Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Feb. 2016 - V ZB 109/15

bei uns veröffentlicht am18.02.2016
vorgehend
Amtsgericht Landshut, XIV 3/15 B, 06.07.2015
Landgericht Landshut, 62 T 755/15, 06.07.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 109/15
vom
18. Februar 2016
in der Abschiebungshaftsache
ECLI:DE:BGH:2016:180216BVZB109.15.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Februar 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Weinland, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Landshut - 6. Zivilkammer - vom 6. Juli 2015 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

1
Die Rechtsbeschwerde ist mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG statthaft, in der Sache jedoch nicht begründet. Ob das Amtsgericht gegen die in Art. 104 Abs. 4 GG bzw. - inhaltlich übereinstimmend - in § 432 FamFG normierte Pflicht, von der Anordnung der Haft unverzüglich einen Angehörigen oder eine Person des Vertrauens zu benachrichtigen, verstoßen hat, bedarf keiner Entscheidung, weil dies nicht die Rechtswidrigkeit des Haftanordnungsbeschlusses zur Folge hätte (Senat, Beschluss vom 21. Januar 2016 - V ZB 6/14, zur Veröffentlichung bestimmt). Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG). Stresemann Schmidt-Räntsch Weinland Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Landshut, Entscheidung vom 06.07.2015 - XIV 3/15 B -
LG Landshut, Entscheidung vom 06.07.2015 - 62 T 755/15 -

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 74 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 104


(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden. (2) Über die Zuläss

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 62 Statthaftigkeit der Beschwerde nach Erledigung der Hauptsache


(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführ

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 432 Benachrichtigung von Angehörigen


Von der Anordnung der Freiheitsentziehung und deren Verlängerung hat das Gericht einen Angehörigen des Betroffenen oder eine Person seines Vertrauens unverzüglich zu benachrichtigen.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2016 - V ZB 6/14

bei uns veröffentlicht am 21.01.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 6/14 vom 21. Januar 2016 in der Zurückschiebungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GG Art. 104 Abs. 4; FamFG § 62 Abs. 1 Eine Verletzung des Rechts aus Art. 104 Abs. 4 GG führt nich

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(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

Von der Anordnung der Freiheitsentziehung und deren Verlängerung hat das Gericht einen Angehörigen des Betroffenen oder eine Person seines Vertrauens unverzüglich zu benachrichtigen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 6/14
vom
21. Januar 2016
in der Zurückschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Verletzung des Rechts aus Art. 104 Abs. 4 GG führt nicht zur Rechtswidrigkeit
eines Haftanordnungsbeschlusses gemäß den §§ 415 ff. FamFG.
BGH, Beschluss vom 21. Januar 2016 - V ZB 6/14 - LG Mainz
AG Bingen am Rhein
ECLI:DE:BGH:2016:210116BVZB6.14.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. SchmidtRäntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 12. Dezember 2013 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im November 2012 erstmalig in die Bundesrepublik ein, ohne im Besitz der hierfür erforderlichen Papiere zu sein. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durch Bescheid vom 3. April 2013 als unzulässig ab. Gleichzeitig ordnete es die Abschiebung nach Schweden an, wo er zuvor ebenfalls einen Asylantrag gestellt hatte. Schweden erklärte sich bereit, ihn im Rahmen der Vorgaben der Dublin-II-Verordnung zurückzunehmen. Nach Zustellung des Bescheids des BAMF tauchte der Betroffene unter und hielt sich nach eigenen Angaben für etwa sechs Monate illegal in Paris auf. In der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober 2013 reiste er erneut in das Bundesgebiet ein, um eine Freundin zu besuchen. Nach vorläufiger Festnahme des Betroffenen beantragte die beteiligte Behörde am 22. Oktober 2013, gegen ihn zur Sicherung der Zurückschiebung Abschiebehaft bis zum 19. November 2013 anzuordnen. Im Rahmen der Anhörung vor dem Amtsgericht gab er auf Befragen an, dass von der Inhaftierung niemand benachrichtigt werden sollte. Das Amtsgericht ordnete mit Beschluss vom 22. Oktober 2013 antragsgemäß Abschiebehaft an. Hiergegen hat der Betroffene nach Verkündung des Beschlusses am selben Tag zu Protokoll des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt. Nachdem er am 4. November 2013 nach Schweden überstellt worden war, hat er bei dem Landgericht die Feststellung beantragt , dass der Beschluss des Amtsgerichts ihn in seinen Rechten verletzt habe. Das Landgericht hat den Feststellungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

2
Nach Auffassung des Beschwerdegerichts waren die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Haftanaordnung gegeben. Es habe ein zulässiger Haftantrag der zuständigen Behörde vorgelegen. Ein Verstoß gegen Art. 104 Abs. 4 GG sei nicht ersichtlich. Ausweislich des Protokolls der Anhörung vor dem Amtsgericht sei der Betroffene darüber belehrt worden, dass Dritte von seiner Inhaftierung unterrichtet werden könnten. Hierauf habe er verzichtet. Nach herrschender Auffassung, der sich die Kammer anschließe, sei ein solcher Verzicht auf die Benachrichtigungspflicht durch den Betroffenen möglich. Eine Vertrauensperson sei dem Amtsgericht auch nicht bekannt gewesen. Angaben des Betroffenen hierzu könnten nicht erzwungen werden. Haftgründe hätten ebenfalls vorgelegen (§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 5 AufenthG).

III.

3
1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Rechtsbeschwerde auch dann ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG statthaft, wenn - wie hier - das Beschwerdegericht über einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung nach § 62 Abs. 1 FamFG entschieden hat und in dem Rechtsbeschwerdeverfahren die Überprüfung dieser Entscheidung verlangt wird (Senat, Beschlüsse vom 28. April 2011 - V ZB 292/10, FGPrax 2011, 200 Rn. 9 und vom 6. Oktober 2011 - V ZB 314/10, FGPrax 2012, 44 Rn. 5).
4
2. In der Sache hat die Rechtsbeschwerde jedoch keinen Erfolg. Die Haftanordnung des Amtsgerichts verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten.
5
a) Von Rechts wegen nicht zu beanstanden sind zunächst die Ausführungen des Beschwerdegerichts zu dem Vorliegen eines zulässigen Haftantrags gemäß § 417 Abs. 2 FamFG. Entsprechendes gilt für die Annahme der Haftgründe des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 5 AufenthG. Insoweit erhebt der Betroffene auch keine Einwendungen.
6
b) Die Rechtswidrigkeit des Haftanordnungsbeschlusses des Amtsgerichts folgt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht aus einer Verletzung von Art. 104 Abs. 4 GG bzw. des hiermit inhaltlich übereinstimmenden § 432 FamFG.
7
aa) Es spricht zunächst bereits viel dafür, dass das Amtsgericht nicht gegen die in Art. 104 Abs. 4 GG angeordnete Pflicht verstoßen hat, von jeder rechtlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung unverzüglich einen Angehörigen des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.
8
(1) Die Ansicht des Beschwerdegerichts, der von dem Betroffenen erklärte Verzicht auf die Benachrichtigungspflicht sei möglich, entspricht der Recht- sprechung des Bundesverfassungsgerichts. Danach ist die Erklärung des Festgehaltenen , von seiner Inhaftierung solle keine Person benachrichtigt werden, allerdings eng auszulegen. Sie bezieht sich auf die erstmalige Anordnung der Haft - nur darum geht es hier - und hat keine Bedeutung für spätere Entscheidungen über ihre Fortdauer (vgl. BVerfGE 16, 119, 122). Auch in Teilen der Literatur wird ein Verzicht grundsätzlich für zulässig erachtet, weil gegenüber der Benachrichtigungspflicht das gleichfalls grundrechtlich geschützte Interesse des Festgehaltenen überwiege, über ihn belastende Tatsachen gerade ihm nahe stehende Personen nicht informiert wissen zu wollen (vgl. v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl., Art. 104 Rn. 39; Prütting/Helms/Jennissen, FamFG, 3. Aufl., § 432 Rn. 3; Marschner/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 5. Aufl., § 432 Rn. 1; aA Schmidt-Bleibtreu/Schmahl, GG, 12. Aufl., Art. 104 Anm. 27; Sachs/Degenhart, GG, 7. Aufl., Art. 104 Rn. 25 f.; BeckOK GG/Radtke, Stand: 1.3.2015, Art. 104 Rn. 18; differenzierend von Mangold/Klein/Gusy, GG, 6. Aufl., Art. 104 Abs. 4 Rn. 71; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl., Art. 104 Rn. 21; Dreier/Schulze-Fielitz, GG, 2. Aufl., Art. 104 Rn 58; Rüping in: BK, Art. 104 Rn. 87 f.: Abwägung im Einzelfall erforderlich).
9
(2) Zudem ist zweifelhaft, ob ein Gericht, dem nach Befragen des Verhafteten weder ein Angehöriger noch eine Vertrauensperson bekannt ist, Nachforschungen anstellen muss (verneinend etwa Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 114c Rn. 4 und BeckOK/Krauß StPO, Edition 23, § 114c Rn. 7, jeweils zu der mit Art. 104 Abs. 4 GG übereinstimmenden Vorschrift des § 114c Abs. 2 StPO; bejahend - zu derselben Vorschrift - KK-StPO/Graf, 7. Aufl., § 114c Rn. 13 und SK-StPO/Paeffgen, 4. Aufl., § 114c Rn. 9). Besteht keine Nachforschungspflicht, hätte das Amtsgericht Art. 104 Abs. 4 GG schon deshalb nicht verletzt, weil ihm nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts eine Vertrauensperson nicht bekannt war.
10
bb) Auf diese Fragen kommt es jedoch nicht an. Die Rechtsbeschwerde hat auch dann keinen Erfolg, wenn zu Gunsten des Betroffenen eine Verletzung seines Rechts aus Art. 104 Abs. 4 GG unterstellt wird. Eine solche Verletzung führt nämlich nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung.
11
(1) Nach Art. 104 Abs. 1 GG kann die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Im vorliegenden Zusammenhang finden sich die maßgeblichen Bestimmungen vorrangig in dem Aufenthaltsgesetz (insbesondere § 62 AufenthG) und in den §§ 415 ff. FamFG. Über die Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung hat gemäß Art. 104 Abs. 2 GG ein Richter zu entscheiden. Wird gegen diese Bestimmungen verstoßen, hat dies die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung zur Folge. Die Erfüllung der in Art. 104 Abs. 4 GG angeordneten Benachrichtigungspflicht ist demgegenüber keine Voraussetzung für die Beschränkung der Freiheit der Person. Sie tritt vielmehr neben dieses Grundrecht und hat einen darüber hinausgehenden , eigenständigen Regelungsgehalt. Art. 104 Abs. 4 GG bezweckt, das „spurlose“ Verschwinden von Personen zu verhindern (vgl. Dreier/Schulze- Fielitz, GG, Band 3, 2. Aufl., Art. 104 Rn 56 f.). Hierbei handelt es sich zum einen um eine objektive Verfahrensverpflichtung des die Haft anordnenden Richters. Ihr entspricht auf der anderen Seite ein subjektives Recht des Festgenommenen auf Benachrichtigung durch den Richter (vgl. BVerfGE 16, 119, 122). Die Verletzung dieses Rechts kann von dem Betroffenen ungeachtet einer etwaigen Verletzung seines Grundrechts auf Freiheit der Person geltend gemacht werden. Auch wenn die Haftanordnung rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG verletzt, kann die Benachrichtigungspflicht gemäß Art. 104 Abs. 4 GG erfüllt worden sein. Umgekehrt können sämtliche Voraussetzungen für die Haftanord- nung vorliegen, die Rechte des Betroffenen aus Art. 104 Abs. 4 GG aber missachtet sein.
12
(2) Dass eine Verletzung der Benachrichtigungspflicht aus Art. 104 Abs. 4 GG nicht zugleich zur Rechtswidrigkeit der Anordnung der Haft führt, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 16, 119, 124; 38, 32, 35; siehe auch Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, NStZ-RR 2000, 185, 187). Liegt ein Verstoß gegen die Benachrichtigungspflicht vor und legt ein Festgehaltener Verfassungsbeschwerde ein, beschränkt sich das Bundesverfassungsgericht auf eine Feststellung der Verletzung des Grundrechts aus Art. 104 Abs. 4 GG. Diese berührt nicht den sachlichen Inhalt der Haftanordnung bzw. der späteren Entscheidungen über ihre Fortdauer (BVerfGE 16, 119, 124; 38, 32, 35).
13
(3) Die von dem Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit einer Verfassungsbeschwerde angestellten Überlegungen gelten im vorliegenden Zusammenhang entsprechend. Ein Betroffener kann deshalb die Aufhebung einer Haftanordnung gemäß §§ 415 ff. FamFG nicht mit der Begründung erreichen , das die Haft anordnende Gericht habe gegen Art. 104 Abs. 4 GG verstoßen. Da ein solcher Verstoß nicht die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung als solche zur Folge hat (vgl. in diesem Sinne auch Prütting/Helms/Jenissen, FamFG, 3. Aufl., § 432 Rn. 5; Marschner/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung , 5. Aufl., § 432 Rn. 4), kann auch - nach Erledigung der Haftanordnung - ein Feststellungsantrag nicht auf die Verletzung von Art. 104 Abs. 4 GG gestützt werden.
14
c) Der Rechtsbeschwerde verhilft es schließlich nicht zum Erfolg, dass ein Festgehaltener die ihm in Art. 104 Abs. 4 GG eingeräumten Rechte mög- licherweise mit einer Beschwerde durchsetzen und bei eingetretener Erledigung einen Feststellungsantrag stellen kann.
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aa) Vorliegend hat der Betroffene bei dem Beschwerdegericht und auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht, jedenfalls nicht ausdrücklich, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der unterbliebenen Benachrichtigung eines Angehörigen oder einer Vertrauensperson beantragt. Seine Rechtsmittel zielen vielmehr darauf festzustellen, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts ihn in seinen Rechten verletzt hat.
16
bb) Es ist auch nicht möglich, den von dem Betroffenen mit der Rechtsbeschwerde gestellten Antrag über seinen Wortlaut hinaus dahingehend erweiternd auszulegen, es solle festgestellt werden, dass das Unterbleiben der Benachrichtigung ihn in seinen Rechten verletzt habe. Eine Rechtsbeschwerde mit diesem Ziel wäre nämlich unzulässig und eine entsprechende Auslegung deshalb nicht interessegerecht.
17
Gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 3, Satz 2 FamFG ist eine Rechtsbeschwerde in Freiheitsentziehungssachen nur dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringung oder die freiheitsentziehende Maßnahme anordnet. Entscheidend ist hierfür nach der Gesetzesbegründung , ob der Beschluss für den Rechtsmittelführer unmittelbar freiheitsentziehende Wirkung hat (vgl. BT-Drucks. 16/1217 S. 60). Dies schließt es zwar nicht aus, eine Rechtsbeschwerde auch dann ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht als statthaft anzusehen, wenn sich die Haftanordnung erledigt hat und die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses beantragt wird (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, MDR 2010, 697 Rn. 9). Geht es jedoch - wie hier - nicht um die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Anordnungsbeschlusses als solche, sondern um die Verletzung sonstiger Rech- te, mögen sie auch im Zusammenhang mit der Haftanordnung stehen, verbleibt es bei der Regel des § 70 Abs. 1 FamFG. Hiernach ist eine Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn sie von dem Beschwerdegericht zugelassen ist. An einer solchen Zulassung fehlt es hier.

IV.

18
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 36 Abs. 3 GNotKG in Verbindung mit § 136 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG. Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Bingen am Rhein, Entscheidung vom 22.10.2013 - 110 XIV 13/13 B -
LG Mainz, Entscheidung vom 12.12.2013 - 8 T 186/13 -

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.