Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2016 - V ZB 28/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Februar 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richter Dr. Czub, Dr. Kazele und Dr. Göbel
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene, ein eritreischer Staatsangehöriger, wurde am 12. Dezember 2013 festgenommen. Er verfügte weder über einen Pass noch ein Visum. Eine Eurodac-Recherche ergab, dass er bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hatte. Die beteiligte Behörde verfügte am 13. Dezember 2013 die Zurückschiebung des Betroffenen nach Italien und beantragte im Wege der einstweiligen Anordnung Haft zur Sicherung der Zurückschiebung. Das Amtsgericht ordnete mit Beschluss vom selben Tag im Wege der einstweiligen Anordnung Haft bis zum 20. Dezember 2013 an. Den am 13. Dezember 2013 gestellten Asylantrag des Betroffenen leitete die beteiligte Behörde an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weiter, wo er am 16. Dezember 2013 einging. Am 19. Dezember 2013 wurde ein Wiederaufnahmegesuch an Italien gestellt.
- 2
- Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 20. Dezember 2013 Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 24. Januar 2014 an. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene die Feststellung erreichen, dass die Haftanordnung seine Rechte verletzt hat.
II.
- 3
- Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft hätten vorgelegen. Insbesondere seien die Haftgründe des § 62 Abs. 3 Nrn. 1 und 5 AufenthG (in der damals geltenden Fassung) gegeben. Die DublinIII -Verordnung finde keine Anwendung.
III.
- 4
- Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
- 5
- Entgegen der Ansicht des Betroffenen geht das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei davon aus, dass die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. Nr. L 180, S. 31 - Dublin-III-Verordnung) vorliegend nicht anwendbar ist. Zwar ist diese Verord- nung gemäß ihrem Art. 49 Abs. 1 am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung , die am 19. Juli 2013 erfolgte, in Kraft getreten. Nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-Verordnung findet die Verordnung aber erst Anwendung, wenn entweder der Betroffene ab dem 1. Januar 2014 einen Asylantrag oder - ungeachtet des Zeitpunkts der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz - die Behörde ab diesem Zeitpunkt ein Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme gestellt hat. Hier ist Italien am 19. Dezember 2013 und damit vor dem maßgeblichen Zeitpunkt um Wiederaufnahme des Betroffenen ersucht worden.
- 6
- Anders als die Rechtsbeschwerde meint, gilt die genannte Übergangsvorschrift auch für die Regelungen der Überstellungshaft. Mit Art. 28 Dublin-IIIVerordnung regelt das Gemeinschaftsrecht - anders als die Verordnung (EU) Nr. 343/2003, (ABl. Nr. L 50, S. 1 - Dublin-II-Verordnung) - erstmals unmittelbar die Zulässigkeit der Inhaftierung eines Ausländers zur Sicherung seiner Überstellung in den für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14, InfAuslR 2014, 381 Rn. 10). Sie steht daher, wie auch ihre systematische Stellung in Kapitel VI der Dublin-IIIVerordnung belegt, in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Neuregelung der Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren. Die Haft knüpft an ein Aufnahme - oder Wiederaufnahmeverfahren an und stellt ein Instrument zur zwangsweisen Durchsetzung der Überstellung gegenüber dem Betroffenen dar.
- 7
- Daher ist Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-Verordnung auch für die Anwendbarkeit der Regelungen über die Überstellungshaft nach dieser Verordnung maßgeblich.
- 8
- Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Vorinstanzen:
AG Saarbrücken, Entscheidung vom 20.12.2013 - 7 XIV 92/13 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 17.01.2014 - 5 T 503/13 -
Annotations
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und - 2.
die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge); - 2.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar - a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; - b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
(4) Die Rechtsbeschwerde- und die Begründungsschrift sind den anderen Beteiligten bekannt zu geben.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.