Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Aug. 2013 - X ARZ 425/13

bei uns veröffentlicht am27.08.2013
vorgehend
Oberlandesgericht Hamm, 32 SA 46/13, 25.07.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 425/13
vom
27. August 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die antragsgemäße Verweisung des Rechtsstreits durch das örtlich unzuständige
Amtsgericht vor Eintritt in die mündliche Verhandlung zur Hauptsache ist
auch dann bindend, wenn der Beklagte nicht nach § 504 ZPO belehrt worden
ist (Fortführung von BGH, Beschluss vom 19. Februar 2013 - X ARZ 507/12,
NJW-RR 2013, 764; Beschluss vom 19. März 2013 - X ARZ 622/12, juris).
BGH, Beschluss vom 27. August 2013 - X ARZ 425/13 - OLG Hamm
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. August 2013 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning,
Dr. Grabinski, Hoffmann und die Richterin Schuster

beschlossen:
Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Köln.

Gründe:


I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf das Entgelt für die Fertigung
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von Werbebannern in Anspruch. Nach Widerspruch des Beklagten gegen den von der Klägerin erwirkten
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Mahnbescheid hat die Klägerin die Klage zunächst gegenüber dem Amtsgericht Münster begründet, an das das Verfahren vom Mahngericht abgegeben worden war. Nach Anberaumung eines Verhandlungstermins hat die Klägerin beantragt , den Rechtsstreit an das Amtsgericht Köln zu verweisen. In der mündlichen Verhandlung hat das Amtsgericht Münster mit den Parteien die Frage seiner Zuständigkeit erörtert. Die Klägerin hat an ihrem Verweisungsantrag festgehalten , der Beklagte hierzu keine Erklärung abgegeben. Das Amtsgericht Münster hat sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Köln verwiesen. Dieses hat die Übernahme der Sache abgelehnt. Das Oberlandesgericht Hamm möchte das Amtsgericht Köln für zustän3 dig erklären, sieht sich hieran jedoch durch den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 14. Oktober 2002 (1 ZAR 140/02, NJW 2003, 366) gehindert.
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II. Die Vorlage ist zulässig. Das vorlegende Oberlandesgericht will seiner Entscheidung die Auffas5 sung zugrunde legen, der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Münster sei bindend. Damit würde es von der Rechtsauffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (aaO) abweichen, das eine Verweisung als nicht bindend angesehen hat, wenn der Beklagte - wie im Streitfall - nicht nach § 504 ZPO belehrt worden ist. III. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß
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§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Die beiden mit der Sache befassten Amtsgerichte haben sich im Sinne
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dieser Vorschrift bindend für unzuständig erklärt. IV. Zuständig zur Entscheidung über das Klagebegehren ist das Amts8 gericht Köln. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Münster ist gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend. 1. Der Senat hat bereits entschieden, dass eine Verweisung des
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Rechtsstreits wegen örtlicher Unzuständigkeit auch dann bindend ist, wenn der Beklagte zwar erklärt hat, er werde die örtliche Unzuständigkeit in der mündlichen Verhandlung nicht rügen, auf die Zuständigkeitsrüge aber nicht verzichtet (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2013 - X ARZ 507/12, NJW-RR 2013, 764). Er hat ferner entschieden, dass sich eine abweichende Beurteilung auch nicht aus § 504 und § 39 Satz 2 ZPO ergibt, weil die Regelung in § 39 Satz 1 ZPO auf der Erwägung beruht, dass es nicht hinnehmbar wäre, wenn sich der Beklagte in Kenntnis der Unzuständigkeit auf eine Verhandlung vor dem an sich unzuständigen Gericht einlassen und in einem späteren Stadium des Prozesses noch die Rüge der Unzuständigkeit erheben könnte, der Regelung aber nicht entnommen werden kann, dass das Gericht dem Beklagten auch dann stets die Möglichkeit einräumen muss, die Zuständigkeit durch rügeloses Verhandeln zur Hauptsache zu begründen, wenn der Kläger schon vor der mündli- chen Verhandlung die Verweisung an das zuständige Gericht beantragt (BGH, Beschluss vom 19. März 2013 - X ARZ 622/12, juris). 2. Bei Anlegung dieses rechtlichen Maßstabes kommt auch dem hier zu
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beurteilenden Verweisungsbeschluss die im Gesetz vorgesehene Bindungswirkung zu. Nach § 504 ZPO hat das Amtsgericht den Beklagten vor der Verhandlung zur Hauptsache auf seine fehlende Zuständigkeit und die Folgen einer rügelosen Einlassung zur Hauptsache hinzuweisen. In die Verhandlung zur Hauptsache ist das Amtsgericht jedoch nicht eingetreten, weil es das Amtsgericht Köln als aufgrund einer von den Parteien getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich zuständig angesehen hat, die Klägerin die Verweisung an dieses Gericht beantragt hat und der anwaltlich vertretene Beklagte von der Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, durch einen Verzicht auf die Zuständigkeitsrüge die Zuständigkeit seines von der Klägerin angerufenen Wohnsitzgerichts zu begründen. Mangels einer gesetzlich vorgeschriebenen Belehrung des Beklagten über diese Möglichkeit hat das Amtsgericht Münster damit weder den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt noch willkürlich entschieden.
Meier-Beck Gröning Grabinski
Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
OLG Hamm, Entscheidung vom 25.07.2013 - 32 SA 46/13 -

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Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Aug. 2013 - X ARZ 425/13 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 36 Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit


(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt: 1. wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;2. wenn es mit Rücksich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 281 Verweisung bei Unzuständigkeit


(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers

Zivilprozessordnung - ZPO | § 39 Zuständigkeit infolge rügeloser Verhandlung


Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges wird ferner dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt. Dies gilt nicht, wenn die Belehrung nach § 504 unterblieben ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 504 Hinweis bei Unzuständigkeit des Amtsgerichts


Ist das Amtsgericht sachlich oder örtlich unzuständig, so hat es den Beklagten vor der Verhandlung zur Hauptsache darauf und auf die Folgen einer rügelosen Einlassung zur Hauptsache hinzuweisen.

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Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges wird ferner dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt. Dies gilt nicht, wenn die Belehrung nach § 504 unterblieben ist.

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

Ist das Amtsgericht sachlich oder örtlich unzuständig, so hat es den Beklagten vor der Verhandlung zur Hauptsache darauf und auf die Folgen einer rügelosen Einlassung zur Hauptsache hinzuweisen.

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 507/12
vom
19. Februar 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Verweisung des Rechtsstreits durch das örtlich unzuständige Gericht
ist auch dann bindend, wenn der Beklagte erklärt hat, in der mündlichen
Verhandlung die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht
rügen zu wollen, jedoch auf die Zuständigkeitsrüge nicht verzichtet hat.
BGH, Beschluss vom 19. Februar 2013 - X ARZ 507/12 - OLG Hamm
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Februar 2013
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin
Mühlens, den Richter Dr. Bacher, die Richterin Schuster und den Richter
Dr. Deichfuß

beschlossen:
Zuständiges Gericht ist das Landgericht Traunstein.

Gründe:


I. Die Klägerin hat die Beklagten neben zwei weiteren Parteien
1
vor dem Landgericht Dortmund wegen einer aus ihrer Sicht fehlgeschlagenen Beteiligung an einer Fondsgesellschaft als Gesamtschuldner auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Mit Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens hat das Landgericht
2
Dortmund auf Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit für die gegen die Beklagten geltend gemachten Ansprüche hingewiesen. Die Klägerin hat daraufhin beantragt, das Verfahren gegen die Beklagten abzutrennen und den Rechtsstreit insoweit an das Landgericht Traunstein zu verweisen. Die Beklagten haben erklärt, eine etwa erhobene Zuständigkeitsrüge nicht aufrechtzuerhalten. Das Landgericht Dortmund hat das Verfahren gegen die Beklagten vom Ausgangsrechtsstreit abgetrennt, sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Traunstein verwiesen. Das Landgericht Traunstein hat die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Das Oberlandesgericht Hamm hat die Sache gemäß § 36 Abs. 3
3
ZPO dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.
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II. Die Vorlage ist zulässig. Gemäß § 36 Abs. 3 ZPO hat ein Oberlandesgericht , das nach § 36 Abs. 2 ZPO anstelle des Bundesgerichtshofs mit der Zuständigkeitsbestimmung befasst ist, die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen, wenn es in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Das vorlegende Oberlandesgericht möchte seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde legen, dass der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Dortmund bindend und damit das Landgericht Traunstein als zuständiges Gericht zu bestimmen ist. Damit würde es von der Rechtsauffassung abweichen, die das Oberlandesgericht Stuttgart einer Entscheidung (NJW-RR 2010, 792) zugrunde gelegt hat. Es hat die Verweisung durch ein örtlich unzuständiges Gericht wegen der Ankündigung des Beklagten, die fehlende örtliche Zuständigkeit nicht rügen zu wollen, als objektiv willkürlich und mithin nicht bindend angesehen. III. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung gemäß
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§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Das Landgericht Dortmund und das Landgericht Traunstein haben sich im Sinne dieser Vorschrift bindend für unzuständig erklärt; das Landgericht Dortmund durch unanfechtbaren Verweisungsbeschluss (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO), das Landgericht Traunstein durch eine seine Zuständigkeit abschließend verneinende Entscheidung vom 10. Juli 2012. Eine solche Zuständigkeitsleugnung genügt den Anforderungen, die an das Tatbestandsmerkmal "rechtskräftig" des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind (st. Rspr., BGH, Beschluss vom 22. Februar 1978 - IV ARZ 10/78, BGHZ 71, 15, 17; Beschluss vom 10. Dezember 1987 - I ARZ 809/87, BGHZ 102, 338, 339). IV. Zuständig zur Entscheidung über das Klagebegehren ist das
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Landgericht Traunstein, da der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Dortmund gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend ist.
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1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entfällt die Bindungswirkung der Verweisung nicht schon dann, wenn der Beschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Ein Verweisungsbeschluss ist vielmehr nur dann nicht bindend, wenn dem Beschluss jede rechtliche Grundlage fehlt, wenn er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2002 - X ARZ 110/02, NJW-RR 2002, 1498; Beschluss vom 10. September 2002 - X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634) oder wenn er sonst bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheint (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2002 - X ARZ 110/02, NJW-RR 2002, 1498). 2. Bei Anlegung dieser Maßstäbe entfällt die bindende Wirkung
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des Verweisungsbeschlusses nicht deshalb, weil das Landgericht Dortmund den Rechtsstreit vor der mündlichen Verhandlung an das Landgericht Traunstein verwiesen hat, obwohl die Beklagten schriftsätzlich erklärt haben, eine etwa erhobene Rüge der örtlichen Unzuständigkeit nicht aufrecht erhalten zu wollen und eine solche Rüge in den vorausgehenden Schriftsätzen auch nicht erhoben hatten.
a) Es kann dahinstehen, ob diese Verfahrensweise des Gerichts
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rechtsfehlerhaft oder lediglich im Hinblick auf das offensichtliche Interesse der Parteien, zwei Rechtsstreitigkeiten vor unterschiedlichen Gerichten zu vermeiden, unzweckmäßig war. Denn auch auf Verfahrensfehler beruhende und damit rechtsfehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind grundsätzlich bindend, wenn wie im Streitfall den Parteien vor der Verweisung rechtliches Gehör gewährt worden ist. Die Erklärung der Beklagten, eine Zuständigkeitsrüge nicht aufrechterhalten zu wollen, hat das Landgericht Dortmund auch zur Kenntnis genommen und sich hiermit auseinandergesetzt.
b) Entgegen der Ansicht des OLG Stuttgart wird bei einer solchen
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Prozesslage durch die Verweisung nicht willkürlich in eine mögliche zu- künftige Rechtsposition des Beklagten eingegriffen, der angekündigt hat, die fehlende örtliche Zuständigkeit in der mündlichen Verhandlung nicht rügen zu wollen mit der Folge, dass damit die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges begründet würde (§ 39 Satz 1 ZPO). Abgesehen davon, dass der Beklagte an eine derartige Ankündigung nicht gebunden ist, so dass es ihm frei steht, die fehlende örtliche Zuständigkeit ungeachtet seiner Ankündigung vor der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache zu rügen, geht § 39 Satz 1 ZPO auf die Erwägung zurück, dass es nicht hinnehmbar wäre, wenn sich der Beklagte in Kenntnis der Unzuständigkeit auf eine Verhandlung vor dem an sich unzuständigen Gericht einlassen und in einem späteren Stadium des Prozesses noch die Rüge der Unzuständigkeit erheben könnte (BGH, Urteil vom 26. Januar 1979 - V ZR 75/76, NJW 1979, 1104 unter Bezugnahme auf die amtliche Begründung des Gesetzentwurfes des Bundesrats zur Änderung der ZPO vom 27. Februar 1973, BT-Drucks. 7/268 zu Art. 1 Nr. 3). Begibt sich der Kläger jedoch der Möglichkeit, die weitere Prozessführung vor dem zunächst angerufenen Gericht dadurch zu erreichen, dass der Beklagte ohne Zuständigkeitsrüge zur Sache verhandelt, indem er - wie im vorliegenden Fall - bereits vor der mündlichen Verhandlung die Verweisung an das zuständige Gericht beantragt, kann die darauf erfolgende Verweisung nicht als objektiv willkürlich angesehen werden.
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c) Einen - rechtlich grundsätzlich möglichen - Verzicht der Beklagten auf die Zuständigkeitsrüge musste das Landgericht Dortmund deren Erklärungen nicht entnehmen.
Meier-Beck Mühlens Bacher
Schuster Deichfuß
Vorinstanz:
OLG Hamm, Entscheidung vom 07.10.2012 - 32 SA 80/12 -

Ist das Amtsgericht sachlich oder örtlich unzuständig, so hat es den Beklagten vor der Verhandlung zur Hauptsache darauf und auf die Folgen einer rügelosen Einlassung zur Hauptsache hinzuweisen.

Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges wird ferner dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt. Dies gilt nicht, wenn die Belehrung nach § 504 unterblieben ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 622/12
vom
19. März 2013
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Dr. Bacher
und Hoffmann sowie die Richterin Schuster

beschlossen:
Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Stuttgart.

Gründe:


1
I. Der Kläger nimmt die Beklagte nach Kündigung eines Ausbildungsvertrags auf Zahlung restlicher Vergütung in Anspruch.
2
Das ursprünglich angerufene Amtsgericht Freiburg im Breisgau äußerte Bedenken hinsichtlich seiner örtlichen Zuständigkeit, weil die Beklagte ihren Wohnsitz schon vor Klageerhebung von Freiburg nach Basel verlegt und die Ausbildung in Stuttgart stattgefunden habe. Der Kläger beantragte daraufhin vorsorglich die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Stuttgart. Die Beklagte teilte mit, sie halte das Amtsgericht Freiburg sowohl als Wohnsitzgericht als auch als Gericht des Erfüllungsortes für zuständig, und hielt an dieser Auffassung auch nach einem erneuten gerichtlichen Hinweis fest.
3
Mit Beschluss vom 18. Juni 2012 hat sich das Amtsgericht Freiburg für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Stuttgart verwiesen. Das Amtsgericht Stuttgart hat die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und das Oberlandesgericht Karlsruhe um Entscheidung über den Gerichtsstand ersucht. Dieses hat die Sache gemäß § 36 Abs. 3 ZPO dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
4
II. Die Vorlage ist zulässig.
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Das vorlegende Oberlandesgericht will seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde legen, der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Freiburg sei bindend. Damit würde es von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart abweichen, das eine Verweisung als nicht bindend ansieht, wenn der Beklagte zuvor angekündigt hat, rügelos zur Hauptsache zu verhandeln (OLG Stuttgart, Beschluss vom 28. Juli 2009 - 19 W 37/09, NJW-RR 2010, 792; Beschluss vom 23. Januar 2012 - 5 AR 1/12; ebenso BayObLG, Beschluss vom 14. Oktober 2002 - 1 ZAR 140/02, NJW 2003, 366).
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III. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
7
Die beiden mit der Sache befassten Amtsgerichte haben sich im Sinne dieser Vorschrift bindend für unzuständig erklärt.
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IV. Zuständig zur Entscheidung über das Klagebegehren ist das Amtsgericht Stuttgart.
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Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Freiburg im Breisgau vom 18. Juni 2012 ist gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend.
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1. Wie der Senat nach Erlass des Vorlagebeschlusses entschieden hat, ist eine Verweisung des Rechtsstreits wegen örtlicher Unzuständigkeit auch dann bindend, wenn der Beklagte zwar erklärt hat, er werde die örtliche Unzuständigkeit in der mündlichen Verhandlung nicht rügen, auf die Zuständigkeitsrüge aber nicht verzichtet hat (BGH, Beschluss vom 20. Februar 2013 - X ARZ 507/12, zur Veröffentlichung vorgesehen).
11
Bei Anlegung dieses rechtlichen Maßstabes kommt auch dem hier zu beurteilenden Verweisungsbeschluss die im Gesetz vorgesehene Bindungswirkung zu. Den Ausführungen der Beklagten zur örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Freiburg mag die Ankündigung zu entnehmen sein, dass sie in einer mündlichen Verhandlung die Rüge der Unzuständigkeit nicht erheben werde. Als endgültigen Verzicht auf diese Rüge musste das Amtsgericht das Vorbringen der Beklagten aber nicht verstehen.
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2. Eine abweichende Beurteilung ergibt sich nicht aus § 504 und § 39 Satz 2 ZPO.
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Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 20. Februar 2013 (X ARZ 507/12) näher ausgeführt hat, beruht die Regelung in § 39 Satz 1 ZPO auf der Erwägung, dass es nicht hinnehmbar wäre, wenn sich der Beklagte in Kenntnis der Unzuständigkeit auf eine Verhandlung vor dem an sich unzuständigen Gericht einlassen und in einem späteren Stadium des Prozesses noch die Rüge der Unzuständigkeit erheben könnte. Der Regelung kann aber nicht entnommen werden, dass das Gericht dem Beklagten auch dann stets die Möglichkeit einräumen muss, die Zuständigkeit durch rügeloses Verhandeln zur Hauptsache zu begründen, wenn der Kläger schon vor der mündlichen Verhandlung die Verweisung an das zuständige Gericht beantragt.
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§ 504 und § 39 Satz 2 ZPO modifizieren diese Regelung lediglich dahin, dass der Beklagte die Rügemöglichkeit in einem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht nur dann verlieren kann, wenn er sich dieser Folge bewusst ist. Auch daraus kann jedoch nicht entnommen werden, dass der Beklagte stets die Möglichkeit haben müsste, die Zuständigkeit durch rügelose Verhandlung zu begründen (ebenso OLG München, Beschluss vom 20. August 2012 - 34 AR 312/12, ZIP 2012, 2180; OLG Schleswig, Beschluss vom 11. Juli 2012 - 2 W 187/11; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 22. April 2010 - 2 AR 12/10, MDR 2010, 832).
Meier-Beck Grabinski Bacher
Hoffmann Schuster
Vorinstanzen:
AG Stuttgart, Entscheidung vom 03.07.2012 - 18 C 3043/12 (2) -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 04.12.2012 - 9 AR 29/12 -

Ist das Amtsgericht sachlich oder örtlich unzuständig, so hat es den Beklagten vor der Verhandlung zur Hauptsache darauf und auf die Folgen einer rügelosen Einlassung zur Hauptsache hinzuweisen.