Bundesgerichtshof Beschluss, 08. März 2001 - V ZB 5/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 82.900 DM.
Gründe:
I.
Die Klägerin nahm den Beklagten auf Zahlung von Verzugszinsen aus einem Grundstückskaufvertrag in Anspruch. Das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 26. Mai 2000 zugestellt.
Am 26. Juni 2000 ging dem Oberlandesgericht ein siebenseitiges Telefax des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zu, das sich aus der ersten Seite einer Berufungsschrift und der sechs Seiten umfassenden Ausfertigung des
angefochtenen Urteils zusammensetzte. Nachdem er am 28. Juni 2000 telefonisch auf die Unvollständigkeit hingewiesen worden war, reichte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin am 30. Juni 2000 das Original der Berufungsschrift, deren zweite Seite von ihm unterschrieben war, beim Oberlandesgericht ein. Mit am 11. Juli 2000 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten hat die Klägerin gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Zur Rechtfertigung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat sie vorgetragen und glaubhaft gemacht, ihr Prozeßbevollmächtigter habe selbst die Übermittlung der Berufungsschrift und der Urteilsausfertigung an das Berufungsgericht übernommen. Obwohl der Sendebericht des Telefaxgerätes keine Fehlermeldung enthalten habe, habe sich ihr Prozeßbevollmächtigter anschließend bei einer Mitarbeiterin des Oberlandesgerichts erkundigt, ob die Berufungsschrift eingegangen sei. Er habe die Antwort "Ja, sieben Seiten" erhalten. Die Übermittlung der zweiten Seite der Berufungsschrift sei wegen eines Doppeleinzugs durch das Telefaxgerät ihres Prozeßbevollmächtigten unterblieben. Wegen der geringen Zahl der eingelegten Blätter sei ein Doppeleinzug nicht zu befürchten gewesen und bislang auch noch nicht vorgekommen. Es habe deshalb kein Anlaß bestanden, die Zahl der übermittelten Seiten mit dem Sendeprotokoll abzugleichen.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin verworfen. Gegen diesen der Klägerin am 20. November 2000 zugestellten Beschluß richtet sich ihre am 1. Dezember 2000 beim Berufungsgericht eingegangene sofortige Beschwerde.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet.
1. Die Frist zur Einlegung der Berufung (§ 516 ZPO) ist versäumt; denn eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Berufungsschrift ist erst am 30. Juni 2000 und damit nach Ablauf der Berufungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen. Das am 26. Juni 2000 übermittelte Telefax war insoweit nicht ausreichend. Zwar kann Berufung fristwahrend auch durch Telefax eingelegt werden, nach der Rechtsprechung ist hierbei jedoch zu fordern, daß die Kopiervorlage von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterzeichnet und die Unterschrift auf der Fernkopie wiedergegeben ist (vgl. BGH, Beschl. v. 8. Oktober 1997, XII ZB 124/97, NJW 1998, 762 f m.w.N.). Daran fehlte es, weil die vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin unterzeichnete zweite Seite der Berufungsschrift nicht übermittelt worden war.
2. Das Berufungsgericht hat der Klägerin gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt. Die geltend gemachten Gründe rechtfertigen eine Wiedereinsetzung nicht, weil die Versäumung der Berufungsfrist zumindest auch auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten beruht (§ 233 ZPO). Eine Wiedereinsetzung kommt schon dann nicht in Betracht , wenn ein Mitverschulden der Partei Ursache für die Fristversäumung war (vgl. BGH, Urt. v. 5. April 1990, VII ZR 215/89, NJW 1990, 2822, 2823; Senat , Urt. v. 9. Januar 1998, V ZR 209/97, VersR 1998, 1046, 1047). Auch bei einem gerichtlichen Mitverschulden, das neben dem schuldhaften Verhalten der Partei ursächlich gewesen ist, gilt nichts anderes (vgl. Senat, Urt. v.
9. Januar 1998, aaO; BGH, Urt. v. 6. Mai 1999, VII ZR 396/98, VersR 2000, 515, 516).
a) Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat die ihm obliegende Verpflichtung zur Ausgangskontrolle schuldhaft verletzt. Ein Rechtsanwalt muß dafür Sorge tragen, daß die Berufungsschrift als fristwahrender Schriftsatz nicht nur rechtzeitig hergestellt wird, sondern auch fristgerecht bei dem zuständigen Gericht eingeht. Hierzu gehört insbesondere eine hinreichend sichere Ausgangskontrolle, die zuverlässig verhindert, daß fristwahrende Schriftstücke über den Fristablauf hinaus in der Kanzlei liegenbleiben (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Oktober 1998, X ZB 20/98, NJW 1999, 429). Eine solche Ausgangskontrolle macht es bei der Übermittlung der Berufungsschrift durch Telefax erforderlich , daß durch Maßnahmen der Büroorganisation festgestellt werden kann, ob der Schriftsatz auch wirklich übermittelt worden ist. Daher muß über die konkrete Übermittlung ein Sendebericht ausgedruckt und darauf überprüft werden , ob der Übermittlungsvorgang einwandfrei durchgeführt worden ist (vgl. Senat, Urt. v. 29. April 1994, V ZR 62/93, NJW 1994, 1879, 1880; BGH, Beschl. v. 12. April 1995, XII ZB 38/95, FamRZ 1995, 1135, 1136; Beschl. v. 16. Juni 1998, XI ZB 13 u. 14/98, VersR 1999, 996). Entsprechende Anweisungen muß der Rechtsanwalt aber nicht nur an seine Mitarbeiter erteilen, sondern auch in eigener Person beachten, wenn er - wie hier der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin - Bürotätigkeiten wie das Übermitteln der Berufungsschrift selbst übernimmt.
Da dies anhand des Sendeprotokolls und der Originalvorlagen unschwer möglich ist, kann sich die erforderliche Kontrolle auf einwandfreie Übermittlung nicht nur auf den Übertragungsvorgang als solchen erstrecken, sondern muß
die Überprüfung einschließen, ob alle Seiten des Originalsschriftsatzes nebst etwa erforderlicher Anlagen übermittelt wurden (vgl. Senat, Urt. v. 29. April 1994, aaO). Auch wenn es bei Übermittlung einer solch geringen Seitenzahl noch nicht zu Problemen mit dem Blatteinzug des Telefaxgerätes gekommen war, durfte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin daher nicht unbeachtet lassen , daß das von ihm ausgedruckte - und auf Anforderung des Berufungsgerichts vorgelegte - Sendeprotokoll seines Telefaxgerätes lediglich sieben Seiten als übermittelt auswies. Der erforderliche Vergleich mit der Zahl der Vorlagen hätte ihm gezeigt, daß eines der insgesamt acht Blätter nicht übermittelt worden war. Da es sich bei der fehlenden Seite um einen wesentlichen Teil der Berufungsschrift handeln konnte, bestand Anlaß, an der Wirksamkeit der Berufungseinlegung zu zweifeln. Dem hätte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin bei Beachtung anwaltlicher Sorgfalt nachgehen müssen (vgl. BGH, Beschl. v. 18. Dezember 1997, X ZB 16/97, NJWE-VHR 1998, 86). Dies hat der Rechtsanwalt nicht schon durch seine Nachfrage beim Berufungsgericht, ob die Berufungsschrift eingegangen sei, getan. Hätten die Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit der Berufungseinlegung ausgeräumt werden sollen, wäre eine gezielte Frage nach der Vollständigkeit der Übermittlung erforderlich gewesen.
b) Es bedarf keiner Entscheidung über die Frage, ob die Mitarbeiterin des Berufungsgerichts, gefragt nach dem Eingang der durch Telefax übermittelten Berufungsschrift, von sich aus die eingegangenen Seiten auf Vollständigkeit überprüfen mußte. Selbst wenn ein Verschulden der Mitarbeiterin angenommen wird, ändert dies an der Ursächlichkeit des Verschuldens des von der Klägerin beauftragten Rechtsanwaltes an der Fristversäumung nichts. Die Mitarbeiterin des Berufungsgerichts beschränkte sich nämlich nicht auf die Bestätigung des Eingangs der Berufungsschrift, sondern wies ausdrücklich auf ein-
gegangene "sieben Seiten" hin. Hätte der Rechtsanwalt zuvor seiner Pflicht zur Ausgangskontrolle genügt, so hätte er sich nicht in entschuldigender Weise (vgl. BGH, Beschl. v. 22. Februar 1989, IVb ZB 121/88, FamRZ 1989, 729, 730) auf die Auskunft der Geschäftsstelle verlassen können. Für ihn wären mit der gerichtlichen Auskunft Zweifel an der einwandfreien Übermittlung nicht ausgeräumt, sondern die Vollständigkeit der Übermittlung auch weiterhin zweifelhaft gewesen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Schneider Krüger Klein Gaier
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(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.
(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.
(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)