Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2015 - VII ZR 324/13

bei uns veröffentlicht am09.09.2015
vorgehend
Landgericht München I, 10 HKO 9575/12, 06.05.2013
Oberlandesgericht München, 7 U 2287/13, 22.11.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR324/13
vom
9. September 2015
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. September 2015 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Halfmeier, Dr. Kartzke,
Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterin Wimmer

beschlossen:
Der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben. Der Beschluss des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 22. November 2013 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Gegenstandswert: 42.840 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten um die Berechtigung von Honorarforderungen der Klägerin. Die Klägerin ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die von der Beklagten mit der Durchführung der Abschlussprüfungen für die Jahre 2006 bis 2008 beauftragt wurde. Die schriftlich bestätigten Aufträge enthalten zum Honorar Folgendes: "Wir schätzen, dass das auf Basis der erhaltenen Unterlagen kalkulierte Pauschalhonorar und aufgrund der Prüfungshandlungen einen Betrag von für 2006: 16.000 € für 2007: 10.000 € für 2008: 10.000 € zzgl. Umsatzsteuer in der gesetzlichen Höhe nicht übersteigen wird. Das genannte Honorar ergibt sich aus der Schätzung der anfallenden Prüferstunden bei Berücksichtigung eines Durchschnittsstundensatzes von 80 €."
2
Die Klägerin rechnete ihre Leistungen zunächst nach Aufwand in Höhe von 26.304,95 € ab. Die Bezahlung verweigerte die Beklagte, da sie die Abrechnung nicht nachvollziehen könne. Daraufhin erstellte die Klägerin eine Rechnung über ein Gesamtpauschalhonorar von 36.000 € netto zzgl. Umsatzsteuer. Dieser Betrag ist Gegenstand der Klage.
3
In erster Instanz hat die Beklagte vorgetragen, es sei im Rahmen von Besprechungen im Mai/Juni 2010, vor Abschluss der PauschalHonorarvereinbarung , ausdrücklich vereinbart worden, dass die Leistungen der Klägerin nach Zeitaufwand abzurechnen seien, und zwar nach einem Stundensatz von 80 €. Zudem sei die Klägerin gebeten worden, eine Honorarobergrenze zu benennen. Vor diesem Hintergrund habe der Geschäftsführer der Beklagten die Pauschal-Honorarvereinbarung unterschrieben, weil er den Inhalt der zuvor geführten Gespräche in Erinnerung gehabt und an der Seriosität der Klägerin nicht gezweifelt habe.
4
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, es könne dahinstehen, ob vor dem Zeitpunkt der schriftlichen Vereinbarung des Pauschalhonorars im Rahmen von Besprechungen zwischen den Parteien von einer Abrechnung nach Stundensätze die Rede gewesen sei, da der Vertrag schließlich mit einer PauschalHonorarvereinbarung geschlossen worden sei.
5
Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung hat sie unter anderem ausgeführt: "Im Zuge der Überprüfung des Ersturteils hat der Geschäftsführer der Beklagten die Angelegenheit nochmals hausintern mit seinem Geschäftspartner, Herrn St. besprochen. Hierbei stellte sich heraus, dass Herr St., nachdem die Auftragsbestätigungen für die Jahre 2006 bis 2008 bei der Beklagten eingegangen waren, bei dem Geschäftsführer der Klägerin, Herrn R., anrief und ihn befragte, weshalb er nicht eine relativ kurzgefasste Stundenlohnvereinbarung, sondern statt dessen mehrseitige teilweise kryptisch formulierte Auftragsbestätigungen übersandt habe. Herr R. erklärte Herrn St. hierzu, er könne aufgrund berufsrechtlicher Vorschriften nur auf diese Art und Weise eine Abrechnung nach Zeitaufwand unter gleichzeitiger Geltung der mündlich vereinbarten Honorarobergrenzen wirksam darstellen. Unabhängig von diesen Formulierungen bleibe es jedoch selbstverständlich bei den mündlichen Vereinbarungen, nach denen ausschließlich nach Zeitaufwand zu einem Stundensatz von 80 € abzurechnen ist und die in den Auftragsbestätigungen vom 2. Juli 2010 genannten Beträge absolute Honorarobergrenzen darstellen. Beweis: St., b.b, als Zeuge Der vorstehende Sachverhalt wurde dem Geschäftsführer von Herrn St. Mitte Juni 2013 mitgeteilt, als er mit diesem das Ersturteil durchging. Ihm war dieser Sachverhalt zuvor nicht bekannt gewesen. Aufgrund dessen konnte auch in erster Instanz noch nicht vorgetragen werden."
6
Das Berufungsgericht hat die Beklagte mit Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe. Unter anderem hat das Berufungsgericht ausgeführt, es könne dahinstehen, ob vor der schriftlichen Vereinbarung des Pauschalhonorars zwischen den Parteien bereits ein mündlicher Vertrag auf Stundenbasis zustande gekommen sei. Wäre dies so, wäre der mündliche Vertrag durch den nachfolgenden schriftlichen Vertrag überholt bzw. abgeändert worden.
7
Zu dem Hinweisbeschluss hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2013 Stellung genommen und unter anderem ausgeführt: "Der wahre Wille der Vertragsschließenden zeigt sich auch noch einmal in dem Telefonat zwischen Herrn St. und dem Geschäftsführer der Klägerin, Herrn R., nach Erhalt der Auftragsbestätigungen im Juli 2010. In diesem Telefonat rechtfertigte Herr R. die Wortwahl in Ziff. 6 der Auftragsbestätigung damit, dass nur auf diese Weise die zuvor mündlich vereinbarte Honorarobergrenze erreicht werden kann und versicherte nochmals, dass selbstverständlich entsprechend der zuvor mündlich vereinbarten Honorarregelung abgerechnet wird. … Die Besprechungen zwischen den Parteien vor sowie das Telefonat zwischen Herrn St. und Herrn R. nach Übersendung der Auftragsbestätigungen wurden jedoch vom Gericht in keinster Weise berücksichtigt. Auch das auf Blatt 5 der Berufungsbegründung ausführlich geschilderte Telefonat hätte maßgeblich zur Ermittlung des tatsächlichen Willens und des gemeinsamen Verständnisses der Parteien über den Regelungsgehalt der Ziff. 6 in den Auftragsbestätigungen beigetragen."
8
Mit Beschluss vom 22. November 2013 hat das Berufungsgericht gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Berufung zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde der Beklagten.

II.

9
1. Das Berufungsgericht führt aus: Es sei richtig, dass der übereinstimmende Wille der Parteien dem Wortlaut eines Vertrages vorgehe. Allerdings könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses kein Pauschalhonorar gewollt habe. Anderslautende Stellungnahmen im Vorfeld seien in den Vertrag nicht eingeflossen.
10
2. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg. Der Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG. Er ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 544 Abs. 7 ZPO, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht.
11
Ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Parteivorbringen nicht zur Kenntnis nimmt (BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 2015 - VII ZR 272/13, juris Rn. 9; vom 10. April 2014 - VII ZR 126/12, juris Rn. 7; vom 8. Juli 2010 - VII ZR 195/08, BauR 2010, 1792 Rn. 8).
12
So liegt der Fall hier. Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Beklagten zum übereinstimmenden Verständnis der Parteien über den Inhalt der Honorarvereinbarung vollständig übergangen und in seinen Gründen weder in der Sachverhaltsdarstellung noch im Rahmen der rechtlichen Bewertung erwähnt. Da dieser Vortrag den Kern des Rechtsstreits betrifft, indiziert dessen Nichterwähnung , dass das Berufungsgericht ihn nicht zur Kenntnis genommen hat. Deshalb hat es auch nicht erwogen, den hierzu benannten Zeugen St. zu vernehmen.
13
Das angefochtene Urteil beruht auf dem Verfahrensverstoß. Bei Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten ist es nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht zu der Bewertung gelangt wäre, dass die Vertragsparteien übereinstimmend den Vertrag im Sinne eines Vergütungsanspruchs der Klägerin nach Zeitaufwand verstanden haben, mithin kein Anspruch auf ein Pauschalhonorar besteht und deshalb das Berufungsgericht zu einer für die Beklagte günstigeren Entscheidung gelangt wäre.
Eick Halfmeier Kartzke Jurgeleit Wimmer

Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 06.05.2013 - 10 HKO 9575/12 -
OLG München, Entscheidung vom 22.11.2013 - 7 U 2287/13 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2015 - VII ZR 324/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2015 - VII ZR 324/13

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2015 - VII ZR 324/13 zitiert 4 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2015 - VII ZR 324/13 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2015 - VII ZR 324/13 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2015 - VII ZR 272/13

bei uns veröffentlicht am 24.06.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VII ZR 272/13 vom 24. Juni 2015 in dem Rechtsstreit Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richteri

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juli 2010 - VII ZR 195/08

bei uns veröffentlicht am 08.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VII ZR 195/08 vom 8. Juli 2010 in dem Rechtsstreit Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Bauner, Dr. Eick, Halfmeier und Leupertz

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2014 - VII ZR 126/12

bei uns veröffentlicht am 10.04.2014

Tenor Der Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision wird teilweise stattgegeben. Das Teil-, Vo
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2015 - VII ZR 324/13.

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2016 - VII ZR 162/13

bei uns veröffentlicht am 28.01.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VII ZR 162/13 vom 28. Januar 2016 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2016:280116BVIIZR162.13.0 Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Halfmei

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Dez. 2015 - IX ZR 11/14

bei uns veröffentlicht am 03.12.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 11/14 vom 3. Dezember 2015 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2015:031215BIXZR11.14.0 Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr

Referenzen

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

9
Ein Verstoß gegen den Anspruch auf die Gewährung rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Parteivorbringen nicht zur Kenntnis nimmt (BGH, Beschlüsse vom 10. April 2014 - VII ZR 126/12, juris Rn. 7; vom 8. Juli 2010 - VII ZR 195/08, BauR 2010, 1792 Rn. 8).

Tenor

Der Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision wird teilweise stattgegeben.

Das Teil-, Vorbehalts- und Schlussurteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 29. Februar 2012 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es der Klägerin für die im Rahmen ihres Planungsauftrags betreffend die Technische Ausrüstung erbrachten Leistungen der Leistungsphase 5 des § 73 HOAI 112.944,40 € (94.911,26 € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer) sowie für die nach Kündigung dieses Vertrags nicht ausgeführten Leistungen eine 29.975,74 € übersteigende Vergütung, jeweils zuzüglich Zinsen, zugesprochen hat.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 1.382.744,07 € (659.300,12 € + 416.740,83 € + 306.703,12 € Hilfsaufrechnung),

des stattgebenden Teils: 238.447,10 € (112.944,40 € + 125.502,70 € [155.478,44 € - 29.975,74 €])

Gründe

I.

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten restliches Honorar aus drei Verträgen über Architekten- und Ingenieurleistungen. Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Verträgen vom 11. Oktober 2006 mit Planungsleistungen zum Umbau, zur Sanierung und Erweiterung des Krankenhauses in U./ S-A:

1. Gebäude: § 15 HOAI Leistungsphasen 3 bis 9

2. Tragwerk: § 64 HOAI Leistungsphasen 1 bis 6

3. Technische Ausrüstung: § 73 HOAI Leistungsphasen 1 bis 9.

2

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 4. Juli 2009 die drei Verträge außerordentlich.

3

Die Klägerin rechnete mit drei Schlussrechnungen die von ihr erbrachten Leistungen bis einschließlich Leistungsphase 5 und die nicht erbrachten Leistungen ab Leistungsphase 6 abzüglich ersparter Aufwendungen ab.

4

Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 26. September 2011, berichtigt mit Beschluss vom 18. November 2011, zur Zahlung von 185.406,01 € zuzüglich Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

5

Das Berufungsgericht hat auf Berufung und Anschlussberufung mit Teil-, Vorbehalts- und Schlussurteil das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

...

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 306.703,12 € nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. September 2011 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte bis zum 26. Juni 2010 mit der Entgegennahme der jeweiligen Planungsleistungen aus der jeweiligen Leistungsphase 5 der drei diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Verträge - soweit sie der Beklagten bis zum 29. Juni 2010 noch nicht übergeben wurden - in Annahmeverzug befand.

Der Beklagten bleibt vorbehalten, die Aufrechnung mit ihrem Anspruch auf Erstattung von 67.726,84 € Kosten des Ausschreibungsverfahrens geltend zu machen.

Die weitergehende Berufung und die Anschlussberufung werden zurückgewiesen.

...

6

Die Beklagte wendet sich mit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Berufungsurteil mit dem Ziel der vollständigen endgültigen Abweisung der Klage. Sie greift das Urteil u.a. an, soweit das Berufungsgericht der Klägerin für die Leistungen entsprechend Leistungsphase 5 des § 73 HOAI ein Honorar zugesprochen hat und bei Ermittlung des für die nicht erbrachten Leistungen der Technischen Ausrüstung zu beanspruchenden Honorars ersparte Aufwendungen in angeblich zu geringer Höhe in Abzug gebracht hat.

II.

7

1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, soweit dieses der Klägerin für die erbrachten Leistungen gemäß Leistungsphase 5 des § 73 HOAI ein Honorar und nach Kündigung des Vertrags betreffend die Technische Ausrüstung für nicht erbrachte Leistungen ein 29.975,74 € übersteigendes Honorar zugesprochen hat. In beiden Fällen hat das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt, weil es deren entscheidungserheblichen Vortrag nicht berücksichtigt hat. Es ist daher anzunehmen, dass das Berufungsgericht die Ausführungen der Beklagten nicht zur Kenntnis genommen, jedenfalls nicht in Erwägung gezogen hat, was einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG begründet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 2012 - 1 BvR 1999/09, juris Rn. 12).

8

a) Das Berufungsgericht beruht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten, soweit es der Klägerin für Leistungen der Leistungsphase 5 des § 73 HOAI das beantragte Honorar in voller Höhe zugesprochen hat.

9

aa) Das Berufungsgericht führt - soweit hier von Interesse - aus, es sei entsprechend dem Vortrag der Klägerin davon auszugehen, dass sie die Leistungen der Leistungsphase 5 vollständig und mangelfrei erbracht habe und die Unterlagen darüber am 19. Dezember 2008 teilweise und nach Klageerhebung in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2010 in 19 Ordnern vollständig an die Beklagte übergeben habe. Die Beklagte trage nicht vor, weshalb diese Unterlagen nur zu 25 % vertragsgerecht sein sollen.

10

bb) Die Beklagte hat unter Beweisantritt und unter Bezugnahme auf die von ihr eingeholten Privatgutachten B 115, B 116 und B 117 vorgetragen, dass die Klägerin auch unter Berücksichtigung der am 29. Juni 2010 übergebenen Unterlagen die Leistungen der Leistungsphase 5 des § 73 HOAI nur unvollständig und teilweise mangelhaft erbracht habe. Insbesondere hat sie ausgeführt, die Leistungen der Technischen Gebäudeausrüstung seien bei den Gewerken HLS, MSR und A in den 400er-Kostengruppen nur zu 50,49 % und den 500er-Kostengruppen zu 33 % erbracht worden. Bei dem Gewerk Elektro seien in den Kostengruppen 440, 450 und 540 bislang 82,82 % erbracht worden; bei dem Gewerk Medizintechnik seien in den Kostengruppen 470-610 bislang 82,5 % der erforderlichen Leistungen erbracht. Auf diesen erstinstanzlichen Vortrag hat die Beklagte im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 30. Januar 2012 verwiesen. Da das Berufungsgericht nur auf den Vortrag der Beklagten eingeht, dass mit den zunächst ausgehändigten Planungsunterlagen allenfalls 25 % der Leistungen der Leistungsphase 5 erfüllt worden seien, hat es das weitere Vorbringen der Beklagten ersichtlich nicht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen.

11

cc) Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Sachvortrags und einer gegebenenfalls erfolgenden Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin die Leistungen gemäß Leistungsphase 5 des § 73 HOAI unvollständig und teilweise mangelhaft erbracht hat und ihr deshalb insoweit kein oder nur ein geringeres Honorar zuzusprechen ist.

12

b) Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör auch verletzt, soweit es der Klägerin für die nicht erbrachten Leistungen ein 29.975,74 € übersteigendes Honorar zugesprochen hat.

13

aa) Das Berufungsgericht führt ohne nähere Begründung aus, der Klägerin stehe für die nicht erbrachten Leistungen ab Leistungsphase 6 ein Honoraranspruch aus § 649 Satz 2 BGB zu, der für den "Vertrag für Technische Ausrüstung gemäß § 73 HOAI" 155.478,44 € betrage.

14

bb) Die Klägerin hat den vom Berufungsgericht zuerkannten Honoraranspruch von 155.478,44 € ermittelt, indem sie von einem für die nicht ausgeführten Leistungen zu beanspruchenden Vollhonorar von 267.649,76 € ersparte Aufwendungen von 112.171,32 € abgezogen hat. Die Beklagte hat erstinstanzlich dazu Stellung genommen und unter Beweisantritt ersparte Aufwendungen in Höhe von insgesamt 237.674,02 € (52.920 € + 167.670 € + 17.084,02 €) behauptet. Darauf hat sie im Berufungsverfahren Bezug genommen. Da das Berufungsgericht der Klägerin ohne Weiteres ein Honorar in der von ihr geltend gemachten Höhe zuspricht, hat es den unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe in größerem Umfang Aufwendungen erspart, ersichtlich nicht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen.

15

cc) Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Sachvortrags und einer gegebenenfalls erfolgenden Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Klägerin höhere ersparte Aufwendungen, maximal in der von der Beklagten behaupteten Höhe, anrechnen lassen muss.

16

c) Das Berufungsurteil war daher teilweise aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 544 Abs. 7 ZPO.

17

2. Die weitergehende Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg. Von einer näheren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO.

Kniffka                          Safari Chabestari                             Halfmeier

                 Jurgeleit                                      Graßnack

8
Ein Verstoß gegen den Anspruch auf die Gewährung rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Parteivorbringen nicht zur Kenntnis nimmt. Diese Voraussetzungen können auch dann erfüllt sein, wenn die Begründung der angefochtenen Entscheidung nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, nicht aber den Sinn des Parteivortrags erfassenden Wahrnehmung beruht (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2009 - II ZR 77/08, NJW 2009, 2137). So liegt der Fall hier.