Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Sept. 2008 - IX ZR 210/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.182.049,41 € festgesetzt.
Gründe:
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- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).
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- 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Mandant bei pflichtgemäßer Beratung des Anwalts dessen Rat gefolgt wäre, sofern für ihn bei vernünftiger Betrachtungsweise aus damaliger Sicht nur eine Entscheidung nahe gelegen hätte. Um dies beurteilen zu können, müssen die Handlungsalternativen miteinander verglichen werden, die für ihn nach pflichtgemäßer Beratung zur Verfügung gestanden hätten. Die Regeln des Anscheinsbeweises sind aber unanwendbar, wenn unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unterschiedliche Schritte in Betracht kommen und der Berater dem Mandanten lediglich die erforderlichen fachlichen Informationen für eine sachgerechte Entscheidung zu geben hat (BGHZ 123, 311, 317; BGH, Urt. v. 13. Januar 2005 - IX ZR 455/00, WM 2005, 1615, 1616; v. 21. Juli 2005 - IX ZR 49/02, ZIP 2005, 1925, 1926; v. 23. November 2006 - IX ZR 21/03, WM 2007, 419, 421 Rn. 23; v. 26. Juni 2008 - IX ZR 145/05, ZIP 2008, 1432, 1434 Rn. 23; Fischer in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, 2. Aufl. Rn. 999 ff). Greift die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens ein, so bewirkt sie keine Beweislastumkehr. Vielmehr kann der Berater die Vermutung entkräften, indem er Tatsachen beweist, die für ein atypisches Verhalten des Mandanten sprechen (BGHZ 123, 311; Fischer aaO Rn. 1006).
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- Das Berufungsgericht ist insoweit von dieser Rechtsprechung abgewichen , als es eine Umkehr der Beweislast zum Nachteil der Beklagten angenommen hat. Hierauf beruht das Urteil aber nicht. Das Berufungsgericht hat bei der Entkräftung des Anscheinsbeweises keine Beweislastentscheidung zu Lasten der Beklagten getroffen, sondern den Sachvortrag der Beklagten nicht für eine Entkräftung der Annahme ausreichen lassen, dass nur ein Verhalten des Klägers bei sachgerechter Beratung denkbar gewesen wäre.
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- 2. Das Berufungsgericht hat ersichtlich im Hinblick auf die von ihm konkret als verletzt angenommenen Belehrungspflichten eine Belehrungsbedürftigkeit des Klägers geprüft und unter Berücksichtigung aller Umstände innerhalb des bestehenden unbeschränkten Mandats bejaht. Einen Obersatz, dass für die Beratungsbedürftigkeit nicht auf den konkret zu erteilenden Rat, sondern auf die generelle Beratungsbedürftigkeit hinsichtlich des Gesamtvorgangs abzustellen sei, hat das Berufungsgericht auch nicht stillschweigend aufgestellt. Es handelt sich um eine tatrichterliche Würdigung im Einzelfall, die auch dann, wenn sie unzutreffend wäre, keine Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr begründet.
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- 3. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten liegt nicht vor. Für die Annahme des Berufungsgerichts, das Verstreichenlassen der Annahmefrist zum 1. März 2002 beruhe auf einer anderen Interessenlage, war die - dem unstreitigen Parteivortrag möglicherweise widersprechende - Erwägung, die damaligen Vertragsschlüsse seien für M. von Vorteil gewesen, nicht tragend. Die Interessenlage war schon deshalb eine andere, weil der Kläger wegen des an ihn gerichteten Faxschreibens vom 27. Februar 2002 nicht befürchten musste, dass er nach Fristablauf das Angebot nicht mehr würde annehmen können. Auch der Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe einen Schaden erlitten, liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs zugrunde. Es hat das Schreiben vom 27. Februar 2002 und den hierauf bezogenen Sachvortrag der Beklagten ersichtlich zur Kenntnis genommen und erwogen. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (vgl. BVerfGE 64, 1, 12; BVerfG NJW 2005, 3345, 3346). Deshalb verletzt das Gericht auch dann nicht das rechtliche Gehör einer Partei, wenn es der von ihr gewünschten Auslegung einer Urkunde nicht folgt, sondern eine andere vertretbare Auffassung als zutreffend erachtet.
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- Schließlich ergibt sich ein Zulassungsgrund auch nicht aus dem Umstand , dass das Oberlandesgericht Düsseldorf im Parallelprozess der Mu. GmbH gegen den hiesigen Kläger die Klage abgewiesen hat, weil die Annahmefrist zum 1. März 2003 konkludent aufgehoben worden sei. Falls dieses Ur- teil rechtskräftig sein/werden sollte, hätte die dort erfolgte Streitverkündung gegenüber den hiesigen Beklagten keine Wirkung zu Ungunsten der Hauptpartei, also des hiesigen Klägers (vgl. BGHZ 100, 257, 260 ff.).
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 10.08.2005 - 14d O 223/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 26.10.2006 - I-6 U 219/05 -
Annotations
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.