Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2011 - V ZB 219/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 333.200 €.
Gründe:
I.
- 1
- Die Beteilige zu 2 hinterlegte aufgrund eines zwischen den Beteiligten geschlossenen Projektentwicklungs- und Baufreimachungsvertrags bei dem Notar a.D. S. , dessen Notariatsaktenverwahrer der Notar D. ist, einen Scheck über 333.200 €. Die gemeinsame Hinterlegungsanweisung der Beteiligten lautet: "Wir weisen Sie unwiderruflich an, den hinterlegten Scheck an die B. Immobilien Grundbesitzverwaltungsgesellschaft mbH auszuhändigen, sobald Ihnen eine Bescheinigung des Notars H. H. , B. , vorliegt, - entweder dass der Kaufpreis aus dem Kaufvertrag zwischen der C. GmbH & Co. Immobilien Entwicklungsgesellschaft KG und der Bauträger GmbH & Co. KG bei ihm hinterlegt ist, oder - dass die Bauträger GmbH & Co. KG bis zum 31.03.2011 zu seinen Händen nicht den Rücktritt von diesem Kaufvertrag erklärt hat. Der Scheck ist an die Ingenieurgesellschaft mbH auszuhändigen , sobald Ihnen eine Bescheinigung des Notars H. vorliegt, dass die Bauträger GmbH & Co. KG vor dem 01.04.2011 zu seinen Händen den Rücktritt von dem Kaufvertrag erklärt hat."
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- Am 15. April 2010 legte die Beteiligte zu 1 dem Notar D. eine Bestätigung des Notars H. vom 1. März 2010 vor, dass der Kaufpreis aus dem in der Hinterlegungsanweisung genannten Kaufvertrag am 19. Januar 2010 auf seinem Notaranderkonto eingegangen ist, und verlangte die Herausgabe des Schecks. Dem kam der Notar - auch in der Folgezeit - nicht nach, weil er sich bis zum 1. April 2011 einer eventuellen Pflicht zur Herausgabe des Schecks an die Beteiligte zu 2 ausgesetzt sieht.
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- Mit der Beschwerde hat die Beteiligte zu 1 ihr Herausgabeverlangen weiterverfolgt. Der Notar hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen. Das Landgericht hat es zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beteiligte zu 2 beantragt.
II.
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- Nach Ansicht des Beschwerdegerichts bestehen begründete Zweifel über die Person derjenigen, an die der Scheck herauszugeben ist. Er diene zur Sicherung des Anspruchs der Beteiligten zu 1 auf den zweiten Teilbetrag der Honorarforderung aus dem Projektentwicklungs- und Baufreimachungsvertrag. Dieser könne zur ergänzenden Auslegung der Hinterlegungsvereinbarung herangezogen werden. Danach liege es nahe, dass es für die Herausgabe des Schecks an die Beteiligte zu 1 nicht nur auf die Hinterlegung des Grundstückskaufpreises , sondern auch auf dessen Fälligkeit ankomme. Daran fehle es je- doch. Im Übrigen komme auch ein wirksamer Rücktritt der Beteiligten zu 2 von dem Grundstückskaufvertrag und damit eine Herausgabepflicht an sie in Betracht.
III.
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- Die Rechtsbeschwerde ist ungeachtet des Umstands, dass die von dem Beschwerdegericht angenommene grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, auf die es die Zulassung des Rechtsmittels gestützt hat, nicht gegeben ist und sonstige Zulassungsgründe (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FamFG) nicht vorliegen, nach § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FamFG statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 71 FamFG), jedoch unbegründet. Der Notar hat sein Tätigwerden nicht ohne ausreichenden Grund verweigert.
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- 1. Rechtlich nicht haltbar ist allerdings die Hauptbegründung in dem angefochtenen Beschluss. Die Beteiligte zu 1 weist zutreffend darauf hin, dass die ergänzende Auslegung der Hinterlegungsanweisung durch das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft ist.
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- a) Grundsätzlich darf der Notar den Inhalt der ihm erteilten Hinterlegungsanweisung nicht entgegen deren Wortlaut durch Auslegung des zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrags ermitteln, weil sich Inhalt und Umfang seiner Amtspflichten aus den an ihn gerichteten Weisungen ergeben, die er streng zu befolgen und mit peinlicher Genauigkeit zu beachten hat, wobei es auf Umstände außerhalb des Treuhandauftrags nicht ankommt; der Inhalt eines zwischen den Beteiligten vereinbarten Vertrags einschließlich einer - eventuell - darin enthaltenen Hinterlegungsvereinbarung ist nicht Bestandteil der davon zu unterscheidenden Hinterlegungsanweisung, weshalb der Notar den Vertragsinhalt nicht durch Auslegung zu ermitteln hat (BGH, Urteil vom 10. Februar 2000 - IX ZR 41/99, NJW 2000, 1644 mwN).
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- b) Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn der Vertragsinhalt eindeutig ergibt, dass die Beteiligten die Weisung nicht so gemeint haben, wie sie formuliert ist, kann offen bleiben. So ist es hier jedenfalls nicht. Die von dem Beschwerdegericht vorgenommene Auslegung hält der - in dem Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkten - rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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- aa) Zum einen hat das Beschwerdegericht nicht berücksichtigt, dass der zweite Teilbetrag des Honorars der Beteiligten zu 1 aus dem Projektentwicklungs - und Baufreimachungsvertrag spätestens am 31. März 2011 "verdient , fällig und zahlbar" ist, auch wenn der Kaufpreis aus dem Grundstückskaufvertrag bis dahin nicht fällig ist. Die Fälligkeit des restlichen Honoraranspruchs hängt also nicht ausschließlich von der Fälligkeit der Kaufpreisforderung ab. Da die Hinterlegung des Schecks die Zahlung des Honoraranspruchs sichern soll, kann die Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs nicht Voraussetzung für die Herausgabe des Schecks an die Beteiligte zu 1 sein.
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- bb) Zum anderen erweist sich das Auslegungsergebnis als sinnlos. Der Notar hat den Kaufvertrag nicht beurkundet, er soll ihn auch nicht vollziehen. Wann die Kaufpreisforderung fällig wird, kann er deshalb nicht wissen. Zu eigenen Erkundigungen ist er nicht verpflichtet. Der Eintritt der Fälligkeit ist ihm auch nicht nachzuweisen. Die Folge davon ist, dass er den Scheck nicht an die Beteiligte zu 1 herausgeben könnte, auch wenn ihm die Hinterlegung des Kaufpreises nachgewiesen wird. Die Hinterlegungsanweisung ginge somit insoweit ins Leere, als sie die von der Hinterlegung des Kaufpreises abhängige Herausgabe des Schecks betrifft.
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- 2. Zu Recht hat das Beschwerdegericht jedoch die Weigerung des Notars wegen der noch bestehenden eventuellen Pflicht zur Herausgabe des Schecks an die Beteiligte zu 2 nicht beanstandet.
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- a) Die Hinterlegungsanweisung besteht aus zwei Teilen.
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- aa) Sie enthält zunächst die Anweisung zur Herausgabe des Schecks an die Beteiligte zu 1, soweit dem Notar entweder die Bestätigung über die Hinterlegung des Grundstückskaufpreises oder die Bestätigung vorliegt, dass die Beteiligte zu 2 bis zum 31. März 2011 den Rücktritt von dem Kaufvertrag nicht erklärt hat. Beide Voraussetzungen stehen alternativ nebeneinander; tritt nur eine von ihnen ein, muss der Notar - nach diesem Teil der Hinterlegungsanweisung - den Scheck an die Beteiligte zu 1 herausgeben.
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- bb) Sodann wird der Notar zur Herausgabe des Schecks an die Beteiligte zu 2 angewiesen, soweit ihm die Bestätigung über einen vor dem 1. April 2011 erklärten Rücktritt der Käuferin von dem Kaufvertrag vorliegt. Hierbei handelt es sich entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 1 nicht um eine bloße Auffangregelung , sondern - wie auch der "befehlende" Wortlaut zeigt - um die eigenständige Anweisung an den Notar, dass bei dem Eintritt der Voraussetzung der Scheck an die Beteiligte zu 2 zurückzugeben ist.
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- b) Damit ist klargestellt, dass die Herausgabe des Schecks davon abhängt , welches Verhalten der Käuferin bis zum 31. März 2011 hinsichtlich des Bestands des Grundstückskaufvertrags dem Notar nachgewiesen wird: Hat sie nicht fristgemäß den Rücktritt von dem Kaufvertrag erklärt, ist der Scheck an die Beteiligte zu 1 herauszugeben; hat sie fristgemäß den Rücktritt erklärt, muss der Notar den Scheck an die Beteiligte zu 2 herausgeben. Wie der Notar zu verfahren hat, wenn ihm - wie hier - vor dem Ablauf der Rücktrittsfrist die Kaufpreiszahlung nachgewiesen wird, lässt sich der Hinterlegungsanweisung nicht entnehmen. Diese Frage kann nur zwischen den Beteiligten geklärt werden. Bis zu einer solchen Klärung handelte der Notar pflichtwidrig, gäbe er den Scheck an die Beteiligte zu 1 heraus.
IV.
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- Die Kostenentscheidung folgt aus § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 1 Abs. 1, 19 Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 1 Satz 1 KostO.
Vorinstanz:
LG Fulda, Entscheidung vom 15.07.2010 - 5 T 111/10 -
Annotations
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Der Notar darf seine Urkundstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern. Zu einer Beurkundung in einer anderen als der deutschen Sprache ist er nicht verpflichtet.
(2) Gegen die Verweigerung der Urkunds- oder sonstigen Tätigkeit des Notars findet die Beschwerde statt. Beschwerdegericht ist eine Zivilkammer des Landgerichts, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
(3) (weggefallen)
(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und - 2.
die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge); - 2.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar - a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; - b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
(4) Die Rechtsbeschwerde- und die Begründungsschrift sind den anderen Beteiligten bekannt zu geben.
(1) Der Notar darf seine Urkundstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern. Zu einer Beurkundung in einer anderen als der deutschen Sprache ist er nicht verpflichtet.
(2) Gegen die Verweigerung der Urkunds- oder sonstigen Tätigkeit des Notars findet die Beschwerde statt. Beschwerdegericht ist eine Zivilkammer des Landgerichts, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
(3) (weggefallen)
Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.