Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2017 - X ZR 66/14

bei uns veröffentlicht am12.04.2017
vorgehend
Bundespatentgericht, 4 Ni 18/12, 30.06.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 66/14
vom
12. April 2017
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2017:120417BXZR66.14.0
Dr. Bacher und Dr. Grabinski, die Richterin Schuster, den Richter Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Die Anhörungsrüge gegen das Urteil vom 27. Oktober 2016 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

ECLI:DE:BGH:2017:120417BXZR66.14.0

Gründe:


1
I. Mit Urteil vom 27. Oktober 2016 hat der Senat die Berufung der Klägerin gegen die erstinstanzliche Abweisung der Klage zurückgewiesen. Mit ihrer Anhörungsrüge macht die Klägerin geltend, die Entscheidung verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen zur Auslegung des Streitpatents und zur erfinderischen Tätigkeit.
2
II. Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet.
3
1. Die Gerichte sind verpflichtet, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der verfassungsrechtlich gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) soll sicherstellen, dass die von den Gerichten zu treffenden Entscheidungen frei von materiell-rechtlichen Fehlern oder Verfahrensfehlern ergehen, welche ihren Grund darin haben, dass der Vortrag der Parteien nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt worden ist (BVerfGE 60, 250, 252; BVerfGE 69, 141, 142 f.; BVerfGE 86, 133, 145 f.; BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - X ZB 6/05, BGHZ 173, 47 Rn. 30 - Informationsübermittlungsverfahren II; Beschluss vom 15. April 2010 - Xa ZB 10/09, GRUR 2010, 950 Rn. 11 - Walzenformgebungsmaschine ; Beschluss vom 31. März 2015 - X ZR 79/13, juris). Damit ist jedoch kein Anspruch darauf verbunden, dass jedes Vorbringen ausdrücklich beschieden wird. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen in Erwägung gezogen hat, auch wenn es die von einer Partei daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen nicht teilt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2011 - I ZB 68/10, GRUR 2012, 314 Rn. 15 - Medicus.log). Geht das Gericht allerdings auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht ein, lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfGE 86, 133, 146; BGHZ 173, 47 Rn. 31 - Informationsübermittlungsverfahren II).
4
2. Nach diesen Grundsätzen hat der Senat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
5
a) Die Klägerin rügt, der Senat habe ihr durch ein Privatgutachten gestütztes Vorbringen übergangen, wonach die Biegeumformung von Blech seit der Bronzezeit bekannt sei und auch heute ein Standardverfahren in der Konstruktion von Blechbauteilen darstelle, nicht zur Kenntnis genommen.
6
Diese Rüge ist unbegründet.
7
Wie auch die Klägerin im Ansatz nicht verkennt, hat der Senat die Ausführungen des Privatgutachters Prof. Dr.-Ing. W. ausdrücklich erwähnt (Rn. 33). Er hat insbesondere berücksichtigt, dass die Zahl der in Betracht kommenden Bearbeitungsverfahren insgesamt gering ist, und das Vorbringen der Klägerin als nicht stichhaltig angesehen, weil sich für den Fachmann dennoch keine Veranlassung ergab, das in Rede stehende Verfahren im Zusammenhang mit Futtermischwagen der in D2, D5 und D6 offenbarten Bauart in Betracht zu ziehen (Rn. 34).
8
Diese Beurteilung hängt nicht davon ab, ob das Verfahren ein seit der Bronzezeit bekanntes Standardverfahren darstellt oder ob es als eines von wenigen überhaupt in Betracht kommenden Verfahren zum allgemeinen Fachwissen gehört. Soweit die Klägerin zwischen diesen Formulierungen inhaltliche Unterschiede erkennen will, betreffen diese nicht den für die Beurteilung des Streitfalls maßgeblichen Sachverhalt, sondern allenfalls die rechtliche Bedeutung , die diesem Sachverhalt zukommt. Dass der Senat hinsichtlich der zuletzt genannten Frage zu einer anderen Beurteilung gelangt ist als die Klägerin, begründet keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG.
9
b) Die Klägerin rügt, der Senat habe ihren Vortrag übergangen, wonach es für die Mischfunktion allein auf die Form der Innenwand einschließlich der Leiteinrichtungen ankomme und dass diese bei den in D2, D5 und D6 offenbarten Mischwagen in gleicher Weise ausgestaltet sei wie bei dem vom Streitpatent geschützten Wagen.
10
Diese Rüge ist ebenfalls unbegründet.
11
Der Senat hat ausgeführt, dass das Streitpatent in Merkmalsgruppe 5 nicht nur eine Krümmung der Wandung in den Zwickelbereichen vorsieht, sondern zugleich eine Vertiefung an der Außenseite (Rn. 15). Bei dieser Ausgangslage kommt der Frage, ob die Vertiefung an der Außenseite zur Verwirklichung der angestrebten Funktion erforderlich ist, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr, ob sie in den Entgegenhaltungen D2, D5 und D6 offenbart ist. Dass letzteres zu verneinen ist, zieht auch die Klägerin nicht in Zweifel.
12
c) Die Klägerin macht geltend, in der mündlichen Verhandlung sei nicht deutlich geworden, dass es für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit auf eine Zusammenschau der Merkmalsgruppen 1 bis 4 des Patentanspruchs mit den Merkmalen der Gruppe 5 ankommen könne.
13
Diese Rüge ist ebenfalls unbegründet.
14
Dass die einzelnen Merkmale eines Patentanspruchs bei der Beurteilung der Frage der erfinderischen Tätigkeit grundsätzlich nicht isoliert betrachtet werden dürfen, zieht auch die Klägerin nicht in Zweifel. Besondere Umstände, aus denen die Klägerin hätte ableiten können, dass dies im Streitfall hinsichtlich der einzelnen Merkmale der Merkmalsgruppe 5 anders sein könnte, sind weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich.
Unabhängig davon ergibt sich schon aus dem in der Anhörungsrüge
15
wiedergegebenen Vorbringen der Klägerin, dass diese den in Rede stehenden Aspekt erkannt und zur Verwirklichung der genannten Merkmale in ihrer Gesamtheit vorgetragen hat. Der Senat hat dieses Vorbringen nicht übergangen, sondern als in der Sache unzutreffend angesehen, weil es entgegen der Auffassung der Klägerin für die Bejahung einer hinreichenden Veranlassung nicht ausreicht, wenn in D2, D5 und D6 eine den Vorgaben des Streitpatents entsprechende Ausgestaltung der Innenseite offenbart ist. Darin liegt keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG.
16
d) Die Klägerin rügt, der Senat habe ihren Vortrag übergangen, dass das Merkmal 5.4 bei den Futtermischwagen der D2, D5 und D6 automatisch und zwangsläufig von selbst gebildet werde, wenn bei einem dieser Mischwagen die Wandung gemäß den Merkmalen 5.1 und 5.2 in den Zwickelbereichen zur Bildung von Leiteinrichtungen nach innen gekrümmt werde, und dass es sich bei Merkmal 5.4 aus diesem Grund um ein Scheinmerkmal handle.
17
Damit ist eine Gehörsverletzung nicht dargetan. Die Frage, welche Form sich ergibt, wenn bei den Mischwagen aus D2,
18
D5 und D6 die Wandung abweichend von der dort offenbarten Ausführungsform nach innen gekrümmt wird, wäre nur dann von Bedeutung, wenn der Fachmann Veranlassung gehabt hätte, diese Ausgestaltung in Betracht zu ziehen. Letzteres hat der Senat verneint.
19
e) Die Klägerin rügt, der Senat habe ihren Vortrag übergangen, wonach eine Vertiefung an der Außenwand den Vorteil biete, zusätzliche Elemente anbringen zu können, ohne die Breite des Mischwagens zu erhöhen.
20
Auch diese Rüge ist unbegründet.
21
Der Senat hat sich bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit mit der Frage befasst, ob eine Herstellung durch Umformen der Wand konkrete Vorteile bot, die dem Fachmann Veranlassung gegeben hätten, eine solche Konstruktion in Betracht zu ziehen (Rn. 34). Als solche Vorteile kommen im Streitfall die von der Klägerin geltend gemachten Kostenvorteile in Betracht. Der Senat hat das darauf bezogene Vorbringen für nicht durchgreifend erachtet und ist deshalb zu dem Ergebnis gelangt, dass für den Fachmann kein Anlass bestand , das genannte Herstellungsverfahren in Betracht zu ziehen. Angesichts dessen ist die Frage, welche Vorteile der Fachmann hätte erkennen können, wenn er diesem Gedanken dennoch nähergetreten wäre, nicht entscheidungsrelevant.
22
f) Die Klägerin rügt, der Senat habe ihren Vortrag zu dem Materialund Arbeitsaufwand bei der in D2, D5 und D6 offenbarten Konstruktion übergangen.
23
Diese Rüge ist ebenfalls unbegründet. Der Senat ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Klägerin ange24 führten Vorteile hinsichtlich Material- und Arbeitsaufwand nicht hinreichend groß sind, um dem Fachmann Anlass zu geben, die vom Streitpatent geschützte Konstruktion in Betracht zu ziehen (Rn. 34). Damit hat er das Vorbringen der Klägerin nicht unberücksichtigt gelassen, sondern lediglich eine abweichende rechtliche Schlussfolgerung daraus gezogen. Darin liegt keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG.
25
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Bacher Grabinski Schuster
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 30.06.2014 - 4 Ni 18/12 (EP) -

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(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

30
Der Rechtsbeschwerdegrund des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG trägt der Bedeutung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) für ein rechtsstaatliches Verfahren Rechnung, in dem jeder Verfahrensbeteiligte seine Rechte wirksam wahrnehmen kann. Dies setzt voraus, dass das Gericht das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und auf seine sachlich-rechtliche und verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit prüft und ferner keine Erkenntnisse verwertet, zu denen die Verfahrensbeteiligten sich nicht äußern konnten (Sen.Beschl. v. 11.6.2002 - X ZB 27/01, GRUR 2002, 957 - Zahnstruktur, m.w.N.).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X Z R 7 9 / 1 3
vom
31. März 2015
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. März 2015 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning,
Dr. Grabinski, Dr. Bacher und die Richterin Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Die Anhörungsrüge gegen das Urteil vom 28. Oktober 2014 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Mit Urteil vom 28. Oktober 2014 (NJW 2015, 687) hat der Senat die Revision des Klägers gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln zurückgewiesen und auf die Revision der Beklagten das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt. Mit seiner Anhörungsrüge macht der Kläger geltend, die Entscheidung des Senats verletze seinen Anspruch auf rechtliches Gehör.
2
II. Die fristgerecht erhobene Anhörungsrüge ist unbegründet.
3
1. Die Gerichte sind verpflichtet, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der verfassungsrechtlich gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) soll sicherstellen, dass die von den Gerichten zu treffenden Entscheidungen frei von materiell-rechtlichen oder Verfahrensfehlern ergehen, welche ihren Grund darin haben, dass der Vortrag der Parteien nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt worden ist (BVerfGE 60, 250, 252; 69, 141, 142 f.; 86, 133, 145 f.; BGH, Be- schluss vom 27. Juni 2007 - X ZB 6/05, BGHZ 173, 47 Rn. 30; Beschluss vom 15. April 2010 - Xa ZB 10/09, GRUR 2010, 950 Rn. 11). Damit ist jedoch kein Anspruch darauf verbunden, dass jedes Argument ausdrücklich beschieden wird. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen in Erwägung gezogen hat, auch wenn es die von einer Partei daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen nicht teilt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2011 - I ZB 68/10, GRUR 2012, 314 Rn. 14). Geht das Gericht allerdings auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht ein, lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfGE 86, 133, 146; BGHZ 173, 47 Rn. 31).
4
2. Der Senat hat kein Vorbringen übergangen, das nach seiner rechtlichen Beurteilung für die Revisionsentscheidung erheblich war oder sein konnte.
5
a) Der Kläger macht geltend, der Senat habe die gegenüber der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB vorrangige Frage übergangen, ob die von der Beklagten gestellten Bedingungen in der weiten Auslegung des Berufungsgerichts als überraschende Klauseln zu qualifizieren seien, die nach § 305c Abs. 1 BGB schon nicht Vertragsbestandteil geworden seien. Damit ist eine Gehörsverletzung nicht dargelegt.
6
Der Senat ist in dem angefochtenen Urteil zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger den in Abschnitt 2.4.8 Satz 1 der Teilnahmebedingungen der Beklagten normierten Missbrauchstatbestand erfüllt hat, weil er einen Flug für einen Dritten gebucht hat, zu dem keine persönliche Beziehung bestand (Rn. 31). Bei dieser Ausgangslage ist es unerheblich, ob der Kläger das Prä- mienticket dem Begünstigten unmittelbar oder über seinen Vater hat zukommen lassen. Der Senat hatte deshalb keinen Anlass zu prüfen, ob Abschnitt 2.4.8 Satz 1 der Teilnahmebedingungen auch eine "mittelbare" Weitergabe von Prämiendokumenten erfasst. Selbst wenn diese Frage zu bejahen und eine Bestimmung dieses Inhalts als überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB anzusehen wäre, führte dies nicht zur Unwirksamkeit des in den Teilnahmebedingungen vorgesehenen Verbots einer unmittelbaren Weitergabe.
7
b) Der Kläger meint ferner, der Senat hätte die Klauseln auch deshalb als überraschend im Sinne des § 305c BGB qualifizieren müssen, weil die Beklagte sich selbst nicht an die von ihr aufgestellte Bedingung halte, wonach Meilen nicht übertragbar seien. Damit ist eine Gehörsverletzung ebenfalls nicht dargetan.
8
Der in der Revisionsbegründung angeführte und vom Kläger in der Revisionsverhandlung hervorgehobene Umstand, dass die Beklagte Partnerunternehmen die Möglichkeit bietet, "Meilen" bei ihr gegen Entgelt zu erwerben und als Verkaufsanreize einsetzen, ist für die Beurteilung des Streitfalls unerheblich. Insbesondere ist die Beklagte nicht deshalb gehindert, ihr Leistungsversprechen gegenüber Kunden in der im Streitfall zu beurteilenden Weise auszugestalten , weil sie es Dritten gestattet, ein solches Leistungsversprechen mit eigenen Umsatzgeschäften zu verbinden.
9
c) Der Kläger rügt ferner, der Senat habe seinen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen, wonach "Meilen" nicht nur in Form von Flugprämien eingelöst werden könnten. Diese Rüge ist ebenfalls unbegründet.
10
Im Streitfall hat die Beklagte ihre Kündigung darauf gestützt, dass der Kläger ein Prämienticket für eine ihm nicht persönlich verbundene Person gebucht habe. Der Senat hatte deshalb die Frage zu klären, ob die Beklagte ihr Leistungsversprechen für den Fall der Inanspruchnahme einer Flugprämie in der gegebenen Weise ausgestalten darf. Für die Beurteilung dieser Frage ist unerheblich, ob die Beklagte ihren Kunden auch andere Prämien anbietet.
Meier-Beck Gröning Grabinski Bacher Kober-Dehm
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 23.02.2012 - 14 O 245/11 -
OLG Köln, Entscheidung vom 12.06.2013 - 5 U 46/12 -
15
Ein Gericht ist nicht gehalten, auf jeden Vortrag eines unterlegenen Beteiligten im Einzelnen einzugehen. Von der Versagung des rechtlichen Gehörs ist erst auszugehen, wenn das Gericht auf einen wesentlichen Kern des Vortrags eines Beteiligten zu einer entscheidungserheblichen Frage nicht eingeht (vgl. BVerfGE 86, 133, 145 f.; BGH, Beschluss vom 30. April 2008 - I ZB 4/07, GRUR 2008, 731 Rn. 18 = WRP 2008, 1110 - alphaCAM). Hiervon kann im Streitfall keine Rede sein, in dem das Bundespatentgericht eine Ähnlichkeit zwischen Schuhwaren und den Dienstleistungen der Klassen 35 und 39, für die die angegriffene Marke konkret geschützt ist, eindeutig verneint hat. Diese umfassen - anders als die Ausführungen der Rechtsbeschwerde nahelegen - nicht Einzelhandelsdienstleistungen im Schuhsektor, für die eine Ähnlichkeit zu den in Rede stehenden Schuhwaren nicht ohne weiteres ausgeschlossen wäre.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)