vorgehend
Landgericht Augsburg, 3 O 5122/07, 20.01.2009
Oberlandesgericht München, 27 U 131/09, 06.05.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 117/09
vom
11. November 2009
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 2009 durch
die Richter Dose, Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina und die Richter
Dr. Klinkhammer und Schilling

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 6. Mai 2009 wird auf Kosten der Klägerin verworfen. Beschwerdewert: 33.937 €

Gründe:


I.

1
Die Klägerin legte gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 29. Januar 2009 zugestellte Urteil des Landgerichts, mit dem ihre Klage abgewiesen worden war, am Montag, den 2. März 2009 Berufung ein. Mit Schriftsatz vom 30. März 2009, der am gleichen Tag per Fax bei dem Landgericht einging und von dort am 31. März 2009 dem Oberlandesgericht übermittelt wurde, begründete die Klägerin die Berufung. Als Empfänger wies der Begründungsschriftsatz das Oberlandesgericht aus, enthielt jedoch im Adressenfeld nicht dessen Telefaxnummer, sondern die des Landgerichts.
2
Nach Hinweis des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht vom 2. April 2009, dass die Berufungsbegründung nach Fristablauf beim Oberlan- desgericht eingegangen ist, hat die Klägerin gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Büromitarbeiterin ihrer Prozessbevollmächtigten habe versehentlich die Telefaxnummer des Landgerichts an Stelle der des Oberlandesgerichts auf die Berufungsbegründungsschrift geschrieben. Diese Verfahrensweise habe der im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten bestehenden Anweisung widersprochen, nach der die zur Fristwahrung benötigte Telefaxnummer des jeweiligen Gerichts entweder anhand des letzten, von dem erkennenden Gericht übermittelten Schriftstücks und ansonsten anhand des Gerichtsverzeichnisses zu ermitteln sei. Die Büromitarbeiterin habe vermutlich auf den Briefkopf des einzigen in der Berufungsakte befindlichen gerichtlichen Schriftstücks geschaut und nicht bemerkt, dass es sich nicht um die Eingangsmitteilung des Oberlandesgerichts gehandelt habe. Nach Versendung der Berufungsbegründung per Telefax habe die Büromitarbeiterin anhand des Sendeberichts die störungsfreie Übermittlung überprüft und die Empfängernummer mit der Telefaxnummer, die auf dem Schriftsatz angegeben gewesen sei, verglichen. Dabei habe sie es entgegen der auf einem Merkblatt niedergelegten ausdrücklichen Anweisung der klägerischen Prozessbevollmächtigten unterlassen, im Rahmen der Ausgangskontrolle erneut zu überprüfen, ob als Faxnummer diejenige benutzt worden sei, die von dem erkennenden Gericht in seinem letzten übermittelten Schriftstück angegeben worden sei oder ansonsten die im Gerichtsverzeichnis genannte Faxnummer.
3
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.

II.

4
Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Klägerin ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist entgegen der Ansicht der Klägerin zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung nicht erforderlich.
5
1. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Berufung verworfen, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhe. Ein Rechtsanwalt müsse durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass das von ihm beauftragte Personal die Empfängernummer, die im Telefaxverkehr die Funktion einer Adresse habe, richtig ermittle. Seine Anweisungen müssten im Hinblick auf die Bedeutung einer richtigen Adressierung eindeutig und unmissverständlich sein und die Gefahr einer falschen Adressenermittlung ausschließen. Dem würden die von den Klägervertretern im Merkblatt zur Fristenkontrolle enthaltenen Anweisungen nicht gerecht, soweit als Faxnummer vorrangig die von dem erkennenden Gericht in seinem letzten übermittelten Schriftstück angegebene maßgeblich sein solle; es fehle eine unmissverständliche Aufklärung darüber, welches Gericht im Falle einer Berufungseinlegung als das erkennende anzusehen sei. Unklar bleibe, ob es das Ausgangsgericht als das Gericht sei, das erkannt habe, oder das Berufungsgericht als das Gericht das künftig noch erkennen werde. Es fehle deshalb an einer eindeutigen Anweisung.
6
2. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde weicht die angegriffene Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab, nach der ein Rechtsanwalt, der unter Einschaltung seines Büropersonals fristgebun- dene Schriftsätze per Telefax einreicht, verpflichtet ist, durch organisatorische Vorkehrungen sicher zu stellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird und dass sodann bei der erforderlichen Ausgangskontrolle der Sendebericht auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird (Senatsbeschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZR 267/04 - NJW 2006, 2412, 2413; BGH Beschlüsse vom 26. September 2006 - VIII ZB 101/05 - NJW 2007, 996, 997; vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - NJW 2007, 1690, 1691; vom 11. März 2004 - IX ZR 20/03 - BGH-Report 2004, 978 und vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - NJW-RR 2005, 1373).
7
Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags dargelegten und glaubhaft gemachten Vorkehrungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin diesen Anforderungen nicht genügen.
8
Die Anweisung, als Telefaxnummer in erster Linie diejenige zu benutzen, die von dem erkennenden Gericht in seinem letzten übermittelten Schriftstück angegeben worden ist und erst falls ein solches Schriftstück nicht vorhanden ist, die im Gerichtsverzeichnis genannte Faxnummer zu verwenden, bietet keine ausreichende Gewähr dafür, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts, hier: des Oberlandesgerichts, verwendet wird. Der Anweisung lässt sich nicht hinreichend klar entnehmen, ob das „erkennende“ Gericht aus dessen letzten Schriftstück die Faxnummer entnommen werden soll, das Gericht ist, dessen Entscheidung angegriffen wird, oder das Gericht, das diese Entscheidung überprüfen soll. Die Unsicherheit darüber, welches Gericht gemeint ist, wird noch dadurch verstärkt, dass die Anweisung die eindeutige Bezeichnung "Empfängergericht" vermeidet und vielmehr auf das „erkennende Gericht“ abstellt.
9
Auch die Anweisungen der Bevollmächtigten der Klägerin zur Ausgangskontrolle von Schriftsätzen, die durch Telefax versandt werden, sind nicht geeignet , die fehlerhafte Ermittlung der Telefaxnummer zu korrigieren. Sie verweisen ebenfalls darauf, dass als Telefaxnummer zunächst diejenige maßgeblich ist, die von dem erkennenden Gericht in seinem letzten übermittelten Schriftstück angegeben wird.
10
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde weicht die angegriffene Entscheidung auch nicht von den Beschlüssen des Bundesgerichtshofs vom 22. Juni 2004 (- VI ZB 14/04 - NJW 2004, 3491, 3492) und vom 13. Februar 2007 (- VI ZB 70/06 - NJW 2007, 1690, 1691) ab. In den dortigen Fällen bestand die Anweisung, die Telefaxnummern aus einer ständig aktualisierten "Aktenvita" bzw. unmittelbar aus einem in den Akten befindlichen Schreiben des Berufungsgerichts zu entnehmen. Es bestand also kein Zweifel daran, dass die Telefaxnummer des Empfängergerichts maßgeblich war. Im vorliegenden Fall ist demgegenüber aufgrund der Anweisung gerade nicht hinreichend klar, ob die Telefaxnummer des Gerichts, dessen Entscheidung angegriffen wird oder des Gerichts, das diese überprüfen soll, die maßgebliche ist.
Dose Wagenitz Vézina Klinkhammer Schilling

Vorinstanzen:
LG Augsburg, Entscheidung vom 20.01.2009 - 3 O 5122/07 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 06.05.2009 - 27 U 131/09 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 101/05
vom
26. September 2006
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. September 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Wiechers und Dr. Frellesen sowie die
Richterinnen Hermanns und Dr. Hessel

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 17. Oktober 2005 aufgehoben. Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Beschwerdewert: 123.703,78 €.

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat durch Urteil vom 21. Juli 2005, das dem Kläger am 22. Juli 2005 zugestellt worden ist, die Klage abgewiesen. Eine Rechtsanwaltsfachangestellte im Büro des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat die an das Oberlandesgericht adressierte Berufungsschrift des Klägers vom 22. August 2005 am selben Tag per Telefax versandt, dabei jedoch irrtümlich die Telefaxnummer des Amtsgerichts Koblenz verwendet. Die vom Amtsgericht weitergeleitete Telekopie und das Original des Berufungsschriftsatzes sind am 23. August 2005 beim Oberlandesgericht Koblenz eingegangen. Dies ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29. August 2005 mitgeteilt worden.
Mit Schriftsatz vom 9. September 2005, der beim Oberlandesgericht am selben Tag eingegangen ist, hat der Kläger Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

2
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung ausgeführt:
3
Die Berufung sei als unzulässig zu verwerfen, weil die Berufungsschrift nicht innerhalb der Berufungsfrist beim Oberlandesgericht eingegangen sei. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei zurückzuweisen , weil die Berufungsfrist nicht ohne Verschulden seines Prozessbevollmächtigten versäumt worden sei. Es liege ein dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Organisationsverschulden des Rechtsanwalts vor, da dieser keine ausreichende Anweisung zur sicheren Übermittlung von Telefaxen an sein Büropersonal erteilt habe. Die jeweiligen Bürokräfte seien unter anderem befugt, die Telefaxnummern aus dem System "klickTel" herauszusuchen. Dieses System stelle erkennbar nicht so eindeutige Angaben her, dass eine normal geschulte Rechtsanwaltsfachangestellte in der Lage sei, damit fehlerfrei zu arbeiten. So weise der vorgelegte Ausdruck unter der Rubrik "Justizbehörden - Amtsgericht Landgericht Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht" eine Vielzahl von Telefaxnummern aus, ohne dass eine Zuordnung zu der gewünschten Dienststelle unproblematisch möglich wäre. Der vom Kläger vorgelegte Ausdruck aus dem Telefonverzeichnis der Deutschen Telekom "Das Örtliche", anhand dessen das Büropersonal die ermittelte Telefonnummer zu überprüfen habe, weise unter "Justizbehörden" gar keine Telefaxnummer des Oberlandesgerichts aus. Die Arbeitsanweisung, die benötigten Telefaxnummern - unter anderem - aus dem System "klickTel" herauszusuchen, sei daher fehlerhaft. Jedenfalls hätte die Arbeitsanweisung bei Verwendung derart unklarer Telefonverzeichnisse privater Anbieter dahin lauten müssen, dass eine Abgleichung anhand amtlicher Verzeichnisse zu erfolgen habe.
4
Zwar habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers glaubhaft gemacht, es gebe darüber hinaus die Anweisung, nach Durchführung des Sendevorgangs das Sendeprotokoll noch einmal sowohl anhand der Angaben in "klickTel" als auch des aktuellen Telefonbuchs der Telekom zu überprüfen. Aus dem vorgelegten Sendeprotokoll ergebe sich aber kein Hinweis darauf, dass es sich bei der gewählten Nummer um die Telefaxnummer des Oberlandesgerichts Koblenz gehandelt habe. Wenn die Bürokraft berechtigt gewesen sei, das unübersichtliche Verzeichnis "klickTel" zu verwenden, so hätte die Arbeitsanweisung bezüglich der Überprüfung des Sendevorgangs jedenfalls dahin lauten müssen, dass der Empfänger des Schriftsatzes hätte namentlich feststellbar sein müssen. Gegebenenfalls hätte daher eine fernmündliche Rückfrage bei dem Berufungsgericht erfolgen müssen.

III.

5
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Klägers hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist.
6
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Sie ist auch nach § 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Zwar hat der Kläger die gemäß § 517 ZPO am 22. August 2005 abgelaufene Berufungsfrist versäumt, weil seine Berufungsschrift erst am 23. August 2005 beim Berufungsgericht eingegangen ist. Dem Kläger ist jedoch auf seinen rechtzeitigen Antrag gemäß §§ 233 ff. ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beruht die Versäumung der Berufungsfrist nicht auf einem dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten. Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde , dass das Berufungsgericht im vorliegenden Fall die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Anwalts überspannt und das Vorbringen des Klägers zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags nicht hinreichend gewürdigt hat.
8
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsanwalt , der unter Einschaltung seines Büropersonals fristgebundene Schriftsätze per Telefax einreicht, verpflichtet, durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen , dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04, NJW-RR 2005, 1373, unter II 1; Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04, NJW 2006, 2412, unter II 2, jeweils m.w.Nachw.). Hierzu gehört bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel auch, dass ein Sendebericht ausgedruckt wird, der anhand des zuvor verwendeten oder eines anderen, ebenso zuverlässigen Verzeichnisses zu überprüfen ist, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bereits Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können (vgl. Beschluss vom 10. Mai 2006, aaO).
9
b) Diesen Anforderungen genügen die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags dargelegten und glaubhaft gemachten Vorkehrungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Durch sie war von Seiten des Rechtsanwalts in ausreichendem Maße sichergestellt, dass der Berufungsschriftsatz an die Telefaxnummer des Oberlandesgerichts Koblenz versendet werden würde. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers damit begründet, dass die Büroangestellten befugt seien, Telefaxnummern aus dem Verzeichnis "klickTel" herauszusuchen, obwohl dieses erkennbar nicht so eindeutige Angaben herstelle, dass eine normal geschulte Rechtsanwaltsfachangestellte in der Lage sei, damit fehlerfrei zu arbeiten.
10
Hierbei hat das Berufungsgericht zum einen nicht berücksichtigt, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, das von ihm dargelegte Verfahren - einschließlich der Verwendung des Telefonverzeichnisses "klickTel" - habe sich in den letzten Jahren beanstandungsfrei bewährt, wobei in seiner Kanzlei jährlich etwa 60.000 Gerichtsverfahren betrieben würden; dies steht der Annahme des Berufungsgerichts entgegen , das verwendete Telefonverzeichnis sei erkennbar nicht für eine fehlerfreie Benutzung durch das Büropersonal geeignet gewesen. Zum anderen bestand darüber hinaus die Anweisung, die im Verzeichnis "klickTel" ermittelte Empfängernummer anhand des Telefonverzeichnisses der Deutschen Telekom "Das Örtliche" zu überprüfen. Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, hätte das Berufungsgericht diese zusätzliche Vorkehrung nicht ohne vorherige Erteilung eines Hinweises (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO) mit der Begründung als unzureichend ansehen dürfen, der vom Kläger vorgelegte Ausdruck weise unter der Eintragung "Justizbehörden" keine Telefaxnummer des Oberlandesgerichts Koblenz aus. Dieser Auszug aus dem Telefonverzeichnis "Das Örtliche" war erkennbar unvollständig; dies ergibt sich aus der Übersichtszeile, in der es un- ter anderem heißt: "Treffer gesamt: 28; Seite 1 von 2 (Treffer 1…20)". Wie die Rechtsbeschwerde unter Vorlage eines vollständigen Ausdrucks aufzeigt, enthält auch das Telefonverzeichnis "Das Örtliche" eine Telefaxnummer des Oberlandesgerichts.
11
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war der Prozessbevollmächtigte des Klägers im vorliegenden Fall auch weder verpflichtet, das Büropersonal zu einer Abgleichung der Empfängernummer anhand "amtlicher" Verzeichnisse anzuhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 1997 - IV ZB 14/96, NJW-RR 1997, 952; Beschluss vom 24. Juni 2004 - VII ZB 35/03, NJW 2004, 2830; Beschluss vom 10. Mai 2006, aaO), noch bedurfte es zur Überprüfung des Sendevorgangs einer Anweisung dahin, dass der Empfänger des Schriftsatzes hätte namentlich feststellbar sein und anderenfalls eine fernmündliche Rückfrage bei dem Berufungsgericht hätte erfolgen müssen. Vielmehr waren die organisatorischen Vorkehrungen ausreichend, um Fehler bei der Ermittlung der Empfängernummer aufzudecken. Dass die Berufungsschrift im konkreten Fall gleichwohl an ein unzuständiges Gericht versandt worden ist, beruht nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags auf einem Versehen der Büroangestellten, das für den Pro- zessbevollmächtigten des Klägers nicht vorhersehbar war und dem Kläger nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.
Ball Wiechers Dr. Frellesen Hermanns Dr. Hessel
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 21.07.2005 - 1 O 373/02 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 17.10.2005 - 10 U 1248/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 70/06
vom
13. Februar 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
Wird die Telefaxnummer aus dem konkreten Aktenvorgang handschriftlich auf den zu
versendenden Schriftsatz übertragen, genügt es zur Überprüfung auf mögliche Eingabefehler
, die gewählte Empfängernummer mit der übertragenen Nummer abzugleichen
(Anschluss an BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - VersR
2005, 573).
BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - LG Kassel
AG Korbach
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Februar 2007 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 14. September 2006 aufgehoben. Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 3.579,04 €

Gründe:

I.

1
Mit Urteil des Amtsgerichts K. vom 23. Mai 2006 ist der Beklagte verurteilt worden, an die Klägerin 3.579,04 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Urteil ist seinem Prozessbevollmächtigten am 6. Juni 2006 zugestellt worden. Am 3. Juli 2006 hat der Beklagte Berufung zum Landgericht K. eingelegt. Mit Schriftsatz vom Montag, den 7. August 2006, hat der Beklagte die Berufung begründet. Der Schriftsatz trägt im Kopf auf S. 1 die Telefax-Nummer des Amtsgerichts K., die jedoch als Telefax-Nummer des Landgerichts K. bezeichnet ist. Dieser Schriftsatz ist vorab per Fax am 7. August 2006 um 17.03 Uhr beim Amtsgericht K. eingegangen. Dieses hat ihn am 11. August 2006 an das Landgericht weitergeleitet , nachdem bis zu diesem Zeitpunkt kein Eingang des Originalschreibens beim Amtsgericht bekannt wurde. Das Original des Schriftsatzes ist am 9. August 2006 beim Landgericht eingegangen. Mit Verfügung vom selben Tag wies der Vorsitzende des Berufungsgerichts den Beklagten darauf hin, dass die Begründung der Berufung nicht innerhalb der bis 7. August 2006 laufenden Frist, sondern erst am 9. August 2006 beim Berufungsgericht eingegangen sei und deshalb beabsichtigt sei, die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen. Mit Schriftsatz vom 18. August 2006, beim Berufungsgericht eingegangen am 21. August 2006 hat der Beklagte beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Der bearbeitende Rechtsanwalt habe die Begründung mit der ausdrücklichen Verfügung diktiert, eine Übersendung solle vorab per Telefax zur Fristwahrung erfolgen. Hierauf habe die erfahrene und zuverlässige Mitarbeiterin H. über dem Anschriftenfeld des Landgerichts K. den Aufdruck "per Telefax" und die folgende Telefax-Nummer angebracht. Dabei sei es zu der fehlerhaften Auswahl der Telefax-Nummer gekommen. H. habe sich bei der Ermittlung der Teilnehmernummer auf die in der Akte befindliche gerichtliche Korrespondenz verlassen; sie gehe davon aus, dass sie ein Schreiben des Amtsgerichts K. aufgeschlagen habe, was ihr aber entgangen sei.
2
Auf weitere Verfügung des Vorsitzenden vom 21. August 2006 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 6. September 2006 dargelegt, nach den Organisationsvorgaben seines Büros im Zusammenhang mit der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze mittels Telefax sei auf dem zu versendenden Schriftsatz über der Empfängeranschrift der Zusatz "per Telefax" und dann die jeweilige Teilnehmernummer aufzunehmen. Die Büromitarbeiterin, die den Schriftsatz angefertigt habe, sei auch für die Übersendung per Telefax zuständig gewesen. Nach Versendung habe die Mitarbeiterin anhand des Sendeberichts zu kontrollieren gehabt, ob die Empfängernummer mit der auf dem Schriftsatz übereinstimme. Weiter sei zu kontrollieren gewesen, ob auf dem Sendebericht für die ordnungsgemäße Übermittlung ein "ok" angegeben sei und ob die Seitenzahl mit der des Schriftsatzes übereinstimme. Bei fristwahrenden Schriftsätzen erfolge die Versendung per Fax durch Auszubildende immer unter Aufsicht der zuständigen Mitarbeiterin. Das Telefax und der Sendebericht würden zur Akte genommen. Nach Beendigung des Vorgangs lasse die Mitarbeiterin durch die Auszubildenden nochmals den Sendebericht überprüfen und kontrolliere abschließend erneut alle Schritte. Anschließend werde der Schriftsatz im Original mit den notwendigen Abschriften auf den Postweg gebracht. Erst dann melde sich die Mitarbeiterin beim bearbeitenden Rechtsanwalt um mitzuteilen, dass der Schriftsatz per Fax versandt und das Original auf dem Postwege sei. Auf die Frage der Mitarbeiterin, ob die Frist im Fristenkalender gestrichen werden könne, erkundige sich der Anwalt, ob durch Kontrolle des Sendeberichts sichergestellt sei, dass eine ordnungsgemäße Versendung des Faxschreibens erfolgt sei. Erst nach Bestätigung erfolge die anwaltliche Anordnung , die Frist zu streichen.
3
Das Berufungsgericht hat den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung wegen verspäteter Begründung verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte des Beklagten habe den Bürokräften die Ermittlung der Telefax-Nummer und die Versendung des fristgebundenen Schriftsatzes durch Telefax übertragen, ohne nähere Vorgaben zur Überprüfung der zu verwendenden Fax-Nummer im erforderlichen Umfang zu geben. Zwar sei dem Anwalt nicht vorzuwerfen, dass er den mit einer falschen Telefax-Nummer versehenen Schriftsatz vor der Versendung unterzeichnet habe. Er habe jedoch dafür Sorge tragen müsse, dass die per Telefax übermittelten Schriftsätze auch auf die Verwendung einer zutreffenden Empfänger-Nummer überprüft werden. Eine solche Überprüfung sei nicht glaubhaft gemacht.
4
Dieser Beschluss des Berufungsgerichts vom 14. September 2006 ist dem Beklagten am 20. September 2006 zugestellt worden. Am 16. Oktober 2006 hat der Beklagte Rechtsbeschwerde eingelegt und sogleich begründet.

II.

5
1. Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO) geboten. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip - Art. 20 Abs. 3 GG). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflicht ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie nicht rechnen musste (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Februar 2006 - VI ZB 44/05 - VersR 2006, 860, 861; BVerfGE 79, 372, 376 f.; BVerfG NJW-RR 2002, 1004).
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2. Allerdings geht das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler davon aus, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen ist, wenn den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ein Verschulden an der Versäu- mung der Frist trifft (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO). Soweit es jedoch eine schuldhaft unzulängliche Organisation des Prozessbevollmächtigten bei der Ausgangskontrolle der Berufungsbegründung bejaht, überspannt es die an die Sorgfaltspflichten des Anwalts zu stellenden Anforderungen.
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a) Im Ausgangspunkt ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, dass der Anwalt die Telefax-Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes im Rahmen einer nötigen Sicherheit gewährleistenden Büroorganisation einer ausreichend ausgebildeten, zuverlässigen und - wenn nötig - hinreichend überwachten Anwaltsgehilfin überlassen darf und die von dieser verwendete FaxNummer auch dann, wenn sie vor der Unterzeichnung des Schriftsatzes in diesen eingefügt wurde, nicht selbst auf ihre Richtigkeit überprüfen muss.
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b) Es entspricht ferner der st. Rspr. des Bundesgerichtshofs, dass ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet ist, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet. Dazu muss bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft werden (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - VersR 2005, 573; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - BGH-Report 2006, 1121; BAGE 79, 379, 382 - jeweils m.w.N.).
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Das Berufungsgericht überspannt die hier dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten obliegende Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Organisation einer Ausgangskontrolle, wenn es eine Überprüfung der Übermittlung auf Eingabefehler für nicht ausreichend hält und auch im hier zu entscheidenden Fall eine Überprüfung der richtigen Ermittlung der Telefax-Nummer verlangt.
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Zwar ist dem Berufungsgericht zuzugeben, dass eine Überprüfung hinsichtlich der Telefax-Nummer, die sich nach Einsetzen der Nummer auf dem zu übermittelnden Schriftsatz darauf beschränkt, dass die auf dem Schriftsatz eingesetzte Nummer mit der zur Versendung angegebenen Nummer übereinstimmt , einen Fehler beim Einsetzen der Nummer auf dem Schriftsatz nicht aufzeigen kann. Ein bei der Ermittlung der Telefax-Nummer aufgetretener Fehler kann sich in der Folge fortsetzen, wenn nicht anhand anderer Verzeichnisse gesondert überprüft wird, ob es sich bei der verwendeten Telefax-Nummer um diejenige des zuständigen Berufungsgerichts handelt. Aus diesem Grund ist nach st. Rspr. des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass sich die im Rahmen der Ausgangskontrolle gebotene Überprüfung des Sendeberichts bei einer Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax jedenfalls dann auch darauf zu erstrecken hat, ob die zutreffende Fax-Nummer des Empfangsgerichts angewählt wurde (zuletzt BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - aaO), wenn die Fax-Nummer des Berufungsgerichts von einer Büroangestellten aus einem amtlichen Verzeichnis selbständig zu ermitteln war.
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Der hier zu entscheidende Fall ist jedoch anders gelagert. Die zur Übermittlung verwendete Fax-Nummer war unmittelbar aus einem Schreiben des Berufungsgerichts in der Akte zu entnehmen und in dem zu versendenden Schriftsatz einzufügen. In einem solchen Fall ist das besonders hohe Verwechslungsrisiko , das bei der Auswahl aus elektronischen oder buchmäßig erfassten Dateien besteht, erheblich verringert. Das gestattet es, die Sorgfaltsanforderungen an die Ausgangskontrolle zu verringern und eine Überprüfung der verwendeten Fax-Nummer auf Übereinstimmung mit der aus der Akte entnommenen , im Schriftsatz festgehaltenen Telefax-Nummer zu beschränken. In solchen Fällen reicht es deshalb aus, mögliche Eingabefehler zu korrigieren, indem die gewählte Empfänger-Nummer mit der zuvor in den Schriftsatz einge- fügten Nummer abgeglichen wird (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - aaO).
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3. Der Beklagte hat durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung H. vom 16. August 2006 glaubhaft gemacht, dass in der Akte Schreiben des Berufungsgerichts vorhanden waren. Dass infolge eines Versehens die Fachangestellte die Telefax-Nummer des Amtsgerichts anstelle der des Landgerichts aus einem Schriftstück in der Akte ausgewählt und in den Schriftsatz eingefügt hat, gereicht dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht zum Verschulden.
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4. Nach allem ist dem Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Sache ist an das Berufungsgericht zur Entscheidung über die Berufung zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
AG Korbach, Entscheidung vom 23.05.2006 - 3 C 365/04 (70) -
LG Kassel, Entscheidung vom 14.09.2006 - 1 S 268/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 9/04
vom
6. Juni 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Rechtsanwalt hat im Rahmen seiner Büroorganisation dafür Vorsorge zu
treffen, daß seine Angestellten die Faxnummer eines Gerichts einem zuverlässigen
Verzeichnis entnehmen und nicht aus dem Gedächtnis abrufen. Dies gilt
auch, wenn ein "Rechtsanwaltsprogramm" mit automatischer Einfügung der
Faxnummer verwendet wird, diese aber von den Mitarbeitern "von Hand" gelöscht
werden kann.
BGH, Beschluß vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - OLG Frankfurt/Main
LG Frankfurt/Main
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. Juni 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Münke, Prof. Dr. Gehrlein und Caliebe

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 1. März 2004 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 130.105,99 €

Gründe:


I. Die Widerklage der Beklagten ist durch Schlußurteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28. Februar 2003 abgewiesen worden. Gegen das ihr am 28. April 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 28. Mai 2003 Berufung eingelegt. Der am 28. Mai 2003 um 13.52 Uhr per Telefax an das Landgericht Frankfurt am Main übermittelte Schriftsatz ist von dort an das - als Empfänger bezeichnete - Oberlandesgericht Frankfurt am Main weitergeleitet worden, wo er am 30. Mai 2003 eingegangen ist. Die vom Senatsvorsitzenden am 27. Januar 2004 über Zulässigkeitsbedenken unterrichtete Beklagte hat am 10. Februar 2004 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gestellt.
Zur Begründung ihres Gesuchs hat die Beklagte ausgeführt: Ihr Bevollmächtigter verwende ein "Rechtsanwaltsprogramm", das bei Eingabe eines be-
stimmten Gerichts automatisch dessen Anschrift nebst Telefaxanschluß zwecks Einfügung im Adreßfeld eines Schriftsatzes aufrufe. Im Falle einer Übermittlung durch Post oder Boten werde von dem Büropersonal ihres Bevollmächtigten vor Ausdruck eines Schriftsatzes die Telefaxnummer manuell gelöscht. Offenbar habe die seit drei Jahren stets fehlerfrei arbeitende Rechtsanwalts- und Notargehilfin T. die Telefaxnummer des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in der Annahme entfernt, der Schriftsatz werde von einer Mitarbeiterin zu Gericht gebracht. Da sich die Mitarbeiterin bereits vor Fertigstellung der Berufungsschrift zu Gericht begeben habe und daher nachträglich eine Faxübermittlung notwendig geworden sei, habe die Angestellte T. offenbar den Schriftsatz vor dessen Ausdruck mit der ihr wohl bekannten Telefaxnummer des Landgerichts Frankfurt am Main als dem - wie sie geglaubt habe - Zentralfax der örtlichen Justizbehörden vervollständigt.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt.
II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO). Sie ist aber unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wirft entgegen der Auffassung der Beklagten keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) auf, sondern steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
1. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Rechtsanwalt, der fristgebundene Schriftsätze per Telefax einreicht, verpflichtet, durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, daß die das angeschriebene Gericht betreffende Telefaxnummer verwendet wird (BGH, Beschl. v. 24. April 2002 - AnwZ 7/01, BRAK-Mitt. 2002, 171; BGH, Beschl. v. 11. März 2004 - IX ZR 20/03, BGHReport 2004, 978; BGH, Beschl. v. 1. März 2005 - VI ZB 65/04 z.V.b.). Diesen Anforderungen hat der Bevollmächtigte der Beklagten nicht genügt.

a) Zur Vermeidung von Verwechslungen ist dem Büropersonal die Anweisung zu erteilen, bei der Versendung von Schriftsätzen mittels Telefax die Auswahl der richtigen Empfängernummer zu überprüfen (BGH, Beschl. v. 24. April 2002 aaO; BGH, Beschl. v. 3. November 1998 - VI ZB 29/96, NJW 1999, 583 f.; BGH, Beschl. v. 3. Dezember 1996 - XI ZB 20/96, NJW 1997, 948; ebenso BAG 79, 379, 382; BAG, Urt. v. 25. Januar 2001 - 8 AZR 525/00, NJW 2001, 1594 f.). In Einklang hiermit hat der Senat wiederholt eine gezielte Kontrolle und gegebenenfalls Korrektur der Telefaxnummer durch das Büropersonal gefordert (Beschl. v. 7. Mai 2001 - II ZB 16/00, BGHReport 2001, 809 f.; Beschl. v. 20. Dezember 1999 - II ZB 7/99, NJW 2000, 1043; Beschl. v. 10. Januar 2000 - II ZB 14/99, NJW 2000, 1043 f.).

b) In der Kanzlei des Beklagtenvertreters fehlte es an einer konkreten Anweisung, die Faxnummer eines Gerichts in Fällen, in denen nicht mit dem "Rechtsanwaltsprogramm" gearbeitet oder dessen Vorgabe von Hand geändert wurde, einem zuverlässigen Verzeichnis zu entnehmen und nach Ausführung des Übermittlungsvorgangs einen Abgleich der gewählten mit der in dem Verzeichnis enthaltenen Nummer vorzunehmen. Sofern die Faxnummer eines Gerichts nicht zusammen mit der Adresse aus dem "Rechtsanwaltsprogramm" abgerufen worden war, bestand, wie der vorliegende Fall belegt, keine Gewißheit,
daß sich das Büropersonal bei der Suche der Faxnummer - statt sie aus dem Gedächtnis aufzurufen - einer geeigneten Aufstellung bediente. Dieses Organisationsverschulden ihres Prozeßbevollmächtigten hat die Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zu vertreten.
2. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Sache nicht im Blick auf die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage zu, ob die Gerichte ihre Organisation so einzurichten haben, daß bei einem unzuständigen Gericht eingegangene Schriftsätze unverzüglich als solche erkannt und auch unverzüglich an das zuständige Gericht weitergeleitet werden.

a) Geht ein fristgebundener Schriftsatz nicht bei dem Berufungsgericht, sondern dem zuvor zuständigen erstinstanzlichen Gericht ein, so ist dieses Gericht verpflichtet, den Schriftsatz im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Erreicht der Schriftsatz das früher mit der Sache befaßte Gericht so frühzeitig, daß die fristgerechte Weiterleitung an das Berufungsgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, so ist der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren , wenn der Schriftsatz nicht rechtzeitig bei dem Rechtsmittelgericht eintrifft (BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschl. v. 3. Januar 2001 - 1 BvR 2147/00, NJW 2001, 1343; BGH, Beschl. v. 15. Juni 2004 - VI ZB 75/03, BGHReport 2004, 1515; BGH, Beschl. v. 18. September 2003 - IX ZB 604/02, NJW 2004, 516; BGH, Beschl. v. 22. Oktober 1986 - VIII ZB 40/86, NJW 1987, 440 f.). Der Wiedereinsetzung begehrende Antragsteller hat darzulegen und glaubhaft zu machen, daß sein Schriftsatz im normalen ordnungsgemäßen Geschäftsgang fristgemäß an das zuständige Berufungsgericht weitergeleitet werden konnte (BGH, Beschl. v. 22. Oktober 1986 aaO).

b) Dieser Darlegungslast hat die Beklagte nicht genügt. Sie kann sich nicht mit der Behauptung begnügen, wegen des um 13.52 Uhr erfolgten Eingangs des Schriftstücks bei dem Landgericht hätte ein Zeitraum von zwei bis drei Stunden bestanden, um die Berufungsschrift an das im gleichen Gebäude gelegene Oberlandesgericht weiterzuleiten. Vielmehr bedurfte es der Darlegung , daß eine solche Weiterleitung im gewöhnlichen Geschäftsgang, dessen Ablauf die Beklagte nicht ansatzweise konkretisiert hat, zu erwarten war. Da sich die Justizbediensteten mit Rücksicht auf ihre sonstige Belastung nicht vorrangig der Aufdeckung und Heilung von Anwaltsversäumnissen widmen können , gebietet die Bearbeitung im ordentlichen Geschäftsgang keine außerordentlichen Maßnahmen, die - wie eine telefonische Benachrichtigung des Bevollmächtigten oder die Weiterleitung seines Schriftsatzes per Sonderboten bzw. Fax - den rechtzeitigen Eingang bei dem Rechtsmittelgericht sicherstellen (BVerfG aaO; Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl. § 233 Rdn. 22 b; Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 63. Aufl. § 233 Rdn. 24 "Unzuständigkeit"

).


Goette Kurzwelly Münke
Gehrlein Caliebe