Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Feb. 2014 - VIII ZR 271/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Landgericht Ellwangen verurteilte den Beklagten zur Zahlung von Wasserentgelt für die Versorgung zweier Grundstücke mit Frischwasser. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten wies das Oberlandesgericht Stuttgart durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Dagegen legte der Beklagte, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Nassall, Nichtzulassungsbeschwerde ein und beantragte, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde um zwei Monate, also bis zum 2. Dezember 2013, zu verlängern. Diesem Fristverlängerungsgesuch entsprach der Senatsvorsitzende mit Verfügung vom 17. September 2013. Mit am 21. September 2013 beim Bundesgerichtshof eingegangenem Schriftsatz trat der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin der beantragten Fristverlängerung entgegen und wies unter anderem darauf hin, dass die Klägerin in einem anderen vor dem Oberlandesgericht Stuttgart anhängigen Verfahren bis zum 20. Januar 2014 einen vollstreckbaren Titel gegen den Beklagten vorlegen müsse.
- 2
- Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten fertigte bis zum Ablauf der verlängerten Begründungsfrist keine Beschwerdebegründung, worauf ihm der Beklagte das Mandat entzog. Am letzten Tag der Frist hat der Beklagte einen Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt und eine weitergehende Begründung angekündigt. In einem am 10. Dezember 2013 mit der Senatsgeschäftsstelle geführten Telefonat hat der Beklagte durch seine Tochter mitteilen lassen, in den nächsten zwei bis drei Tagen werde eine Begründung des Antrags auf Bestellung eines Notanwalts nachgereicht. Die angekündigte Begründung ist weder innerhalb des genannten Zeitraums noch zu einem späteren Zeitpunkt eingegangen.
- 3
- Mit Beschluss vom 14. Januar 2014 haben die abgelehnten Richter den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts unter Hinweis darauf zurückgewiesen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtlos erscheine (§ 78b Abs. 1 ZPO). Der Beschluss ist dem Beklagten am 21. Januar 2014 zugestellt worden.
- 4
- Mit am 24. Januar 2014 beim Bundesgerichtshof eingegangenem Schreiben vom selben Tag hat der Beklagte Anhörungsrüge gegen die Versagung der Beiordnung eines Notanwalts erhoben und die am Beschluss vom 14. Januar 2014 beteiligten Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
II.
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- Das Ablehnungsgesuch gegen die am Beschluss vom 14. Januar 2014 beteiligten Richter ist unbegründet. Soweit es den Vorsitzenden Richter Ball betrifft, ist es bereits unzulässig.
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- 1. Das Ablehnungsgesuch ist als unzulässig zurückzuweisen, soweit es den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Ball betrifft, der mit dem Ablauf des 31. Januar 2014 infolge des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist. Das Recht einer Partei, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen (§ 42 Abs. 1 ZPO), ist darauf gerichtet, eine weitere Mitwirkung des befangenen Richters zu verhindern. Für ein Ablehnungsgesuch , das gegen einen Richter gerichtet ist, dessen weitere Mitwirkung ohnehin nicht mehr in Betracht kommt, weil er durch Eintritt in den Ruhestand aus dem Spruchkörper ausgeschieden ist, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis (BGH, Beschluss vom 21. Februar 2011 - II ZB 2/10, NJW 2011, 1358 Rn. 10 mwN).
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- 2. Soweit es die weiteren am Beschluss vom 14. Januar 2014 beteiligten Richter betrifft, ist das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückzuweisen. Nach § 42 ZPO kann ein Richter von den Parteien wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters vermögen nur objektive Gründe zu rechtfertigen , die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung aller Umstände die Befürchtung wecken könnten, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber (BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 2011 - II ZB 2/10, aaO Rn. 13; vom 12. Oktober 2011 - V ZR 8/10, NJW-RR 2012, 61 Rn. 5; jeweils mwN). Rein subjektive, unvernünftige Vorstel- lungen und Gedankengänge des Ablehnenden scheiden dagegen als Ablehnungsgründe aus (BGH, Beschluss vom 14. März 2003 - IXa ZB 27/03, NJWRR 2003, 1220, unter II 2 a). So liegen die Dinge hier. Der Beklagte stützt sein Ablehnungsgesuch auf rein subjektive Mutmaßungen, die keine objektive Grundlage haben.
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- a) Der Beklagte hat zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs ausgeführt , die abgelehnten Richter hätten bereits am 14. Januar 2014 den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts abgelehnt, obwohl der Geschäftsstelle die Nachreichung einer weiteren Begründung angekündigt worden sei. Sie hätten damit “rechtzeitig“ entschieden, um der zeitlichen Bitte des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin nachkommen zu können. Die Beurteilung , ob eine beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtslos erscheine, habe wegen der vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten vereitelten Einreichung der Beschwerdebegründung nicht getroffen werden können. Daher sei ein Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt worden, damit dieser die Begründung einreichen könne. Die am Beschluss vom 14. Januar 2014 mitwirkenden Richter hätten die innere Einstellung offenbart, dass es ihnen auf eine Begründung nicht ankomme, sondern sie letztlich aus reiner Gefälligkeit den Zeitplan des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin hätten unterstützen wollen. Dies lasse auf eine Voreingenommenheit schließen und rechtfertige die Besorgnis der Befangenheit.
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- b) Dass die abgelehnten Richter die Entscheidung über den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts (§ 78b Abs. 1 ZPO) nicht zurückgestellt haben, bis die angekündigte Begründung eingegangen war, weckt bei objektiver Betrachtung keine Zweifel an ihrer Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit.
- 10
- Der zeitliche Ablauf des Verfahrens kann bei vernünftiger Betrachtung selbst aus Sicht des Beklagten nicht die Befürchtung aufkommen lassen, den abgelehnten Richtern sei nicht daran gelegen gewesen, die angekündigte Antragsbegründung zu erhalten. Am 10. Dezember 2013 hat die Tochter des Beklagten der Geschäftsstelle telefonisch mitgeteilt, die Begründung werde binnen zwei bis drei Tagen eingereicht. Hierüber hat die zuständige Geschäftsstellenbeamtin am 10. Dezember 2013 einen Aktenvermerk erstellt und zu den Akten genommen. Die abgelehnten Richter haben daraufhin nicht nur den in Aussicht gestellten Zeitraum, sondern mehr als einen Monat zugewartet, bevor sie eine Entscheidung in der Sache getroffen haben. Der Beklagte hat damit ausreichend Gelegenheit erhalten, die am 10. Dezember 2013 als unmittelbar bevorstehend angekündigte Antragsbegründung einzureichen. Ein längeres Zuwarten war nicht veranlasst. Bei dieser Sachlage entbehrt die Mutmaßung des Beklagten , den abgelehnten Richtern sei es nicht auf eine Begründung angekommen, jeder objektiven Grundlage.
- 11
- c) Gleiches gilt für die vom Beklagten geäußerte Vermutung, die abgelehnten Richter hätten aus reiner Gefälligkeit den Zeitplan des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterstützen wollen. Dessen mit am 21. September 2013 beim Bundesgerichtshof eingegangene Mitteilung, die Klägerin müsse in einem anderen vor dem Oberlandesgericht Stuttgart anhängigen Verfahren bis 20. Januar 2014 einen vollstreckbaren (rechtskräftigen) Titel gegen die Beklagte vorlegen, spielte - für eine vernünftig denkende Parteiohne weiteres ersichtlich - im vorliegenden Verfahren keine Rolle. Dass die abgelehnten Richter ihre Entscheidung deswegen am 14. Januar 2014 getroffen hätten , um sicherzustellen, dass das Verfahren vor dem 20. Januar 2014 hätte rechtskräftig abgeschlossen werden können, ist eine reine Unterstellung. Dies ist schon deswegen auszuschließen, weil die beteiligten Richter nicht - was für einen rechtskräftigen Abschluss der Sache vor dem 20. Januar 2014 erforder- lich gewesen wäre - dafür Sorge getragen haben, dass die Zustellung der Entscheidung vor dem Ablauf dieses Tages erfolgte.
- 12
- d) Die Einholung dienstlicher Erklärungen der abgelehnten Richter (§ 44 Abs. 3 ZPO) war vorliegend deshalb entbehrlich, weil das vom Beklagten beanstandete Verhalten schon nicht geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - V ZR 8/10, aaO Rn. 12). Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger Kosziol Dr. Brockmöller
LG Ellwangen, Entscheidung vom 07.12.2012 - 4 O 88/07 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 25.07.2013 - 13 U 8/13 -
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
(2) Gegen den Beschluss, durch den die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.
(1) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
(2) Gegen den Beschluss, durch den die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.
(1) Das Ablehnungsgesuch ist bei dem Gericht, dem der Richter angehört, anzubringen; es kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.
(2) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden. Zur Glaubhaftmachung kann auf das Zeugnis des abgelehnten Richters Bezug genommen werden.
(3) Der abgelehnte Richter hat sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern.
(4) Wird ein Richter, bei dem die Partei sich in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so ist glaubhaft zu machen, dass der Ablehnungsgrund erst später entstanden oder der Partei bekannt geworden sei. Das Ablehnungsgesuch ist unverzüglich anzubringen.