Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juni 2012 - X ZB 4/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
- 1
- I. Die beiden Einsprechenden haben gegen das Patent 10 2004 023 078 (Streitpatent), das eine Sonde zur enteralen Ernährung sowie ein Sondensystem zur enteralen Ernährung und gastralen Dekompression oder Drainage betrifft, Einspruch eingelegt, den sie auf die Widerrufsgründe der fehlenden Ausführbarkeit und der mangelnden Patentfähigkeit gestützt haben. Im Laufe des vor dem Bundespatentgericht geführten Einspruchsverfahrens hat die Patentinhaberin im Hinblick auf eine parallele europäische Patentanmeldung auf das Streitpatent verzichtet und die Einsprechenden zu 1 und 2 jeweils von Ansprüchen aus dem Streitpatent freigestellt. Das Patentgericht hat daraufhin festgestellt, dass das Einspruchsverfahren in der Hauptsache erledigt sei.
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- Hiergegen richtet sich die vom Patentgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Einsprechenden zu 1, die geltend macht, dass eine vollständige Erledigung der Hauptsache nicht eingetreten sei, weil die Patentinhaberin nicht auch die Allgemeinheit von Ansprüchen aus dem Streitpatent freigestellt habe.
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- II. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung durch das Patentgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Einsprechende zu 1 durch den Beschluss des Patentgerichts, der die Erledigung des Einspruchsverfahrens feststellt, beschwert.
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- Die für die Rechtsbeschwerde erforderliche Beschwer ergibt sich schon daraus, dass das Patentgericht dem auf Widerruf des Streitpatents gerichteten Begehren nicht entsprochen und das Einspruchsverfahren stattdessen in der Hauptsache für erledigt erklärt hat. Ob die für eine Rechtsbeschwerde erforderliche Beschwer vorliegt, richtet sich danach, ob die angefochtene Entscheidung dem Verfahrensbeteiligten weniger zuspricht, als er begehrt hat (BGH, Be- schluss vom 15. März 1984 - X ZB 6/83, BGHZ 90, 318, 320 = GRUR 1984, 797 - Zinkenkreisel).
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- Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben. Die Einsprechende zu 1 hat zwar im Anschluss an die Erklärung der Patentinhaberin, dass sie ihr gegenüber auch für die Vergangenheit auf die Geltendmachung von Rechten aus dem Streitpatent verzichte, keinen ausdrücklichen Antrag mehr gestellt. Hieraus geht jedoch nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit hervor, dass sie von ihrem zuvor geltend gemachten Begehren abrücken wollte und mit einer Verfahrensbeendigung ohne Sachentscheidung einverstanden war.
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- Ob der Einspruch der Einsprechenden zu 1 nach der Verzichtserklärung der Patentinhaberin wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig geworden ist und das Einspruchsverfahren deshalb für erledigt zu erklären war, ist keine Frage der Beschwer im Rechtsbeschwerdeverfahren, sondern eine Frage der Begründetheit dieses Rechtsmittels (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2007 - X ZB 18/06, GRUR 2008, 279 Rn. 7-9 - Kornfeinung).
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- III. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Patentgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Einspruchsverfahren in der Hauptsache erledigt ist.
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- Das Streitpatent ist mit Zugang der Verzichtserklärung der Patentinhaberin mit Wirkung für die Zukunft (BGH, Beschluss vom 2. März 1999 - X ZB 14/97, GRUR 1999, 571, 572 f. - Künstliche Atmosphäre) erloschen. Ein gegen das Patent erhobener Einspruch darf deshalb nur dann weiterverfolgt werden, wenn der Einsprechende ein Rechtsschutzbedürfnis daran hat (BGH, Beschluss vom 17. April 1997 - X ZB 10/96, GRUR 1997, 615, 617 - Vornapf; Beschluss vom 30. Oktober 2007 - X ZB 18/06, GRUR 2008, 279 Rn. 13 - Kornfeinung ). Ein solches Rechtsschutzbedürfnis ist auf Seiten der Einsprechenden zu 1 nicht mehr gegeben. Diese muss nach der Freistellungserklärung der Patentinhaberin auch für die Vergangenheit nicht mit einer Inanspruchnahme aus dem Patent rechnen. Damit ist ihr Rechtsschutzbedürfnis entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 9. September 2010 - Xa ZR 14/10, GRUR 2010, 1084 Rn. 10 - Windenergiekonverter
).
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- Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde, die auch von einem anderen Senat des Patentgerichts vertreten wird (BPatG GRUR 2011, 657 ff.), kommt eine Fortsetzung des Einspruchsverfahrens in dieser Situation auch nicht wegen möglicher Interessen der Allgemeinheit in Betracht. Zwar dient das Einspruchsverfahren auch dem Interesse der Allgemeinheit an einem Widerruf zu Unrecht erteilter Patente, was sich unter anderem darin äußert, dass ein Einspruch grundsätzlich unabhängig von einem Rechtsschutzbedürfnis des Einsprechenden zulässig ist und das Einspruchsverfahren gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG nach Rücknahme des Einspruchs von Amts wegen fortzusetzen ist. Diese Grundsätze gelten jedoch, wie der Senat mehrfach entschieden hat, nur, solange das Patent in Kraft ist. Auch wenn das Patent nur mit Wirkung für die Zukunft erloschen ist, wird ein Einspruch unzulässig, wenn der Einsprechende kein Rechtsschutzbedürfnis an einem Widerruf hat. Auch eine Fortsetzung des Einspruchsverfahrens von Amts wegen ist nur zulässig, solange das Patent noch besteht (BGH, Beschluss vom 17. April 1997 - X ZB 10/96, GRUR 1997, 615, 617 - Vornapf).
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- IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG, die Festsetzung des Beschwerdewerts auf § 51 Abs. 1 GKG.
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- V. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 Halbsatz 2 PatG).
Grabinski Bacher
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 12.04.2011 - 21 W (pat) 320/06 -
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(1) Die Rechtsbeschwerde steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten zu.
(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss auf einer Verletzung des Rechts beruht. Die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(1) Innerhalb von neun Monaten nach der Veröffentlichung der Erteilung kann jeder, im Falle der widerrechtlichen Entnahme nur der Verletzte, gegen das Patent Einspruch erheben. Der Einspruch ist schriftlich zu erklären und zu begründen. Er kann nur auf die Behauptung gestützt werden, daß einer der in § 21 genannten Widerrufsgründe vorliege. Die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, sind im einzelnen anzugeben. Die Angaben müssen, soweit sie nicht schon in der Einspruchsschrift enthalten sind, bis zum Ablauf der Einspruchsfrist schriftlich nachgereicht werden.
(2) Ist gegen ein Patent Einspruch erhoben worden, so kann jeder Dritte, der nachweist, daß gegen ihn Klage wegen Verletzung des Patents erhoben worden ist, nach Ablauf der Einspruchsfrist dem Einspruchsverfahren als Einsprechender beitreten, wenn er den Beitritt innerhalb von drei Monaten nach dem Tag erklärt, an dem die Verletzungsklage erhoben worden ist. Das gleiche gilt für jeden Dritten, der nachweist, daß er nach einer Aufforderung des Patentinhabers, eine angebliche Patentverletzung zu unterlassen, gegen diesen Klage auf Feststellung erhoben hat, daß er das Patent nicht verletze. Der Beitritt ist schriftlich zu erklären und bis zum Ablauf der in Satz 1 genannten Frist zu begründen. Absatz 1 Satz 3 bis 5 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Eine Anhörung findet im Einspruchsverfahren statt, wenn ein Beteiligter dies beantragt oder die Patentabteilung dies für sachdienlich erachtet. Mit der Ladung soll die Patentabteilung auf die Punkte hinweisen, die sie für die zu treffende Entscheidung als erörterungsbedürftig ansieht. Die Anhörung einschließlich der Verkündung der Entscheidung ist öffentlich. § 169 Absatz 1 Satz 2 sowie die §§ 171b bis 175 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind entsprechend anzuwenden mit der Maßgabe, dass die Öffentlichkeit von der Anhörung auf Antrag eines Beteiligten auch dann ausgeschlossen werden kann, wenn sie eine Gefährdung schutzwürdiger Interessen des Antragstellers besorgen lässt.
(4) Der Vorsitzende der Patentabteilung sorgt für die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Anhörung und übt insoweit das Hausrecht aus.
(5) Im Übrigen sind § 43 Absatz 3 Satz 2 und die §§ 46 und 47 im Einspruchsverfahren entsprechend anzuwenden.
(1) Die Patentabteilung entscheidet durch Beschluss. Auf einen zulässigen Einspruch hin entscheidet die Patentabteilung, ob und in welchem Umfang das Patent aufrechterhalten oder widerrufen wird. Nimmt der Einsprechende den Einspruch zurück, so wird das Verfahren von Amts wegen ohne den Einsprechenden fortgesetzt. Abweichend von Satz 3 ist das Verfahren beendet, wenn sich der zurückgenommene Einspruch ausschließlich auf den Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme nach § 21 Absatz 1 Nummer 3 gestützt hat. In diesem Fall oder wenn das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist, wird die Beendigung des Verfahrens durch Beschluss festgestellt.
(2) Abweichend von Absatz 1 entscheidet der Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts,
- 1.
wenn ein Beteiligter dies beantragt und kein anderer Beteiligter innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Antrags widerspricht, oder - 2.
auf Antrag nur eines Beteiligten, wenn mindestens 15 Monate seit Ablauf der Einspruchsfrist, im Fall des Antrags eines Beigetretenen seit Erklärung des Beitritts, vergangen sind.
(3) Wird das Patent widerrufen oder nur beschränkt aufrechterhalten, so wird dies im Patentblatt veröffentlicht.
(4) Wird das Patent beschränkt aufrechterhalten, so ist die Patentschrift entsprechend zu ändern. Die Änderung der Patentschrift ist zu veröffentlichen.
(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen, so sind die durch die Rechtsbeschwerde veranlaßten Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Hat ein Beteiligter durch grobes Verschulden Kosten veranlaßt, so sind ihm diese aufzuerlegen.
(2) Dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts können Kosten nur auferlegt werden, wenn er die Rechtsbeschwerde eingelegt oder in dem Verfahren Anträge gestellt hat.
(3) Im übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.
(1) In Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes (§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 14) und in Verfahren über Ansprüche nach dem Patentgesetz, dem Gebrauchsmustergesetz, dem Markengesetz, dem Designgesetz, dem Halbleiterschutzgesetz und dem Sortenschutzgesetz ist der Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen.
(2) In Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und nach dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(3) Ist die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten als der nach Absatz 2 ermittelte Streitwert, ist dieser angemessen zu mindern. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Streitwert von 1 000 Euro anzunehmen. Dieser Wert ist auch anzunehmen, wenn die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt. Der nach Satz 2 oder Satz 3 anzunehmende Wert ist auch maßgebend, wenn in den dort genannten Fällen die Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung nebeneinander geltend gemacht werden.
(4) Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der sich aus den Absätzen 2 und 3 ergebende Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen.
(5) Die Vorschriften über die Anordnung der Streitwertbegünstigung (§ 12 Absatz 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, § 144 des Patentgesetzes, § 26 des Gebrauchsmustergesetzes, § 142 des Markengesetzes, § 54 des Designgesetzes, § 22 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen) sind anzuwenden.