Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2010 - VI ZA 3/09

bei uns veröffentlicht am29.06.2010
vorgehend
Landgericht Hamburg, 323 O 284/02, 31.08.2006
Hanseatisches Oberlandesgericht, 1 U 117/06, 20.01.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZA 3/09
vom
29. Juni 2010
in dem Prozesskostenhilfeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei Übermittlung eines Prozesskostenhilfeantrags durch Telefax muss ein Sendeprotokoll
ausgedruckt und anhand dessen überprüft werden, ob alle Seiten des Originalschriftsatzes
neben den erforderlichen Anlagen übermittelt wurden.
BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 - VI ZA 3/09 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juni 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Galke, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen
und den Richter Stöhr

beschlossen:
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren und für die Durchführung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 20. Januar 2009 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen behaupteter ärztlicher Fehlbehandlung in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage durch Versäumnisurteil, das nach einem Einspruch der Klägerin aufrechterhalten worden ist, abgewiesen. Gegen das ihr am 8. September 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. Oktober 2006 Berufung eingelegt. Am letzten Tag der bis zum 8. Dezember 2006 verlängerten Frist zur Berufungsbegründung hat sie einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und einen - ausdrücklich so bezeichneten und nicht vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterschriebenen - Entwurf einer Berufungsbegründung per Telefax beim Berufungsgericht eingereicht. Zugleich hat sie für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das ausgefüllte Formular mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin ist erst mit dem Originalschreiben der Berufungsbegründung am 20. Dezember 2006 bei Gericht eingegangen. In der Erklärung war zwar angekreuzt , dass die Klägerin Unterhaltsleistungen von ihren Eltern bezieht, ein Zweitstück des Vordrucks mit den Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern war jedoch nicht beigefügt. Der entsprechende Vordruck wurde erst nach einem gerichtlichen Hinweis vom 1. Juli 2008 eingereicht.
2
Nach Zurückweisung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts durch Beschlüsse vom 3. September 2008 und vom 22. Oktober 2008 sowie dem Hinweis, dass die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen werden soll, mit Beschluss vom 2. Dezember 2008 hat das Oberlandesgericht die Berufung der Klägerin durch den angefochtenen Beschluss vom 20. Januar 2009 als unzulässig verworfen. Dagegen will die Klägerin eine Rechtsbeschwerde erheben. Dafür und für das Prozesskostenhilfeverfahren hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt.

II.

3
Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe liegen nicht vor. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren ist bereits deshalb zurückzuweisen, weil für das Bewilligungsverfahren selbst keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann (BGHZ 91, 311; Senat, Beschluss vom 8. Juni 2004 - VI ZB 49/03 - NJW 2004, 2595, 2596). Hinsichtlich des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist zwar statthaft, weil das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist aber unzulässig , weil die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht vorliegen (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch gebieten die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
4
1. Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Berufung sei nicht fristgemäß begründet worden, weil am letzten Tag der Frist zur Berufungsbegründung lediglich ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und ein - ausdrücklich so bezeichneter und nicht vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterschriebener - Entwurf einer Berufungsbegründung per Fax eingereicht worden ist.
5
2. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen , dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfolgen konnte, weil die Frist zur Begründung der Berufung nicht unverschuldet versäumt worden ist. Unterbleibt die fristgerechte Rechtsmittelbegründung wegen wirtschaftlichen Unvermögens, ist die Frist unverschuldet versäumt, wenn die Partei bis zu deren Ablauf einen vollständigen Prozesskostenhilfeantrag einreicht oder der ohne Verschulden der Partei unvollständige Antrag innerhalb der Frist des § 234 ZPO ergänzt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 2002 - IX ZA 10/01 - NJW 2002, 2180; vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 - NJW-RR 2006, 140, 141; vom 22. Februar 2007 - VII ZA 7/06 - FamRZ 2007, 809).
6
a) Die Klägerin hat die zu einem vollständigen Prozesskostenhilfeantrag gehörende Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (§ 117 Abs. 2, 4 ZPO) nicht bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgelegt , sondern den Prozesskostenhilfeantrag ohne Beifügung einer solchen Erklärung an das Gericht gefaxt und die zusätzlich erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Eltern nebst den beizufügenden Belegen erst nach dem richterlichen Hinweis im August 2008 eingereicht.
7
b) Der vorgetragene Sachverhalt rechtfertigt auch nicht die Annahme, dass sie an der verspäteten Vorlage kein Verschulden trifft. Ein der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist durch dessen anwaltliche Versicherungen nicht ausgeräumt.
8
aa) Ein Rechtsanwalt muss dafür Sorge tragen, dass der Prozesskostenhilfeantrag vollständig mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich der entsprechenden Belege innerhalb der Berufungsbegründungsfrist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Bei Übermittlung eines Prozesskostenhilfeantrags durch Telefax muss er durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass eine Überprüfung erfolgt, ob der Antragsschriftsatz mit den erforderlichen Anlagen auch wirklich vollständig übermittelt worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. März 2001 - V ZB 5/01 - NJW-RR 2001, 1072; vom 22. Februar 2007 - VII ZA 7/06 - aaO). Über die konkrete Übermittlung muss ein Sendeprotokoll ausgedruckt und anhand dessen überprüft werden, ob alle Seiten des Originalschriftsatzes neben den erforderlichen Anlagen übermittelt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1994 - V ZR 62/93 - NJW 1994, 1879 f.; Beschlüsse vom 13. Juni 1996 - VII ZB 13/96 - NJW 1996, 2513; vom 8. März 2001 - V ZB 5/01 - aaO; vom 7. Mai 2001 - II ZB 16/00 - BGH-Report 2001, 809; vom 22. Februar 2007 - VII ZA 7/06 - aaO).
9
bb) Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten die allgemeine Anweisung bestand, die sich aus dem Sendebericht ergebenden Seitenzahlen mit denen der Originalvorlagen zu vergleichen oder dass insoweit eine Einzelanweisung an die damalige Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten erfolgt ist. Dieser hat vielmehr insoweit nur vorgetragen, dass diejenige Mitarbeiterin, die zur Fristwahrung die Schriftsätze an das Gericht faxte und/oder per Gerichtspost versandte, vorher abschließend zu prüfen hatte, ob diese vollständig und alle Anlagen beigefügt waren. Dies beinhaltet nicht die Kontrolle, ob nach den im Sendeprotokoll angegebenen Seitenzahlen dem Telefax tatsächlich die entsprechenden Unterlagen beigefügt waren oder - wie hier unstreitig - nur eine Übersendung des Prozesskostenhilfeantrags ohne Anlagen erfolgt ist. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass die unvollständige Vorlage des Prozesskostenhilfeantrags auf ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zurückzuführen ist, da bei einer entsprechenden Kontrolle des Sendeprotokolls festgestellt worden wäre, dass die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin und ihrer Eltern nicht mit übersandt worden ist.
10
3. Es ist im Übrigen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Vortrag, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe noch vor Unterzeichnung des Schriftsatzes vom 8. Dezember 2006 alle Anlagen auf Vollständigkeit überprüft und die Akte sei dann mit diesen Unterlagen an eine Rechtsanwaltsfachangestellte zur Absendung zurückgegangen, nicht für eine Glaubhaftmachung als ausreichend angesehen hat. Die entsprechende Würdigung ist angesichts des Umstandes, dass die Unterlagen weder per Fax noch per Post zur Gerichtsakte gelangt sind und weder im Original noch in Kopie in der Akte des Prozessbevollmächtigten verblieben sind, lebensnah.
11
4. Der Entscheidung des Berufungsgerichts steht auch nicht der von der Klägerin angeführte Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. Mai 2008 (- II ZB 19/07 - NJW-RR 2008, 1306) entgegen. Bei dieser Entscheidung lag ein anderer Sachverhalt vor. In diesem Verfahren war nämlich dem Antrag auf Prozesskostenhilfe die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen beigefügt. Die Fristsetzung des Gerichts ist nur zur Vervollständigung dieser Angaben erfolgt. Auf die in der Entscheidung des Senats vom 6. Mai 2008 (VI ZB 16/07, VersR 2008, 1559) angestellten Erwägungen kommt es nach den vorstehenden Ausführungen nicht an. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 31.08.2006 - 323 O 284/02 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 20.01.2009 - 1 U 117/06 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2010 - VI ZA 3/09

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2010 - VI ZA 3/09

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2010 - VI ZA 3/09 zitiert 9 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 117 Antrag


(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag au

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2010 - VI ZA 3/09 zitiert oder wird zitiert von 48 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2010 - VI ZA 3/09 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2004 - VI ZB 49/03

bei uns veröffentlicht am 08.06.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 49/03 vom 8. Juni 2004 in dem Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO §§ 114, 118 Abs. 1 Satz 3 Im Falle des Abschlusses eines Vergleichs im Erörterungstermin gemäß

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2002 - IX ZA 10/01

bei uns veröffentlicht am 21.02.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZA 10/01 vom 21. Februar 2002 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein ZPO §§ 233 Ha, 234 Abs. 1 A Wenn die rechtzeitige Vornahme einer fristwahrenden Handlung - wie die Einlegung der Revision - weg

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Aug. 2005 - XII ZB 116/05

bei uns veröffentlicht am 31.08.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 116/05 vom 31. August 2005 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 117 Abs. 2, 233 B, Hb 517 a) Dem Antrag auf Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Berufungsverfahrens

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. März 2001 - V ZB 5/01

bei uns veröffentlicht am 08.03.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 5/01 vom 8. März 2001 in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 8. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Schneider, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Gaier

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Mai 2008 - II ZB 19/07

bei uns veröffentlicht am 26.05.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZB 19/07 vom 26. Mai 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 234 Abs. 1 Satz 1 A a) Eine mittellose Partei, die innerhalb der Rechtsmittelfrist ein Prozesskostenhilfegesuch m
43 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2010 - VI ZA 3/09.

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Feb. 2019 - II ZB 14/18

bei uns veröffentlicht am 05.02.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZB 14/18 vom 5. Februar 2019 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2019:050219BIIZB14.18.0 Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Drescher und die Richter

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Feb. 2019 - II ZB 13/18

bei uns veröffentlicht am 05.02.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZB 13/18 vom 5. Februar 2019 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2019:050219BIIZB13.18.0 Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Drescher und die Richter

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Feb. 2019 - II ZB 12/18

bei uns veröffentlicht am 05.02.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZB 12/18 vom 5. Februar 2019 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2019:050219BIIZB12.18.0 Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Drescher und die Richter

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Feb. 2019 - II ZB 11/18

bei uns veröffentlicht am 05.02.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZB 11/18 vom 5. Februar 2019 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2019:050219BIIZB11.18.0 Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Drescher und die Richter

Referenzen

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 49/03
vom
8. Juni 2004
in dem Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Im Falle des Abschlusses eines Vergleichs im Erörterungstermin gemäß § 118
Abs. 1 Satz 3 ZPO kann Prozeßkostenhilfe nur für den Vergleich, nicht aber für das
gesamte Prozeßkostenhilfeverfahren bewilligt werden (im Anschluß an BGH, Beschluß
vom 30. Mai 1984 - VIII ZR 298/83, BGHZ 91, 311).
BGH, Beschluß vom 8. Juni 2004 - VI ZB 49/03 - OLG Frankfurt a.M.
LG Gießen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juni 2004 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und
Stöhr

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 2003 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat beim Landgericht Prozeßkostenhilfe für eine Klage beantragt, mit der sie dem Antragsgegner unter Androhung von Ordnungsmitteln den Aufenthalt in ihrer Nähe sowie Anrufe und SMS-Nachrichten verbieten lassen wollte. Der Antragsgegner hat zu seiner Rechtsverteidigung Prozeßkostenhilfe beantragt. In einem zur Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch der Antragstellerin anberaumten Erörterungstermin haben die Parteien am 18. November 2002 einen Vergleich geschlossen, in dem der Antragsgegner sich verpflichtet hat, es zu unterlassen, sich in geringerer Entfernung als 50 m von der Antragstellerin aufzuhalten und diese unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln durch Telefonanrufe oder SMS zu belästigen. Der Vergleich bestimmt weiter, daß die Kosten des Verfahrens und des Vergleichs
gegeneinander aufgehoben werden sollen. Durch Beschluß vom selben Tage hat das Landgericht dem Antragsgegner für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft angedroht. Mit Beschluß vom 28. November 2002 hat das Landgericht dem Antragsgegner für den Vergleich vom 18. November 2002 unter Beiordnung eines Rechtsanwalts Prozeßkostenhilfe bewilligt. In demselben Umfang hat das Landgericht am 10. Dezember 2002 auch der Antragstellerin Prozeßkostenhilfe bewilligt. Die weitergehenden Anträge der Parteien hat das Landgericht mit Beschlüssen vom 17. und 23. Januar 2003 zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichteten sofortigen Beschwerden beider Parteien mit Beschlüssen vom 18. Juni 2003 zurückgewiesen und jeweils die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine höchstrichterliche Entscheidung der Frage erforderlich sei, ob im Falle eines Vergleichs im Prozeßkostenhilfeverfahren Prozeßkostenhilfe nur für den Vergleich oder aber für das gesamte Verfahren zu bewilligen sei, sofern Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung bestanden habe.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig. 2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Das Beschwerdegericht hat den Prozeßkostenhilfeantrag des Antragsgegners zu Recht zurückgewiesen.

a) Prozeßkostenhilfe kann unter den Voraussetzungen von § 114 ZPO einer Partei bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dabei ist für die Partei, die Prozeßkostenhilfe für eine Klage begehrt, auf deren Erfolgsaussichten abzustellen. Nicht erforderlich ist, daß die Klage schon erhoben worden ist. Um einer Partei zu ermöglichen, gegebenenfalls auch bei fehlenden oder unzureichenden finanziellen Mitteln einen Rechtsstreit zu führen, kann ihr Prozeßkostenhilfe auch für eine zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht erhobene, sondern nur beabsichtigte Klage bewilligt werden. Anders liegen die Dinge dagegen auf Seiten des Antragsgegners. Ihm ist unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen Prozeßkostenhilfe zu gewähren, wenn seine Rechtsverteidigung hinreichende Erfolgsaussicht hat. Dafür ist erforderlich, daß die gegen ihn gerichtete Klage unschlüssig ist oder er Tatsachen vorträgt, die zur Klageabweisung führen können. Solange eine Klage aber noch gar nicht erhoben ist und auch nicht feststeht, ob sie jemals erhoben wird, braucht er sich vor Gericht nicht zu verteidigen. Deshalb darf ihm zur Abwehr eines Begehrens, das mangels Klagezustellung noch nicht rechtshängig geworden ist, im allgemeinen keine Prozeßkostenhilfe bewilligt werden (OLG Zweibrücken, FamRZ 1985, 301; OLG Karlsruhe, FamRZ 1988, 1182; OLG Bremen, FamRZ 1989, 198; LG Koblenz , FamRZ 1998, 1300; OLG Jena, OLG-NL 2001, 42; Musielak/Fischer, ZPO, 3. Aufl., § 114 Rdn. 13; Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 114 Rdn. 25; zu Besonderheiten bei Schutzschriften im gewerblichen Rechtsschutz vgl. MünchKomm -ZPO/Wax, 2. Aufl., § 114, Rdn. 56).
b) Diese Erwägungen gelten grundsätzlich auch für den Fall, daß eine Partei Prozeßkostenhilfe für eine beabsichtigte Klage beantragt und dieser Antrag dem Gegner gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Stellungnahme zugeleitet wird. Solange die angekündigte Klage nicht erhoben ist, liegen für den Antragsgegner die Voraussetzungen von § 114 ZPO regelmäßig nicht vor. Für das
Prozeßkostenhilfeverfahren kann Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden (BGHZ 91, 311, 312). Soweit von diesem Grundsatz in einem Fall abgewichen wurde, in dem der Beklagte zur Stellungnahme zu einem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Unterhaltsvergleich aufgefordert wurde und die Zustellung der Klage unterblieb, weil dem Gegner keine Prozeßkostenhilfe bewilligt wurde (OLG Karlsruhe, FamRZ 2000, 1022 f.), handelt es sich ersichtlich um einen besonders gelagerten und der Verallgemeinerung nicht zugänglichen Sachverhalt (vgl. Musielak/Fischer, aaO).
c) Der Grundsatz, daß für das Prozeßkostenhilfeverfahren Prozeßkostenhilfe grundsätzlich nicht gewährt wird, gilt auch dann, wenn das Gericht – wie hier - die Parteien gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO zur mündlichen Erörterung lädt. Gegenstand der Erörterung ist der Prozeßkostenhilfeantrag, nicht der angekündigte Sachantrag. Das Gericht darf nicht "verhandeln". Zeugen und Sachverständige darf es gemäß § 118 Abs. 2 Satz 3 ZPO allenfalls zur Klärung der Frage vernehmen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (vgl. MünchKomm -ZPO/Wax, aaO, Rdn. 54).
d) Nur für den Fall, daß bei der summarischen Prüfung oder Erörterung des Antrags auf Prozeßkostenhilfe beide Seiten einigungsbereit sind, erlaubt das Gesetz aus Zweckmäßigkeitsgründen, nämlich zur Ermöglichung einer gütlichen vorprozessualen Regelung, daß im Prozeßkostenhilfeverfahren über den Klageanspruch selbst eine Regelung im Wege eines Vergleichs erfolgt (§ 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Hier sprengt das Gesetz den Rahmen des Prozeßkostenhilfeverfahrens ; Gegenstand der Prüfung und Erörterung sind jetzt nicht mehr die Hilfsbedürftigkeit des Antragstellers und die Erfolgsaussicht seines Begehrens , sondern jetzt geht es um die Sache selbst (vgl. Pentz, NJW 1982, 1269, 1270). Kommt es dabei zu einer Einigung der Parteien, ist aus denselben
Zweckmäßigkeitsgründen, aus denen der Abschluß eines Vergleichs im Prozeßkostenhilfeverfahren gestattet ist, auch eine Ausnahme von dem Grundsatz gerechtfertigt, daß im Bewilligungsverfahren selbst keine Prozeßkostenhilfe gewährt wird. Ein Vergleichsabschluß ist keine Regelung über den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe, sondern über die Sache selbst. Der bisher vom Ausgang des Prozeßkostenhilfeverfahrens nicht unmittelbar betroffene Gegner bindet sich jetzt. Da er dabei - ebenso wie der Antragsteller - rechtliche Beratung benötigen kann, ist die Interessenlage beider Seiten nunmehr gleich. In diesem Sonderfall kann - unter den Voraussetzungen des § 114 ZPO - dem Antragsgegner ebensowenig wie dem Antragsteller die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts auf Staatskosten verwehrt werden (Pentz, aaO). Deshalb darf für den Abschluß eines Vergleichs in einem Erörterungstermin (§ 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO) gegebenenfalls beiden Parteien Prozeßkostenhilfe gewährt werden (h.M., vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 114 Rdn. 12 und Fn. 32 f. mit zahlreichen Nachweisen).
e) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann einer Partei im Falle des Abschlusses eines Vergleichs im Erörterungstermin gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO Prozeßkostenhilfe aber nur für den Vergleich selbst und nicht für das gesamte Prozeßkostenhilfeverfahren bewilligt werden (OLG München , MDR 1987, 239; OLG Saarbrücken, JurBüro 1989, 80; OLG Bamberg, JurBüro 1993, 547; OLG Celle, JurBüro 1997, 200). Der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen gegenteiligen Auffassung (OLG Schleswig, FamRZ 1985, 88; OLG Hamm, AnwBl 1985, 654; OLG Stuttgart, JurBüro 1986, 1576; OLG Hamm, FamRZ 1987, 1062; OLG Frankfurt, JurBüro 1990, 509; OLG Koblenz, FamRZ 1990, 180; OLG Bamberg, JurBüro 1995, 423; OLG Düsseldorf, NJWRR 1996, 838; OLG Nürnberg, NJW-RR 1998, 864; OLG Nürnberg, MDR 1999, 1286; OLG Düsseldorf, FamRZ 2001, 1155; MünchKomm-ZPO/Wax, aaO, § 118 Rdn. 27; Musielak/Fischer, aaO, § 118, Rdn. 6; Zöller/Philippi, aaO, § 118
Rdn. 8 m.w.N.) vermag der Senat nicht zu folgen. Mit Recht weist das Beschwerdegericht darauf hin, daß die von der Gegenmeinung im wesentlichen angeführten Aspekte der Prozeßökonomie und der Billigkeit nicht geeignet sind, im Falle eines Vergleichs die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das gesamte Prozeßkostenhilfeverfahren zu rechtfertigen. aa) Richtig ist, daß bei einer auf den Vergleich beschränkten Prozeßkostenhilfe der anwaltlich vertretenen Partei die ihrem Rechtsanwalt zustehende Verfahrensgebühr gemäß §§ 51 Abs. 1, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO und die gegebenenfalls für die Wahrnehmung des Erörterungstermins anfallende Erörterungsgebühr gemäß §§ 51 Abs. 1, 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO nicht aus der Staatskasse erstattet werden. Dies ist die Folge des Grundsatzes, daß für das Prozeßkostenhilfeverfahren Prozeßkostenhilfe nicht gewährt wird. Prozeßkostenhilfe soll nach ihrem Sinn und Zweck der minderbemittelten Partei ermöglichen , ihr Recht vor Gericht zu verfolgen oder sich in einem Rechtsstreit zu verteidigen (BGHZ aaO). Sie dient aber nicht dazu, eine Partei für ihre Vergleichsbereitschaft (mit einem Kostenerstattungsanspruch) zu "belohnen". Auch der Gesichtspunkt, daß § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO eine möglichst frühe und damit kostengünstige gütliche Beilegung der Streitigkeit fördern will, kann die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das gesamte Verfahren bei Abschluß eines Vergleichs nicht rechtfertigen. Ein Vergleich ist nicht die einzige Möglichkeit einer Streitbeendigung. Eine gütliche Einigung kann auch dadurch erfolgen, daß der Antragsteller seinen Antrag zurückzieht oder der Antragsgegner sich vor Klageerhebung zur Erfüllung bereit erklärt. Findet das Verfahren auf diese Weise seine Erledigung, kommt die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe auch nach Auffassung derjenigen, die für den Fall des Vergleichs die Bewilligung für das gesamte Verfahren befürworten, nicht in Betracht. Eine umfassende Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nur bei Abschluß eines Vergleichs würde somit zu einem
Wertungswiderspruch führen, der mit dem Sinn und Zweck des Instituts der Prozeßkostenhilfe nicht zu vereinbaren wäre. bb) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, daß eine Partei, um von den Gebühren nach § 51 BRAGO freizukommen, den Vergleich zunächst ablehnen, weiterhin Prozeßkostenhilfe für die Hauptsache verlangen und nach deren Bewilligung den Vergleich schließen könnte, worüber sie ihr Anwalt vor Abschluß eines Vergleichs im Prozeßkostenhilfeverfahren pflichtgemäß aufklären müßte. Richtig ist, daß bei Abschluß eines Vergleichs erst im Hauptsacheverfahren die gemäß § 51 BRAGO ermäßigten Gebühren aus dem vorangegangenen Prozeßkostenhilfeverfahren auf die vollen Gebühren gem. § 31 BRAGO angerechnet würden und nunmehr von der Staatskasse zu zahlen wären, so daß es für die Partei günstiger sein könnte, den Vergleich erst im Hauptsacheverfahren abzuschließen (vgl. MünchKomm-ZPO/Wax, aaO, § 118, Rdn. 27; Musielak/Fischer, aaO, § 118, Rdn. 6; Zöller/Philippi, aaO, § 118, Rdn. 8, jeweils m.w.N.). Diese Erwägungen lassen jedoch mehrere Gesichtspunkte außer acht. Zum einen hat die mittellose Partei bei ihrer Entscheidung, ob sie mit dem Vergleichsabschluß warten soll, zu bedenken, daß sie nicht sicher sein kann, ob der in Aussicht genommene Vergleich später überhaupt noch zustande kommt. Zum anderen muß sie, worauf das Beschwerdegericht zutreffend hinweist, auch berücksichtigen, daß sie im Falle des Unterliegens oder Teilunterliegens im Hauptsacheverfahren mit außergerichtlichen Kosten der Gegenseite belastet wird und sich deshalb durch Ablehnung eines Vergleichs im Prozeßkostenhilfeverfahren einem nicht unerheblichen Kostenrisiko aussetzt. Noch ungewisser ist die Lage für den um Prozeßkostenhilfe nachsuchenden Antragsgegner. Er wird oftmals schon keine ausreichende Gewißheit darüber haben, ob oder in welchem Umfang die Klage überhaupt erhoben wird, falls der Antragsteller keine Prozeßkostenhilfe erhält. Des weiteren muß der Antragsgegner gegebenenfalls auch damit rechnen, daß sein Prozeßkostenhil-
feantrag, über den erst nach erfolgter Klagezustellung zu befinden ist, mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurückgewiesen wird, was zur Folge hätte, daß er im für ihn ungünstigsten Fall mit den gesamten Kosten des Verfahrens belastet werden könnte. Auch über diese Risiken muß die mittellose Partei gegebenenfalls von ihrem Anwalt aufgeklärt werden. Entschließt sie sich gleichwohl dazu, einen ins Auge gefaßten Vergleich nicht schon im Prozeßkostenhilfeverfahren abzuschließen, sondern damit wegen des erhofften Kostenerstattungsanspruchs bis zum Hauptsacheverfahren zu warten, ist diese Entscheidung ungeachtet ihrer kostenrechtlichen Folgen hinzunehmen. cc) Zutreffend weist das Beschwerdegericht im übrigen auch darauf hin, daß nach der Entstehungsgeschichte der im Jahre 1980 neugefaßten Vorschriften des Prozeßkostenhilferechts davon auszugehen ist, daß der Gesetzgeber, der in § 114 ZPO eine Regelung für die Kosten "der Prozeßführung" getroffen hat, eine Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für ein vorgeschaltetes Prozeßkostenhilfeverfahren nicht gewollt hat. Andernfalls hätte es angesichts des damals schon währenden Meinungsstreits nahegelegen, durch eine entsprechende Gesetzesfassung für Klarheit zu sorgen, was nicht geschehen ist. Vielmehr ist auch noch bei der Neuregelung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) vom 5. Mai 2004 (BGBl I 2004, 718, 788) deutlich geworden, daß der Gesetzgeber auf dem Standpunkt steht, für das Prozeßkostenhilfeverfahren gebe es
keine Prozeßkostenhilfe (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 217 f. zu Nummer 3334). Anhaltspunkte dafür, daß im Falle des Vergleichsabschlusses etwas anderes gelten solle, sind nicht ersichtlich.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 10/01
vom
21. Februar 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO §§ 233 Ha, 234 Abs. 1 A
Wenn die rechtzeitige Vornahme einer fristwahrenden Handlung - wie die Einlegung
der Revision - wegen des wirtschaftlichen Unvermögens einer Partei unterbleibt, ist
die Frist unverschuldet versäumt, sofern die Partei bis zu deren Ablauf um Bewilligung
der Prozeßkostenhilfe nachsucht oder - im Falle eines fehlenden Verschuldens
- der Antrag auf Prozeßkostenhilfe noch später (in der Frist des § 234 ZPO)
gestellt wird.
BGH, Beschluß vom 21. Februar 2002 - IX ZA 10/01 - OLG Brandenburg
LG Neuruppin
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft und die Richter Stodolkowitz, Dr. Ganter, Raebel und Kayser
am 21. Februar 2002

beschlossen:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozeûkostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:


Der Antrag der Klägerin, ihr zur Durchführung der Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 1. August 2001 Prozeûkostenhilfe zu gewähren, wird zurückgewiesen, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).
Die Zulässigkeit der angekündigten, aber noch nicht eingelegten Revision scheitert daran, daû die Antragstellerin die Frist des § 552 ZPO a.F. für die Einlegung der Revision nicht gewahrt, innerhalb dieser Frist keinen Prozeûkostenhilfeantrag angebracht hat und diese Verspätung auch nicht unverschuldet ist (§ 233 ZPO).
1. Wenn die rechtzeitige Vornahme einer fristwahrenden Handlung - wie hier die Einlegung der Revision - wegen des wirtschaftlichen Unvermögens einer Partei unterbleibt, so ist die Frist unverschuldet versäumt, sofern die Partei bis zu deren Ablauf um Bewilligung der Prozeûkostenhilfe nachsucht
oder - im Falle eines fehlenden Verschuldens - der Antrag auf Prozeûkostenhilfe noch später (innerhalb der Frist des § 234 ZPO) gestellt wird (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 233 Rn. 77, Stichwort: Prozeûkostenhilfe; § 234 Rn. 7). Diese Erweiterung gegenüber dem Grundsatz, der Rechtsmittelführer müsse innerhalb der Rechtsmittelfrist um die Bewilligung der Prozeûkostenhilfe - gestützt auf einen vollständigen Antrag - nachsuchen (vgl. BGH, Beschl. v. 16. Dezember 1997 - VI ZB 48/97, NJW 1998, 1230, 1231; v. 24. Juni 1999 - IX ZB 30/99, NJW 1999, 2823), ist gerechtfertigt. Andernfalls würde die unbemittelte Partei entgegen den anerkannten verfassungsrechtlichen Vorgaben im Vergleich zur bemittelten Partei unverhältnismäûig benachteiligt.
2. Nach dem Inhalt ihres Antrages vom 2. Oktober 2001 ist ein eigenes Verschulden der Antragstellerin, das in einer mangelhaften Büroorganisation liegen kann, nicht ausgeräumt.

a) Sie hat ihren "Wiedereinsetzungsantrag" im Kern wie folgt begründet:
Der Prozeûkostenhilfeantrag sei am 18. September 2001 (Dienstag) von ihr per Post zur Absendung gebracht worden. Durch ein Büroversehen sei der Brief unzureichend frankiert gewesen, so daû der Bundesgerichtshof am 20. September 2001 (Donnerstag) die Annahme verweigert habe und der Schriftsatz zurückgesandt worden sei. Dies ergebe sich aus der Kopie des verwendeten Briefumschlags. Bei ihr sei der Antrag am 27. September 2001 wieder eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Berufungsfrist (21. September 2001, Freitag) bereits abgelaufen gewesen. Entgegen den erteilten allgemeinen Anweisungen habe die zuständige Bürokraft, Frau W., die
Frist im Fristenkalender gestrichen, ohne zuvor eine telefonische Bestätigung über den Eingang des Schriftsatzes einzuholen. Frau W. habe die Frankierung einer Auszubildenden übertragen, die den Umschlag unzureichend frankiert habe. Deren Arbeiten hätte Frau W. zu überwachen und zu kontrollieren gehabt. Dennoch habe Frau W. die unzureichende Frankierung durch die Auszubildende nicht bemerkt. Die durch sie verursachte Fristversäumung infolge fehlender Kontrolle der Frankierung sowie telefonischer Eingangskontrolle sei bislang einmalig geblieben.

b) Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung liegen danach nicht vor; ein mögliches Organisationsverschulden ist nicht ausgeräumt.
aa) Unschädlich ist es, daû die Klägerin den unterfrankierten Prozeûkostenhilfeantrag mit dem Zusatz "Rechtsanwalt als Verwalter" unterzeichnet hat. Denn die besonderen prozessualen Zurechnungsnormen für das Verschulden des gesetzlichen Vertreters der Partei (§ 51 Abs. 2 ZPO) und seines Bevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) im Rahmen der Prozeûführung sind abschlieûend. Vertreter des Bevollmächtigten fallen nach allgemeiner Rechtsauffassung nur unter diese Vorschriften, wenn sie in eigenverantwortlicher Weise für die Partei in einem Rechtsstreit tätig werden. Dazu gehört insbesondere das Büropersonal nicht, weil die ZPO keine dem § 278 BGB entsprechende Vorschrift kennt (BAG NJW 1990, 2707; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 85 Rn. 20; Zöller/Greger aaO, § 233 Rn. 20).
Der ursprüngliche - unterfrankierte - Prozeûkostenhilfeantrag vom 18. September 2001 genügte auch den Anforderungen, die der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung an ein vollständiges Prozeûkostenhilfe-
gesuch stellt (vgl. BGH, Beschl. v. 13. Januar 1999 - XII ZB 166/98, VersR 2000, 252 f; v. 12. Juni 2001 - XI ZR 161/01, MDR 2001, 1312 f = VersR 2001, 1305). Insbesondere wird unter Bezugnahme auf der Antragsschrift beigefügte Anlagen die Masseunzulänglichkeit im einzelnen dargelegt. Von der Verwendung des Vordrucks stellt § 1 Abs. 2 PKHVV vom 17. Oktober 1994 (BGBl. I 3001) den Verwalter als Partei kraft Amtes frei.
bb) Die Antragstellerin hat aber ein mögliches Organisations- und Überwachungsverschulden nicht dadurch ausgeräumt, daû sie den doppelten Fehler ihrer Sekretärin als "einmaliges Versehen" dargestellt und das Vorhandensein von allgemeinen Anweisungen zur Ausgangs- und Fristenkontrolle behauptet hat.
Zunächst fällt auf, daû sich aus dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Antragstellerin kein einer Beweisaufnahme zugänglicher Ablauf der Ereignisse im Hinblick auf die Frankierung und Absendung des Prozeûkostenhilfeantrags ergibt. Dies beginnt schon damit, daû die Antragstellerin eingangs vorträgt , daû sie ("die Antragstellerin") den Prozeûkostenhilfeantrag, der einschlieûlich Anlagen aus 75 Seiten bestanden habe, "per Post zur Absendung gebracht" habe. Frankiert war der Brief mit 3 DM. Wenn dies wörtlich zu nehmen ist, hätte der Antragstellerin möglicherweise selbst auffallen müssen, daû die Sendung die Gewichtsgrenze von 500 g für den "Maxibrief", der - wie geschehen - mit 3 DM zu frankieren ist, deutlich überschritt. Sie hätte deshalb darlegen müssen, welches Gewicht die streitgegenständliche Sendung tatsächlich hatte, woran es fehlt. Aus der vorgelegten Kopie des verwendeten Umschlags geht hervor, daû auf dem Umschlag ein Gewicht von 822 g notiert worden ist. Diese erhebliche Gewichtsüberschreitung hätte für die Antragstelle-
rin, falls sie den Brief persönlich in den Händen gehalten hätte, Anlaû sein müssen, ihren Überwachungspflichten gegenüber dem Büropersonal nachzukommen und das Porto zu überprüfen. Schon deshalb kann von einem fehlenden Verschulden, welches von der Prozeûpartei darzutun und glaubhaft zu machen ist, nicht ausgegangen werden.
Die streitgegenständliche Sendung ist Mitte September des Jahres 2001 zur Post gegeben worden, mithin zu Beginn des Lehrjahres. In dem Wiedereinsetzungsantrag fehlen jegliche Angaben zu der Identität, dem Ausbildungsstand und der Zuverlässigkeit der Kraft, welche die Frankierung vorgenommen hat; sie wird lediglich als "Auszubildende" bezeichnet. Der Bundesgerichtshof hat in der Vergangenheit bereits erhebliche Zweifel daran geäuûert, ob eine Auszubildende im dritten Lehrjahr schon als bewährte Bürokraft angesehen werden kann (Beschl. v. 22. Dezember 1983 - VII ZR 17/83, VersR 1984, 240). Jedenfalls ist der Umfang der Überwachungs- und Kontrollpflichten, die die Antragstellerin zu organisieren hatte, maûgebend davon abhängig, über welchen Ausbildungsstand die zu Hilfsarbeiten herangezogene Auszubildende verfügte. Mit der floskelhaften Bemerkung in der Antragsschrift, die Sekretärin, Frau W., sei auch dafür zuständig, unterzeichnete Schriftsätze zur Aufgabe an die Post mit Briefumschlägen zu versehen und entsprechend zu frankieren sowie , falls sie einfache Tätigkeiten dieser Art Auszubildenden übertrage, deren Arbeiten zu überwachen und zu kontrollieren, kann die Antragstellerin ein mögliches Organisationsverschulden bezüglich der Auszubildenden nicht ausräumen. Es bleibt völlig offen, ob diese am Anfang ihrer Ausbildung stand und ob sie mit der Entgeltordnung der Post überhaupt vertraut war. War sie unerfahren , hätte die Antragstellerin durch entsprechende Anordnungen sicherstellen müssen, daû die Arbeiten der Auszubildenden nicht nur stichprobenhaft über-
prüft wurden. Bei Fehlen derartiger, auf die konkrete Auszubildende bezogener Anordnungen war die Büroorganisation nicht ausreichend. Alles das läût die Antragsschrift im Dunkeln. Ob die namentlich nicht bezeichnete Auszubildende in der Vergangenheit zuverlässig gearbeitet hat oder aber ob ihr laufend Fehler unterlaufen sind, wird gleichfalls weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.
Schlieûlich fehlt bezüglich der Fristenführung ein zusammenhängender, auf den hier zu beurteilenden Fall zugeschnittener Sachvortrag. Es bleibt offen, zu welchem Zeitpunkt die Frist im Fristenbuch gestrichen worden ist und wie die Handhabung der Fristenstreichung generell aussah. Es wird nicht einmal vorgetragen und glaubhaft gemacht, daû Frau W. regelmäûig nach der Anweisung gehandelt hat, eine Frist erst zu streichen, wenn über den Eingang des Schriftsatzes Gewiûheit bestand.
Die Nachholung dieser fehlenden Angaben nach Ablauf der Frist des § 234 ZPO ist nicht möglich (vgl. BGH, Beschl. v. 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99, NJW 2000, 365, 366). Die Klägerin müûte zu ihrer Büroorganisation und zu den Ereignissen am 18. September 2001 einen geschlossenen Sachverhalt vortragen. Daran fehlt es. Hieran war die Antragstellerin auch nicht nach § 139 ZPO zu erinnern. Die Schilderung der Antragstellerin vermeidet es, die entscheidenden Punkte anzusprechen. Daran ist sie festzuhalten.
3. Da die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung im Rahmen des Prozeûkostenhilfeverfahrens inzident zu prüfen waren, hat der weitere Antrag der Antragstellerin, ihr in die am 21. September 2001 abgelaufene Frist für die Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, keine selbständi-
ge Bedeutung. Von einer förmlichen Bescheidung dieses Antrages hat der Senat
deshalb abgesehen. Im übrigen hätte der Antrag in der Form der versäumten Prozeûhandlung (Revision) gestellt und mit der Nachholung der Prozeûhandlung verbunden werden müssen (vgl. § 236 Abs. 1 und 2 Satz 2 ZPO).
Kreft Stodolkowitz Ganter Raebel Kayser

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 116/05
vom
31. August 2005
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Dem Antrag auf Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Berufungsverfahrens
sind innerhalb der Berufungsfrist neben der Erklärung über die persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse auch entsprechende Belege
beizufügen.

b) Einer Partei, die vor Ablauf der Rechtsmittelfrist zur Durchführung des
Rechtsmittels Prozesskostenhilfe beantragt hat, ist Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand nur zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit
der Verweigerung der Prozesskostenhilfe wegen nicht hinreichend nachgewiesener
Bedürftigkeit rechnen musste.

c) Hat eine Partei die Berufungsfrist versäumt, weil sie nach ihren persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung
nicht oder nur teilweise aufbringen kann, ist die Fristversäumung auch dann
unverschuldet, wenn der vollständige Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist, sondern bis zum Ablauf der
Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO eingegangen ist, und die Fristversäumung
nicht auf einem Verschulden beruht.
BGH, Beschluss vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 - OLG Naumburg
AG Halle-Saalkreis
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. August 2005 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke, den Richter
Fuchs, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
1. Den Klägern wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Naumburg vom 23. März 2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. 2. Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Naumburg vom 23. März 2005 aufgehoben, soweit ihnen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verweigert worden ist. Den Klägern wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts HalleSaalkreis vom 18. Januar 2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Beklagt e zu tragen.
Wert: 4.323 €

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs über Kindesunterhalt. Die Kläger sind die ehelichen Kinder des Beklagten aus dessen Ehe mit ihrer Mutter. Die Ehe wurde mit Urteil des Familiengerichts Halle-Saalkreis vom 28. Januar 1998 geschieden. Zuvor hatten die Eltern im Scheidungsverbundverfahren einen gerichtlichen Vergleich u.a. über den Kindesunterhalt geschlossen. Mit ihrer am 12. Februar 2004 beim Familiengericht eingegangenen Abänderungsklage begehren die Kläger eine Abänderung des geschuldeten Kindesunterhalts auf die Regelbeträge (Ost). Der Beklagte hat mit seiner Widerklage eine Herabsetzung des Kindesunterhalts beantragt. Das Amtsgericht hat sowohl die Klage als auch die Widerklage abgewiesen, weil von den Parteien keine wesentlichen Veränderungen der maßgebenden Verhältnisse dargelegt seien. Das Urteil ist den Klägern am 27. Januar 2005 zugestellt worden. Mit einem am 28. Februar 2005 (Montag) per Fax eingegangenen Antrag haben die Kläger Prozesskostenhilfe für eine Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil begehrt. Dem Antrag lagen Erklärungen beider Kläger sowie ihrer Mutter über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie eine vollständige und unterzeichnete Berufungsbegründung bei. Weitere Belege waren dem Antrag nicht beigefügt; sie gingen erst mit dem Original des Antrags am 1. März 2005 (Dienstag) ein. Auf einen Hinweis des Gerichts vom 2. März 2005, der bei den Klägern am 7. März 2005 einging, wonach das Prozesskostenhilfegesuch nicht vollständig innerhalb der Berufungsfrist eingegangen sei, haben
die Kläger am 17. März 2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung haben sie vorgetragen, dass der zuverlässigen Rechtsanwaltsgehilfin W. ihres Prozessbevollmächtigten im Rahmen der allgemeinen Kanzleiorganisation sowie durch weitere konkrete Anweisung aufgegeben worden sei, dem per Fax zu übersendenden Prozesskostenhilfeantrag außer den Vordrucken über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch die weiteren Belege beizufügen. Von der sonst stets zuverlässigen Rechtsanwaltsgehilfin sei außerdem eine abschließende Ausgangskontrolle anhand des Fristenkalenders durchzuführen, die sich auch auf die Vollständigkeit der abgegangenen Schriftsätze erstrecke. Eine solche Ausgangskontrolle habe die Rechtsanwaltsgehilfin auch durchgeführt. Allerdings habe sie sowohl bei der Versendung des Telefax als auch bei der späteren Fristenkontrolle übersehen, dass die dem Original bereits beigefügten Anlagen nicht auch per Fax versandt worden seien. Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 23. März 2005 die beantragte Wiedereinsetzung abgelehnt und den Klägern deswegen auch Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren versagt. Der Beschluss wurde den Klägern am 29. März 2005 zugestellt. Mit Schriftsätzen vom gleichen Tag haben die Kläger erneut Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt sowie unbedingt Berufung eingelegt und diese mit weiterem am 29. März 2005 (Dienstag nach Ostern) eingegangenen Schriftsatz erneut begründet. Mit ihrer Rechtsbeschwerde wenden sich die Kläger gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil das Berufungsgericht die von den Klägern für eine Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist vorgetragenen Gründe mit unzutreffenden Erwägungen übergangen und damit deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat. Nach gefestigter Rechtsprechung dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792). Gegen diesen Grundsatz verstößt die angefochtene Entscheidung. 2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Wiedereinsetzung in die schuldlos versäumte Berufungsfrist.
a) Die Kläger haben die Berufung nicht bereits rechtzeitig innerhalb der Berufungsfrist des § 517 ZPO eingelegt. Zwar haben sie am letzten Tag der Berufungsfrist gemeinsam mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe eine mit vollem Rubrum versehene und unterschriebene Berufungsbegründung eingereicht; im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Rechtsbeschwerde ist dieser Schriftsatz aber nicht zugleich als Berufungsschrift aufzufassen.
Nach der Rechtsprechung des Senats wahrt ein innerhalb der Berufungs - oder der Berufungsbegründungsfrist eingegangener Schriftsatz die erforderlichen Förmlichkeiten, auch wenn er zulässigerweise mit einem Prozesskostenhilfegesuch verbunden wurde. Zwar muss der Rechtsmittelführer in solchen Fällen alles vermeiden, was den Eindruck erweckt, er wolle eine (künftige) Prozesshandlung nur ankündigen und sie von der Gewährung der Prozesskostenhilfe abhängig machen. Wenn aber die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsschrift oder an eine Berufungsbegründung erfüllt sind und der entsprechende Schriftsatz auch unterschrieben wurde, kommt die Deutung, dass der Schriftsatz nicht als unbedingte Berufung oder Berufungsbegründung bestimmt war, nur in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04 - FamRZ 2004, 1553, 1554 und vom 22. Juni 2005 - XII ZB 34/04 - zur Veröffentlichung bestimmt). Das ist hier hinsichtlich der Einlegung der Berufung indes der Fall. Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2005 haben die Kläger Prozesskostenhilfe für "das beabsichtigte Berufungsverfahren" begehrt. Sie haben damit deutlich gemacht, dass die Einlegung der Berufung von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe abhängig sein sollte. Die vollständige Berufungsbegründung haben die Kläger lediglich beigefügt, um die Erfolgsaussicht des Antrags auf Prozesskostenhilfe zu belegen. An einer Berufung fehlt es auch deswegen, weil sich aus dem Schriftsatz, der zwar die Förmlichkeiten des § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erfüllt, nicht die Erklärung ergibt, dass gegen das amtsgerichtliche Urteil schon Berufung eingelegt werden sollte (§ 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
b) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist einer Partei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann zu gewähren, wenn sie innerhalb der Rechtsmittelfrist ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch einge-
bracht hat und vernünftigerweise nicht damit rechnen musste, dass ihr Antrag wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt werde (Senatsbeschluss vom 23. Februar 2000 - XII ZB 221/99 - NJW-RR 2000, 1387 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Allerdings geht das Berufungsgericht zu Recht von einer Obliegenheit der Kläger zur Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aus. Für den Regelfall schreibt § 117 Abs. 4 ZPO zwingend vor, dass sich der Antragsteller zur Darlegung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des durch die Verordnung vom 17. Oktober 1994 (BGBl. I 3001, abgedr. bei Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 117 Rdn. 15) eingeführten Vordrucks bedienen muss. Ein Antragsteller kann deshalb grundsätzlich nur dann davon ausgehen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben, wenn er rechtzeitig (vor Ablauf der Rechtsmittelfrist) einen ordnungsgemäß ausgefüllten Vordruck zu den Akten gereicht hat (Senatsbeschluss vom 19. Mai 2004 - XII ZA 11/03 - FamRZ 2004, 1548; BGH, Beschlüsse vom 26. September 2002 - I ZB 20/02 - FamRZ 2003, 89 und vom 10. November 1998 - VI ZB 21/98 - VersR 1999, 1123). Einen solchen Vordruck hatten sowohl die minderjährigen Kläger (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 der VO vom 17. Oktober 1994) als auch die sorgeberechtigte Mutter rechtzeitig eingereicht. Auf der Grundlage der am letzten Tag der Berufungsfrist per Fax eingegangenen Unterlagen konnten die Kläger gleichwohl nicht mit einer Bewilligung der Prozesskostenhilfe rechnen, weil die Erklärung ihrer Mutter über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unvollständig war. Denn auch die sorgeberechtigte Mutter ist den Klägern prozesskostenvorschusspflichtig und ein geschuldeter Vorschuss bildet einsetzbares Vermögen der Kinder im Sinne des § 115 ZPO (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 4. August 2004 - XII ZA
6/04 - FamRZ 2004, 1633, 1634 f.). Deswegen waren auch die Einkommensund Vermögensverhältnisse der Mutter vollständig zu belegen, was nach § 117 Abs. 2 ZPO auch die Vorlage entsprechender Belege innerhalb der Berufungsfrist einschließt (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2003 - IX ZA 8/03 - FamRZ 2004, 99 f.). Das war hier schon deswegen erforderlich, weil sich aus der Erklärung der Mutter zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht ergab, ob ihr Bankguthaben das sogenannte Schonvermögen überstieg.
c) Den Klägern ist aber trotz der verspätet eingegangenen Anlagen zum Antrag auf Prozesskostenhilfe Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu bewilligen , weil sie diese Frist schuldlos versäumt und die Wiedereinsetzung fristund formgerecht beantragt haben (§§ 234, 236 ZPO). Sie konnten deswegen gleichwohl - wie schon in erster Instanz - mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechnen. Denn selbst wenn ein vollständiger Prozesskostenhilfeantrag nicht innerhalb der Berufungsfrist eingegangen ist, bleibt es bei einer unverschuldeten Versäumung der Berufungsfrist, sofern auch der verspätete Eingang des Prozesskostenhilfeantrags unverschuldet ist und innerhalb der Frist des § 234 ZPO nachgeholt wird (BGH, Beschluss vom 21. Februar 2002 - IX ZA 10/01 - NJW 2002, 2180 f.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Als die Kläger mit Zugang des gerichtlichen Hinweises vom 2. März 2005 davon Kenntnis erlangten, dass dem am letzten Tag der Berufungsfrist per Telefax eingegangenen Antrag auf Prozesskostenhilfe zwar die Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, nicht aber die weiteren Anlagen beigefügt waren, waren diese bereits mit dem Originalantrag beim Berufungsgericht eingegangen. Der verspätete Eingang des vollständigen Prozesskostenhilfeantrags ist auch nicht auf ein Verschulden der Kläger zurückzuführen. Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts trifft sie weder ein
eigenes noch ein ihnen nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Anwaltsverschulden. Ein zurechenbares Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Kläger scheidet aus. Der vollständige Antrag auf Prozesskostenhilfe nebst Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und entsprechenden Anlagen lag nach dem Inhalt seiner eidesstattlichen Versicherung schon am 28. Februar 2005 unterzeichnet vor; auch die sofortige Übersendung an das Berufungsgericht hatte er konkret angeordnet. Dafür spricht auch, dass der vollständige Antrag im Original schon am Folgetag bei Gericht eingegangen ist. Den Prozessbevollmächtigten der Kläger trifft auch kein Organisationsverschulden , weil er den rechtzeitigen Zugang des Schriftsatzes nebst allen Anlagen beim Berufungsgericht durch seine allgemeine Büroorganisation und eine weitere konkrete Einzelanweisung hinreichend sichergestellt hatte. Auch die Ausgangskontrolle hat er entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so organisiert, dass anhand des Einzelnachweises eine unvollständige Übermittlung fristgebundener Schriftsätze auffallen musste (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Juli 2004 - XII ZB 27/03 - FamRZ 2004, 1549, 1550). Wenn die Rechtsanwaltsfachangestellte des Prozessbevollmächtigten gleichwohl sowohl bei der Übersendung als auch bei der Fristenkontrolle fehlerhaft handelte, was nach dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherungen zuvor noch nicht geschehen und deswegen auch nicht zu erwarten war, kann das kein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten begründen. Die Kläger konnten deswegen trotz des ursprünglich unvollständigen Antrags mit der Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe rechnen, was als unverschuldete Fristversäumung eine Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist ermöglicht.
d) Die Kläger haben die Wiedereinsetzung innerhalb der 14-tägigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO seit Versagung der Prozesskostenhilfe beantragt
und mit der Berufung die versäumten Handlungen gleichzeitig nachgeholt (zum Fristbeginn nach Ablehnung der beantragten Prozesskostenhilfe vgl. Senatsbeschluss vom 26. Mai 1993 - XII ZB 70/93 - FamRZ 1993, 1428 f.). Hinsichtlich der Berufungsbegründung bedarf es einer Wiedereinsetzung nicht, weil diese rechtzeitig am 29. März 2005 und somit innerhalb der Begründungsfrist bei Gericht eingegangen ist.

III.

Der Senat weist darauf hin, dass der Beschluss des Berufungsgerichts, soweit Prozesskostenhilfe versagt wurde, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lediglich formelle, aber keine materielle Rechtskraft erlangt (BGH, Beschluss vom 3. März 2004 - IV ZB 43/03 - FamRZ 2004, 940, 941; Senatsbeschluss vom 10. März 2005 - XII ZB 19/04 - FamRZ 2005, 788). Durch den Beschluss sind die Kläger deswegen nicht gehindert, erneut Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zu beantragen, zumal der frühere Antrag
lediglich mit Hinweis auf die versagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt worden ist.
Hahne Weber-Monecke Fuchs Vézina Dose

(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung ist bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht zu stellen.

(2) Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung und die Belege dürfen dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden; es sei denn, der Gegner hat gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers. Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten.

(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für die Erklärung einzuführen. Die Formulare enthalten die nach § 120a Absatz 2 Satz 4 erforderliche Belehrung.

(4) Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 5/01
vom
8. März 2001
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 8. März 2001 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Schneider, Prof. Dr. Krüger,
Dr. Klein und Dr. Gaier

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 9. November 2000 wird auf Kosten der Klägerin, die auch die Kosten der Streithilfe im Beschwerdeverfahren trägt, zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 82.900 DM.

Gründe:


I.


Die Klägerin nahm den Beklagten auf Zahlung von Verzugszinsen aus einem Grundstückskaufvertrag in Anspruch. Das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 26. Mai 2000 zugestellt.
Am 26. Juni 2000 ging dem Oberlandesgericht ein siebenseitiges Telefax des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zu, das sich aus der ersten Seite einer Berufungsschrift und der sechs Seiten umfassenden Ausfertigung des
angefochtenen Urteils zusammensetzte. Nachdem er am 28. Juni 2000 telefonisch auf die Unvollständigkeit hingewiesen worden war, reichte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin am 30. Juni 2000 das Original der Berufungsschrift, deren zweite Seite von ihm unterschrieben war, beim Oberlandesgericht ein. Mit am 11. Juli 2000 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten hat die Klägerin gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Zur Rechtfertigung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat sie vorgetragen und glaubhaft gemacht, ihr Prozeßbevollmächtigter habe selbst die Übermittlung der Berufungsschrift und der Urteilsausfertigung an das Berufungsgericht übernommen. Obwohl der Sendebericht des Telefaxgerätes keine Fehlermeldung enthalten habe, habe sich ihr Prozeßbevollmächtigter anschließend bei einer Mitarbeiterin des Oberlandesgerichts erkundigt, ob die Berufungsschrift eingegangen sei. Er habe die Antwort "Ja, sieben Seiten" erhalten. Die Übermittlung der zweiten Seite der Berufungsschrift sei wegen eines Doppeleinzugs durch das Telefaxgerät ihres Prozeßbevollmächtigten unterblieben. Wegen der geringen Zahl der eingelegten Blätter sei ein Doppeleinzug nicht zu befürchten gewesen und bislang auch noch nicht vorgekommen. Es habe deshalb kein Anlaß bestanden, die Zahl der übermittelten Seiten mit dem Sendeprotokoll abzugleichen.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin verworfen. Gegen diesen der Klägerin am 20. November 2000 zugestellten Beschluß richtet sich ihre am 1. Dezember 2000 beim Berufungsgericht eingegangene sofortige Beschwerde.

II.


Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet.
1. Die Frist zur Einlegung der Berufung (§ 516 ZPO) ist versäumt; denn eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Berufungsschrift ist erst am 30. Juni 2000 und damit nach Ablauf der Berufungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen. Das am 26. Juni 2000 übermittelte Telefax war insoweit nicht ausreichend. Zwar kann Berufung fristwahrend auch durch Telefax eingelegt werden, nach der Rechtsprechung ist hierbei jedoch zu fordern, daß die Kopiervorlage von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterzeichnet und die Unterschrift auf der Fernkopie wiedergegeben ist (vgl. BGH, Beschl. v. 8. Oktober 1997, XII ZB 124/97, NJW 1998, 762 f m.w.N.). Daran fehlte es, weil die vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin unterzeichnete zweite Seite der Berufungsschrift nicht übermittelt worden war.
2. Das Berufungsgericht hat der Klägerin gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt. Die geltend gemachten Gründe rechtfertigen eine Wiedereinsetzung nicht, weil die Versäumung der Berufungsfrist zumindest auch auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten beruht (§ 233 ZPO). Eine Wiedereinsetzung kommt schon dann nicht in Betracht , wenn ein Mitverschulden der Partei Ursache für die Fristversäumung war (vgl. BGH, Urt. v. 5. April 1990, VII ZR 215/89, NJW 1990, 2822, 2823; Senat , Urt. v. 9. Januar 1998, V ZR 209/97, VersR 1998, 1046, 1047). Auch bei einem gerichtlichen Mitverschulden, das neben dem schuldhaften Verhalten der Partei ursächlich gewesen ist, gilt nichts anderes (vgl. Senat, Urt. v.
9. Januar 1998, aaO; BGH, Urt. v. 6. Mai 1999, VII ZR 396/98, VersR 2000, 515, 516).

a) Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat die ihm obliegende Verpflichtung zur Ausgangskontrolle schuldhaft verletzt. Ein Rechtsanwalt muß dafür Sorge tragen, daß die Berufungsschrift als fristwahrender Schriftsatz nicht nur rechtzeitig hergestellt wird, sondern auch fristgerecht bei dem zuständigen Gericht eingeht. Hierzu gehört insbesondere eine hinreichend sichere Ausgangskontrolle, die zuverlässig verhindert, daß fristwahrende Schriftstücke über den Fristablauf hinaus in der Kanzlei liegenbleiben (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Oktober 1998, X ZB 20/98, NJW 1999, 429). Eine solche Ausgangskontrolle macht es bei der Übermittlung der Berufungsschrift durch Telefax erforderlich , daß durch Maßnahmen der Büroorganisation festgestellt werden kann, ob der Schriftsatz auch wirklich übermittelt worden ist. Daher muß über die konkrete Übermittlung ein Sendebericht ausgedruckt und darauf überprüft werden , ob der Übermittlungsvorgang einwandfrei durchgeführt worden ist (vgl. Senat, Urt. v. 29. April 1994, V ZR 62/93, NJW 1994, 1879, 1880; BGH, Beschl. v. 12. April 1995, XII ZB 38/95, FamRZ 1995, 1135, 1136; Beschl. v. 16. Juni 1998, XI ZB 13 u. 14/98, VersR 1999, 996). Entsprechende Anweisungen muß der Rechtsanwalt aber nicht nur an seine Mitarbeiter erteilen, sondern auch in eigener Person beachten, wenn er - wie hier der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin - Bürotätigkeiten wie das Übermitteln der Berufungsschrift selbst übernimmt.
Da dies anhand des Sendeprotokolls und der Originalvorlagen unschwer möglich ist, kann sich die erforderliche Kontrolle auf einwandfreie Übermittlung nicht nur auf den Übertragungsvorgang als solchen erstrecken, sondern muß
die Überprüfung einschließen, ob alle Seiten des Originalsschriftsatzes nebst etwa erforderlicher Anlagen übermittelt wurden (vgl. Senat, Urt. v. 29. April 1994, aaO). Auch wenn es bei Übermittlung einer solch geringen Seitenzahl noch nicht zu Problemen mit dem Blatteinzug des Telefaxgerätes gekommen war, durfte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin daher nicht unbeachtet lassen , daß das von ihm ausgedruckte - und auf Anforderung des Berufungsgerichts vorgelegte - Sendeprotokoll seines Telefaxgerätes lediglich sieben Seiten als übermittelt auswies. Der erforderliche Vergleich mit der Zahl der Vorlagen hätte ihm gezeigt, daß eines der insgesamt acht Blätter nicht übermittelt worden war. Da es sich bei der fehlenden Seite um einen wesentlichen Teil der Berufungsschrift handeln konnte, bestand Anlaß, an der Wirksamkeit der Berufungseinlegung zu zweifeln. Dem hätte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin bei Beachtung anwaltlicher Sorgfalt nachgehen müssen (vgl. BGH, Beschl. v. 18. Dezember 1997, X ZB 16/97, NJWE-VHR 1998, 86). Dies hat der Rechtsanwalt nicht schon durch seine Nachfrage beim Berufungsgericht, ob die Berufungsschrift eingegangen sei, getan. Hätten die Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit der Berufungseinlegung ausgeräumt werden sollen, wäre eine gezielte Frage nach der Vollständigkeit der Übermittlung erforderlich gewesen.

b) Es bedarf keiner Entscheidung über die Frage, ob die Mitarbeiterin des Berufungsgerichts, gefragt nach dem Eingang der durch Telefax übermittelten Berufungsschrift, von sich aus die eingegangenen Seiten auf Vollständigkeit überprüfen mußte. Selbst wenn ein Verschulden der Mitarbeiterin angenommen wird, ändert dies an der Ursächlichkeit des Verschuldens des von der Klägerin beauftragten Rechtsanwaltes an der Fristversäumung nichts. Die Mitarbeiterin des Berufungsgerichts beschränkte sich nämlich nicht auf die Bestätigung des Eingangs der Berufungsschrift, sondern wies ausdrücklich auf ein-
gegangene "sieben Seiten" hin. Hätte der Rechtsanwalt zuvor seiner Pflicht zur Ausgangskontrolle genügt, so hätte er sich nicht in entschuldigender Weise (vgl. BGH, Beschl. v. 22. Februar 1989, IVb ZB 121/88, FamRZ 1989, 729, 730) auf die Auskunft der Geschäftsstelle verlassen können. Für ihn wären mit der gerichtlichen Auskunft Zweifel an der einwandfreien Übermittlung nicht ausgeräumt, sondern die Vollständigkeit der Übermittlung auch weiterhin zweifelhaft gewesen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Schneider Krüger Klein Gaier

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 19/07
vom
26. Mai 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Eine mittellose Partei, die innerhalb der Rechtsmittelfrist ein Prozesskostenhilfegesuch
mit der ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse eingereicht und die erforderlichen Belege beigefügt hat, ist grundsätzlich
bis zur Entscheidung über ihr Gesuch wegen Mittellosigkeit als unverschuldet
gehindert anzusehen, das Rechtsmittel wirksam einzulegen. Dies gilt allerdings
nur dann, wenn sie nach den gegebenen Umständen nicht damit rechnen
muss, dass ihr Prozesskostenhilfeantrag aus wirtschaftlichen Gründen wegen
fehlender Bedürftigkeit abgelehnt wird.

b) Setzt das Gericht der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei eine Frist zur
Vervollständigung ihrer Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
und erfüllt die Partei die gerichtlichen Auflagen innerhalb dieser Frist,
endet ihr schutzwürdiges Vertrauen auf Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe
erst mit der Bekanntgabe des ihr Prozesskostenhilfegesuch ablehnenden
Beschlusses mit der Folge, dass erst zu diesem Zeitpunkt die Wiedereinsetzungsfrist
des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu laufen beginnt.
BGH, Beschluss vom 26. Mai 2008 - II ZB 19/07 - KG
LG Berlin
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 26. Mai 2008 durch
die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Dr. Strohn, Dr. Reichart und Dr. Drescher

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 10. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. Mai 2007 aufgehoben , soweit der Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen wurde. Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der Zivilkammer 22 des Landgerichts Berlin vom 13. Juni 2006 gewährt. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 6.636,00 €

Gründe:

1
I. 1. Die Klägerin nimmt die Beklagte als Geschäftsführerin der P. GmbH auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB in Anspruch. Das Landgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 13. Juni 2006 antragsgemäß verurteilt. Die Beklagte hat mit einem am 19. Juli 2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums Prozesskostenhilfe für die Berufung gegen das ihr am 19. Juni 2006 zugestellte Urteil des Landgerichts beantragt und dem Antrag die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen beigefügt. Durch Schreiben vom 18. Dezember 2006 teilte der Berichterstatter des Berufungszivilsenats mit, dass das Berufungsgericht Bedenken gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe habe, weil unter Zugrundelegung der Angaben der Beklagten Zweifel an ihrer Bedürftigkeit bestünden und ein Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses gegen ihren Ehemann in Betracht zu ziehen sei. Der Beklagten wurde eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen gesetzt, um insbesondere die Angaben zu vorhandenen Giround Sparkonten zu präzisieren, durch Vorlage der Kontoauszüge der letzten zwölf Monate zu belegen und die Vollständigkeit ihrer Angaben durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft zu machen. Die Beklagte hat mit einem - an demselben Tag bei Gericht eingegangenen - Schriftsatz vom 22. Januar 2007 innerhalb der vom Berufungsgericht antragsgemäß bis 20. Januar 2007 (Samstag ) verlängerten Äußerungsfrist diese Auflagen erfüllt. Durch Beschluss vom 15. Februar 2007 wies das Berufungsgericht das Prozesskostenhilfegesuch der Beklagten zurück, weil diese sich auf einen ihr gegen ihren Ehemann zustehenden Anspruch auf Prozesskostenvorschuss verweisen lassen müsse; dieser Beschluss wurde der Beklagten am 22. Februar 2007 zugestellt.
2
Mit Schriftsatz vom 6. März 2007 (bei Gericht eingegangen am 7. März 2007) hat die Beklagte Berufung eingelegt, diese begründet und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt.
3
2. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten unter Zurückweisung ihres Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
4
Die Berufung der Beklagten sei unzulässig, weil sie nicht innerhalb der am 19. Juli 2006 abgelaufenen Berufungsfrist eingelegt worden sei. Die Beklagte sei spätestens seit dem Hinweis des Berufungsgerichts, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit nicht vorlägen, nicht mehr schuldlos an der Wahrung der Rechtsmittelfrist gehindert gewesen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass ihr hierzu rechtliches Gehör gewährt und für den Fall der Aufrechterhaltung ihres Prozesskostenhilfeantrags die Präzisierung ihrer Angaben und die Vorlage von Unterlagen zu deren Glaubhaftmachung aufgegeben worden sei. Auch wenn für die Beklagte noch die Möglichkeit bestanden habe, das Berufungsgericht von ihrer Bedürftigkeit zu überzeugen, habe sie jedenfalls mit einer Zurückweisung ihres Prozesskostenhilfegesuchs rechnen müssen.
5
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.
6
II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2; 522 Abs. 1 Satz 4; 238 Abs. 2 ZPO). Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil das Berufungsgericht die von der Beklagten für eine Wiedereinsetzung in die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist vorgetragenen Gründe mit unzutreffenden, ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzenden Erwägungen übergangen und ihr zugleich den verfassungsrechtlich gewährleisteten Zugang zu den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise verwehrt hat (vgl. dazu BVerfGE 74, 228, 234; BVerfG NJW 2005, 814, 815; BGHZ 151, 221, 227 m.w.Nachw.).
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet und führt zur Wiedereinsetzung in die schuldlos versäumte Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist.
8
Zwar war die Frist zur Einlegung der Berufung gegen das der Beklagten am 19. Juni 2006 zugestellte Urteil des Landgerichts Berlin bei Eingang der Berufungsschrift am 7. März 2007 abgelaufen. Der Beklagten ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wie auch der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, weil sie bis zur Mitteilung der Ablehnung ihres Prozesskostenhilfeantrags am 22. Februar 2008 ohne ihr Verschulden an der Einlegung der Berufung und deren Begründung gehindert war und innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung beantragt sowie die Prozesshandlungen nachgeholt hat.
9
a) Im Ansatz zutreffend ist allerdings das Berufungsgericht davon ausgegangen , dass eine mittellose Partei, die innerhalb der Rechtsmittelfrist ihr Prozesskostenhilfegesuch mit der ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht und die erforderlichen Belege beigefügt hat, grundsätzlich Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat und bis zur Entscheidung über ihren Antrag wegen Mittellosigkeit als unverschuldet gehindert anzusehen ist, das Rechtsmittel wirksam einzulegen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sie nach den gegebenen Umständen nicht damit rechnen muss, dass ihr Prozesskostenhilfeantrag aus wirtschaftlichen Gründen wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt wird (st. Rspr., BGHZ 16, 1, 3; BGH, Beschl. v. 31. Januar 2007 - XII ZB 207/06, NJW-RR 2007, 793; v. 13. Februar 2008 - XII ZB 151/07, FamRZ 2008, 871 Tz. 10).
10
b) Unvertretbar ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe spätestens ab dem Zugang des Schreibens des Berichterstatters vom 18. Dezember 2006 damit rechnen müssen, dass sie die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht erfüllen würde, und habe deshalb bereits zu diesem Zeitpunkt form- und fristgerecht Wiedereinsetzung (§§ 234, 236 ZPO) beantragen müssen. Die Beklagte durfte vielmehr auch nach diesem Zeitpunkt auf die Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe bis zur Zustellung des Ablehnungsbeschlusses des Kammergerichts vom 15. Februar 2007 vertrauen.
11
Zwar wurde die Beklagte durch das gerichtliche Schreiben vom 18. Dezember 2006 davon in Kenntnis gesetzt, dass das Berufungsgericht strengere Anforderungen an den Nachweis der Bedürftigkeit stellte als das Landgericht, das ihr für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt hatte. Die Beklagte musste jedoch nach dem Inhalt dieses Schreibens nicht davon ausgehen, dass das Berufungsgericht ihren Prozesskostenhilfeantrag nunmehr ohne weiteres wegen fehlender Bedürftigkeit ablehnen würde. Zwar hat das Berufungsgericht auf Bedenken gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie auf Widersprüche zwischen dem Prozessvortrag und den Angaben in der Erklärung der Beklagten über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hingewiesen. Es hat jedoch zugleich der Beklagten nicht nur Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, sondern ihr für den Fall, dass sie ihren Prozesskostenhilfeantrag aufrecht erhalten wollte, aufgegeben, innerhalb einer Frist von zwei Wochen ihre Angaben zu den Bankkonten zu präzisieren, durch Vorlage der Kontoauszüge der letzten zwölf Monate zu belegen und die Vollständigkeit ihrer Angaben durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft zu machen.
12
Setzt das Gericht dem Antragsteller zur Vervollständigung seiner Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eine Frist, darf er nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGH, Beschl. v. 13. Februar 2008 - XII ZB 151/07 Tz. 12) auf die Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe jedenfalls bis zum Ablauf der - ggf. verlängerten - Frist ver- trauen. Erfüllt der Antragsteller die gerichtlichen Auflagen innerhalb dieser - verlängerten - Frist, so endet sein schutzwürdiges Vertrauen sogar erst mit Zustellung des die beantragte Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses (BGH aaO).
13
Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht der Beklagten zu Unrecht die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt. Für die Beklagte war trotz der im gerichtlichen Hinweisschreiben vom 18. Dezember 2006 geäußerten "Bedenken" nicht erkennbar, dass das Berufungsgericht ihre Bedürftigkeit im Sinne der Vorschriften über die Prozesskostenhilfe endgültig verneinen würde. Indem das Berufungsgericht der Beklagten aufgegeben hat, ihre Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen zu ergänzen und glaubhaft zu machen, hat es - aus der maßgeblichen Sicht der Beklagten als Erklärungsempfängerin - zum Ausdruck gebracht, dass es das Prozesskostenhilfegesuch der Beklagten zwar für nachbesserungsbedürftig, aber auch für nachbesserungsfähig hielt. Hätte das Berufungsgericht das Prozesskostenhilfegesuch mangels Bedürftigkeit der Beklagten bereits zu diesem Zeitpunkt abschließend für aussichtslos erachtet - so verhielt es sich in der vom Berufungsgericht zu Unrecht herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 31. Januar 2007 (XII ZB 207/06 aaO) -, hätte es die Beklagte hierüber nicht im Unklaren lassen dürfen; insbesondere hätte es die Beklagte nicht durch Aufforderung zur Ergänzung ihrer Angaben und zu deren Glaubhaftmachung irreführen dürfen, wenn es für seine Entscheidung über das Gesuch auf die Erfüllung der Auflagen gar nicht mehr angekommen wäre.
14
Nichts anderes ergibt sich aus dem in dem Schreiben enthaltenen Hinweis des Berufungsgerichts, dass der Beklagten ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen ihren Ehemann zustehen könne. Auch insoweit handelte es sich offensichtlich nicht um eine verbindliche Festlegung, sondern lediglich um eine vorläufige Erwägung, zu der die Beklagte erstmals Gelegenheit zur Stellungnahme erhielt und die sie veranlasst hat, ihren Vortrag zur - aus ihrer Sicht fehlenden - Leistungsfähigkeit ihres Ehemannes zu ergänzen.
15
c) Da die Beklagte mithin jedenfalls bis zur Zustellung des die beantragte Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses am 22. Februar 2007 unverschuldet gehindert war, die Berufung einzulegen, wurde durch ihren am 7. März 2007 eingegangenen Schriftsatz die Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewahrt.
16
d) Mit der Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungseinlegungsfrist ist der Beklagten zugleich von Amts wegen gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, da auch diese versäumte Prozesshandlung zugleich mit der Berufungseinlegung durch Schriftsatz vom 6. März 2007 - bei Gericht eingegangen am 7. März 2007 - innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt wurde und die eine Wiedereinsetzung rechtfertigenden Umstände offenkundig sind (BGH, Beschl. v. 31. Januar 2007 - XII ZB 207/06 aaO S. 794; Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl. § 236 Rdn. 5 m.w.Nachw.). Denn die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beginnt - ebenso wie für die Nachholung der Berufungsbegründung - erst mit der Mitteilung der positiven Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu laufen, weil die Begründung des Rechtsmittels dessen Einlegung voraussetzt und ohne diese sinn- und zwecklos wäre (BGH, Beschl. v. 19. Juni 2007 - XI ZB 40/06, NJW 2007, 3354, 3356).
17
3. Durch die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird die vom Berufungsgericht gleichzeitig ausgesprochene Verwerfung der Berufung gegenstandslos.
18
III. Da der Beklagten nicht nur für die 1. Instanz, sondern auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, wird das Berufungsgericht in dem wieder eröffneten Berufungsverfahren ggf. erneut zu prüfen haben, ob der Beklagten auch für die Berufungsinstanz Prozesskostenhilfe zu gewähren ist. Die - vom Berufungsgericht bejahten - Voraussetzungen für eine Verpflichtung des Ehemanns der Beklagten zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses liegen zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor.
Kurzwelly Kraemer Strohn Reichart Drescher
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 13.06.2006 - 22 O 346/05 -
KG Berlin, Entscheidung vom 10.05.2007 - 10 U 140/06 -