Bundesgerichtshof Beschluss, 31. März 2015 - X ZR 79/13

bei uns veröffentlicht am31.03.2015
vorgehend
Landgericht Köln, 14 O 245/11, 23.02.2012
Oberlandesgericht Köln, 5 U 46/12, 12.06.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X Z R 7 9 / 1 3
vom
31. März 2015
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. März 2015 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning,
Dr. Grabinski, Dr. Bacher und die Richterin Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Die Anhörungsrüge gegen das Urteil vom 28. Oktober 2014 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Mit Urteil vom 28. Oktober 2014 (NJW 2015, 687) hat der Senat die Revision des Klägers gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln zurückgewiesen und auf die Revision der Beklagten das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt. Mit seiner Anhörungsrüge macht der Kläger geltend, die Entscheidung des Senats verletze seinen Anspruch auf rechtliches Gehör.
2
II. Die fristgerecht erhobene Anhörungsrüge ist unbegründet.
3
1. Die Gerichte sind verpflichtet, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der verfassungsrechtlich gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) soll sicherstellen, dass die von den Gerichten zu treffenden Entscheidungen frei von materiell-rechtlichen oder Verfahrensfehlern ergehen, welche ihren Grund darin haben, dass der Vortrag der Parteien nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt worden ist (BVerfGE 60, 250, 252; 69, 141, 142 f.; 86, 133, 145 f.; BGH, Be- schluss vom 27. Juni 2007 - X ZB 6/05, BGHZ 173, 47 Rn. 30; Beschluss vom 15. April 2010 - Xa ZB 10/09, GRUR 2010, 950 Rn. 11). Damit ist jedoch kein Anspruch darauf verbunden, dass jedes Argument ausdrücklich beschieden wird. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen in Erwägung gezogen hat, auch wenn es die von einer Partei daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen nicht teilt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2011 - I ZB 68/10, GRUR 2012, 314 Rn. 14). Geht das Gericht allerdings auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht ein, lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfGE 86, 133, 146; BGHZ 173, 47 Rn. 31).
4
2. Der Senat hat kein Vorbringen übergangen, das nach seiner rechtlichen Beurteilung für die Revisionsentscheidung erheblich war oder sein konnte.
5
a) Der Kläger macht geltend, der Senat habe die gegenüber der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB vorrangige Frage übergangen, ob die von der Beklagten gestellten Bedingungen in der weiten Auslegung des Berufungsgerichts als überraschende Klauseln zu qualifizieren seien, die nach § 305c Abs. 1 BGB schon nicht Vertragsbestandteil geworden seien. Damit ist eine Gehörsverletzung nicht dargelegt.
6
Der Senat ist in dem angefochtenen Urteil zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger den in Abschnitt 2.4.8 Satz 1 der Teilnahmebedingungen der Beklagten normierten Missbrauchstatbestand erfüllt hat, weil er einen Flug für einen Dritten gebucht hat, zu dem keine persönliche Beziehung bestand (Rn. 31). Bei dieser Ausgangslage ist es unerheblich, ob der Kläger das Prä- mienticket dem Begünstigten unmittelbar oder über seinen Vater hat zukommen lassen. Der Senat hatte deshalb keinen Anlass zu prüfen, ob Abschnitt 2.4.8 Satz 1 der Teilnahmebedingungen auch eine "mittelbare" Weitergabe von Prämiendokumenten erfasst. Selbst wenn diese Frage zu bejahen und eine Bestimmung dieses Inhalts als überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB anzusehen wäre, führte dies nicht zur Unwirksamkeit des in den Teilnahmebedingungen vorgesehenen Verbots einer unmittelbaren Weitergabe.
7
b) Der Kläger meint ferner, der Senat hätte die Klauseln auch deshalb als überraschend im Sinne des § 305c BGB qualifizieren müssen, weil die Beklagte sich selbst nicht an die von ihr aufgestellte Bedingung halte, wonach Meilen nicht übertragbar seien. Damit ist eine Gehörsverletzung ebenfalls nicht dargetan.
8
Der in der Revisionsbegründung angeführte und vom Kläger in der Revisionsverhandlung hervorgehobene Umstand, dass die Beklagte Partnerunternehmen die Möglichkeit bietet, "Meilen" bei ihr gegen Entgelt zu erwerben und als Verkaufsanreize einsetzen, ist für die Beurteilung des Streitfalls unerheblich. Insbesondere ist die Beklagte nicht deshalb gehindert, ihr Leistungsversprechen gegenüber Kunden in der im Streitfall zu beurteilenden Weise auszugestalten , weil sie es Dritten gestattet, ein solches Leistungsversprechen mit eigenen Umsatzgeschäften zu verbinden.
9
c) Der Kläger rügt ferner, der Senat habe seinen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen, wonach "Meilen" nicht nur in Form von Flugprämien eingelöst werden könnten. Diese Rüge ist ebenfalls unbegründet.
10
Im Streitfall hat die Beklagte ihre Kündigung darauf gestützt, dass der Kläger ein Prämienticket für eine ihm nicht persönlich verbundene Person gebucht habe. Der Senat hatte deshalb die Frage zu klären, ob die Beklagte ihr Leistungsversprechen für den Fall der Inanspruchnahme einer Flugprämie in der gegebenen Weise ausgestalten darf. Für die Beurteilung dieser Frage ist unerheblich, ob die Beklagte ihren Kunden auch andere Prämien anbietet.
Meier-Beck Gröning Grabinski Bacher Kober-Dehm
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 23.02.2012 - 14 O 245/11 -
OLG Köln, Entscheidung vom 12.06.2013 - 5 U 46/12 -

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 305c Überraschende und mehrdeutige Klauseln


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Tenor Die Anhörungsrüge gegen das Senatsurteil vom 6. Oktober 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Gründe 1

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

30
Der Rechtsbeschwerdegrund des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG trägt der Bedeutung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) für ein rechtsstaatliches Verfahren Rechnung, in dem jeder Verfahrensbeteiligte seine Rechte wirksam wahrnehmen kann. Dies setzt voraus, dass das Gericht das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und auf seine sachlich-rechtliche und verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit prüft und ferner keine Erkenntnisse verwertet, zu denen die Verfahrensbeteiligten sich nicht äußern konnten (Sen.Beschl. v. 11.6.2002 - X ZB 27/01, GRUR 2002, 957 - Zahnstruktur, m.w.N.).
14
Das Bundespatentgericht hat auch diesen Vortrag zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Es hat nur jegliche Ähnlichkeit zwischen "Schuhwaren", für die die Widersprechende allein eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht hat, und den Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke verneint. Dies bedurfte im Hinblick auf die Dienstleistungen der Klassen 35 und 39, für die die angegriffene Marke Schutz beansprucht, keiner näheren Begründung in dem angefochtenen Beschluss.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.