Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2011 - V ZB 237/10

bei uns veröffentlicht am14.07.2011
vorgehend
Amtsgericht Heidelberg, 45 C 73/08, 22.10.2009
Landgericht Karlsruhe, 11 T 591/09, 05.08.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 237/10
vom
14. Juli 2011
in dem Kostenfestsetzungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hat das Prozessgericht auf die Rüge des Gegners einen Mangel der Vollmacht verneint
, kann die Wirksamkeit der Vollmacht im Kostenfestsetzungsverfahren nicht mit
derselben Begründung erneut in Frage gestellt werden.
BGH, Beschluss vom 14. Juli 2011 - V ZB 237/10 - LG Karlsruhe
AG Heidelberg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 2011 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 5. August 2011 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 6.369,71 €.

Gründe:

I.

1
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Mehrere von der Gemeinschaft gefasste Beschlüsse wurden von dem Kläger angefochten. Nachdem die Klage dem damaligen Verwalter zugestellt worden war, beauftragte dieser eine Anwaltssozietät, die übrigen Wohnungseigentümer als Beklagte des Beschlussanfechtungsverfahrens zu vertreten. In diesem Verfahren rügte der Kläger die Vollmacht der gegnerischen Rechtsanwälte mit der Begründung , der Verwalter sei nicht berechtigt gewesen, diese zu beauftragen.
2
Das Amtsgericht vertrat die Ansicht, dass sich die Befugnis des Verwalters , die Beklagten zu vertreten, aus der Vorschrift des § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG ergebe. Es erklärte einige der angefochtenen Beschlüsse für ungültig oder nich- tig und wies die Klage im Übrigen ab. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Kläger zu 63 % und den Beklagten zu 37 % auferlegt.
3
Auf Antrag der Beklagten hat das Amtsgericht die von dem Kläger zu erstattenden Kosten auf 2.400 € netto festgesetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde , mit der der Kläger weiterhin geltend macht, die Prozessbevollmächtigten der Beklagten seien von dem Verwalter nicht wirksam bevollmächtigt worden, ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter, die durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten entstandenen Kosten nicht festzusetzen.

II.

4
Das Beschwerdegericht lässt offen, ob ein Mangel der Vollmacht im Kostenfestsetzungsverfahren gerügt werden kann. Die Rüge sei jedenfalls unbegründet. Die Vertretungsbefugnis des Verwalters folge aus § 27 Abs. 2 Satz 2 WEG. Die Vorschrift begründe die Vermutung, dass die Führung eines Passivprozesses im Sinne des § 43 Nr. 4 WEG eine objektiv erforderliche Maßnahme zur Abwehr von Nachteilen für die Wohnungseigentümer darstelle.

III.

5
Die Rechtsbeschwerde bleibt schon deshalb ohne Erfolg, weil im Kostenfestsetzungsverfahren nicht erneut zu prüfen ist, ob der damalige Verwalter berechtigt war, einen Anwalt mit der Vertretung der Beklagten zu beauftragen.
6
Gemäß § 88 ZPO kann der Mangel der Vollmacht eines Prozessbevollmächtigten von dem Gegner zwar in jeder Lage des Rechtsstreits und damit grundsätzlich auch noch im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden (vgl. OLG Hamm, OLGR 2005, 385, 386; OLG Bamberg, JurBüro 1977, 1439, 1440; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 88 Rn. 2; MünchKomm-ZPO/ v. Mettenheim, 3. Aufl., § 88 Rn. 6; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 88 Rn. 2). Da in diesem Verfahren Einwendungen gegen die zugrunde liegende Kostengrundentscheidung nicht erhoben werden können, ist die Rüge allerdings unbeachtlich, soweit sie sich auf die Vollmacht zur Führung des Prozesses in der Hauptsache bezieht. Gerügt werden kann nur die Berechtigung, einen Kostenfestsetzungsantrag für die Partei zu stellen (so zutreffend: OLG Hamm, aaO; Zöller/Vollkommer, aaO).
7
Auch eine solche Rüge ist aber ausgeschlossen, wenn ein möglicher Mangel der Vollmacht in dem vorausgegangenen Rechtsstreit bereits geprüft und verneint worden ist. Die Beurteilung des für die Hauptsache zuständigen Gerichts bleibt dann - vorbehaltlich einer Überprüfung durch die höhere Instanz - für die weiteren Prozesshandlungen des Bevollmächtigten maßgeblich und kann deshalb im Kostenfestsetzungsverfahren, welches einen Teil des Rechtsstreits bildet (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2006 - IV ZB 18/06, NJW-RR 2007, 422 Rn. 8), nicht mit derselben Begründung erneut in Frage gestellt werden (vgl. BVerwG, AnwBl 1987, 236; KG, JurBüro 2008, 316, 317; LG Bonn, AnwBl 1983, 518, 519).
8
So verhält es sich hier. Nachdem das Amtsgericht die Vollmacht der für die Beklagten aufgetretenen Rechtsanwälte geprüft und im Hinblick auf § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG für wirksam erachtet hat, wären Einwendungen gegen diese Rechtsansicht mit der Berufung geltend zu machen gewesen. Im Kostenfestsetzungsverfahren ist der Kläger mit ihnen ausgeschlossen.

IV.

9
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Krüger Stresemann Roth Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Heidelberg, Entscheidung vom 22.10.2009 - 45 C 73/08 -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 05.08.2010 - 11 T 591/09 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 43 Zuständigkeit


(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 27 Aufgaben und Befugnisse des Verwalters


(1) Der Verwalter ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die 1. untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen oder2. zur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 88 Mangel der Vollmacht


(1) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden. (2) Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2006 - IV ZB 18/06

bei uns veröffentlicht am 22.11.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZB 18/06 vom 22. November 2006 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin Dr. Kessal-Wulf
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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 08. Mai 2014 - 8 W 167/14

bei uns veröffentlicht am 08.05.2014

Tenor 1. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten Z. 4 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Notariats II - Nachlassgericht - Nürtingen vom 2. April 2014, Az. II NG 128/2013, wird zurückgewiesen. 2. Die Beteiligte Z. 4 hat die

Referenzen

(1) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden.

(2) Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt.

(1) Der Verwalter ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die

1.
untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen oder
2.
zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind.

(2) Die Wohnungseigentümer können die Rechte und Pflichten nach Absatz 1 durch Beschluss einschränken oder erweitern.

(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für

1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander,
2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern,
3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie
4.
Beschlussklagen gemäß § 44.

(1) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden.

(2) Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt.

8
Das a) Kostenfestsetzungsverfahren, das mit dem Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses abschließt, ist eine Fortsetzung der zwischen den Prozessparteien ergangenen Kostengrundentscheidung (BGH, Beschluss vom 9. März 2006 - V ZB 164/05 - NZM 2006, 660 unter III 2 a); es behandelt daher allein die Frage, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten ist. Schon das spricht dagegen, materiell-rechtliche Fragen innerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens zu klären, das auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und die Beurteilung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und deshalb dem Rechtspfleger übertragen ist. Die Entscheidung zwischen den Parteien streitiger Tatsachen und komplizierter Rechtsfragen ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich (BGH, Beschluss vom 23. März 2006 - V ZB 189/05 - Rpfleger 2006, 439 unter II 1). Materiell-rechtliche Einwände gegen den Kostenerstattungsanspruch sind deshalb grundsätzlich nicht zu berücksichtigen; vielmehr sind diese vorrangig mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen (BGHZ 5, 251, 253 f.).

(1) Der Verwalter ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die

1.
untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen oder
2.
zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind.

(2) Die Wohnungseigentümer können die Rechte und Pflichten nach Absatz 1 durch Beschluss einschränken oder erweitern.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)