Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2017 - VIII ZR 208/16

bei uns veröffentlicht am25.04.2017
vorgehend
Amtsgericht Wuppertal, 92 C 342/12, 11.02.2016
Landgericht Wuppertal, 9 S 49/16, 01.09.2016
Landgericht Wuppertal, 9 S 109/16, 01.09.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 208/16
vom
25. April 2017
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2017:250417BVIIIZR208.16.0

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Prof. Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger

beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.

Gründe:

1
1. Es besteht kein Grund für die Zulassung der Revision. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch liegt einer der anderen in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Gründe für die Zulassung der Revision vor.
2
Das Berufungsgericht hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen , "ob eine bewusste, aber [vom erstinstanzlichen Gericht] zu Unrecht angenommene Teilrücknahme" im Wege der Berufung angegriffen werden kann. Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil in der höchstrichterlichen Rechtsprechung - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - bereits geklärt ist, dass die bewusste Entscheidung eines Gerichts , über einen seiner Auffassung nach nicht oder nicht mehr anhängigen Anspruch nicht zu entscheiden, (nur) mit einem Rechtsmittel angefochten werden kann, während das Urteilsergänzungsverfahren nach § 321 ZPO lediglich auf die Schließung einer - auch nur vermeintlichen - Entscheidungslücke gerichtet und deshalb unzulässig ist, wenn es nur die Korrektur einer inhaltlich falschen Entscheidung zum Ziel hat. Dies ergibt sich (unter anderem) aus dem auch vom Berufungsgericht zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. August 2009 (VII ZR 205/07, BGHZ 182, 158 Rn. 70, vgl. auch BGH, Urteile vom 16. Dezember 2005 - V ZR 230/04, NJW 2006, 1351 Rn. 13 sowie vom 27. November 1979 - VI ZR 40/78, NJW 1980, 840, unter II 2 b [durch unrichtige Auslegung des Klageantrags verursachte Nichtbescheidung]).
3
2. Die Revision der Beklagten hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Sie wendet gegen die auf die Berufung der Kläger erfolgte Verurteilung der Beklagten zur Räumung ihrer Mietwohnung vergeblich ein, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Zulässigkeit der Berufung bejaht.
4
Das Amtsgericht hat angenommen, dass der Räumungsantrag nicht mehr anhängig war, weil die Kläger ihn im Termin vom 23. Juni 2014 konkludent zurückgenommen und die Beklagten der teilweisen Klagrücknahme stillschweigend zugestimmt hätten. Damit hat es eine Entscheidung über den Räumungsantrag bewusst nicht getroffen, weil es den Antrag für nicht mehr anhängig gehalten hat. Diese fehlerhafte Entscheidung haben die Kläger, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, zulässigerweise mit ihrer Berufung angegriffen.
5
Entgegen der Auffassung der Revision liegt nicht deshalb ein bloß versehentliches Übergehen des Räumungsantrags vor, weil die irrige Annahme des Amtsgerichts, die Kläger hätten den Räumungsantrag in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2014 nicht gestellt (und deshalb "konkludent zurückgenommen" ), letztlich auf einer oberflächlichen Lektüre der in der Verhandlung vom 23. Juni 2014 gestellten Anträge beruhte. Denn dies ändert nichts daran, dass das Amtsgericht eine bewusste Entscheidung über die Nichtbescheidung des - seiner Auffassung nicht mehr anhängigen - Räumungsantrages getroffen hat. Eine solche bewusste (aber fehlerhafte) Entscheidung kann jedoch - bei Vorliegen der weiteren hier nicht zweifelhaften Berufungsvoraussetzungen - nur mit der Berufung angegriffen werden.
6
Die Entscheidung des Berufungsgerichts in der Sache selbst dürfte der revisionsrechtlichen Überprüfung im Hinblick auf eine wirksame Beschränkung der Revisionszulassung auf die Zulässigkeit der Berufung entzogen sein. Davon abgesehen befanden sich die Beklagten nach den weiteren und von der Revision auch nicht angegriffenen Feststellungen mit zwei Monatsmieten in Verzug, so dass die hierauf von den Klägern gestützte fristlose Kündigung begründet war und das Mietverhältnis der Parteien beendet hat.
7
3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Bünger Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Vorinstanzen:
AG Wuppertal, Entscheidung vom 11.02.2016 - 92 C 342/12 -
LG Wuppertal, Entscheidung vom 01.09.2016 - 9 S 49/16; 9 S 109/16 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2017 - VIII ZR 208/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2017 - VIII ZR 208/16

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2017 - VIII ZR 208/16 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 552a Zurückweisungsbeschluss


Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf

Zivilprozessordnung - ZPO | § 321 Ergänzung des Urteils


(1) Wenn ein nach dem ursprünglich festgestellten oder nachträglich berichtigten Tatbestand von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch oder wenn der Kostenpunkt bei der Endentscheidung ganz oder teilweise übergangen ist, so ist auf

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2017 - VIII ZR 208/16 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2017 - VIII ZR 208/16 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Dez. 2005 - V ZR 230/04

bei uns veröffentlicht am 16.12.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 230/04 Verkündet am: 16. Dezember 2005 W i l m s, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2017 - VIII ZR 208/16.

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2017 - XI ZB 17/15

bei uns veröffentlicht am 19.09.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XI ZB 17/15 vom 19. September 2017 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja KapMuG §§ 2, 13, 15, 20, 22 ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 575 Abs. 3 Nr. 3 BGB § 157 D a) Jedes Feststellungs

Referenzen

Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Wenn ein nach dem ursprünglich festgestellten oder nachträglich berichtigten Tatbestand von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch oder wenn der Kostenpunkt bei der Endentscheidung ganz oder teilweise übergangen ist, so ist auf Antrag das Urteil durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen.

(2) Die nachträgliche Entscheidung muss binnen einer zweiwöchigen Frist, die mit der Zustellung des Urteils beginnt, durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.

(3) Auf einen Antrag, der die Ergänzung des Urteils um einen Hauptanspruch zum Gegenstand hat, ist ein Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen. Dem Gegner des Antragstellers ist mit der Ladung zu diesem Termin der den Antrag enthaltende Schriftsatz zuzustellen. Über einen Antrag, der die Ergänzung des Urteils um einen Nebenanspruch oder den Kostenpunkt zum Gegenstand hat, kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, wenn die Bedeutung der Sache keine mündliche Verhandlung erfordert; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Eine mündliche Verhandlung hat nur den nicht erledigten Teil des Rechtsstreits zum Gegenstand.

13
Die Frage, ob die Entscheidung des Landgerichts hinsichtlich des Kostenausspruchs vollständig oder unvollständig ist, lässt sich nicht im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung beantworten, sondern nur bei der Prüfung der Begründetheit des Urteilsergänzungsantrags. Unzulässig ist ein solcher Antrag dann, wenn er nicht auf die Schließung einer Entscheidungslücke abzielt, sondern nur die Korrektur einer inhaltlich falschen Entscheidung zum Ziel hat. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Gericht einzelne Angriffs- oder Verteidigungsmittel übergangen oder den Anspruch einer Partei nicht beschieden hat, weil es ihr Klageziel falsch ausgelegt hat (BGH, Urt. v. 27. November 1979, VI ZR 40/78, NJW 1980, 840). Für die Ergänzung des Urteils ist dagegen das Verfahren nach § 321 ZPO zulässig, wenn es auf die Schließung einer - auch nur vermeintlichen - Entscheidungslücke gerichtet ist. Der Antrag des vormaligen Beklagten , seine außergerichtlichen Kosten dem klagenden Land aufzuerlegen, ist auf eine solche Lückenschließung gerichtet. Er ist deshalb zulässig. Der Zulässigkeit steht auch nicht die von dem klagenden Land in seiner Revisionserwiderung vorgetragene Erwägung entgegen, dass hier keine festsetzungsfähigen Kosten des vormaligen Beklagten angefallen seien. Fragen, die im Kostenfestsetzungsverfahren zu klären sind, haben keinen Einfluss auf die Kostengrundentscheidung. Sie können das Rechtsschutzbedürfnis einer Partei an einer solchen Entscheidung nicht beseitigen.