Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2017 - IX ZR 316/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, die Richter Prof. Dr. Pape, Dr. Schoppmeyer und Meyberg
am 20. Juli 2017
beschlossen:
Der Wert des Revisionsverfahrens wird auf 700 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger ist Verwalter in dem am 14. Oktober 2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des M. (fortan: Schuldner). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte dem Schuldner aufgrund eines Darlehensvertrages vom 19./22. Mai 2007 ein Darlehen in Höhe von 70.000 € netto zuzüglich eines Bearbeitungsentgeltes von 700 € ausge- reicht. Die Rückzahlung sollte in monatlichen Raten zu je 800 € erfolgen. Der Schuldner zahlte die vereinbarte Rate letztmals am 28. Februar 2010 und stellte dann seine Zahlungen ein. Am 12. Oktober 2010 kündigte die Beklagte das Darlehen und stellte es zur sofortigen Rückzahlung fällig. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldete die Beklagte den Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens zur Tabelle an. Nachdem der Kläger die Rückzahlung der Bearbeitungsgebühr verlangt hatte, erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit ihrem Darlehensanspruch, hilfsweise mit ihrem Anspruch auf Zahlung der Rate für März 2010, und nahm ihre Anmeldung in Höhe von 700 € nebst anteiliger Zinsen zurück.
- 2
- Der Kläger hält die Aufrechnung für unzulässig. Er verlangt Zahlung von 700 € nebst Zinsen. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten ist das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen worden. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
II.
- 3
- Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor und die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
- 4
- 1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1 InsO wegen Fehlens einer unentgeltlichen Leistung nicht erfüllt. Der Schuldner habe angenommen, sich im Darlehensvertrag vom 19./22. Mai 2007 wirksam zur Zahlung der Bearbeitungsgebühr verpflichtet zu haben. In einem solchen Fall liege keine unentgeltliche Leistung vor. Der aus § 812 BGB folgende Rückzahlungsanspruch sei gemäß § 389 BGB durch Aufrechnung erloschen.
- 5
- 2. Das Berufungsurteil ist richtig. Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung entschieden hat, nimmt der Schuldner, der im ZweiPersonen -Verhältnis auf eine nicht bestehende Schuld leistet, keine unentgeltliche Leistung vor, wenn er irrtümlich annimmt, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein. Die aufgrund von wechselseitigen Ansprüchen im Zusammenhang mit einem Vertragsverhältnis erlangte Möglichkeit einer Aufrechnung oder Verrechnung ist auch dann nicht als unentgeltliche Leistung anfechtbar, wenn die dem Schuldner zustehende Gegenforderung ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch ist (BGH, Urteil vom 20. April 2017 - IX ZR 252/16, WM 2017, 1215 Rn. 13, 29; zV in BGHZ bestimmt).
- 6
- 3. Das Berufungsgericht hat die Revision wegen divergierender Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zugelassen. Eine Divergenz im Sinne von § 543 ZPO setzt jedoch voraus, dass die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die anzufechtende Entscheidung muss ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantworten als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellen, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 292 f). Das vom Berufungsgericht zitierte Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Dezember 2015 (6 AZR 186/14, BAGE 154, 28 = NJW 2016, 970, Rn. 23) betrifft die Anfechtung von Zahlungen aufgrund eines wirksam geschlossenen und in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnisses an eine grundlos freigestellte Arbeitnehmerin. Die Gleichsetzung von "rechtsgrundlos" und "unentgeltlich" (BAG, aaO Rn. 23) steht im Widerspruch zum Senatsurteil vom 20. April 2017, trägt das in Bezug genommene Urteil des Bundesarbeitsgerichts jedoch nicht.
III.
- 7
- Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Schoppmeyer Meyberg
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss erledigt worden.
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 16.10.2015 - 264 C 2145/15 -
LG München I, Entscheidung vom 17.11.2016 - 6 S 21301/15 -
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Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.
(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.
(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.