Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2016 - V ZR 92/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:140116BVZR92.15.0
bei uns veröffentlicht am14.01.2016
vorgehend
Landgericht Stralsund, 4 O 135/12, 04.03.2014
Oberlandesgericht Rostock, 3 U 37/14, 12.03.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 92/15
vom
14. Januar 2016
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:140116BVZR92.15.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richter Dr. Czub, Dr. Kazele und Dr. Göbel
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberlandesgerichts Rostock - 3. Zivilsenat - vom 12. März 2015 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 14.321,65 €.

Gründe:

I.

1
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Das Grundstück des Beklagten war mit einem alten Wohnhaus bebaut, das der Mutter der Klägerin und Großmutter des Beklagten gehörte. An dieses Gebäude wurde 1975/1976 ein Wohnhaus angebaut, ohne eine eigene Giebelaußenwand für den Anbau herzustellen. Im Jahr 1995 erhielt die Klägerin von ihrer Mutter eine Teilfläche des mit dem Anbau bebauten Grundstücks übertragen. Der Beklagte wurde nach dem Tode seiner Großmutter im Jahr 2009 als deren Alleinerbe Eigentümer des mit dem alten Wohnhaus bebauten Grundstücks. Nach einer im Oktober 2010 durchgeführten Grenzfeststellung befindet sich die für den Anbau genutzte Giebelaußenwand auf dem Grundstück des Beklagten. Dieser ließ ein Jahr später den Altbau mit Ausnahme des dem Anbau dienenden Teils der Giebelwand abreißen. Diese Wand liegt nunmehr frei: sie ist vor Witterungseinflüssen nicht mehr geschützt und zudem allein nicht standsicher.
2
Die Klägerin hat Klage erhoben, mit der sie beantragt hat, den Beklagten zu bestimmten, im Antrag bezeichneten baulichen Maßnahmen zur Sicherung und zur Sanierung der Giebelwand, hilfsweise zur Gestattung der Selbstvornahme und zur Erstattung der ihr dadurch entstehenden Aufwendungen zu verurteilen. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde mit dem Ziel, ihre Klageanträge in einem Revisionsverfahren weiter zu verfolgen.

II.

3
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
4
1. Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Wert des Beschwerdegegenstands in dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend. Dieser Wert bemisst sich nach den Kosten der Maßnahmen zur Sicherung und Sanierung der durch den Abriss des Gebäudes des Beklagten freigelegten Giebelwand des Wohnhauses der Klägerin. Dieser Wert ist von dem Beschwerdeführer darzulegen und gemäß § 294 ZPO glaubhaft zu machen (vgl. Senat, Beschluss vom 26. September 2013 - V ZR 262/12, Grundeigentum 2013, 1584 Rn. 6; Beschluss vom 7. Mai 2015 - V ZR 159/14, Grundeigentum 2015, 912 Rn. 5). Daran fehlt es hier.
5
2. a) Dahinstehen kann, ob das Angebot der Fa. P. vom 20. März 2015 mit einer Summe von 26.433,47 € - wie von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin behauptet - dem Schriftsatz vom 29. Mai 2015 beigefügt gewesen und damit innerhalb der laufenden Begründungsfrist (vgl. zu diesem Erfordernis: Senat, Beschluss vom 10. April 2014 - V ZR 174/13, juris Rn. 5) eingereicht worden ist. Dass der Wert der im Revisionsverfahren geltend zu machenden Beschwer der Klägerin den Betrag von 20.000 € übersteigt, ist nämlich auch auf der Grundlage des neuen Angebots nicht glaubhaft dargelegt.
6
b) Ausschlaggebend hierfür ist, dass die Klägerin die ihre Beschwer bestimmenden Kosten der im Klageantrag bezeichneten Baumaßnahmen in den Tatsacheninstanzen mit wesentlich geringeren Beträgen in Ansatz gebracht hat. In erster Instanz hat sie die voraussichtlichen Kosten auf der Grundlage einer gutachterlichen Stellungnahme eines Bausachverständigen mit 5.992,19 € an- gegeben. In zweiter Instanz hat sie die voraussichtlichen Kosten nach zwei Angeboten der Fa. P. vom 26. August 2013 (über 9.282 €) und vom 30. September 2013 (über 5.039,65 €) mit insgesamt 14.321,65 € berechnet. Der neue, gegenüber den Angeboten aus dem Jahre 2013 um 12.111,82 € (= 84,57 %) höhere Angebotspreis wird damit begründet, dass die Kosten für die Sanierung des Giebels auf Grund von Verschlechterungen der Bausubstanz und von Preissteigerungen nunmehr deutlich höher lägen.
7
Wird zur Begründung der Werts der Beschwer nach § 26 Nr. 8 EGZPO ein neues Angebot vorgelegt, muss dieses von dem Revisionsgericht darauf überprüft werden, ob der behauptete Wert danach glaubhaft ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 1991 - XII ZR 115/90, juris Rn. 5 f.; Beschluss vom 27. August 2009 - VII ZR 161/09, juris Rn. 7). Das ist hier nicht der Fall. Bei einem Vergleich der Angebote fällt nämlich auf, dass in diesen dieselben Arbeiten beschrieben werden. Geändert haben sich allein die Einheitspreise zu den ein- zelnen Positionen, die sich teilweise verdoppelt, teilweise sogar verdreifacht haben. Das liegt jedoch weit außerhalb der üblichen Preissteigerung in eineinhalb Jahren. Der Senat sieht es deshalb nicht als überwiegend wahrscheinlich an, dass der Wert der Beschwer der Klägerin höher ist als von ihr in der Berufungsinstanz unter Vorlage von Angeboten desselben Unternehmens für dieselben Arbeiten angegeben.
8
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Stresemann Schmidt-Räntsch Czub Kazele Göbel
Vorinstanzen:
LG Stralsund, Entscheidung vom 04.03.2014 - 4 O 135/12 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 12.03.2015 - 3 U 37/14 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 294 Glaubhaftmachung


(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. (2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

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(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

6
2. Dass der so zu bemessende Wert der Beschwer den Betrag von 20.000 € übersteigt, hat der Beschwerdeführer darzulegen (BGH, Beschluss vom 20. April 2005 - XII ZR 92/02, NJW-RR 2005, 1011) und gemäß § 294 ZPO glaubhaft zu machen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Juli 2002 - V ZR 118/02, NJW 2002, 3180). Daran fehlt es.
5
1. Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Wert des Beschwerdegegenstandes in dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend. Verlangt der Grundstückseigentümer die Beseitigung einer Störung oder Einwirkung auf sein Grundstück, bemisst sich der Wert der Beschwer nach dem Wertverlust, den das Grundstück durch die Störung oder Einwirkung erleidet. Dieser ist von dem Beschwerdeführer darzulegen und gemäß § 294 ZPO glaubhaft zu machen (vgl. Senat, Beschluss vom 26. September 2013 - V ZR 262/12, Grundeigentum 2013, 1584 Rn. 5 f.).

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 6. Juni 2013 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 26.000 €.

Gründe

I.

1

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. In einem gerichtlichen Vergleich einigten sie sich über den Inhalt eines Wegerechts. Die Klägerin verpflichtete sich u.a., entlang der östlichen Grenze ihres Grundstücks einen Weg von 2,5 m Breite sowie eine Zufahrt zum Grundstück der Beklagten bei Aufteilung der Kosten neu anzulegen. Eine zugunsten des Grundstücks der Beklagten im Grundbuch mit anderem Inhalt eingetragene Grunddienstbarkeit sollte entsprechend geändert werden. Die für die Anlegung des Wegs von der Klägerin beantragte Umnutzung einer Waldfläche wurde von der zuständigen Behörde versagt. Eine hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.

2

Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage, die Vollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich hinsichtlich der Regelung über die Kostentragung für unzulässig zu erklären. Die Beklagten beantragen widerklagend - soweit hier von Interesse - die Verurteilung der Klägerin zu einer den Vergleich hinsichtlich des Verlaufs der Zuwegung ändernden Willenserklärung.

3

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Widerklage hat es die Klägerin verurteilt, eine Willenserklärung dahingehend abzugeben, dass der gerichtliche Vergleich hinsichtlich des Verlaufs der Zuwegung zu dem Grundstück der Beklagten in näher bezeichneter Weise geändert wird. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin insoweit und die Berufung der Beklagten insgesamt zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. In dem angestrebten Revisionsverfahren will die Klägerin die Abweisung der Widerklage erreichen.

II.

4

Die Beschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, dass der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € übersteigt (vgl. § 26 Nr. 8 EGZPO).

5

1. Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO ist nicht die Beschwer aus dem Berufungsurteil, sondern der Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend. Um dem Revisionsgericht die Prüfung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung zu ermöglichen, muss der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist darlegen, dass er mit der beabsichtigten Revision die Abänderung des Berufungsurteils in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt, erstreben will (Senat, Beschluss vom 29. November 2007 - V ZR 69/07, juris; Beschluss vom 27. Juni 2002 - V ZR 148/02, NJW 2002, 2720). Für die Ermittlung des Beschwerdegegenstands nach § 26 Nr. 8 EGZPO gilt ein gegenüber § 3 Halbs. 2 ZPO vereinfachtes Verfahren, welches sich mit der Glaubhaftmachung des Werts begnügt (Senat, Beschluss vom 25. Juli 2002 - V ZR 118/02, WM 2002, 1899).

6

2. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin trägt lediglich vor, dass ihr Grundstück durch die Änderung der eingetragenen Grunddienstbarkeit zumindest in Höhe des Wertes der Dienstbarkeit gemindert werde. Diesen habe das Berufungsgericht dem Landgericht folgend auf 26.000 € fes t-gesetzt. Für die Wertfestsetzung des Landgerichts war jedoch das Interesse der Beklagten an der mit der Widerklage begehrten Änderung der Grunddienstbarkeit maßgebend. Dieses bemisst sich nach dem Wert, den die Grunddienstbarkeit für das herrschende, also das Grundstück der Beklagten hat (Senat, Beschluss vom 12. Juli 2012 - V ZR 29/12, juris, Rn. 3). Maßgeblich für den Wert des Beschwerdegegenstands ist aber hier, wie bei einem Rechtsmittel gegen die Verurteilung zur Bewilligung einer Grunddienstbarkeit (Senat, Beschluss vom 30. Januar 1957 - V ZR 263/56, BGHZ 23, 205, 207; Beschluss vom 2. Oktober 2003 - V ZB 18/03, VIZ 2004, 134; Beschluss vom 29. November 2007 - V ZR 69/07, juris), ausschließlich die Wertminderung des dienenden Grundstücks. Zu dieser trägt die Klägerin nichts vor.

7

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts hat ihre Grundlage in § 3 ZPO. Anders als für die Bemessung der Beschwer der Klägerin ist insoweit maßgebend das Interesse der Beklagten an der Durchsetzung der Änderung der Grunddienstbarkeit, mithin die damit verbundene Wertsteigerung ihres Grundstücks (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - V ZR 52/13, juris, Rn. 8). Diese haben die Vorinstanzen auf 26.000 € geschätzt.

Stresemann                      Lemke                     Schmidt-Räntsch

                      Czub                      Kazele

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)