Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Aug. 2009 - StB 32/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
I.
- 1
- In der Hauptverhandlung gegen die Angeklagten M. und C. vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat der Vertreter des Generalbundesanwalts dem als Zeugen vernommenen Beschwerdeführer am 10. Juni 2009 die Frage gestellt "Wurden Sie oder Ihre Familie seit Ihren Aussagen bei der Polizei bis heute in Deutschland oder der Türkei von irgendjemandem aufgefordert oder gebeten, nicht oder in einem bestimmten Sinn in dem vorliegenden Strafverfahren auszusagen?" Der Beschwerdeführer hat die Beantwortung mit der Begründung verweigert, eine wahrheitsgemäße Aussage würde ihn selbst und seine Ehefrau der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen.
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- Mit Beschluss vom 10. Juni 2009 hat das Oberlandesgericht dem Beschwerdeführer die durch seine Zeugnisverweigerung entstandenen Kosten auferlegt, zur Erzwingung des Zeugnisses gegen ihn Ordnungsgeld in Höhe von 250 €, ersatzweise für je 50 € einen Tag Ordnungshaft, verhängt sowie zur Erzwingung des Zeugnisses Beugehaft bis zu einer Höchstdauer von zwei Monaten angeordnet. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Zeugen.
II.
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- 1. Die Beschwerde ist nur zulässig, soweit sie sich gegen die Anordnung der Beugehaft richtet.
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- Soweit sich der Zeuge gegen die Auferlegung der Kosten sowie die Verhängung des Ordnungsgeldes, ersatzweise der Ordnungshaft, wendet, ist das Rechtsmittel unstatthaft. Ein in § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO geregelter Fall, in dem ausnahmsweise die Beschwerde gegen einen Beschluss des im ersten Rechtszug zuständigen Oberlandesgerichts zulässig ist, liegt insoweit nicht vor. Im Gegensatz zur Anordnung von Beugehaft ist die Verhängung von Ersatzordnungshaft keine Verhaftung im Sinne des § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StPO, weil diese lediglich für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, sofort festgesetzt wird (§ 70 Abs. 1 Satz 2 StPO). Sie hat daher keine Verhaftung zum Inhalt, sondern eine an die Bedingung der Nichtbeitreibbarkeit des Ordnungsgeldes anknüpfende Entscheidung (vgl. BGHSt 36, 192, 197; BGH NStZ 1994, 198; BGH, Beschl. vom 12. August 2008, StB 16 - 17/08; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 304 Rdn. 13).
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- 2. Die gegen die Anordnung der Beugehaft gerichtete Beschwerde ist begründet. Dabei kann dahinstehen, ob der Zeuge die Beantwortung der gestellten Frage ohne gesetzlichen Grund verweigert hat, weil es an der Glaubhaftmachung fehlt, dass ihm ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zusteht. Die Anordnung von Beugehaft ist jedenfalls unverhältnismäßig.
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- Das Oberlandesgericht hat bei der Anordnung der Beugehaft sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.
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- Da § 70 StPO keine speziellen materiellen Voraussetzungen zum Schutz des Freiheitsgrundrechts vorsieht, kommt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Bedeutung zu. Danach muss die Beugehaft nach den Umständen des Falles unerlässlich sein und darf zur Bedeutung der Strafsache und der Aussage für den Ausgang des Verfahrens nicht außer Verhältnis stehen (vgl. BVerfG NJW 2007, 1865, 1868; Meyer-Goßner aaO § 70 Rdn. 13).
- 8
- Den Angeklagten liegen zwar sehr schwere Straftaten zur Last. Die Beantwortung der gestellten Frage hat jedoch für den Ausgang des Verfahrens nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts in dem nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ergangenen Beschluss vom 18. Juni 2009, mit dem es den gegen den Angeklagten C. bestehenden Haftbefehl aufgehoben hat, keinerlei Bedeutung mehr. Denn im Beschluss vom 18. Juni 2008 hat das Oberlandesgericht u. a. ausgeführt: "… Nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand besteht keine große Wahrscheinlichkeit mehr dafür, dass der Angeklagte C. die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat. … Die allein noch ausstehende Beantwortung der Frage nach dem Versuch einer Beeinflussung des Zeugen oder seiner Familie im Zusammenhang mit dem vorliegenden Strafverfahren ist jedoch für die Beurteilung des dringenden Tatverdachts ohne Bedeutung. Selbst wenn der Zeuge bestätigen sollte, dass irgendjemand einen solchen Versuch unternommen habe, ließe sich nicht darauf schließen, dass sich die angeklagte Tat so zugetragen hat, wie von dem Zeugen bei seinen polizeilichen Vernehmungen geschildert. … Dafür, dass der Zeuge A. die Angeklagten gegenüber der Polizei zu Unrecht der angeblichen Tat aus dem März 2007 bezichtigt hat, sprechen schwer wiegende Umstände. …"
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- Diese Einschätzung durch das Oberlandesgericht, das die vom Vertreter des Generalbundesanwalts gestellte Frage nicht wegen Bedeutungslosigkeit als ungeeignet im Sinne des § 241 Abs. 2 StPO zurückweisen kann (MeyerGoßner aaO § 241 Rdn. 13 m. w. N.), hat der Senat, der an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen hat und deshalb die Beweissituation nicht kennt, hinzunehmen. Die Beantwortung einer Frage, die nach der Beurteilung des erkennenden Gerichts den Ausgang des Strafverfahrens nicht mehr beeinflussen kann, darf nicht durch Beugehaft erzwungen werden. In einem solchen Fall ist das in § 70 Abs. 2 StPO eingeräumte Ermessen auf Null reduziert. Becker von Lienen Hubert
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(1) In Strafsachen ist der Bundesgerichtshof zuständig zur Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Revision gegen die Urteile der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug sowie gegen die Urteile der Landgerichte im ersten Rechtszug, soweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist.
(2) Der Bundesgerichtshof entscheidet ferner über
- 1.
Beschwerden gegen Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte in den in § 138d Absatz 6 Satz 1, § 304 Absatz 4 Satz 2 und § 310 Absatz 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Fällen, - 2.
Beschwerden gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes (§ 169 Absatz 1 Satz 2 der Strafprozessordnung) in den in § 304 Absatz 5 der Strafprozessordnung bezeichneten Fällen sowie - 3.
Einwände gegen die Besetzung eines Oberlandesgerichts im Fall des § 222b Absatz 3 Satz 1 der Strafprozessordnung.
(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.
(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.
(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.
(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche
- 1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen, - 2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen, - 3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen, - 4.
die Akteneinsicht betreffen oder - 5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.
(1) Wird das Zeugnis oder die Eidesleistung ohne gesetzlichen Grund verweigert, so werden dem Zeugen die durch die Weigerung verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt.
(2) Auch kann zur Erzwingung des Zeugnisses die Haft angeordnet werden, jedoch nicht über die Zeit der Beendigung des Verfahrens in dem Rechtszug, auch nicht über die Zeit von sechs Monaten hinaus.
(3) Die Befugnis zu diesen Maßregeln steht auch dem Richter im Vorverfahren sowie dem beauftragten und ersuchten Richter zu.
(4) Sind die Maßregeln erschöpft, so können sie in demselben oder in einem anderen Verfahren, das dieselbe Tat zum Gegenstand hat, nicht wiederholt werden.
(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.
(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.
(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.
(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.
(1) Wird das Zeugnis oder die Eidesleistung ohne gesetzlichen Grund verweigert, so werden dem Zeugen die durch die Weigerung verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt.
(2) Auch kann zur Erzwingung des Zeugnisses die Haft angeordnet werden, jedoch nicht über die Zeit der Beendigung des Verfahrens in dem Rechtszug, auch nicht über die Zeit von sechs Monaten hinaus.
(3) Die Befugnis zu diesen Maßregeln steht auch dem Richter im Vorverfahren sowie dem beauftragten und ersuchten Richter zu.
(4) Sind die Maßregeln erschöpft, so können sie in demselben oder in einem anderen Verfahren, das dieselbe Tat zum Gegenstand hat, nicht wiederholt werden.
(1) Dem, welcher im Falle des § 239 Abs. 1 die Befugnis der Vernehmung mißbraucht, kann sie von dem Vorsitzenden entzogen werden.
(2) In den Fällen des § 239 Abs. 1 und des § 240 Abs. 2 kann der Vorsitzende ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen zurückweisen.
(1) Wird das Zeugnis oder die Eidesleistung ohne gesetzlichen Grund verweigert, so werden dem Zeugen die durch die Weigerung verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt.
(2) Auch kann zur Erzwingung des Zeugnisses die Haft angeordnet werden, jedoch nicht über die Zeit der Beendigung des Verfahrens in dem Rechtszug, auch nicht über die Zeit von sechs Monaten hinaus.
(3) Die Befugnis zu diesen Maßregeln steht auch dem Richter im Vorverfahren sowie dem beauftragten und ersuchten Richter zu.
(4) Sind die Maßregeln erschöpft, so können sie in demselben oder in einem anderen Verfahren, das dieselbe Tat zum Gegenstand hat, nicht wiederholt werden.