten und bewährten Kanzleimitarbeiterin ihres Prozessbevoll- mächtigten grundsätzlich nicht zurechnen lassen muss (Senatsbeschluss vom 28. März 2001 - XII ZR 32/01 - NJW-RR 2001, 1071 für den vergleichbaren Fall einer zweimaligen Falscheingabe einer Faxnummer durch eine bislang zuverlässige Kanzleikraft; BGH Beschluss vom 27. März 2001 - VI ZB 7/01 - NJWRR 2001, 779, 780). Denn die Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO führt lediglich zur Zurechnung eines Verschuldens des Prozessbevollmächtigten selbst. Ein Eigenverschulden des Prozessbevollmächtigten liegt jedoch dann vor, wenn für die Fristversäumnis eine mangelhafte Büroorganisation ursächlich war. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsanwalt, der unter Einschaltung seines Büropersonals fristgebundene Schriftsätze per Telefax einreicht , verpflichtet, durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird (Senatsbeschlüsse vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - NJW 2006, 2412, 2413; vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07 - NJW 2008, 2508, 2509 und vom 11. November 2009 - XII ZB 117/09 - juris, Tz. 6; BGH Beschlüsse vom 26. September 2006 - VIII ZB 101/05 - NJW 2007, 996, 997; vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - NJW 2007, 1690, 1691; vom 20. November 2007 - XI ZB 30/06 - juris, Tz. 5 und vom 11. März 2004 - IX ZR 20/03 - BGH-Report 2004, 978). Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle der Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird, um Fehler bei der Eingabe, der Ermittlung der Faxnummer oder deren Übertragung in den Schriftsatz feststellen zu können (Senatsbeschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - NJW 2006, 2412, 2413; BGH Beschluss vom 4. April 2007 - III ZB 109/06 - NJW-RR 2007, 1429, Tz. 8). Erst nach der Überprüfung , ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Adressaten erfolgt ist, darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (Senatsbeschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07 - NJW 2008, 2508, Tz. 11 m.w.N.).
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b) Eine diesen Anforderungen genügende Ausgangskontrolle im Büro des Beklagtenvertreters ist nicht dargetan worden. Im Schriftsatz vom 30. Juni 2009 wurde das Wiedereinsetzungsgesuch zunächst nur damit begründet, dass die von der Kanzleimitarbeiterin benutzte Telefaxnummer im Telefonverzeichnis der Kanzlei als Nummer des Oberlandesgerichts eingetragen sei. Weiteren Vortrag , insbesondere zur Organisation der Ausgangskontrolle bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per Telefax, enthält dieser Schriftsatz nicht. Die fehlerhafte Zuordnung der Telefaxnummer im Telefonverzeichnis der Anwaltskanzlei würde ein Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten darstellen, das sich der Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsste.
11
c) Die Behauptung, eine Kanzleimitarbeiterin sei sowohl bei der Eingabe als auch bei der Kontrolle der verwendeten Telefaxnummer im Telefonverzeichnis versehentlich in die falsche Zeile geraten, hat der Beklagte erstmals im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 13. Juli 2009 aufgestellt, also nach Ablauf der am 7. Juli 2009 endenden Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht deshalb zu Recht nicht berücksichtigt.
12
(1) Grundsätzlich müssen nach §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO alle Tatsachen , die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist vorgetragen werden (Senatsbeschluss vom 13. Juni 2007 - XII ZB 232/06 - NJW 2007, 3212). Jedoch dürfen nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsbeschlüsse vom 10. Mai 2006 - XII ZB 42/05 - BGH-Report 2006, 119 m.w.N. und vom 13. Juni 2007 - XII ZB 232/06 - NJW 2007, 3212) erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden. http://www.juris.de/jportal/portal/t/o4j/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=118&numberofresults=964&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE027604160&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 8 -
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(2) Das Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 13. Juli 2009 zu dem behaupteten zweimaligen Versehen der Kanzleikraft bei der Eingabe der Telefaxnummer stellt jedoch einen völlig neuen Sachvortrag dar, der in dem Wiedereinsetzungsantrag vom 30. Juni 2009 nicht einmal im Ansatz erwähnt wurde. Der Beklagte kann daher mit diesem Vorbringen nur dann gehört werden, wenn ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu gewähren ist (Zöller /Greger ZPO 28. Aufl. § 234 Rdn. 4). Das Berufungsgericht hat jedoch zu Recht insoweit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt.
14
(3) Dabei kann offen bleiben, ob dem Schriftsatz vom 13. Juli 2009 überhaupt ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO entnommen werden kann. Denn ausdrücklich hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Wiedereinsetzung in die abgelaufene Frist gemäß § 234 Abs. 1 ZPO dort nicht beantragt. Aber selbst wenn der gestellte Antrag unter Einbeziehung der Antragsbegründung, des Zeitpunkts der Antragstellung und des Rechtsschutzzieles dahingehend auszulegen wäre, dass hiermit auch die grundsätzlich mögliche Wiedereinsetzung in die Versäumung der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO beantragt werden sollte, kommt eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht, weil das Versäumnis auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruht, das sich der Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
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(4) Nach allgemeiner Ansicht muss bei der Prüfung des Verschuldens auf die für eine Prozessführung erforderliche, übliche Sorgfalt eines ordentlichen Rechtsanwalts abgestellt werden (BGH Beschluss vom 22. November 1984 - VII ZR 160/84 - NJW 1985, 1710 m.w.N.; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 30. Aufl. § 233 Rdn. 13; Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 233 Rdn. 13). Erkennt ein Rechtsanwalt, dass er eine gesetzliche oder richterlich gesetzte Frist nicht einhalten kann, muss er durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Fristver- längerung dafür Sorge tragen, dass ein Wiedereinsetzungsgesuch nicht notwendig wird (Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 233 Rdn. 23 "Fristverlängerung"). Kommt eine Verlängerung der einzuhaltenden Frist etwa aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht, gebietet es die anwaltliche Sorgfalt, die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung der Frist zu ergreifen (Zöller/Greger, aaO; in diesem Sinne auch BGH Beschluss vom 24. November 2009 - VI ZB 69/08 - FamRZ 2010, 370).
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(5) Diesen Anforderungen ist der Prozessbevollmächtigte des Beklagten im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts , die von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen werden, erhielt der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 23. Juni 2009 Kenntnis von dem gerichtlichen Hinweis auf die Nichteinhaltung der Berufungsfrist. Obwohl der Prozessbevollmächtigte des Beklagten wusste, dass er am 26. Juni 2009 eine Auslandsreise antreten werde, beschränkte er sich darauf, mit Schriftsatz vom 24. Juni 2009 eine Verlängerung der vom Berufungsgericht gesetzten Frist zur Stellungnahme um zwei Wochen zu beantragen. Bei Anwendung der erforderlichen und ihm zumutbaren anwaltlichen Sorgfalt hätte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten bereits am 23. Juni 2009 erkennen können, dass er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Berufungsfrist hätte stellen müssen und ihm hierzu nur eine Frist von zwei Wochen zur Verfügung stand, die mit der Kenntnis von dem gerichtlichen Hinweis am 23. Juni 2009 zu laufen begann (§ 234 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO). Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hätte sich daher in dem Zeitraum bis zum Antritt seiner Auslandsreise um Aufklärung bemühen müssen, welche Umstände zu der Versäumung der Berufungsfrist geführt haben. Dies wäre ihm auch zumutbar gewesen. Zwar hat er im Berufungsverfahren dargelegt, in welchem Umfang er in der Zeit vom 23. Juni 2009 bis 26. Juni 2009 terminlich gebunden war. Dadurch kann er sich jedoch nicht entlasten. Aufgrund der Dringlichkeit im vorliegenden Verfahren hätte er organisatorische Maßnahmen ergreifen müssen , um einen fristgerechten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorbereiten und stellen zu können. Dabei ist von einem Rechtsanwalt auch die Kenntnis zu verlangen, dass eine richterliche Verlängerung der Wiedereinsetzungsfrist gem. § 224 Abs. 2 ZPO grundsätzlich ausgeschlossen ist (OLG Zweibrücken MDR 2007, 294 m.w.N.; Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 233, Rdn. 23 "Rechtsanwalt"). Hierzu findet sich jedoch weder in dem Berufungsvorbringen noch in der Rechtsbeschwerde ein ausreichender Sachvortrag. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hätte sich lediglich die Akten vorlegen lassen und bei seinen Kanzleimitarbeitern nachfragen müssen, weshalb die Berufungsschrift an eine falsche Telefaxnummer übermittelt worden ist. Dies wäre ihm trotz der verschiedenen Auswärtstermine, die er zwischen dem 23. Juni 2009 und 26. Juni 2009 wahrnehmen musste, zumutbar gewesen. Schließlich hatte er auch die Zeit gefunden, sich mit der Sache zu befassen und mit Schriftsatz vom 24. Juni 2009 beim Berufungsgericht eine Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zu beantragen.
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Das Berufungsgericht hat daher dem Beklagten zu Recht keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewährt.
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4. Schließlich wird die Versäumung der Berufungsfrist auch nicht dadurch entschuldigt, dass die Generalstaatsanwaltschaft die per Telefax eingegangene Berufungsschrift nicht noch am 12. März 2009 an das Oberlandesgericht weitergeleitet hat.
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a) Die Rechtsbeschwerde weist zwar zutreffend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Rechtsuchender grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass ein einmal mit der Sache befasstes Gericht einen bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird (BVerfGE 93, 99, 115 f.; BVerfG NJW 2001, 1343). Eine weitergehende Verpflichtung, etwa eine beschleunigte Weiterleitung an das zuständige Gericht oder eine Verpflichtung , die Partei oder deren Prozessbevollmächtigten durch Telefonat oder Telefax von der Einreichung der Berufung bei einem unzuständigen Gericht zu unterrichten, ergibt sich von Verfassungs wegen jedoch nicht (BVerfG NJW 2001, 1343). Denn sonst würde der Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten die Verantwortung für die Einhaltung der Formalien vollständig abgenommen und dem unzuständigen Gericht übertragen (BVerfG aaO). Offen gelassen hat das Bundesverfassungsgericht bislang die Frage, ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn die Berufung bei einem Gericht eingereicht wurde, das bislang mit der Sache nicht befasst war (BVerfG aaO). Der Bundesgerichtshof wendet die gleichen Grundsätze an und sieht keine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen und vorher mit der Sache noch nicht befassten Gerichts, durch Hinweise oder geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern (statt vieler BGH Beschluss vom 15. Juni 2004 - VI ZB 75/03 - NJW-RR 2004, 1655, 1656 m.w.N.).
20
b) Auf dieser rechtlichen Grundlage ist die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden. Die Berufungsschrift ist am 12. März 2009 bei der Generalstaatsanwaltschaft, mithin einer völlig unzuständigen Behörde eingegangen. Da selbst ein Gericht, das mit dem Verfahren vorbefasst war, nur verpflichtet ist, für eine Weiterleitung der Berufungsschrift im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs zu sorgen, können sich für die Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft keine weitergehenden Pflichten ergeben. Da die Berufung am 12. März 2009 zwischen 14.54 Uhr und 15.15 Uhr bei der Generalstaatsanwaltschaft einging, war eine Weiterleitung des Schriftsatzes an diesem Tag im ordentlichen Geschäftsgang nicht mehr möglich. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass nicht als besonders eilig gekennzeichnete Faxeingänge nur einmal täglich nach Eingang der Post (regelmäßig zwischen 09.30 Uhr und 10.00 Uhr) abgetragen werden und daher im Rahmen des ordentlichen Geschäftsverkehrs ein Zutrag an das Berufungsgericht erst am nächsten Tag erfolgen konnte. Das Berufungsgericht hat zudem festgestellt, dass der Schriftsatz vom 12. März 2009 nicht als besonders eilbedürftig gekennzeichnet war. Der baldige Ablauf der Berufungsfrist wäre daher nur durch eine konkrete Fristberechnung anhand des Inhalts des Schriftsatzes möglich gewesen. Dazu waren die Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft jedoch nicht verpflichtet. Dose Vézina Klinkhammer Schilling Günter
Vorinstanzen:
LG Siegen, Entscheidung vom 22.01.2009 - 5 O 187/08 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 12.08.2009 - I-30 U 41/09 -

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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2016 - VI ZB 7/16

bei uns veröffentlicht am 26.04.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB4/16 VI ZB7/16 vom 26. April 2016 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 574 Abs. 2, § 236 Abs. 2, § 294, § 139 a) Ein Rechtsanwalt hat bei der Versendung fristgebundener

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 109/06
vom
4. April 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Ausgangskontrolle, wenn die richtig adressierte Berufungsschrift durch
Telefax an ein unzuständiges Gericht gesendet wird, und zur Pflicht dieses
Gerichts, die Berufungsschrift im ordentlichen Geschäftsgang weiterzuleiten.
BGH, Beschluss vom 4. April 2007 - III ZB 109/06 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. April 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Dörr und
Dr. Herrmann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg, 4. Zivilsenat, vom 26. Oktober 2006 - 4 U 1632/06 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aus einem Wert von 15.645,53 € zu tragen.

Gründe:


I.


1
Die auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 15.645,53 € nebst Zinsen gerichtete Klage wurde durch Urteil des Landgerichts vom 30. Mai 2006, das dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 8. Juni 2006 zugestellt wurde, abgewiesen. Ihre an das Oberlandesgericht adressierte Berufung ging in ihrer Urschrift dort am 11. Juli 2006 ein. Die Berufungsschrift war zuvor bereits am 10. Juli 2006 um 9.55 Uhr auf dem Telefaxgerät der Geschäftsstelle einer Zivilkammer des Landgerichts empfangen und, da sie an das im selben Gebäude residierende Oberlandesgericht gerichtet war, an das Berufungsgericht weitergeleitet worden, wo sie ebenfalls am 11. Juli 2006 einging.

2
Nach gerichtlichen Hinweisen haben sich die Kläger auf den Standpunkt gestellt, es sei nicht ersichtlich, weshalb der ordnungsgemäß adressierte Schriftsatz nicht innerhalb der Geschäftszeit unverzüglich an die Einlaufstelle des Berufungsgerichts weitergeleitet worden sei. Ihren hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag haben sie damit begründet, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungseinlegungsfrist und die ordnungsgemäße Adressierung selbst kontrolliert und seiner zuverlässigen Bürovorsteherin die ausdrückliche Weisung erteilt, die Rechtsmittelschrift vorab per Telefax, sodann per Post zu übermitteln und den Sendebericht zu kontrollieren. Dieser habe einen "OKVermerk" aufgewiesen. Eine mögliche Verwechslung der Faxnummer durch die Bürovorsteherin könne ihnen nicht als Verschulden zugerechnet werden.
3
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger als unzulässig verworfen und ihnen die Erteilung der Wiedereinsetzung versagt.

II.


4
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden.
5
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Berufungsschrift nicht innerhalb der am 10. Juli 2006 abgelaufenen Frist beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Das zieht auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel. Der Umstand, dass Landgericht und Oberlandesgericht in demselben Gebäude residieren, ändert nichts daran, dass die an ein Telefaxgerät der Geschäftsstelle einer Zivilkammer des Landgerichts gesendete Berufungsschrift erst am folgenden Tag in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Oberlandesgerichts gelangte.
6
2. Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Klägern die Erteilung von Wiedereinsetzung versagt hat.
7
a) Grundsätzlich ist ein Rechtsanwalt befugt, einfachere Verrichtungen zur selbständigen Erledigung auf sein geschultes und zuverlässiges Büropersonal zu übertragen. Das gilt auch für die Übermittlung einer Berufungsschrift mittels eines Telefaxes (BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1993 - VII ZB 22/93 - NJW 1994, 329; BVerfG NJW 1996, 309).
8
b) Allerdings muss der Rechtsanwalt durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 1996 - XI ZB 20/96 - NJW 1997, 948; vom 11. März 2004 - IX ZR 20/03 - BGH-Report 2004, 978, 979; vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - NJW-RR 2005, 1373; vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - NJW 2006, 2412, 2413 Rn. 7; vom 26. September 2006 - VIII ZB 101/05 - NJW 2007, 996, 997 Rn. 8; vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - juris Rn. 8). Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrol- le in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird, um Fehler bei der Eingabe, der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2006 aaO Rn. 12; vom 26. September 2006 aaO Rn. 8).
9
c) Dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger diesen Maßstäben an eine entsprechende Organisation der Ausgangskontrolle nachgekommen wäre, ist dem gestellten Wiedereinsetzungsantrag nicht zu entnehmen. Dort ist lediglich glaubhaft gemacht, dass die Bürovorsteherin angewiesen wurde, die Rechtsmittelschrift per Telefax zu übermitteln und im Hinblick auf den bevorstehenden Fristablauf den Sendebericht zu kontrollieren. Welche Vorkehrungen im Büro des Prozessbevollmächtigten bestanden, um Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer aufdecken zu können, ist nicht dargelegt worden.
10
d) Die Kläger können sich nicht darauf berufen, dass eine solche Kontrolle im Hinblick auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 24. Juni 2004 (VII ZB 35/03 - NJW 2004, 2830, 2831) entbehrlich wäre. Auch diese Entscheidung geht von der grundsätzlichen Notwendigkeit einer Kontrolle aus (vgl. auch BGH, Beschluss vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - NJW-RR 2005, 1373), behandelt aber zusätzlich den Gesichtspunkt, dass sich ein Rechtsanwalt in der Regel auf ein seit Jahren bewährtes EDV-Programm in der jeweils neuesten Fassung verlassen darf und er nicht gehalten ist, eine Abgleichung der Faxnummer mit den Angaben in Anschreiben des Gerichts oder im Telefonbuch vorzunehmen, weil dies dem Einsatz des EDV-Programms die Rationalisierungswirkung nehmen würde. Dass die Bürovorsteherin die verwendete Faxnummer einer vergleichbar sicheren Quelle entnommen hätte, die ein Verschulden in der Ausgangskontrolle ausschlösse oder gestatten würde, die Sorgfaltsanforderungen an die Ausgangskontrolle zu verringern (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - juris Rn.11), ist jedoch weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
11
3. Wiedereinsetzung ist den Klägern auch nicht deshalb zu erteilen, weil die Versäumung der Frist auf einem Verschulden des Gerichts beruhen würde.
12
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf ein Rechtssuchender darauf vertrauen, dass das mit der Sache befasst gewesene Gericht den bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird. Geht der Schriftsatz dabei so zeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei auch darauf vertrauen, dass er noch fristgerecht beim Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, so ist der Partei Wiedereinsetzung unabhängig davon zu gewähren, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruht (vgl. BVerfGE 93, 99, 115 f; BVerfG NJW 2005, 2137, 2138). Der Bundesgerichtshof ist dieser Rechtsprechung gefolgt (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Juli 2000 - III ZB 28/00 - NJW-RR 2000, 1730, 1731; Beschlüsse vom 28. Januar 2003 - VI ZB 29/02 - juris Rn. 8; vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - NJW-RR 2005, 1373; vom 3. Juli 2006 - II ZB 24/05 - NJW 2006, 3499 Rn. 5).
13
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Geschäftsstelle des Landgerichts, in der das Telefax empfangen wurde, die Berufungsschrift in das allgemeine Auslauffach gelegt. Dieses wird von den Wachtmeistern dreimal täglich, nämlich zwischen 7.00 Uhr und 7.30 Uhr, zwischen 9.00 Uhr und 9.30 Uhr sowie zwischen 13.00 Uhr und 13.30 Uhr, geleert. Das um 9.55 Uhr eingegangene Telefaxschreiben wurde von den Wachtmeistern beim letzten Gang entnommen und gelangte in die Wachtmeisterei, wo es in ein für das Oberlandesgericht bestimmtes Fach eingelegt wurde. Von dort wurde es bei dem nächsten Dienstgang, der am folgenden Tag stattfand, dem Oberlandesgericht zugeleitet.
14
Dieser normale Geschäftsgang, der nicht darauf eingerichtet sein muss, fehlgeleitete Schriftstücke frühzeitig zu entdecken und gesondert zu befördern, ist nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass der Berufungsschriftsatz nicht mit einem augenfälligen Hinweis auf eine besondere Eilbedürftigkeit versehen war. Nur bei einer inhaltlichen Durchsicht der Berufungsschrift wäre daher aufgefallen, dass im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Urteils am 8. Juni 2006 die Berufungsfrist am 10. Juli 2006, einem Montag, ablief. Zu einer solchen inhaltlichen Überprüfung war die Geschäftsstelle der Zivilkammer des unzuständigen Landgerichts nicht verpflichtet. Umso weniger bestand eine Pflicht, die Kläger innerhalb der Rechts- mittelfrist telefonisch oder per Telefax auf die fehlerhafte Einlegung des Rechtsmittels hinzuweisen (vgl. BVerfG NJW 2001, 1343).
Schlick Streck Kapsa
Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 30.05.2006 - 1 O 2044/05 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 26.10.2006 - 4 U 1632/06 -

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 267/04
vom
10. Mai 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird ein fristgebundener Schriftsatz per Telefax übermittelt, muss sich die im
Rahmen der Ausgangskontrolle gebotene Überprüfung des Sendeberichts auch
darauf erstrecken, ob die zutreffende Faxnummer des Empfangsgerichts angewählt
wurde (st. Rspr., vgl. BGH Beschluss vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 -
FamRZ 2004, 1275 f. m.N.).
Ergab sich die Faxnummer des Gerichts nicht aus in der Handakte befindlichen
Schreiben dieses Gerichts und hatte der Rechtsanwalt es zulässigerweise einer
ausreichend ausgebildeten und zuverlässigen Kanzleiangestellten überlassen,
die Faxnummer des Gerichts (hier: anhand einer Internet-Telefonbuchseite der
Telekom) zu ermitteln und in den Schriftsatz einzufügen, darf sich die Kontrolle
des Sendeberichts nicht darauf beschränken, die darin ausgedruckte Faxnummer
mit der zuvor in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen.
Der Abgleich hat vielmehr anhand des zuvor verwendeten oder eines anderen,
ebenso zuverlässigen Verzeichnisses zu erfolgen, um nicht nur Fehler bei der
Eingabe, sondern auch schon bei der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer
Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können (Fortführung von Senatsbeschluss
vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f.).
BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - OLG Karlsruhe
LG Konstanz
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2006 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die
Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 19. Zivilsenat in Freiburg - vom 16. Dezember 2004 wird auf Kosten der Klägerin verworfen. Beschwerdewert: 93.982 €

Gründe:

I.

1
Am 30. September 2004 legte die Klägerin durch ihre zunächst beauftragten zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Berufung gegen das ihr am 31. August 2004 zugestellte Urteil des Landgerichts ein, mit dem ihre Klage auf Feststellung des Fortbestehens eines Mietvertrages abgewiesen worden war. Auf ihren am 29. Oktober 2004 beim Oberlandesgericht eingegangenen Antrag wurde die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 30. November 2004 verlängert.
2
Mit Schriftsatz vom 30. November 2004 zeigten die jetzigen zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin an, diese nunmehr zu vertreten, und begründeten die Berufung. Dieser Schriftsatz ging am selben Tag per Fax beim Landgericht Freiburg und nach Weiterleitung am Mittwoch, dem 1. Dezember 2004, bei den Freiburger Zivilsenaten des Oberlandesgerichts ein.
3
Auf gerichtlichen Hinweis vom 1. Dezember 2004 beantragte die Klägerin , ihr gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Eine Angestellte der Kanzlei ihres zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten W. habe im Anschluss an die ihr erteilte Weisung, die Faxnummer der Zivilsenate in Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe zu ermitteln und in den Schriftsatz einzufügen, versehentlich die Faxnummer des Landgerichts eingesetzt und den Schriftsatz dorthin übermittelt , wie sich aus den anwaltlich versicherten Angaben des Rechtsanwalts W. im Wiedereinsetzungsgesuch und der ihm beigefügten eidesstattlichen Versicherung der Angestellten L. ergebe. Die Verwechslung beruhe darauf, dass sie eine Internet-Seite der Telekom aufgerufen und dabei versehentlich die eine Zeile über dem Oberlandesgericht aufgeführte Nummer des Landgerichts abgelesen habe.
4
Das Oberlandesgericht wies das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin durch Beschluss zurück und verwarf die Berufung zugleich als unzulässig. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

5
1. Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Klägerin ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
6
2. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und infolge dessen die Berufung verworfen, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhe. Dieser dürfe die Telefax-Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes zwar im Rahmen einer die nötige Sicherheit gewährleistenden Büroorganisation einer ausreichend ausgebildeten, zuverlässigen und - wenn nötig - hinreichend überwachten Anwaltsgehilfin überlassen und brauche die von ihr ermittelte Faxnummer auch dann, wenn sie vor der Unterzeichnung des Schriftsatzes in diesen eingefügt wurde, nicht selbst auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Die Klägerin habe jedoch nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten eine allgemeine Büroanweisung zur Ausgangskontrolle von per Fax zu übermittelnden fristwahrenden Schriftsätzen bestehe, die auch - wie erforderlich - gewährleiste, dass die Übermittlung an die richtige Faxnummer des Empfängers erfolgt sei.
7
Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen und entspricht auch im zuletzt genannten Punkt der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, derzufolge ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet ist, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet, und zwar dergestalt, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und entsprechend - d.h. auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer - überprüft werden muss (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 - FamRZ 2004, 1275 f. m.N.).
8
a) Hier hat die Klägerin zwar glaubhaft gemacht, dass die Büroangestellte L. nach der Übermittlung der Berufungsbegründung einen Sendebericht ausgedruckt und Rechtsanwalt W. vorgelegt hat, der ihn kontrollierte.
9
Dem ist aber bereits nicht zu entnehmen, dass Rechtsanwalt W. auch überprüft hat, ob es sich bei der aus dem Sendebericht ersichtlichen Faxnummer um diejenige des Oberlandesgerichts handelte. Nach seiner eigenen Darstellung hat er sich (nur) den Sendebericht vorlegen lassen und sich von der "störungsfreien Übermittlung" überzeugt. Dies lässt es möglich erscheinen, dass er sich nur vergewissert hat, ob der Sendebericht den Vermerk "OK" aufwies. Nach Darstellung der Büroangestellten L. wurde ihm das Sendeprotokoll hingegen zusammen mit der Berufungsbegründungsschrift vorgelegt, und seine Kontrolle bezog sich auf deren "vollständigen Versand", so dass angesichts dieser detaillierteren Darstellung davon ausgegangen werden kann, dass Rechtsanwalt W. auch die Seitenzahl überprüft hat. War dies der Fall, mag auch die Vermutung nahe liegen, dass Rechtsanwalt W. zugleich auch die Faxnummer des Sendeberichts mit der auf dem Schriftsatz angegebenen Faxnummer verglichen hat.
10
Auch die Rechtsbeschwerde lässt dies dahinstehen und weist - insoweit zutreffend - darauf hin, dass ein etwaiges Unterlassen der vorstehend genannten Überprüfung für die Versäumung der Frist jedenfalls nicht ursächlich gewesen wäre, weil die Faxnummern auf dem Sendebericht und dem Schriftsatz tatsächlich übereinstimmten und ein Vergleich nicht zur Aufdeckung des Fehlers hätte führen können.
11
Mit dieser Begründung lässt sich ein der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden aber nicht ausräumen:
12
b) Ob in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin überhaupt allgemeine Büroanweisungen zur Ausgangskontrolle existierten, ist dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht zu entnehmen. Hatte er selbst es übernommen, das Sendeprotokoll im Rahmen der Ausgangskontrolle zu prüfen, durfte er sich dabei nicht auf den Vergleich der Faxnummern im Sendebericht und im Schriftsatz beschränken. Denn die Ausgangskontrolle muss sich auch darauf erstrecken , dass die Übermittlung an den richtigen Empfänger erfolgt ist (Senatsbeschluss vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f.). Der Vergleich dieser beiden Faxnummern ist aber nur geeignet, einen Fehler bei der Eingabe der Nummer in das Faxgerät aufzudecken, nicht aber sicherzustellen, dass die im Schriftsatz angegebene Faxnummer zutreffend ermittelt wurde. Insoweit kommt es - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - auch nicht darauf an, wie hoch die Verwechslungsgefahr bei dem zur Ermittlung herangezogenen Verzeichnis war, und welche Vorkehrungen gegebenenfalls zu treffen sind, wenn die Ermittlung der Empfängernummer dem Büropersonal überlassen wird.
13
Denn die Ausgangskontrolle setzt, wie bereits dem Begriff Kontrolle zu entnehmen ist, eine nochmalige, selbständige Prüfung voraus (vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. März 2004 - IX ZR 20/03 - BGHReport 2004, 978 f.). Die bloße, auf Nachfrage des Anwalts abgegebene Versicherung der Angestellten, die zutreffende Empfängernummer ermittelt und in den Schriftsatz eingesetzt zu haben, vermag die anschließende Überprüfung dieses Vorgangs nicht zu ersetzen. Hierzu hätte es zumindest der weiteren Versicherung der Angestellten bedurft , die von ihr in den Schriftsatz eingesetzte Faxnummer anschließend noch einmal mit dem verwendeten Verzeichnis abgeglichen zu haben.
14
Aber selbst wenn der Auffassung der Rechtsbeschwerde zu folgen wäre, dass eine nochmalige Überprüfung anhand des zur "Erstermittlung" benutzten Verzeichnisses nur dann unabdingbar sei, wenn das Risiko eines Versehens bei der Ermittlung besonders hoch ist, ergäbe sich hier nichts anderes. In seinem Beschluss vom 22. Juni 2004 (- VI ZB 14/04 - NJW 2004, 3491 f.), auf den sich die Rechtsbeschwerde insoweit beruft, hat der Bundesgerichtshof als Beispiel für ein besonders hohes Verwechslungsrisiko den Fall genannt, dass die Empfängernummer im Einzelfall aus elektronischen Dateien herausgesucht wird und an einem und demselben Ort mehrere Empfänger in Betracht kommen. Das war auch hier der Fall (Internetseite der Deutschen Telekom mit der Auflistung der Justizbehörden in Freiburg; darunter Amts-, Land- und Oberlandesgericht

).

15
Im Übrigen betraf diese Entscheidung einen Fall, in dem die abgelesene Faxnummer offenbar unmittelbar handschriftlich in einen bereits ausgedruckten Schriftsatz eingefügt wurde. Im vorliegenden Fall hat die Büroangestellte L. die am Bildschirm (falsch) abgelesene Faxnummer hingegen zunächst "notiert", d.h. handschriftlich festgehalten und sodann in den am Computer vorgefertigten Schriftsatz eingesetzt. Das mit dieser zweifachen Übertragung verbundene höhere Risiko eines Übertragungsfehlers hat sich im vorliegenden Fall zwar nicht verwirklicht, gehört aber ebenfalls zu den Umständen, die nach der zitierten Entscheidung Anlass zur nochmaligen Überprüfung geben.
16
c) Bestand hingegen eine allgemeine Anweisung, durch die die Ausgangskontrolle einer geschulten Fachkraft übertragen war, lässt das Wiedereinsetzungsgesuch sowohl eine Darstellung dieser Anweisung als auch Angaben dazu vermissen, wer für die Streichung der Frist im Fristenkalender zuständig war. Zudem hat Rechtsanwalt W. dadurch, dass er selbst den Sendebericht kontrollierte, in die Büroorganisation eingegriffen und - mangels einer klaren Anweisung auch für diesen Fall - eine Situation geschaffen, in der für seine Angestellten ungewiss war, ob sie damit ihrer gegebenenfalls bestehenden eige- nen Prüfungspflichten im vorliegenden Einzelfall enthoben waren oder nicht. Auch darin ist ein Organisationsverschulden zu sehen, da nicht vorgetragen ist, dass für einen solchen Fall eindeutige Anweisungen bestanden. Es ist nicht auszuschließen, dass die Angestellte L. oder gegebenenfalls eine andere, mit der Führung des Fristenbuchs betraute Angestellte den erforderlichen nochmaligen Abgleich des Sendeberichts mit dem bei der Erstermittlung der Faxnummer verwendeten Verzeichnis oder einem anderen Verzeichnis vorgenommen hätten, wenn Rechtsanwalt W. nicht den Eindruck vermittelt hätte, diese Ausgangskontrolle selbst zu übernehmen.
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina

Vorinstanzen:
LG Konstanz, Entscheidung vom 26.08.2004 - 2 O 230/04 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 16.12.2004 - 19 U 184/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 34/07
vom
14. Mai 2008
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender
Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach
einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob
die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Dabei
ist ein Vergleich der Anzahl der zu übermittelnden Seiten mit den laut Sendeprotokoll
versandten Seiten besonders nachdrücklich anzuordnen, wenn die
Vorgaben eines in der Anwaltskanzlei verwendeten Qualitätshandbuchs in diesem
Punkt lückenhaft sind (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 18. Juli
2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722 ff.).
BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07 - OLG Köln
AG Aachen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2008 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Sprick, die Richterinnen
Weber-Monecke und Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Februar 2007 wird auf Kosten der Klägerin verworfen. Beschwerdewert: 4.524 €.

Gründe:

I.

1
Durch das am 3. Januar 2007 zugestellte Urteil hat das Amtsgericht die Abänderungsklage der Klägerin teilweise abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin mit am 8. Februar 2007 bei dem Oberlandesgericht - im Original - eingegangenem Schriftsatz vom 5. Februar 2007 (Montag) Berufung eingelegt. Bereits am 5. Februar 2007 waren die erste Seite der zweiseitigen Berufungsschrift sowie das sechs Seiten umfassende erstinstanzliche Urteil per Telefax beim Berufungsgericht eingegangen. Die bei der Faxübermittlung fehlende Seite 2 der Berufungsschrift enthält neben der Angabe der gegnerischen Prozessbevollmächtigten erster Instanz die Mitteilung, dass und gegen welches Urteil Berufung eingelegt werden soll, sowie die Unterschrift des Prozessbevollmächtig- ten der Klägerin. Die mit "Berufungsschrift" überschriebene Seite 1 nennt demgegenüber die Parteien und die Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
2
Auf telefonischen gerichtlichen Hinweis vom 7. Februar 2007, dass die Seite 2 der Berufungsschrift fehle, hat die Klägerin am selben Tag erneut Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat sie ausgeführt:
3
Die unterbliebene Übermittlung der zweiten Seite der Berufungsschrift per Telefax sei auf ein Versäumnis der Rechtsanwaltsfachangestellten M. zurückzuführen , die den Auftrag gehabt habe, die Berufungsschrift zusammen mit dem angefochtenen Urteil per Telefax an das Berufungsgericht zu senden. Zu den Aufgaben von Frau M. gehöre die Notierung von Fristen und deren Überwachung. Die Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten sei nach ISO 9001 zertifiziert , was es mit sich bringe, dass nahezu sämtliche Arbeitsvorgänge, insbesondere die der Rechtsanwaltsfachangestellten, in einem Qualitätshandbuch verzeichnet seien. Die Einhaltung der so vorgegebenen Vorgänge werde regelmäßig überprüft. Frau M. sei mit dem Inhalt des Qualitätshandbuchs gut vertraut. Sie sei angewiesen, den Zugang der Fristpost durch Telefax besonders zu überprüfen. Diese Überprüfung sei durch den Ausdruck eines Sendeberichts erfolgt, den Frau M. auf die Richtigkeit des Adressaten sowie der Fax-Nummer und selbstverständlich auch auf die Anzahl der übermittelten Seiten habe überprüfen müssen. Sie habe an dem betreffenden Tag erstmals versäumt, die Vollständigkeit einer Faxübermittlung zu kontrollieren. Nach Beendigung des Sendevorgangs habe Frau M. den Sendebericht sowie den Fristenzettel mit dem Vermerk "SB (Sendebericht) in Akte, Frist streichen?" dem Prozessbevollmächtigten vorgelegt, damit dieser die Frist streichen könne. Der Anwalt habe den Sendebericht in Bezug auf die korrekte Faxnummer sowie den Erfolg der Über- tragung kontrolliert, allerdings ebenfalls versäumt, die Anzahl der versendeten Seiten zu überprüfen.
4
Dieser Vortrag ist von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin anwaltlich und von M. an Eides statt versichert worden. Außerdem ist neben einer Kopie des Fristenzettels ein Auszug aus dem Qualitätshandbuch vorgelegt worden.
5
Das Oberlandesgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

6
Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil der von der Rechtsbeschwerde allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht vorliegt (§ 574 Abs. 2 ZPO).
7
1. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen , weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhe. Dabei könne offen bleiben, ob das Versehen der Rechtsanwaltsfachangestellten M. auf einem Büroorganisationsverschulden des Anwalts beruhe. Denn dieser hätte bei der der Absendung per Telefax folgenden eigenen Kontrolle des Sendeberichts jedenfalls noch rechtzeitig erkennen können, dass eine Seite, bei der es sich um einen Teil der Berufungsschrift habe handeln können, nicht übermittelt worden sei. Übernehme der Anwalt die Ausgangskontrolle im konkreten Fall mit, komme er der damit verbundenen Verpflichtung nur nach, wenn er sich selbst davon überzeuge, dass alle abzusendenden Seiten des Schriftsatzes ordnungsgemäß gesendet worden seien.
8
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
9
2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die am 5. Februar 2007 abgelaufene Berufungsfrist nicht gewahrt ist. Zwar könnte sich die Erklärung der Berufungseinlegung (§ 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) möglicherweise aus der Überschrift der ersten Seite des Schriftsatzes vom 5. Februar 2007 (Berufungsschrift ) entnehmen lassen; die angefochtene Entscheidung (§ 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) könnte aus dem beigefügten erstinstanzlichen Urteil zu ersehen sein. In jedem Fall mangelt es dem per Telefax am letzten Tag der Berufungsschrift eingegangenen Schriftsatz aber an der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten. Diese war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil sich nicht aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür ergab, dass der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen und diesen willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 120/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
10
3. Der Klägerin ist die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt worden, weil nach ihrem Vortrag ein ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden nicht ausgeräumt ist.
11
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermitt- lung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722, 1723; vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f. und vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - FamRZ 2006, 1104, 1105 f.).
12
Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Fehlt es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, muss sich die Einzelanweisung, einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden, in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die Kanzleiangestellte ist dann zusätzlich anzuweisen , die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen (Senatsbeschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722, 1723).
13
b) Eine diesen Anforderungen genügende Ausgangskontrolle im Büro des Klägervertreters ist nicht dargetan worden.
14
aa) Dass durch allgemeine Kanzleianweisungen vorgeschrieben ist, bei der Übermittlung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift per Telefax nicht nur die Versendung an den richtigen Empfänger zu prüfen, sondern auch die Vollständigkeit der Übermittlung einer Kontrolle zu unterziehen, ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht. Danach sind zwar nahezu sämtliche Arbeitsvorgänge, insbesondere die der Rechtsanwaltsfachangestellten , in einem Qualitätshandbuch niedergeschrieben; die Einhaltung der so vorgegebenen Vorgänge wird auch regelmäßig überprüft. Der in Kopie vorgelegte Auszug aus dem Qualitätshandbuch sieht für die Ausgangskontrolle der Fristpost durch Telefax allerdings nur vor, dass die Fachsekretärin einen Sendebe- richt ausdrucken lässt und diesen auf die Richtigkeit des Adressaten und der Faxnummer überprüft. Der weitere Vortrag, Frau M. sei angewiesen, die Übermittlung der Fristpost durch Fax besonders zu überprüfen, lässt nicht erkennen, welche konkreten, allgemeingültigen Vorgaben insofern gemacht worden sind, insbesondere dass und in welcher Weise diese über die Anweisungen des Qualitätshandbuchs hinausgehen. Solche waren hinsichtlich der Überprüfung der Übermittlung auf Vollständigkeit in besonderer Weise erforderlich, weil die Vorgaben des Qualitätshandbuchs in diesem Punkt lückenhaft waren, andererseits die Fachangestellten mit diesen Vorgaben aber gut vertraut gewesen sein sollen. Gerade unter diesen Umständen hätte ausdrücklich darauf hingewiesen werden müssen, dass die Vorgaben des Qualitätshandbuchs nicht ausreichen, sondern in jedem Fall zusätzlich die Vollständigkeit des Übermittlungsvorgangs zu überprüfen ist. Soweit ausgeführt wird, die besondere Überprüfung sei durch den Ausdruck eines Sendeberichts erfolgt, diesen habe Frau M. auf die Richtigkeit des Adressaten sowie der Faxnummer und selbstverständlich auch auf die Anzahl der übermittelten Seiten überprüfen müssen, wird hieraus, ebenso wenig wie aus dem weiteren Vorbringen, erkennbar, dass diesen Anforderungen eine allgemeine Kanzleianweisung zugrunde lag. Das Vorbringen lässt sich ebenso dahin verstehen, dass es sich auf die stillschweigend erwartete Behandlung der konkreten Sache bezieht.
15
bb) Eine den genannten Anforderungen genügende konkrete Einzelanweisung ist ebenfalls nicht dargetan. Es ist nämlich nicht im Einzelnen vorgetragen , dass Frau M. im vorliegenden Fall der Auftrag erteilt worden sei, die Berufungsschrift nebst dem angefochtenen Urteil per Telefax an das Oberlandesgericht zu übermitteln, anschließend einen Sendebericht ausdrucken zu lassen und diesen sodann auch auf die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen.
16
c) Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob den Klägervertreter auch deshalb ein Verschulden an der Fristversäumung trifft, weil die einzelnen Schritte der Fristenkontrolle in seiner Kanzlei nicht eindeutig zugewiesen waren. Nach dem Vortrag zum Wiedereinsetzungsantrag ist nämlich davon auszugehen, dass der Anwalt selbst die Streichung einer Frist verfügt und es hier bei der zu diesem Zweck erfolgten Vorlage des Fristenzettels versehentlich unterlassen hat, die Vollständigkeit der Übermittlung zu kontrollieren. Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass sowohl der Anwalt selbst als auch Frau M. für die Fristenkontrolle zuständig waren. Die dadurch bedingte Überschneidung von Kompetenzen eröffnet aber Fehlerquellen, weil die Gefahr besteht, dass sich im Einzelfall einer auf den anderen verlässt (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 1992 - XII ZB 55/92 - FamRZ 1993, 45). Ob auch insofern ein für die Fristversäumnis ursächliches Organisationsverschulden vorliegt, kann aber dahinstehen. Hahne Weber-Monecke Sprick Vézina Dose
Vorinstanzen:
AG Aachen, Entscheidung vom 21.12.2006 - 23 F 89/06 -
OLG Köln, Entscheidung vom 20.02.2007 - 10 UF 15/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 117/09
vom
11. November 2009
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 2009 durch
die Richter Dose, Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina und die Richter
Dr. Klinkhammer und Schilling

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 6. Mai 2009 wird auf Kosten der Klägerin verworfen. Beschwerdewert: 33.937 €

Gründe:


I.

1
Die Klägerin legte gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 29. Januar 2009 zugestellte Urteil des Landgerichts, mit dem ihre Klage abgewiesen worden war, am Montag, den 2. März 2009 Berufung ein. Mit Schriftsatz vom 30. März 2009, der am gleichen Tag per Fax bei dem Landgericht einging und von dort am 31. März 2009 dem Oberlandesgericht übermittelt wurde, begründete die Klägerin die Berufung. Als Empfänger wies der Begründungsschriftsatz das Oberlandesgericht aus, enthielt jedoch im Adressenfeld nicht dessen Telefaxnummer, sondern die des Landgerichts.
2
Nach Hinweis des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht vom 2. April 2009, dass die Berufungsbegründung nach Fristablauf beim Oberlan- desgericht eingegangen ist, hat die Klägerin gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Büromitarbeiterin ihrer Prozessbevollmächtigten habe versehentlich die Telefaxnummer des Landgerichts an Stelle der des Oberlandesgerichts auf die Berufungsbegründungsschrift geschrieben. Diese Verfahrensweise habe der im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten bestehenden Anweisung widersprochen, nach der die zur Fristwahrung benötigte Telefaxnummer des jeweiligen Gerichts entweder anhand des letzten, von dem erkennenden Gericht übermittelten Schriftstücks und ansonsten anhand des Gerichtsverzeichnisses zu ermitteln sei. Die Büromitarbeiterin habe vermutlich auf den Briefkopf des einzigen in der Berufungsakte befindlichen gerichtlichen Schriftstücks geschaut und nicht bemerkt, dass es sich nicht um die Eingangsmitteilung des Oberlandesgerichts gehandelt habe. Nach Versendung der Berufungsbegründung per Telefax habe die Büromitarbeiterin anhand des Sendeberichts die störungsfreie Übermittlung überprüft und die Empfängernummer mit der Telefaxnummer, die auf dem Schriftsatz angegeben gewesen sei, verglichen. Dabei habe sie es entgegen der auf einem Merkblatt niedergelegten ausdrücklichen Anweisung der klägerischen Prozessbevollmächtigten unterlassen, im Rahmen der Ausgangskontrolle erneut zu überprüfen, ob als Faxnummer diejenige benutzt worden sei, die von dem erkennenden Gericht in seinem letzten übermittelten Schriftstück angegeben worden sei oder ansonsten die im Gerichtsverzeichnis genannte Faxnummer.
3
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.

II.

4
Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Klägerin ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist entgegen der Ansicht der Klägerin zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung nicht erforderlich.
5
1. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Berufung verworfen, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhe. Ein Rechtsanwalt müsse durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass das von ihm beauftragte Personal die Empfängernummer, die im Telefaxverkehr die Funktion einer Adresse habe, richtig ermittle. Seine Anweisungen müssten im Hinblick auf die Bedeutung einer richtigen Adressierung eindeutig und unmissverständlich sein und die Gefahr einer falschen Adressenermittlung ausschließen. Dem würden die von den Klägervertretern im Merkblatt zur Fristenkontrolle enthaltenen Anweisungen nicht gerecht, soweit als Faxnummer vorrangig die von dem erkennenden Gericht in seinem letzten übermittelten Schriftstück angegebene maßgeblich sein solle; es fehle eine unmissverständliche Aufklärung darüber, welches Gericht im Falle einer Berufungseinlegung als das erkennende anzusehen sei. Unklar bleibe, ob es das Ausgangsgericht als das Gericht sei, das erkannt habe, oder das Berufungsgericht als das Gericht das künftig noch erkennen werde. Es fehle deshalb an einer eindeutigen Anweisung.
6
2. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde weicht die angegriffene Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab, nach der ein Rechtsanwalt, der unter Einschaltung seines Büropersonals fristgebun- dene Schriftsätze per Telefax einreicht, verpflichtet ist, durch organisatorische Vorkehrungen sicher zu stellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird und dass sodann bei der erforderlichen Ausgangskontrolle der Sendebericht auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird (Senatsbeschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZR 267/04 - NJW 2006, 2412, 2413; BGH Beschlüsse vom 26. September 2006 - VIII ZB 101/05 - NJW 2007, 996, 997; vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - NJW 2007, 1690, 1691; vom 11. März 2004 - IX ZR 20/03 - BGH-Report 2004, 978 und vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - NJW-RR 2005, 1373).
7
Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags dargelegten und glaubhaft gemachten Vorkehrungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin diesen Anforderungen nicht genügen.
8
Die Anweisung, als Telefaxnummer in erster Linie diejenige zu benutzen, die von dem erkennenden Gericht in seinem letzten übermittelten Schriftstück angegeben worden ist und erst falls ein solches Schriftstück nicht vorhanden ist, die im Gerichtsverzeichnis genannte Faxnummer zu verwenden, bietet keine ausreichende Gewähr dafür, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts, hier: des Oberlandesgerichts, verwendet wird. Der Anweisung lässt sich nicht hinreichend klar entnehmen, ob das „erkennende“ Gericht aus dessen letzten Schriftstück die Faxnummer entnommen werden soll, das Gericht ist, dessen Entscheidung angegriffen wird, oder das Gericht, das diese Entscheidung überprüfen soll. Die Unsicherheit darüber, welches Gericht gemeint ist, wird noch dadurch verstärkt, dass die Anweisung die eindeutige Bezeichnung "Empfängergericht" vermeidet und vielmehr auf das „erkennende Gericht“ abstellt.
9
Auch die Anweisungen der Bevollmächtigten der Klägerin zur Ausgangskontrolle von Schriftsätzen, die durch Telefax versandt werden, sind nicht geeignet , die fehlerhafte Ermittlung der Telefaxnummer zu korrigieren. Sie verweisen ebenfalls darauf, dass als Telefaxnummer zunächst diejenige maßgeblich ist, die von dem erkennenden Gericht in seinem letzten übermittelten Schriftstück angegeben wird.
10
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde weicht die angegriffene Entscheidung auch nicht von den Beschlüssen des Bundesgerichtshofs vom 22. Juni 2004 (- VI ZB 14/04 - NJW 2004, 3491, 3492) und vom 13. Februar 2007 (- VI ZB 70/06 - NJW 2007, 1690, 1691) ab. In den dortigen Fällen bestand die Anweisung, die Telefaxnummern aus einer ständig aktualisierten "Aktenvita" bzw. unmittelbar aus einem in den Akten befindlichen Schreiben des Berufungsgerichts zu entnehmen. Es bestand also kein Zweifel daran, dass die Telefaxnummer des Empfängergerichts maßgeblich war. Im vorliegenden Fall ist demgegenüber aufgrund der Anweisung gerade nicht hinreichend klar, ob die Telefaxnummer des Gerichts, dessen Entscheidung angegriffen wird oder des Gerichts, das diese überprüfen soll, die maßgebliche ist.
Dose Wagenitz Vézina Klinkhammer Schilling

Vorinstanzen:
LG Augsburg, Entscheidung vom 20.01.2009 - 3 O 5122/07 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 06.05.2009 - 27 U 131/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 101/05
vom
26. September 2006
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. September 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Wiechers und Dr. Frellesen sowie die
Richterinnen Hermanns und Dr. Hessel

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 17. Oktober 2005 aufgehoben. Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Beschwerdewert: 123.703,78 €.

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat durch Urteil vom 21. Juli 2005, das dem Kläger am 22. Juli 2005 zugestellt worden ist, die Klage abgewiesen. Eine Rechtsanwaltsfachangestellte im Büro des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat die an das Oberlandesgericht adressierte Berufungsschrift des Klägers vom 22. August 2005 am selben Tag per Telefax versandt, dabei jedoch irrtümlich die Telefaxnummer des Amtsgerichts Koblenz verwendet. Die vom Amtsgericht weitergeleitete Telekopie und das Original des Berufungsschriftsatzes sind am 23. August 2005 beim Oberlandesgericht Koblenz eingegangen. Dies ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29. August 2005 mitgeteilt worden.
Mit Schriftsatz vom 9. September 2005, der beim Oberlandesgericht am selben Tag eingegangen ist, hat der Kläger Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

2
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung ausgeführt:
3
Die Berufung sei als unzulässig zu verwerfen, weil die Berufungsschrift nicht innerhalb der Berufungsfrist beim Oberlandesgericht eingegangen sei. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei zurückzuweisen , weil die Berufungsfrist nicht ohne Verschulden seines Prozessbevollmächtigten versäumt worden sei. Es liege ein dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Organisationsverschulden des Rechtsanwalts vor, da dieser keine ausreichende Anweisung zur sicheren Übermittlung von Telefaxen an sein Büropersonal erteilt habe. Die jeweiligen Bürokräfte seien unter anderem befugt, die Telefaxnummern aus dem System "klickTel" herauszusuchen. Dieses System stelle erkennbar nicht so eindeutige Angaben her, dass eine normal geschulte Rechtsanwaltsfachangestellte in der Lage sei, damit fehlerfrei zu arbeiten. So weise der vorgelegte Ausdruck unter der Rubrik "Justizbehörden - Amtsgericht Landgericht Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht" eine Vielzahl von Telefaxnummern aus, ohne dass eine Zuordnung zu der gewünschten Dienststelle unproblematisch möglich wäre. Der vom Kläger vorgelegte Ausdruck aus dem Telefonverzeichnis der Deutschen Telekom "Das Örtliche", anhand dessen das Büropersonal die ermittelte Telefonnummer zu überprüfen habe, weise unter "Justizbehörden" gar keine Telefaxnummer des Oberlandesgerichts aus. Die Arbeitsanweisung, die benötigten Telefaxnummern - unter anderem - aus dem System "klickTel" herauszusuchen, sei daher fehlerhaft. Jedenfalls hätte die Arbeitsanweisung bei Verwendung derart unklarer Telefonverzeichnisse privater Anbieter dahin lauten müssen, dass eine Abgleichung anhand amtlicher Verzeichnisse zu erfolgen habe.
4
Zwar habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers glaubhaft gemacht, es gebe darüber hinaus die Anweisung, nach Durchführung des Sendevorgangs das Sendeprotokoll noch einmal sowohl anhand der Angaben in "klickTel" als auch des aktuellen Telefonbuchs der Telekom zu überprüfen. Aus dem vorgelegten Sendeprotokoll ergebe sich aber kein Hinweis darauf, dass es sich bei der gewählten Nummer um die Telefaxnummer des Oberlandesgerichts Koblenz gehandelt habe. Wenn die Bürokraft berechtigt gewesen sei, das unübersichtliche Verzeichnis "klickTel" zu verwenden, so hätte die Arbeitsanweisung bezüglich der Überprüfung des Sendevorgangs jedenfalls dahin lauten müssen, dass der Empfänger des Schriftsatzes hätte namentlich feststellbar sein müssen. Gegebenenfalls hätte daher eine fernmündliche Rückfrage bei dem Berufungsgericht erfolgen müssen.

III.

5
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Klägers hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist.
6
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Sie ist auch nach § 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Zwar hat der Kläger die gemäß § 517 ZPO am 22. August 2005 abgelaufene Berufungsfrist versäumt, weil seine Berufungsschrift erst am 23. August 2005 beim Berufungsgericht eingegangen ist. Dem Kläger ist jedoch auf seinen rechtzeitigen Antrag gemäß §§ 233 ff. ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beruht die Versäumung der Berufungsfrist nicht auf einem dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten. Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde , dass das Berufungsgericht im vorliegenden Fall die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Anwalts überspannt und das Vorbringen des Klägers zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags nicht hinreichend gewürdigt hat.
8
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsanwalt , der unter Einschaltung seines Büropersonals fristgebundene Schriftsätze per Telefax einreicht, verpflichtet, durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen , dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04, NJW-RR 2005, 1373, unter II 1; Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04, NJW 2006, 2412, unter II 2, jeweils m.w.Nachw.). Hierzu gehört bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel auch, dass ein Sendebericht ausgedruckt wird, der anhand des zuvor verwendeten oder eines anderen, ebenso zuverlässigen Verzeichnisses zu überprüfen ist, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bereits Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können (vgl. Beschluss vom 10. Mai 2006, aaO).
9
b) Diesen Anforderungen genügen die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags dargelegten und glaubhaft gemachten Vorkehrungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Durch sie war von Seiten des Rechtsanwalts in ausreichendem Maße sichergestellt, dass der Berufungsschriftsatz an die Telefaxnummer des Oberlandesgerichts Koblenz versendet werden würde. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers damit begründet, dass die Büroangestellten befugt seien, Telefaxnummern aus dem Verzeichnis "klickTel" herauszusuchen, obwohl dieses erkennbar nicht so eindeutige Angaben herstelle, dass eine normal geschulte Rechtsanwaltsfachangestellte in der Lage sei, damit fehlerfrei zu arbeiten.
10
Hierbei hat das Berufungsgericht zum einen nicht berücksichtigt, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, das von ihm dargelegte Verfahren - einschließlich der Verwendung des Telefonverzeichnisses "klickTel" - habe sich in den letzten Jahren beanstandungsfrei bewährt, wobei in seiner Kanzlei jährlich etwa 60.000 Gerichtsverfahren betrieben würden; dies steht der Annahme des Berufungsgerichts entgegen , das verwendete Telefonverzeichnis sei erkennbar nicht für eine fehlerfreie Benutzung durch das Büropersonal geeignet gewesen. Zum anderen bestand darüber hinaus die Anweisung, die im Verzeichnis "klickTel" ermittelte Empfängernummer anhand des Telefonverzeichnisses der Deutschen Telekom "Das Örtliche" zu überprüfen. Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, hätte das Berufungsgericht diese zusätzliche Vorkehrung nicht ohne vorherige Erteilung eines Hinweises (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO) mit der Begründung als unzureichend ansehen dürfen, der vom Kläger vorgelegte Ausdruck weise unter der Eintragung "Justizbehörden" keine Telefaxnummer des Oberlandesgerichts Koblenz aus. Dieser Auszug aus dem Telefonverzeichnis "Das Örtliche" war erkennbar unvollständig; dies ergibt sich aus der Übersichtszeile, in der es un- ter anderem heißt: "Treffer gesamt: 28; Seite 1 von 2 (Treffer 1…20)". Wie die Rechtsbeschwerde unter Vorlage eines vollständigen Ausdrucks aufzeigt, enthält auch das Telefonverzeichnis "Das Örtliche" eine Telefaxnummer des Oberlandesgerichts.
11
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war der Prozessbevollmächtigte des Klägers im vorliegenden Fall auch weder verpflichtet, das Büropersonal zu einer Abgleichung der Empfängernummer anhand "amtlicher" Verzeichnisse anzuhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 1997 - IV ZB 14/96, NJW-RR 1997, 952; Beschluss vom 24. Juni 2004 - VII ZB 35/03, NJW 2004, 2830; Beschluss vom 10. Mai 2006, aaO), noch bedurfte es zur Überprüfung des Sendevorgangs einer Anweisung dahin, dass der Empfänger des Schriftsatzes hätte namentlich feststellbar sein und anderenfalls eine fernmündliche Rückfrage bei dem Berufungsgericht hätte erfolgen müssen. Vielmehr waren die organisatorischen Vorkehrungen ausreichend, um Fehler bei der Ermittlung der Empfängernummer aufzudecken. Dass die Berufungsschrift im konkreten Fall gleichwohl an ein unzuständiges Gericht versandt worden ist, beruht nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags auf einem Versehen der Büroangestellten, das für den Pro- zessbevollmächtigten des Klägers nicht vorhersehbar war und dem Kläger nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.
Ball Wiechers Dr. Frellesen Hermanns Dr. Hessel
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 21.07.2005 - 1 O 373/02 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 17.10.2005 - 10 U 1248/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 70/06
vom
13. Februar 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
Wird die Telefaxnummer aus dem konkreten Aktenvorgang handschriftlich auf den zu
versendenden Schriftsatz übertragen, genügt es zur Überprüfung auf mögliche Eingabefehler
, die gewählte Empfängernummer mit der übertragenen Nummer abzugleichen
(Anschluss an BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - VersR
2005, 573).
BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - LG Kassel
AG Korbach
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Februar 2007 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 14. September 2006 aufgehoben. Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 3.579,04 €

Gründe:

I.

1
Mit Urteil des Amtsgerichts K. vom 23. Mai 2006 ist der Beklagte verurteilt worden, an die Klägerin 3.579,04 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Urteil ist seinem Prozessbevollmächtigten am 6. Juni 2006 zugestellt worden. Am 3. Juli 2006 hat der Beklagte Berufung zum Landgericht K. eingelegt. Mit Schriftsatz vom Montag, den 7. August 2006, hat der Beklagte die Berufung begründet. Der Schriftsatz trägt im Kopf auf S. 1 die Telefax-Nummer des Amtsgerichts K., die jedoch als Telefax-Nummer des Landgerichts K. bezeichnet ist. Dieser Schriftsatz ist vorab per Fax am 7. August 2006 um 17.03 Uhr beim Amtsgericht K. eingegangen. Dieses hat ihn am 11. August 2006 an das Landgericht weitergeleitet , nachdem bis zu diesem Zeitpunkt kein Eingang des Originalschreibens beim Amtsgericht bekannt wurde. Das Original des Schriftsatzes ist am 9. August 2006 beim Landgericht eingegangen. Mit Verfügung vom selben Tag wies der Vorsitzende des Berufungsgerichts den Beklagten darauf hin, dass die Begründung der Berufung nicht innerhalb der bis 7. August 2006 laufenden Frist, sondern erst am 9. August 2006 beim Berufungsgericht eingegangen sei und deshalb beabsichtigt sei, die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen. Mit Schriftsatz vom 18. August 2006, beim Berufungsgericht eingegangen am 21. August 2006 hat der Beklagte beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Der bearbeitende Rechtsanwalt habe die Begründung mit der ausdrücklichen Verfügung diktiert, eine Übersendung solle vorab per Telefax zur Fristwahrung erfolgen. Hierauf habe die erfahrene und zuverlässige Mitarbeiterin H. über dem Anschriftenfeld des Landgerichts K. den Aufdruck "per Telefax" und die folgende Telefax-Nummer angebracht. Dabei sei es zu der fehlerhaften Auswahl der Telefax-Nummer gekommen. H. habe sich bei der Ermittlung der Teilnehmernummer auf die in der Akte befindliche gerichtliche Korrespondenz verlassen; sie gehe davon aus, dass sie ein Schreiben des Amtsgerichts K. aufgeschlagen habe, was ihr aber entgangen sei.
2
Auf weitere Verfügung des Vorsitzenden vom 21. August 2006 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 6. September 2006 dargelegt, nach den Organisationsvorgaben seines Büros im Zusammenhang mit der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze mittels Telefax sei auf dem zu versendenden Schriftsatz über der Empfängeranschrift der Zusatz "per Telefax" und dann die jeweilige Teilnehmernummer aufzunehmen. Die Büromitarbeiterin, die den Schriftsatz angefertigt habe, sei auch für die Übersendung per Telefax zuständig gewesen. Nach Versendung habe die Mitarbeiterin anhand des Sendeberichts zu kontrollieren gehabt, ob die Empfängernummer mit der auf dem Schriftsatz übereinstimme. Weiter sei zu kontrollieren gewesen, ob auf dem Sendebericht für die ordnungsgemäße Übermittlung ein "ok" angegeben sei und ob die Seitenzahl mit der des Schriftsatzes übereinstimme. Bei fristwahrenden Schriftsätzen erfolge die Versendung per Fax durch Auszubildende immer unter Aufsicht der zuständigen Mitarbeiterin. Das Telefax und der Sendebericht würden zur Akte genommen. Nach Beendigung des Vorgangs lasse die Mitarbeiterin durch die Auszubildenden nochmals den Sendebericht überprüfen und kontrolliere abschließend erneut alle Schritte. Anschließend werde der Schriftsatz im Original mit den notwendigen Abschriften auf den Postweg gebracht. Erst dann melde sich die Mitarbeiterin beim bearbeitenden Rechtsanwalt um mitzuteilen, dass der Schriftsatz per Fax versandt und das Original auf dem Postwege sei. Auf die Frage der Mitarbeiterin, ob die Frist im Fristenkalender gestrichen werden könne, erkundige sich der Anwalt, ob durch Kontrolle des Sendeberichts sichergestellt sei, dass eine ordnungsgemäße Versendung des Faxschreibens erfolgt sei. Erst nach Bestätigung erfolge die anwaltliche Anordnung , die Frist zu streichen.
3
Das Berufungsgericht hat den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung wegen verspäteter Begründung verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte des Beklagten habe den Bürokräften die Ermittlung der Telefax-Nummer und die Versendung des fristgebundenen Schriftsatzes durch Telefax übertragen, ohne nähere Vorgaben zur Überprüfung der zu verwendenden Fax-Nummer im erforderlichen Umfang zu geben. Zwar sei dem Anwalt nicht vorzuwerfen, dass er den mit einer falschen Telefax-Nummer versehenen Schriftsatz vor der Versendung unterzeichnet habe. Er habe jedoch dafür Sorge tragen müsse, dass die per Telefax übermittelten Schriftsätze auch auf die Verwendung einer zutreffenden Empfänger-Nummer überprüft werden. Eine solche Überprüfung sei nicht glaubhaft gemacht.
4
Dieser Beschluss des Berufungsgerichts vom 14. September 2006 ist dem Beklagten am 20. September 2006 zugestellt worden. Am 16. Oktober 2006 hat der Beklagte Rechtsbeschwerde eingelegt und sogleich begründet.

II.

5
1. Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO) geboten. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip - Art. 20 Abs. 3 GG). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflicht ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie nicht rechnen musste (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Februar 2006 - VI ZB 44/05 - VersR 2006, 860, 861; BVerfGE 79, 372, 376 f.; BVerfG NJW-RR 2002, 1004).
6
2. Allerdings geht das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler davon aus, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen ist, wenn den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ein Verschulden an der Versäu- mung der Frist trifft (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO). Soweit es jedoch eine schuldhaft unzulängliche Organisation des Prozessbevollmächtigten bei der Ausgangskontrolle der Berufungsbegründung bejaht, überspannt es die an die Sorgfaltspflichten des Anwalts zu stellenden Anforderungen.
7
a) Im Ausgangspunkt ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, dass der Anwalt die Telefax-Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes im Rahmen einer nötigen Sicherheit gewährleistenden Büroorganisation einer ausreichend ausgebildeten, zuverlässigen und - wenn nötig - hinreichend überwachten Anwaltsgehilfin überlassen darf und die von dieser verwendete FaxNummer auch dann, wenn sie vor der Unterzeichnung des Schriftsatzes in diesen eingefügt wurde, nicht selbst auf ihre Richtigkeit überprüfen muss.
8
b) Es entspricht ferner der st. Rspr. des Bundesgerichtshofs, dass ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet ist, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet. Dazu muss bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft werden (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - VersR 2005, 573; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - BGH-Report 2006, 1121; BAGE 79, 379, 382 - jeweils m.w.N.).
9
Das Berufungsgericht überspannt die hier dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten obliegende Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Organisation einer Ausgangskontrolle, wenn es eine Überprüfung der Übermittlung auf Eingabefehler für nicht ausreichend hält und auch im hier zu entscheidenden Fall eine Überprüfung der richtigen Ermittlung der Telefax-Nummer verlangt.
10
Zwar ist dem Berufungsgericht zuzugeben, dass eine Überprüfung hinsichtlich der Telefax-Nummer, die sich nach Einsetzen der Nummer auf dem zu übermittelnden Schriftsatz darauf beschränkt, dass die auf dem Schriftsatz eingesetzte Nummer mit der zur Versendung angegebenen Nummer übereinstimmt , einen Fehler beim Einsetzen der Nummer auf dem Schriftsatz nicht aufzeigen kann. Ein bei der Ermittlung der Telefax-Nummer aufgetretener Fehler kann sich in der Folge fortsetzen, wenn nicht anhand anderer Verzeichnisse gesondert überprüft wird, ob es sich bei der verwendeten Telefax-Nummer um diejenige des zuständigen Berufungsgerichts handelt. Aus diesem Grund ist nach st. Rspr. des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass sich die im Rahmen der Ausgangskontrolle gebotene Überprüfung des Sendeberichts bei einer Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax jedenfalls dann auch darauf zu erstrecken hat, ob die zutreffende Fax-Nummer des Empfangsgerichts angewählt wurde (zuletzt BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - aaO), wenn die Fax-Nummer des Berufungsgerichts von einer Büroangestellten aus einem amtlichen Verzeichnis selbständig zu ermitteln war.
11
Der hier zu entscheidende Fall ist jedoch anders gelagert. Die zur Übermittlung verwendete Fax-Nummer war unmittelbar aus einem Schreiben des Berufungsgerichts in der Akte zu entnehmen und in dem zu versendenden Schriftsatz einzufügen. In einem solchen Fall ist das besonders hohe Verwechslungsrisiko , das bei der Auswahl aus elektronischen oder buchmäßig erfassten Dateien besteht, erheblich verringert. Das gestattet es, die Sorgfaltsanforderungen an die Ausgangskontrolle zu verringern und eine Überprüfung der verwendeten Fax-Nummer auf Übereinstimmung mit der aus der Akte entnommenen , im Schriftsatz festgehaltenen Telefax-Nummer zu beschränken. In solchen Fällen reicht es deshalb aus, mögliche Eingabefehler zu korrigieren, indem die gewählte Empfänger-Nummer mit der zuvor in den Schriftsatz einge- fügten Nummer abgeglichen wird (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - aaO).
12
3. Der Beklagte hat durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung H. vom 16. August 2006 glaubhaft gemacht, dass in der Akte Schreiben des Berufungsgerichts vorhanden waren. Dass infolge eines Versehens die Fachangestellte die Telefax-Nummer des Amtsgerichts anstelle der des Landgerichts aus einem Schriftstück in der Akte ausgewählt und in den Schriftsatz eingefügt hat, gereicht dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht zum Verschulden.
13
4. Nach allem ist dem Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Sache ist an das Berufungsgericht zur Entscheidung über die Berufung zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
AG Korbach, Entscheidung vom 23.05.2006 - 3 C 365/04 (70) -
LG Kassel, Entscheidung vom 14.09.2006 - 1 S 268/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 30/06
vom
20. November 2007
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. h.c. Nobbe, den Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und
die Richter Dr. Ellenberger und Prof. Dr. Schmitt
am 20. November 2007

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 8. September 2006 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert beträgt 185.968,61 €.

Gründe:


I.


1
Mit Telefaxschreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17. Juli 2006 (einem Montag) legte die Beklagte Berufung gegen das ihr am Freitag, dem 16. Juni 2006 zugestellte Urteil des Landgerichts ein, mit dem der Schadensersatzklage des Klägers stattgegeben worden war. Als Empfänger wies der Berufungsschriftsatz das Oberlandesgericht aus, enthielt jedoch im Adressfeld nicht dessen Telefaxnummer, sondern die des Landgerichts, an die die Berufungsschrift am selben Tag gefaxt wurde und dort um 15.10 Uhr einging. Das Original der Berufungsschrift ging am 19. Juli 2006 beim Oberlandesgericht ein, das Fax vom 17. Juli 2006 wurde dem Oberlandesgericht auf Anforderung am 31. August 2006 übermittelt.
2
Nach Hinweis der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht vom 17. August 2006, dass die Berufung beim Oberlandesgericht nach Fristablauf eingegangen sei, hat die Beklagte am 22. August 2006 gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Berufungsschrift sei versehentlich per Fax an das Landgericht versandt worden, da die - ansonsten zuverlässige - Mitarbeiterin ihrer Prozessbevollmächtigten die Telefaxnummer versehentlich aus einer bei den erstinstanzlichen Akten befindlichen Verfügung des Landgerichts übernommen habe. Diese Verfahrensweise habe den im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten bestehenden Anweisungen widersprochen, nach welchen die Telefaxnummern grundsätzlich aus der jeweils aktuellen Fassung der Kanzleisoftware „RA-MICRO“ zu entnehmen gewesen seien. Außerdem habe die Anweisung bestanden, die Nummer des Sendeberichts mit dem letzten gerichtlichen Schreiben zu vergleichen. Ein solches habe es hier vom Oberlandesgericht allerdings noch nicht gegeben, da die zweite Instanz mit der Berufungseinlegung erst habe eröffnet werden sollen. Es hätten lediglich gerichtliche Schreiben des Landgerichts vorgelegen, was letztlich zu dem Versehen geführt habe.
3
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufungsfrist sei durch ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten der Beklagten versäumt worden, das diese sich zurechnen lassen müsse. Die bloße Kontrolle, ob die aus dem Sendebericht ersichtliche Nummer mit der des letzten gerichtlichen Schreibens übereinstimme, genüge als Ausgangskontrolle für durch Fax übermittelte Schriftsätze nicht. Eine wirksame Ausgangskontrolle setze vielmehr den Abgleich anhand des zuvor verwendeten oder eines anderen, ebenso zuverlässigen Verzeichnisses voraus, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch schon bei der Ermittlung der Faxnummer aufdecken zu können.

II.


4
Rechtsbeschwerde Die ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. Senat, BGHZ 161, 86, 87 m.w.Nachw.), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nicht erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor noch beruht die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem Verstoß gegen den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG i.V. mit § 139 ZPO) noch verletzt sie den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281).
5
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde weicht die angegriffene Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verschulden eines Prozessbevollmächtigten bei der Ausgangskontrolle von Telefaxschreiben ab. Danach ist ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet. Dies bedeutet, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und entsprechend - d.h. auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer - überprüft werden muss (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 1. März 2005 - VI ZB 65/04, NJW-RR 2005, 862, vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04, NJW 2006, 2412, 2413, Tz. 7 sowie Senatsbeschluss vom 17. April 2007 - XI ZB 39/06, FamRZ 2007, 1095 f., Tz. 5). Von diesem Grundsatz ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, das Berufungsgericht habe verkannt, dass nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Mai 2006 (aaO) nicht in jedem Fall der Abgleich anhand eines Verzeichnisses erfolgen müsse, sondern nur dann, wenn sich die Faxnummer des Gerichts nicht aus der Handakte ergebe, führt das schon deshalb nicht weiter, weil sich die Faxnummer des Oberlandesgerichts im Streitfall gerade nicht aus der Handakte ergab. Eine Regelung , die sich auf den Abgleich mit den Handakten beschränkte, war - wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat - daher nicht ausreichend.
6
Notwendig war vielmehr eine Regelung, die anhand des Sendeberichts die nochmalige selbstständige Prüfung der zutreffenden Empfängernummer vorsah (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2005 aaO m.w.Nachw.). Die Rechtsbeschwerde zeigt keinen Vortrag der Beklagten vor dem Tatrichter dazu auf, dass eine solche Regelung bei ihren Prozessbevollmächtigten bestanden hat. Der vor dem Tatrichter gehaltene Vortrag zum Abgleich der im Fax eingesetzten Nummer mit Verfügungen des Gerichts aus der Handakte ist in Fällen, in denen zuvor mit dem Gericht - wie hier - noch nicht korrespondiert worden ist, ersichtlich nicht ausreichend.
7
Das sieht auch die Rechtsbeschwerde zutreffend, beruft sich aber darauf, eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts sei erforderlich , weil sich das Berufungsgericht unter Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) und gegen bestehende Hinweispflichten auf die im Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht veröffentlichte und den Prozessbevollmächtigten der Beklagten daher noch nicht bekannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Mai 2006 (XII ZB 267/04, NJW 2006, 2412) gestützt habe, ohne der Beklagten Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme zu geben. Ein gerichtlicher Hinweis habe auch erteilt werden müssen, weil erkennbar gewesen sei, dass der Vortrag der Beklagten in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags zum Abgleich der Nummer in dem Sendebericht unklar und ergänzungsbedürftig gewesen sei. Für den Fall eines solchen Hinweises hätte die Beklagte ihren Vortrag dahin ergänzt, die allgemeine Anweisung sei auch dahin gegangen, auf das Verzeichnis der Rechtsanwaltssoftware „RA-MICRO“ nicht nur zur Ermittlung der Telefaxnummer, sondern auch zum Abgleich mit der Telefaxnummer im Sendebericht zurückzugreifen.
8
Hiermit kann die Rechtsbeschwerde nicht durchdringen. Auf ihren erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren ergänzten Vortrag kommt es nicht an, weil das Berufungsgericht weder Hinweispflichten noch den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs und wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzt hat.
9
Die Rechtsbeschwerde verkennt bereits, dass es sich bei dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. Mai 2006 nicht um eine neue Rechtsprechung handelt, die den Prozessbevollmächtigten der Beklagten noch nicht bekannt sein musste. Es entspricht vielmehr langjähriger und ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet ist, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet. Dabei muss zur erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und entsprechend überprüft werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 1995 - XII ZB 123/95, VersR 1996, 778, vom 20. Dezember 1999 - II ZB 7/99, NJW 2000, 1043, vom 10. Januar 2000 - II ZB 14/99, NJW 2000, 1043, 1044, vom 12. März 2002 - IX ZR 220/01, VersR 2002, 1577, vom 24. April 2002 - AnwZ 7/01, BRAK-Mitt. 2002, 171 und vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03, FamRZ 2004, 1275 f.). Dass es insoweit einer Abschlusskontrolle bedarf, bei der nicht nur die Vollständigkeit der Übermittlung, sondern auch die Richtigkeit der Empfängernummer grundsätzlich anhand eines Verzeichnisses abschließend und selbstständig zu prüfen ist, ist ebenfalls nicht erst seit dem Beschluss vom 10. Mai 2006 Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa zuvor bereits BGH, Beschluss vom 1. März 2005 - VI ZB 65/04, NJW-RR 2005, 862 m.w.Nachw.). Eines Hinweises des Berufungsgerichts auf diese Rechtsprechung, die den Prozessbevoll- mächtigten der Beklagten hätte bekannt sein müssen, bedurfte es daher schon aus diesem Grund nicht.
10
Eine Hinweispflicht des Berufungsgerichts ergab sich entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht daraus, dass der Vortrag der Beklagten in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch zu den in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten getroffenen Anordnungen zur Kontrolle der Faxnummer anhand des Sendeberichts etwa unklar oder erkennbar ergänzungsbedürftig gewesen wäre. Die Beklagte hatte dort ausdrücklich zu den bei ihren Prozessbevollmächtigten getroffenen Anweisungen für die Kontrolle der Faxnummern anhand des Sendeberichts vorgetragen. Dass die dort geschilderten Anweisungen gerade für Fälle der vorliegenden Art erkennbar nicht tauglich und nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs daher nicht ausreichend waren, ist kein Grund für eine Hinweispflicht des Gerichts.
11
DieKostenentscheidungfo lgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Nobbe Joeres Mayen
Ellenberger Schmitt
Vorinstanzen:
LG Göttingen, Entscheidung vom 12.06.2006 - 2 O 619/04 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 08.09.2006 - 8 U 153/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 267/04
vom
10. Mai 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird ein fristgebundener Schriftsatz per Telefax übermittelt, muss sich die im
Rahmen der Ausgangskontrolle gebotene Überprüfung des Sendeberichts auch
darauf erstrecken, ob die zutreffende Faxnummer des Empfangsgerichts angewählt
wurde (st. Rspr., vgl. BGH Beschluss vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 -
FamRZ 2004, 1275 f. m.N.).
Ergab sich die Faxnummer des Gerichts nicht aus in der Handakte befindlichen
Schreiben dieses Gerichts und hatte der Rechtsanwalt es zulässigerweise einer
ausreichend ausgebildeten und zuverlässigen Kanzleiangestellten überlassen,
die Faxnummer des Gerichts (hier: anhand einer Internet-Telefonbuchseite der
Telekom) zu ermitteln und in den Schriftsatz einzufügen, darf sich die Kontrolle
des Sendeberichts nicht darauf beschränken, die darin ausgedruckte Faxnummer
mit der zuvor in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen.
Der Abgleich hat vielmehr anhand des zuvor verwendeten oder eines anderen,
ebenso zuverlässigen Verzeichnisses zu erfolgen, um nicht nur Fehler bei der
Eingabe, sondern auch schon bei der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer
Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können (Fortführung von Senatsbeschluss
vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f.).
BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - OLG Karlsruhe
LG Konstanz
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2006 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die
Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 19. Zivilsenat in Freiburg - vom 16. Dezember 2004 wird auf Kosten der Klägerin verworfen. Beschwerdewert: 93.982 €

Gründe:

I.

1
Am 30. September 2004 legte die Klägerin durch ihre zunächst beauftragten zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Berufung gegen das ihr am 31. August 2004 zugestellte Urteil des Landgerichts ein, mit dem ihre Klage auf Feststellung des Fortbestehens eines Mietvertrages abgewiesen worden war. Auf ihren am 29. Oktober 2004 beim Oberlandesgericht eingegangenen Antrag wurde die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 30. November 2004 verlängert.
2
Mit Schriftsatz vom 30. November 2004 zeigten die jetzigen zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin an, diese nunmehr zu vertreten, und begründeten die Berufung. Dieser Schriftsatz ging am selben Tag per Fax beim Landgericht Freiburg und nach Weiterleitung am Mittwoch, dem 1. Dezember 2004, bei den Freiburger Zivilsenaten des Oberlandesgerichts ein.
3
Auf gerichtlichen Hinweis vom 1. Dezember 2004 beantragte die Klägerin , ihr gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Eine Angestellte der Kanzlei ihres zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten W. habe im Anschluss an die ihr erteilte Weisung, die Faxnummer der Zivilsenate in Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe zu ermitteln und in den Schriftsatz einzufügen, versehentlich die Faxnummer des Landgerichts eingesetzt und den Schriftsatz dorthin übermittelt , wie sich aus den anwaltlich versicherten Angaben des Rechtsanwalts W. im Wiedereinsetzungsgesuch und der ihm beigefügten eidesstattlichen Versicherung der Angestellten L. ergebe. Die Verwechslung beruhe darauf, dass sie eine Internet-Seite der Telekom aufgerufen und dabei versehentlich die eine Zeile über dem Oberlandesgericht aufgeführte Nummer des Landgerichts abgelesen habe.
4
Das Oberlandesgericht wies das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin durch Beschluss zurück und verwarf die Berufung zugleich als unzulässig. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

5
1. Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Klägerin ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
6
2. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und infolge dessen die Berufung verworfen, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhe. Dieser dürfe die Telefax-Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes zwar im Rahmen einer die nötige Sicherheit gewährleistenden Büroorganisation einer ausreichend ausgebildeten, zuverlässigen und - wenn nötig - hinreichend überwachten Anwaltsgehilfin überlassen und brauche die von ihr ermittelte Faxnummer auch dann, wenn sie vor der Unterzeichnung des Schriftsatzes in diesen eingefügt wurde, nicht selbst auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Die Klägerin habe jedoch nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten eine allgemeine Büroanweisung zur Ausgangskontrolle von per Fax zu übermittelnden fristwahrenden Schriftsätzen bestehe, die auch - wie erforderlich - gewährleiste, dass die Übermittlung an die richtige Faxnummer des Empfängers erfolgt sei.
7
Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen und entspricht auch im zuletzt genannten Punkt der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, derzufolge ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet ist, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet, und zwar dergestalt, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und entsprechend - d.h. auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer - überprüft werden muss (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 - FamRZ 2004, 1275 f. m.N.).
8
a) Hier hat die Klägerin zwar glaubhaft gemacht, dass die Büroangestellte L. nach der Übermittlung der Berufungsbegründung einen Sendebericht ausgedruckt und Rechtsanwalt W. vorgelegt hat, der ihn kontrollierte.
9
Dem ist aber bereits nicht zu entnehmen, dass Rechtsanwalt W. auch überprüft hat, ob es sich bei der aus dem Sendebericht ersichtlichen Faxnummer um diejenige des Oberlandesgerichts handelte. Nach seiner eigenen Darstellung hat er sich (nur) den Sendebericht vorlegen lassen und sich von der "störungsfreien Übermittlung" überzeugt. Dies lässt es möglich erscheinen, dass er sich nur vergewissert hat, ob der Sendebericht den Vermerk "OK" aufwies. Nach Darstellung der Büroangestellten L. wurde ihm das Sendeprotokoll hingegen zusammen mit der Berufungsbegründungsschrift vorgelegt, und seine Kontrolle bezog sich auf deren "vollständigen Versand", so dass angesichts dieser detaillierteren Darstellung davon ausgegangen werden kann, dass Rechtsanwalt W. auch die Seitenzahl überprüft hat. War dies der Fall, mag auch die Vermutung nahe liegen, dass Rechtsanwalt W. zugleich auch die Faxnummer des Sendeberichts mit der auf dem Schriftsatz angegebenen Faxnummer verglichen hat.
10
Auch die Rechtsbeschwerde lässt dies dahinstehen und weist - insoweit zutreffend - darauf hin, dass ein etwaiges Unterlassen der vorstehend genannten Überprüfung für die Versäumung der Frist jedenfalls nicht ursächlich gewesen wäre, weil die Faxnummern auf dem Sendebericht und dem Schriftsatz tatsächlich übereinstimmten und ein Vergleich nicht zur Aufdeckung des Fehlers hätte führen können.
11
Mit dieser Begründung lässt sich ein der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden aber nicht ausräumen:
12
b) Ob in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin überhaupt allgemeine Büroanweisungen zur Ausgangskontrolle existierten, ist dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht zu entnehmen. Hatte er selbst es übernommen, das Sendeprotokoll im Rahmen der Ausgangskontrolle zu prüfen, durfte er sich dabei nicht auf den Vergleich der Faxnummern im Sendebericht und im Schriftsatz beschränken. Denn die Ausgangskontrolle muss sich auch darauf erstrecken , dass die Übermittlung an den richtigen Empfänger erfolgt ist (Senatsbeschluss vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f.). Der Vergleich dieser beiden Faxnummern ist aber nur geeignet, einen Fehler bei der Eingabe der Nummer in das Faxgerät aufzudecken, nicht aber sicherzustellen, dass die im Schriftsatz angegebene Faxnummer zutreffend ermittelt wurde. Insoweit kommt es - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - auch nicht darauf an, wie hoch die Verwechslungsgefahr bei dem zur Ermittlung herangezogenen Verzeichnis war, und welche Vorkehrungen gegebenenfalls zu treffen sind, wenn die Ermittlung der Empfängernummer dem Büropersonal überlassen wird.
13
Denn die Ausgangskontrolle setzt, wie bereits dem Begriff Kontrolle zu entnehmen ist, eine nochmalige, selbständige Prüfung voraus (vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. März 2004 - IX ZR 20/03 - BGHReport 2004, 978 f.). Die bloße, auf Nachfrage des Anwalts abgegebene Versicherung der Angestellten, die zutreffende Empfängernummer ermittelt und in den Schriftsatz eingesetzt zu haben, vermag die anschließende Überprüfung dieses Vorgangs nicht zu ersetzen. Hierzu hätte es zumindest der weiteren Versicherung der Angestellten bedurft , die von ihr in den Schriftsatz eingesetzte Faxnummer anschließend noch einmal mit dem verwendeten Verzeichnis abgeglichen zu haben.
14
Aber selbst wenn der Auffassung der Rechtsbeschwerde zu folgen wäre, dass eine nochmalige Überprüfung anhand des zur "Erstermittlung" benutzten Verzeichnisses nur dann unabdingbar sei, wenn das Risiko eines Versehens bei der Ermittlung besonders hoch ist, ergäbe sich hier nichts anderes. In seinem Beschluss vom 22. Juni 2004 (- VI ZB 14/04 - NJW 2004, 3491 f.), auf den sich die Rechtsbeschwerde insoweit beruft, hat der Bundesgerichtshof als Beispiel für ein besonders hohes Verwechslungsrisiko den Fall genannt, dass die Empfängernummer im Einzelfall aus elektronischen Dateien herausgesucht wird und an einem und demselben Ort mehrere Empfänger in Betracht kommen. Das war auch hier der Fall (Internetseite der Deutschen Telekom mit der Auflistung der Justizbehörden in Freiburg; darunter Amts-, Land- und Oberlandesgericht

).

15
Im Übrigen betraf diese Entscheidung einen Fall, in dem die abgelesene Faxnummer offenbar unmittelbar handschriftlich in einen bereits ausgedruckten Schriftsatz eingefügt wurde. Im vorliegenden Fall hat die Büroangestellte L. die am Bildschirm (falsch) abgelesene Faxnummer hingegen zunächst "notiert", d.h. handschriftlich festgehalten und sodann in den am Computer vorgefertigten Schriftsatz eingesetzt. Das mit dieser zweifachen Übertragung verbundene höhere Risiko eines Übertragungsfehlers hat sich im vorliegenden Fall zwar nicht verwirklicht, gehört aber ebenfalls zu den Umständen, die nach der zitierten Entscheidung Anlass zur nochmaligen Überprüfung geben.
16
c) Bestand hingegen eine allgemeine Anweisung, durch die die Ausgangskontrolle einer geschulten Fachkraft übertragen war, lässt das Wiedereinsetzungsgesuch sowohl eine Darstellung dieser Anweisung als auch Angaben dazu vermissen, wer für die Streichung der Frist im Fristenkalender zuständig war. Zudem hat Rechtsanwalt W. dadurch, dass er selbst den Sendebericht kontrollierte, in die Büroorganisation eingegriffen und - mangels einer klaren Anweisung auch für diesen Fall - eine Situation geschaffen, in der für seine Angestellten ungewiss war, ob sie damit ihrer gegebenenfalls bestehenden eige- nen Prüfungspflichten im vorliegenden Einzelfall enthoben waren oder nicht. Auch darin ist ein Organisationsverschulden zu sehen, da nicht vorgetragen ist, dass für einen solchen Fall eindeutige Anweisungen bestanden. Es ist nicht auszuschließen, dass die Angestellte L. oder gegebenenfalls eine andere, mit der Führung des Fristenbuchs betraute Angestellte den erforderlichen nochmaligen Abgleich des Sendeberichts mit dem bei der Erstermittlung der Faxnummer verwendeten Verzeichnis oder einem anderen Verzeichnis vorgenommen hätten, wenn Rechtsanwalt W. nicht den Eindruck vermittelt hätte, diese Ausgangskontrolle selbst zu übernehmen.
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina

Vorinstanzen:
LG Konstanz, Entscheidung vom 26.08.2004 - 2 O 230/04 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 16.12.2004 - 19 U 184/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 109/06
vom
4. April 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Ausgangskontrolle, wenn die richtig adressierte Berufungsschrift durch
Telefax an ein unzuständiges Gericht gesendet wird, und zur Pflicht dieses
Gerichts, die Berufungsschrift im ordentlichen Geschäftsgang weiterzuleiten.
BGH, Beschluss vom 4. April 2007 - III ZB 109/06 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. April 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Dörr und
Dr. Herrmann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg, 4. Zivilsenat, vom 26. Oktober 2006 - 4 U 1632/06 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aus einem Wert von 15.645,53 € zu tragen.

Gründe:


I.


1
Die auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 15.645,53 € nebst Zinsen gerichtete Klage wurde durch Urteil des Landgerichts vom 30. Mai 2006, das dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 8. Juni 2006 zugestellt wurde, abgewiesen. Ihre an das Oberlandesgericht adressierte Berufung ging in ihrer Urschrift dort am 11. Juli 2006 ein. Die Berufungsschrift war zuvor bereits am 10. Juli 2006 um 9.55 Uhr auf dem Telefaxgerät der Geschäftsstelle einer Zivilkammer des Landgerichts empfangen und, da sie an das im selben Gebäude residierende Oberlandesgericht gerichtet war, an das Berufungsgericht weitergeleitet worden, wo sie ebenfalls am 11. Juli 2006 einging.

2
Nach gerichtlichen Hinweisen haben sich die Kläger auf den Standpunkt gestellt, es sei nicht ersichtlich, weshalb der ordnungsgemäß adressierte Schriftsatz nicht innerhalb der Geschäftszeit unverzüglich an die Einlaufstelle des Berufungsgerichts weitergeleitet worden sei. Ihren hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag haben sie damit begründet, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungseinlegungsfrist und die ordnungsgemäße Adressierung selbst kontrolliert und seiner zuverlässigen Bürovorsteherin die ausdrückliche Weisung erteilt, die Rechtsmittelschrift vorab per Telefax, sodann per Post zu übermitteln und den Sendebericht zu kontrollieren. Dieser habe einen "OKVermerk" aufgewiesen. Eine mögliche Verwechslung der Faxnummer durch die Bürovorsteherin könne ihnen nicht als Verschulden zugerechnet werden.
3
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger als unzulässig verworfen und ihnen die Erteilung der Wiedereinsetzung versagt.

II.


4
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden.
5
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Berufungsschrift nicht innerhalb der am 10. Juli 2006 abgelaufenen Frist beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Das zieht auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel. Der Umstand, dass Landgericht und Oberlandesgericht in demselben Gebäude residieren, ändert nichts daran, dass die an ein Telefaxgerät der Geschäftsstelle einer Zivilkammer des Landgerichts gesendete Berufungsschrift erst am folgenden Tag in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Oberlandesgerichts gelangte.
6
2. Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Klägern die Erteilung von Wiedereinsetzung versagt hat.
7
a) Grundsätzlich ist ein Rechtsanwalt befugt, einfachere Verrichtungen zur selbständigen Erledigung auf sein geschultes und zuverlässiges Büropersonal zu übertragen. Das gilt auch für die Übermittlung einer Berufungsschrift mittels eines Telefaxes (BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1993 - VII ZB 22/93 - NJW 1994, 329; BVerfG NJW 1996, 309).
8
b) Allerdings muss der Rechtsanwalt durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 1996 - XI ZB 20/96 - NJW 1997, 948; vom 11. März 2004 - IX ZR 20/03 - BGH-Report 2004, 978, 979; vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - NJW-RR 2005, 1373; vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - NJW 2006, 2412, 2413 Rn. 7; vom 26. September 2006 - VIII ZB 101/05 - NJW 2007, 996, 997 Rn. 8; vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - juris Rn. 8). Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrol- le in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird, um Fehler bei der Eingabe, der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2006 aaO Rn. 12; vom 26. September 2006 aaO Rn. 8).
9
c) Dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger diesen Maßstäben an eine entsprechende Organisation der Ausgangskontrolle nachgekommen wäre, ist dem gestellten Wiedereinsetzungsantrag nicht zu entnehmen. Dort ist lediglich glaubhaft gemacht, dass die Bürovorsteherin angewiesen wurde, die Rechtsmittelschrift per Telefax zu übermitteln und im Hinblick auf den bevorstehenden Fristablauf den Sendebericht zu kontrollieren. Welche Vorkehrungen im Büro des Prozessbevollmächtigten bestanden, um Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer aufdecken zu können, ist nicht dargelegt worden.
10
d) Die Kläger können sich nicht darauf berufen, dass eine solche Kontrolle im Hinblick auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 24. Juni 2004 (VII ZB 35/03 - NJW 2004, 2830, 2831) entbehrlich wäre. Auch diese Entscheidung geht von der grundsätzlichen Notwendigkeit einer Kontrolle aus (vgl. auch BGH, Beschluss vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - NJW-RR 2005, 1373), behandelt aber zusätzlich den Gesichtspunkt, dass sich ein Rechtsanwalt in der Regel auf ein seit Jahren bewährtes EDV-Programm in der jeweils neuesten Fassung verlassen darf und er nicht gehalten ist, eine Abgleichung der Faxnummer mit den Angaben in Anschreiben des Gerichts oder im Telefonbuch vorzunehmen, weil dies dem Einsatz des EDV-Programms die Rationalisierungswirkung nehmen würde. Dass die Bürovorsteherin die verwendete Faxnummer einer vergleichbar sicheren Quelle entnommen hätte, die ein Verschulden in der Ausgangskontrolle ausschlösse oder gestatten würde, die Sorgfaltsanforderungen an die Ausgangskontrolle zu verringern (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - juris Rn.11), ist jedoch weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
11
3. Wiedereinsetzung ist den Klägern auch nicht deshalb zu erteilen, weil die Versäumung der Frist auf einem Verschulden des Gerichts beruhen würde.
12
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf ein Rechtssuchender darauf vertrauen, dass das mit der Sache befasst gewesene Gericht den bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird. Geht der Schriftsatz dabei so zeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei auch darauf vertrauen, dass er noch fristgerecht beim Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, so ist der Partei Wiedereinsetzung unabhängig davon zu gewähren, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruht (vgl. BVerfGE 93, 99, 115 f; BVerfG NJW 2005, 2137, 2138). Der Bundesgerichtshof ist dieser Rechtsprechung gefolgt (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Juli 2000 - III ZB 28/00 - NJW-RR 2000, 1730, 1731; Beschlüsse vom 28. Januar 2003 - VI ZB 29/02 - juris Rn. 8; vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - NJW-RR 2005, 1373; vom 3. Juli 2006 - II ZB 24/05 - NJW 2006, 3499 Rn. 5).
13
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Geschäftsstelle des Landgerichts, in der das Telefax empfangen wurde, die Berufungsschrift in das allgemeine Auslauffach gelegt. Dieses wird von den Wachtmeistern dreimal täglich, nämlich zwischen 7.00 Uhr und 7.30 Uhr, zwischen 9.00 Uhr und 9.30 Uhr sowie zwischen 13.00 Uhr und 13.30 Uhr, geleert. Das um 9.55 Uhr eingegangene Telefaxschreiben wurde von den Wachtmeistern beim letzten Gang entnommen und gelangte in die Wachtmeisterei, wo es in ein für das Oberlandesgericht bestimmtes Fach eingelegt wurde. Von dort wurde es bei dem nächsten Dienstgang, der am folgenden Tag stattfand, dem Oberlandesgericht zugeleitet.
14
Dieser normale Geschäftsgang, der nicht darauf eingerichtet sein muss, fehlgeleitete Schriftstücke frühzeitig zu entdecken und gesondert zu befördern, ist nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass der Berufungsschriftsatz nicht mit einem augenfälligen Hinweis auf eine besondere Eilbedürftigkeit versehen war. Nur bei einer inhaltlichen Durchsicht der Berufungsschrift wäre daher aufgefallen, dass im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Urteils am 8. Juni 2006 die Berufungsfrist am 10. Juli 2006, einem Montag, ablief. Zu einer solchen inhaltlichen Überprüfung war die Geschäftsstelle der Zivilkammer des unzuständigen Landgerichts nicht verpflichtet. Umso weniger bestand eine Pflicht, die Kläger innerhalb der Rechts- mittelfrist telefonisch oder per Telefax auf die fehlerhafte Einlegung des Rechtsmittels hinzuweisen (vgl. BVerfG NJW 2001, 1343).
Schlick Streck Kapsa
Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 30.05.2006 - 1 O 2044/05 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 26.10.2006 - 4 U 1632/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 34/07
vom
14. Mai 2008
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender
Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach
einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob
die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Dabei
ist ein Vergleich der Anzahl der zu übermittelnden Seiten mit den laut Sendeprotokoll
versandten Seiten besonders nachdrücklich anzuordnen, wenn die
Vorgaben eines in der Anwaltskanzlei verwendeten Qualitätshandbuchs in diesem
Punkt lückenhaft sind (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 18. Juli
2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722 ff.).
BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07 - OLG Köln
AG Aachen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2008 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Sprick, die Richterinnen
Weber-Monecke und Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Februar 2007 wird auf Kosten der Klägerin verworfen. Beschwerdewert: 4.524 €.

Gründe:

I.

1
Durch das am 3. Januar 2007 zugestellte Urteil hat das Amtsgericht die Abänderungsklage der Klägerin teilweise abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin mit am 8. Februar 2007 bei dem Oberlandesgericht - im Original - eingegangenem Schriftsatz vom 5. Februar 2007 (Montag) Berufung eingelegt. Bereits am 5. Februar 2007 waren die erste Seite der zweiseitigen Berufungsschrift sowie das sechs Seiten umfassende erstinstanzliche Urteil per Telefax beim Berufungsgericht eingegangen. Die bei der Faxübermittlung fehlende Seite 2 der Berufungsschrift enthält neben der Angabe der gegnerischen Prozessbevollmächtigten erster Instanz die Mitteilung, dass und gegen welches Urteil Berufung eingelegt werden soll, sowie die Unterschrift des Prozessbevollmächtig- ten der Klägerin. Die mit "Berufungsschrift" überschriebene Seite 1 nennt demgegenüber die Parteien und die Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
2
Auf telefonischen gerichtlichen Hinweis vom 7. Februar 2007, dass die Seite 2 der Berufungsschrift fehle, hat die Klägerin am selben Tag erneut Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat sie ausgeführt:
3
Die unterbliebene Übermittlung der zweiten Seite der Berufungsschrift per Telefax sei auf ein Versäumnis der Rechtsanwaltsfachangestellten M. zurückzuführen , die den Auftrag gehabt habe, die Berufungsschrift zusammen mit dem angefochtenen Urteil per Telefax an das Berufungsgericht zu senden. Zu den Aufgaben von Frau M. gehöre die Notierung von Fristen und deren Überwachung. Die Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten sei nach ISO 9001 zertifiziert , was es mit sich bringe, dass nahezu sämtliche Arbeitsvorgänge, insbesondere die der Rechtsanwaltsfachangestellten, in einem Qualitätshandbuch verzeichnet seien. Die Einhaltung der so vorgegebenen Vorgänge werde regelmäßig überprüft. Frau M. sei mit dem Inhalt des Qualitätshandbuchs gut vertraut. Sie sei angewiesen, den Zugang der Fristpost durch Telefax besonders zu überprüfen. Diese Überprüfung sei durch den Ausdruck eines Sendeberichts erfolgt, den Frau M. auf die Richtigkeit des Adressaten sowie der Fax-Nummer und selbstverständlich auch auf die Anzahl der übermittelten Seiten habe überprüfen müssen. Sie habe an dem betreffenden Tag erstmals versäumt, die Vollständigkeit einer Faxübermittlung zu kontrollieren. Nach Beendigung des Sendevorgangs habe Frau M. den Sendebericht sowie den Fristenzettel mit dem Vermerk "SB (Sendebericht) in Akte, Frist streichen?" dem Prozessbevollmächtigten vorgelegt, damit dieser die Frist streichen könne. Der Anwalt habe den Sendebericht in Bezug auf die korrekte Faxnummer sowie den Erfolg der Über- tragung kontrolliert, allerdings ebenfalls versäumt, die Anzahl der versendeten Seiten zu überprüfen.
4
Dieser Vortrag ist von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin anwaltlich und von M. an Eides statt versichert worden. Außerdem ist neben einer Kopie des Fristenzettels ein Auszug aus dem Qualitätshandbuch vorgelegt worden.
5
Das Oberlandesgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

6
Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil der von der Rechtsbeschwerde allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht vorliegt (§ 574 Abs. 2 ZPO).
7
1. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen , weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhe. Dabei könne offen bleiben, ob das Versehen der Rechtsanwaltsfachangestellten M. auf einem Büroorganisationsverschulden des Anwalts beruhe. Denn dieser hätte bei der der Absendung per Telefax folgenden eigenen Kontrolle des Sendeberichts jedenfalls noch rechtzeitig erkennen können, dass eine Seite, bei der es sich um einen Teil der Berufungsschrift habe handeln können, nicht übermittelt worden sei. Übernehme der Anwalt die Ausgangskontrolle im konkreten Fall mit, komme er der damit verbundenen Verpflichtung nur nach, wenn er sich selbst davon überzeuge, dass alle abzusendenden Seiten des Schriftsatzes ordnungsgemäß gesendet worden seien.
8
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
9
2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die am 5. Februar 2007 abgelaufene Berufungsfrist nicht gewahrt ist. Zwar könnte sich die Erklärung der Berufungseinlegung (§ 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) möglicherweise aus der Überschrift der ersten Seite des Schriftsatzes vom 5. Februar 2007 (Berufungsschrift ) entnehmen lassen; die angefochtene Entscheidung (§ 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) könnte aus dem beigefügten erstinstanzlichen Urteil zu ersehen sein. In jedem Fall mangelt es dem per Telefax am letzten Tag der Berufungsschrift eingegangenen Schriftsatz aber an der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten. Diese war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil sich nicht aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür ergab, dass der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen und diesen willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 120/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
10
3. Der Klägerin ist die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt worden, weil nach ihrem Vortrag ein ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden nicht ausgeräumt ist.
11
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermitt- lung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722, 1723; vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f. und vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - FamRZ 2006, 1104, 1105 f.).
12
Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Fehlt es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, muss sich die Einzelanweisung, einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden, in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die Kanzleiangestellte ist dann zusätzlich anzuweisen , die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen (Senatsbeschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722, 1723).
13
b) Eine diesen Anforderungen genügende Ausgangskontrolle im Büro des Klägervertreters ist nicht dargetan worden.
14
aa) Dass durch allgemeine Kanzleianweisungen vorgeschrieben ist, bei der Übermittlung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift per Telefax nicht nur die Versendung an den richtigen Empfänger zu prüfen, sondern auch die Vollständigkeit der Übermittlung einer Kontrolle zu unterziehen, ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht. Danach sind zwar nahezu sämtliche Arbeitsvorgänge, insbesondere die der Rechtsanwaltsfachangestellten , in einem Qualitätshandbuch niedergeschrieben; die Einhaltung der so vorgegebenen Vorgänge wird auch regelmäßig überprüft. Der in Kopie vorgelegte Auszug aus dem Qualitätshandbuch sieht für die Ausgangskontrolle der Fristpost durch Telefax allerdings nur vor, dass die Fachsekretärin einen Sendebe- richt ausdrucken lässt und diesen auf die Richtigkeit des Adressaten und der Faxnummer überprüft. Der weitere Vortrag, Frau M. sei angewiesen, die Übermittlung der Fristpost durch Fax besonders zu überprüfen, lässt nicht erkennen, welche konkreten, allgemeingültigen Vorgaben insofern gemacht worden sind, insbesondere dass und in welcher Weise diese über die Anweisungen des Qualitätshandbuchs hinausgehen. Solche waren hinsichtlich der Überprüfung der Übermittlung auf Vollständigkeit in besonderer Weise erforderlich, weil die Vorgaben des Qualitätshandbuchs in diesem Punkt lückenhaft waren, andererseits die Fachangestellten mit diesen Vorgaben aber gut vertraut gewesen sein sollen. Gerade unter diesen Umständen hätte ausdrücklich darauf hingewiesen werden müssen, dass die Vorgaben des Qualitätshandbuchs nicht ausreichen, sondern in jedem Fall zusätzlich die Vollständigkeit des Übermittlungsvorgangs zu überprüfen ist. Soweit ausgeführt wird, die besondere Überprüfung sei durch den Ausdruck eines Sendeberichts erfolgt, diesen habe Frau M. auf die Richtigkeit des Adressaten sowie der Faxnummer und selbstverständlich auch auf die Anzahl der übermittelten Seiten überprüfen müssen, wird hieraus, ebenso wenig wie aus dem weiteren Vorbringen, erkennbar, dass diesen Anforderungen eine allgemeine Kanzleianweisung zugrunde lag. Das Vorbringen lässt sich ebenso dahin verstehen, dass es sich auf die stillschweigend erwartete Behandlung der konkreten Sache bezieht.
15
bb) Eine den genannten Anforderungen genügende konkrete Einzelanweisung ist ebenfalls nicht dargetan. Es ist nämlich nicht im Einzelnen vorgetragen , dass Frau M. im vorliegenden Fall der Auftrag erteilt worden sei, die Berufungsschrift nebst dem angefochtenen Urteil per Telefax an das Oberlandesgericht zu übermitteln, anschließend einen Sendebericht ausdrucken zu lassen und diesen sodann auch auf die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen.
16
c) Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob den Klägervertreter auch deshalb ein Verschulden an der Fristversäumung trifft, weil die einzelnen Schritte der Fristenkontrolle in seiner Kanzlei nicht eindeutig zugewiesen waren. Nach dem Vortrag zum Wiedereinsetzungsantrag ist nämlich davon auszugehen, dass der Anwalt selbst die Streichung einer Frist verfügt und es hier bei der zu diesem Zweck erfolgten Vorlage des Fristenzettels versehentlich unterlassen hat, die Vollständigkeit der Übermittlung zu kontrollieren. Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass sowohl der Anwalt selbst als auch Frau M. für die Fristenkontrolle zuständig waren. Die dadurch bedingte Überschneidung von Kompetenzen eröffnet aber Fehlerquellen, weil die Gefahr besteht, dass sich im Einzelfall einer auf den anderen verlässt (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 1992 - XII ZB 55/92 - FamRZ 1993, 45). Ob auch insofern ein für die Fristversäumnis ursächliches Organisationsverschulden vorliegt, kann aber dahinstehen. Hahne Weber-Monecke Sprick Vézina Dose
Vorinstanzen:
AG Aachen, Entscheidung vom 21.12.2006 - 23 F 89/06 -
OLG Köln, Entscheidung vom 20.02.2007 - 10 UF 15/07 -

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 42/05
vom
10. Mai 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde gegen einen die Wiedereinsetzung
gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagenden Beschluss
setzt keine gleichzeitige Anfechtung des früheren, die Berufung wegen
Versäumung dieser Frist verwerfenden Beschlusses voraus.

b) Das Berufungsgericht verstößt gegen seine richterliche Hinweispflicht aus
§ 139 Abs. 1 ZPO, wenn es davon ausgeht, dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten
des Beschwerdeführers keine Vorfristen notiert werden
, ohne dem Beschwerdeführer, der hierzu nicht vorgetragen hatte, weil es
nach seinem Vorbringen darauf nicht ankam, Gelegenheit zur Stellungnahme
zu geben.
BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 42/05 - LG Mönchengladbach
AG Viersen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2006 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die
Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 4. Januar 2005 aufgehoben. 2. Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Viersen vom 12. August 2004 gewährt. Beschwerdewert: 7.319 €

Gründe:


I.

1
Die Beklagte hat gegen das ihr am 23. August 2004 zugestellte Urteil des Amtsgerichts am 21. September 2004 Berufung eingelegt.
2
Das Berufungsgericht hat auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 23. November 2004 verlängert. Durch Beschluss vom 29. November 2004 hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der Frist begründet worden sei.
3
Am 8. Dezember 2004 hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und die Berufung begründet.
4
Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Beschluss vom 4. Januar 2005 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Ihrer Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin nicht auch den zuvor ergangenen, die Berufung verwerfenden Beschluss des Landgerichts angefochten hat. Denn mit der Stattgabe der Wiedereinsetzung wird der Beschluss über die Verwerfung der Berufung ohne weiteres gegenstandslos (BGHZ 98, 325, 328; BGH Beschlüsse vom 12. Juli 1967 - V ZR 78/65 - NJW 1968, 107, vom 7. Oktober 1981 - IVb ZB 825/81 - NJW 1982, 887; missverständlich insoweit: Zöller/Greger ZPO 25. Aufl. § 238 Rdn. 7 und HK ZPO Saenger § 238 Rdn. 8). Die Rechtsbeschwerde ist auch gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig. Dieser Zulassungsgrund liegt u.a. vor, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, namentlich des Anspruchs auf rechtliches Gehör, beruht (BGHZ 151, 221, 226 f.). Einen solchen Verstoß rügt die Rechtsbeschwerde mit Erfolg.
6
Das Berufungsgericht hat dadurch, dass es - ohne der Beklagten zuvor einen Hinweis zu erteilen - unterstellt hat, in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten würden keine Vorfristen bei der Eintragung von Berufungsbegründungsfristen notiert, gegen seine richterliche Hinweispflicht aus § 139 Abs. 1 ZPO verstoßen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hatte zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs ausgeführt, die Berufungsbegründungsfrist sei im Fristenkalender von der sonst zuverlässigen Kanzleikraft K. entgegen seiner ausdrücklichen Anweisung nicht auf den 23. November 2004, sondern den 25. November 2004 notiert worden. Die Akte sei ihm, wie bei roten Fristsachen üblich, einen Tag vor Fristablauf zur Erledigung vorgelegt worden. Dabei habe er festgestellt, dass die Frist bereits am 23. November 2004 abgelaufen sei.
7
Dazu, ob in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten Vorfristen notiert werden, hat sich die Beklagte nicht geäußert. Das war nach ihrem Vortrag im Wiedereinsetzungsgesuch auch nicht erforderlich. Denn danach kam es auf die Eintragung einer Vorfrist nicht an, weil auch bei deren Eintragung und einer Vorlage der Akten zum Zeitpunkt der Vorfrist ihr Prozessbevollmächtigter die versehentliche fehlerhafte Eintragung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender nicht erkennen und damit diesen Fehler nicht beheben konnte.
8
Das Berufungsgericht hätte deshalb, wenn es dennoch der Ansicht war, die Eintragung einer Vorfrist hätte zu einer Entdeckung des Fehlers führen können , die Beklagte auf diese Ansicht hinweisen müssen, um ihr Gelegenheit zu geben, hierzu vorzutragen.

III.

9
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der Beklagten ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Denn sie hat diese Frist weder aus eigenem noch aus ihr zuzurechnendem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) versäumt.
10
1. Die Beklagte hat mit der Rechtsbeschwerde dargelegt, was sie nach Erteilung des gebotenen Hinweises gegenüber dem Berufungsgericht vorgetragen hätte. Sie hat diesen Vortrag durch Vorlage von Kopien des Fristenkalenders und der Handakte sowie durch eidesstattliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht. Diese ergänzenden Angaben sind zu berücksichtigen. Zwar müssen nach §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO alle Tatsachen , die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist vorgetragen werden. Jedoch dürfen erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, noch nach Fristablauf erläutert und vervollständigt werden (st. Rspr. BGH Beschluss vom 4. März 2004 - IX ZB 71/03 - FamRZ 2004, 1552 m.w.N.).
11
Nach dem Vortrag der Beklagten war in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - sichergestellt, dass außer der Rechtsmittelbegründungsfrist regelmäßig auch eine Vorfrist notiert wird. Diese war auch im vorliegenden Fall eingetragen und die Akten sind dem Prozessbevollmächtigten am Tag der Vorfrist vorgelegt worden. Dieser hat die Berufungsbegründungsfrist erneut berechnet und überprüft, ob der Erledigungsvermerk über die Eintragung der Frist im Fristenkalender in den Handakten angebracht war. Der Erledigungsvermerk, wonach die Frist auf den 23. No- vember 2004 notiert worden war, befand sich in der Handakte. Da der Fall noch mit der Mandantschaft besprochen werden musste und nicht kompliziert erschien , fertigte der Prozessbevollmächtigte die Berufungsbegründung nicht sofort an, sondern ließ sich die Akte einen Tag vor Fristablauf erneut vorlegen. Die Akte wurde ihm - ausgehend von der falsch im Fristenkalender notierten Frist - am 24. November 2004, somit nach Ablauf der Frist, erneut vorgelegt. Danach kann dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten kein Organisationsverschulden angelastet werden.
12
2. Dem Prozessbevollmächtigten gereicht es auch nicht zum Verschulden , dass er die Berufungsbegründung nicht unverzüglich nach Vorlage zur Vorfrist gefertigt hat. Hierzu war er nicht verpflichtet. Vielmehr durfte er im Hinblick darauf, dass die Sache nicht kompliziert war, die in der Kanzlei übliche Wiedervorlage am Tag vor Fristablauf verfügen.
13
3. Über die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens - zu denen auch die Kosten des für den Beklagten erfolgreichen Beschwerdeverfahrens gehören - ist erst in der Endentscheidung über die Hauptsache zu erkennen (vgl.
Zöller/Greger, aaO § 238 Rdn. 11 m.w.N.; BGH Beschluss vom 24. Juli 2000 - II ZB 20/99 - NJW 2000, 3284, 3286).
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina

Vorinstanzen:
AG Viersen, Entscheidung vom 12.08.2004 - 33 C 75/03 -
LG Mönchengladbach, Entscheidung vom 04.01.2005 - 2 S 167/04 -

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 69/08
vom
24. November 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Überwachung des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist, wenn ein Verlängerungsantrag
gestellt wird.
BGH, Beschluss vom 24. November 2009 - VI ZB 69/08 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. November 2009 durch
den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin
Diederichsen und den Richter Stöhr

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 29. August 2008 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: 86.669,71 €

Gründe:

I.

1
Der Beklagte hat gegen das ihm am 31. März 2008 zugestellte Urteil des Landgerichts am 29. April 2008 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist lief am 2. Juni 2008 (Montag) ab. Die Berufungsbegründung ist beim Berufungsgericht am 11. Juni 2008 eingegangen. Mit Schreiben vom 27. Juni 2008 hat das Berufungsgericht auf die Unzulässigkeit der Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO wegen Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen. Daraufhin hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 4. Juli 2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er hat geltend gemacht, sein Prozessbevollmächtigter habe am 26. Mai 2008 einen Fristverlängerungsantrag zur Post gegeben, der verloren gegangen sein müsse. Nach Postversendung des Fristverlängerungsantrages und Abheften einer Fotokopie davon in der Handakte habe die Kanzleiangestellte M. die Frist bis 2. Juni 2008 im Terminkalender gestrichen und als neue Frist für die Berufungsbegründung den 13. Juni 2008 notiert.
2
Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich nicht.
4
1. Das Berufungsgericht hat die Versagung der Wiedereinsetzung wie folgt begründet: Aus dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag ergebe sich ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten dahin gehend, dass die gerichtliche Fristverlängerung nicht kontrolliert werde. Dazu habe er ausgeführt, er habe angesichts der Begründung des Antrags darauf vertrauen dürfen, dass die Fristverlängerung antragsgemäß bewilligt werde. Allerdings sei er grundsätzlich gehalten, zunächst das hypothetische Ende der Fristverlängerung einzutragen und nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung zu überprüfen. Eine gerichtliche Mitteilung sei offenbar nicht erwartet worden, eine entsprechende Kontrolle sei deshalb nicht erfolgt. Durch die Formulierung des letzten Absatzes des Fristverlängerungsantrages werde auf eine gerichtliche Mitteilung verzichtet. Die erforderliche Kontrolle könne unter diesen Umständen nicht er- folgen. Wäre im Büro des Prozessbevollmächtigten die Anweisung erteilt wor- den, die hypothetische Frist nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung zu kontrollieren , so wäre noch während der bis zum 2. Juni 2008 laufenden Berufungsbegründungsfrist festgestellt worden, dass der Verlängerungsantrag bei Gericht nicht angekommen sei.
5
2. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil ein dem Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten vorliegt.
6
a) Dabei kann davon ausgegangen werden, dass der Fristverlängerungsantrag wie vorgetragen zur Post gegeben wurde, dann aber verloren ging. Insoweit weist die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hin, dass dem Prozessbevollmächtigten einer Partei der Verlust eines fristwahrenden Schriftsatzes auf dem Postweg nicht anzulasten sei, dass er auf die Einhaltung der normalen Postlaufzeiten vertrauen dürfe und dass er grundsätzlich nicht verpflichtet sei, sich bei Gericht nach dem Eingang eines Schriftsatzes telefonisch zu erkundi- gen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2007 - VI ZB 65/06 - VersR 2008, 234, 235, m.w.N.). Ferner ist davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte mit einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch das Gericht rechnen durfte. Denn ein Rechtsanwalt darf regelmäßig erwarten, dass einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprochen wird, wenn er einen erheblichen Grund - hier: ständiger Auslandsaufenthalt des Beklagten sowie Auslandsaufenthalte und Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten wegen vorrangiger Fristsachen - vorträgt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 13. Dezember 2005 - VI ZB 52/05 - VersR 2006, 568; vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06 - Juris Rn. 6; vom 16. Oktober 2007 - VI ZB 65/06 - aaO).
7
b) Es ist aber weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten durch eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle in seiner Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass nach einem Fristverlängerungsantrag die Frist nicht versäumt wird.
8
aa) Bei Zustellung des Urteils sind die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender einzutragen. Wird die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt, darf sie nicht in der Weise vorgemerkt werden, dass schon mit der Antragstellung der Endpunkt der Frist im Kalender eingetragen wird, als ob sie bereits zu diesem Zeitpunkt bewilligt worden sei. Es handelt sich nämlich zunächst um eine hypothetische Frist, da der Vorsitzende die Frist auch auf einen kürzeren Zeitraum als beantragt bewilligen kann. Der Eintrag des endgültigen Fristablaufs ist deshalb erst dann zulässig, wenn die Verlängerung tatsächlich gewährt worden ist. In jedem Fall ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass vor dem Ablauf der Frist, deren Verlängerung beantragt worden ist, das wirkliche Ende der Frist - gegebenenfalls durch Rückfrage bei Gericht - festgestellt wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06 - Juris Rn. 7; vom 16. Oktober 2007 - VI ZB 65/06 - aaO; BGH, Beschluss vom 26. Juni 2006 - II ZB 26/05 - VersR 2007, 713, jeweils m.w.N.). Das gilt auch, wenn die Fristverlängerung bereits einige Tage vor Fristablauf beantragt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99 - NJW-RR 1999, 1663).
9
bb) Weder die Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs noch die Rechtsbeschwerde enthalten Vortrag dazu, dass im Büro des Prozessbevollmächtigten des Beklagten die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen vorgesehen waren. Dieser durfte auf die Gewährung der beantragten Fristverlängerung nicht so lange vertrauen, wie er keine anders lautende Nachricht vom Gericht erhielt. Er hätte sich vielmehr rechtzeitig über das wirkliche Ende der Frist, gegebenenfalls durch Rückfrage bei Gericht, Gewissheit verschaffen müssen, nachdem keine entsprechende Verfügung zugegangen war (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06 - Juris Rn. 8; vom 16. Oktober 2007 - VI ZB 65/06 - aaO).
10
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war dieses Versäumnis kausal für die Fristversäumung. Da die Kanzleiangestellte M. die Frist bis 2. Juni 2008 im Terminkalender gestrichen und als neue Frist für die Berufungsbegründung den 13. Juni 2008 notiert hatte, wurde die Akte dem Prozessbevollmächtigten nicht mehr im Hinblick auf die möglicherweise bereits am 2. Juni 2008 ablaufende Frist vorgelegt. Wäre diese Frist nicht gelöscht, son- dern lediglich bei ihr der Verlängerungsantrag vermerkt worden, hätte eine solche Vorlage erfolgen müssen. Es hätte sich dann herausgestellt, dass auf den bereits am 26. Mai 2008 abgesandten Fristverlängerungsantrag noch keine Reaktion des Gerichts vorlag. Eine Nachfrage bei Gericht hätte sodann ergeben , dass der Antrag dort nicht eingegangen war, so dass noch am 2. Juni 2008 entweder ein erneuter Verlängerungsantrag hätte gestellt oder aber die Berufungsbegründung hätte eingereicht werden können.
11
Unter diesen Umständen ist es im Ergebnis unerheblich, ob das Berufungsgericht dem letzten Absatz des Fristverlängerungsantrags eine unrichtige Bedeutung beigemessen hat. Dort heißt es: "Sollte ich keine anders lautende Nachricht erhalten, gehe ich davon aus, dass die beantragte Fristverlängerung gewährt wird". Die Rechtsbeschwerde führt aus, diese Formulierung enthalte keinen Verzicht auf die Mitteilung der bewilligten Verlängerung und damit auf die Feststellung der wirklichen Frist, sondern solle nur der Erwartung des Anwalts Ausdruck verleihen, dass sein erster, ordnungsgemäß begründeter Verlängerungsantrag nicht ohne "Vorwarnung" abgelehnt werde; als Verzicht auf die Mitteilung der Bewilligung der Verlängerung könne die Formu- lierung nicht aufgefasst werden, weil es dieser Mitteilung für den Anwalt bedürfe , um die Abgleichung der zunächst nur hypothetischen (beantragten) Frist mit der wirklichen (bewilligten) Frist zu ermöglichen. Dies ist im Ansatz zutreffend. Allerdings hat die Abgleichung mit dem Ziel der Einhaltung der tatsächlich laufenden Frist zu erfolgen, bei der es sich auch um die ursprüngliche Frist handeln kann, wenn eine Verlängerung - aus welchen Gründen auch immer - nicht erfolgt. Dies ist ersichtlich nur dann möglich, wenn die ursprüngliche Frist nicht bereits bei Absendung des Verlängerungsantrags gestrichen wird. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 29.04.2008 - 331 O 45/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 29.08.2008 - 10 U 28/08 -

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Durch Vereinbarung der Parteien können Fristen, mit Ausnahme der Notfristen, abgekürzt werden. Notfristen sind nur diejenigen Fristen, die in diesem Gesetz als solche bezeichnet sind.

(2) Auf Antrag können richterliche und gesetzliche Fristen abgekürzt oder verlängert werden, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind, gesetzliche Fristen jedoch nur in den besonders bestimmten Fällen.

(3) Im Falle der Verlängerung wird die neue Frist von dem Ablauf der vorigen Frist an berechnet, wenn nicht im einzelnen Fall ein anderes bestimmt ist.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 75/03
vom
15. Juni 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Es besteht keine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen
und vorher mit der Sache noch nicht befaßten Gerichts, durch Hinweise
oder geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers
zu verhindern.

b) Ein etwaiges Verschulden der Partei oder ihres Prozeßbevollmächtigten wirkt sich
nur dann nicht mehr aus, wenn die fristgerechte Weiterleitung an das zuständige
Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden
kann.
BGH, Beschluß vom 15. Juni 2004 - VI ZB 75/03 - OLG Rostock
AG Bad Doberan
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juni 2004 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 30. Oktober 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 2.969,38 €.

Gründe:

I.

Die Klägerin, eine in den Niederlanden ansässige Versicherungsgesellschaft , nahm den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch. Das vom Kläger angerufene Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das am 17. Februar 2003 zugestellte Urteil legte die Klägerin mit einem am 21. Februar 2003 eingegangenen Schriftsatz beim Landgericht Berufung ein. Am 25. Februar 2003 verfügte der Vorsitzende der Berufungskammer die Wiedervorlage auf den Eingang der Berufungsbegründungsschrift , spätestens auf den 18. April 2003. Die von der Berufungskammer angeforderten Akten gingen am 7. März 2003 beim Landgericht
ein. Nachdem die Klägerin die Berufung mit einem am 17. April 2003 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hatte, wurden die Akten nach Eingang des Originals der Berufungsbegründungsschrift dem Vorsitzenden am 22. April 2003 vorgelegt. Mit Beschluß vom 16. September 2003 hat die Berufungskammer die Sache auf den Einzelrichter übertragen, der eine mündliche Verhandlung auf den 9. Oktober 2003 anberaumt hat. Am Terminstag beantragte die Klägerin, nachdem ihr Prozeßbevollmächtigter am 8. Oktober 2003 auf die fehlende funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes hingewiesen worden war, die Abgabe des Verfahrens an das Oberlandesgericht und beantragte zugleich, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Berufungsfrist zu gewähren. Im Anschluß an die mündliche Verhandlung hat das Landgericht das Verfahren an das Oberlandesgericht abgegeben, wo die Akten am 18. Oktober 2003 eingegangen sind. Das Oberlandesgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß die Berufung als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen. Die an das Landgericht adressierte Berufungsschrift habe die Frist zur Einlegung der Berufung nicht gewahrt, weil sie beim funktionell unzuständigen Gericht eingegangen sei. In der von dem Amtsgericht verhandelten bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit sei wegen der Beteiligung einer Person, die im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ihren allgemeinen Gerichtsstand nicht im Geltungsbereich des GVG hatte, das Oberlandesgericht zuständig gewesen (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG). Die Berufung hätte deshalb beim Oberlandesgericht eingelegt werden müssen (§ 519 Abs. 1 ZPO).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, weil der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin die Versäumung verschuldet habe. Ihm hätte die Gesetzesänderung, die zur fraglichen Zeit bereits seit über einem Jahr in Kraft gewesen sei, bekannt sein müssen. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, daß das Landgericht ihre Berufung innerhalb der Berufungsfrist an das zuständige Oberlandesgericht hätte weiterleiten müssen. Denn allein aus der Berufungsschrift und dem ihr beigefügten angefochtenen Urteil habe die funktionelle Unzuständigkeit des angerufenen Landgerichts nicht zweifelsfrei entnommen werden können. Die Berufungsschrift habe den Geschäftssitz der Klägerin nämlich mit G. in Deutschland und nicht wie im Urteil mit A. in den Niederlanden bezeichnet. Ohne nähere Kenntnis des Akteninhaltes und der Berufungsbegründungsschrift habe eine Entscheidung darüber, wo der Geschäftssitz der Klägerin zur Zeit der Rechtshängigkeit gelegen sei, nicht getroffen werden können.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft und zur Fortbildung des Rechts zulässig, aber nicht begründet. 1. Die Rechtsbeschwerde wendet sich nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts , daß die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt worden sei. Sie meint jedoch, das Berufungsgericht habe den Umfang der Fürsorgepflicht des vom Rechtsmittelführer angerufenen unzuständigen Gerichts und damit die Tragweite des aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Anspruchs auf ein faires Verfahren verkannt und deswegen rechtsfehlerhaft keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Damit hat sie keinen
Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu Recht nicht gewährt, weil die Fristversäumung nicht unverschuldet ist (§ 233 ZPO). Die Beklagte muß sich das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO), welches darin liegt, daß er die Berufung bei einem unzuständigen Gericht eingelegt hat.
a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß ein unzuständiges Gericht jedenfalls dann, wenn es vorher selbst mit der Sache befaßt war, aufgrund der nachwirkenden Fürsorgepflicht gehalten ist, fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren im Zuge des ordentlichen Geschäftsgangs an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Geht der Schriftsatz so rechtzeitig ein, daß eine fristgerechte Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, wirkt sich ein Verschulden der Partei oder ihres Prozeßbevollmächtigten nicht mehr aus (vgl. BVerfG, BVerfGE 93, 99, 112 ff. und NJW 2001, 1343; BGH, Urteile vom 12. Oktober 1995 - VII ZR 8/95 - NJW-RR 1996, 443 und vom 1. Dezember 1997 - II ZR 85/97 - VersR 1998, 608, 609; Beschlüsse vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98 - VersR 1999, 1170, 1171; vom 27. Juli 2000 - III ZB 28/00 - NJW-RR 2000, 1730, 1731 und vom 26. Oktober 2000 - V ZB 32/00 - juris).
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht hingegen keine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen Gerichts, durch Hinweise oder geeignete Maßnahmen rechtzeitig eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern. So kann keine "vorbeugende Fürsorgepflicht" des lediglich für die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens in Notarverwaltungssachen zuständigen Bundesgerichtshofs statuiert werden, außerhalb normaler Geschäftsabläufe bei ihm eingehende Beschwerdeschriften an die für die Rechtsmitteleinlegung zuständigen Oberlan-
desgerichte weiterzuleiten (vgl. BGH, Beschluß vom 29. November 1999 - NotZ 10/99 - NJW 2000, 737 f.).
c) Auch nach Auffassung des Senats besteht keine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen und vorher mit der Sache noch nicht befaßten Gerichts, durch Hinweise oder geeignete Maßnahmen rechtzeitig eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf sich die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge von Verfassungs wegen geboten ist, nicht nur an dem Interesse der Rechtsuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren , sondern muß auch berücksichtigen, daß die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muß. Danach muß der Partei und ihrem Prozeßbevollmächtigten die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Verfahrenserklärungen nicht allgemein abgenommen und auf unzuständige Gerichte verlagert werden (vgl. BVerfGE 93, 99, 114; BVerfG NJW 2001, 1343). Deshalb nimmt das Bundesverfassungsgericht selbst dann, wenn der fristgebundene Schriftsatz bei dem "mit der Sache befaßt gewesenen Gericht" eingegangen ist, nur dann an, daß sich ein etwaiges Verschulden der Partei oder ihres Prozeßbevollmächtigten nicht mehr auswirke, wenn die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann. In diesem Fall tritt nämlich eine ins Gewicht fallende Belastung des Gerichts nicht ein. Nach diesen Grundsätzen ist die Abwägung des Berufungsgerichts, aufgrund derer es den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen hat, unter den Umständen des vorliegenden Falls nicht zu beanstanden. Das für die Einlegung der Berufung unzuständige Landgericht war vorher
mit dem Fall noch nicht befaßt. In der Berufungsschrift waren sowohl für die Klägerin als auch für den Beklagten Anschriften in Deutschland angegeben. Daher erschien grundsätzlich das Landgericht für die Berufung zuständig, so daß sich aus der Berufungsschrift keine Besonderheit für den Vorsitzenden ergab. Auch wenn sich aus dem Rubrum der der Berufungsschrift beigefügten Ablichtung des angefochtenen amtsgerichtlichen Urteils ergab, daß die Klägerin möglicherweise ihren Sitz in A. hatte, war die Unzuständigkeit des erstmals mit der Sache befaßten Landgerichts nicht "ohne weiteres" oder "leicht und einwandfrei" (so BVerfG NJW 2002, 3692, 3693) erkennbar. Im Gegensatz zu dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, der vor Einlegung der Berufung die Zuständigkeit des Berufungsgerichts prüfen mußte, war der Vorsitzende nicht gehalten, bereits zu diesem Zeitpunkt die funktionelle Zuständigkeit des Gerichts zu prüfen. Da die funktionelle Unzuständigkeit des Landgerichts nicht ohne weiteres zu erkennen war, entsprach es durchaus dem normalen Geschäftsablauf , daß die rechtliche Prüfung erst nach Eingang der Berufungsbegründung durch den die Angelegenheit bearbeitenden Richter vorgenommen wurde. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzte dieses dem normalen Geschäftsablauf entsprechende Verfahren nicht die Fürsorgepflicht des Gerichts.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Wellner Diederichsen
Stöhr Zoll