vorgehend
Landgericht Nürnberg-Fürth, 8 O 6255/05, 28.04.2006
Oberlandesgericht Nürnberg, 2 U 1205/06, 09.05.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 100/08
vom
7. Juli 2011
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin
Möhring
am 7. Juli 2011

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 9. Mai 2008 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 204.369 € festgesetzt.

Gründe:


1
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht.
2
1. Den Begriff von Verhandlungen im Sinne des § 203 Abs. 1 BGB hat der Bundesgerichtshof bereits in mehreren Entscheidungen ausgelegt. Der Gläubiger muss dafür lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner nicht sofort und erkennbar Leistung ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen Seite die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erör- terungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein (BGH; Urteil vom 1. Februar 2007 - IX ZR 180/04, WM 2007, 801 Rn. 32 mwN; vom 14. Juli 2009 - XI ZR 18/08, BGHZ 182, 76 Rn. 16 mwN). Dem entsprechen die Ausführungen des Berufungsgerichts, welche die Beschwerde zu Unrecht als Ausdruck eines abweichenden Obersatzes wertet.
3
Das Berufungsgericht hat Verhandlungen der Parteien Ende 2002 und danach nicht deshalb verneint, weil die Beklagten keine Zugeständnisse gemacht oder erörtert haben, sondern weil sie sich nicht auf einen Schadensersatzanspruch bezogen, den die Klägerin in diesem Rechtsstreit geltend macht. Die Klägerin hat aufgrund neuer Belege die Berichtigung bisheriger Erklärungen verlangt. Gegenstand der Verhandlungen war danach die Schadensverhinderung , Schadensbegrenzung, Folgenbeseitigung oder Nachbesserung bisheriger Steuererklärungen, jedenfalls eine Tätigkeit der Beklagten gegenüber dem Finanzamt , nicht jedoch Schadensersatzzahlungen der Beklagten für einen eingetretenen Steuernachteil an die Klägerin. Die Verjährungshemmung gemäß § 639 Abs. 2 BGB a.F. betraf gerade einen dem erstgenannten Rechtsverhältnis ähnlichen Anspruch auf Mangelbeseitigung. Der Verhandlungsgegenstand des § 639 Abs. 2 BGB a.F. ist aber nach § 203 BGB nicht maßgebend, sondern in seiner Verjährung gehemmt ist nach dieser Bestimmung der Anspruch, über den oder über dessen Grundlagen zwischen den Parteien verhandelt wird. Dazu hätte hier als Verhandlungsgegenstand mindestens ein eingetretener Steuernachteil als Schadensfall und eine mögliche Pflichtverletzung als Haftungsgrund gehört. Daran hat es nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gefehlt. Den Begriff der Fehlbuchungen im Schreiben der Klägerin vom 2. Dezember 2002 konnte das Berufungsgericht im Sinne objektiver Unrichtigkeit deuten. Eine für die Zulassungsprüfung erhebliche Abweichung der Obersätze des Berufungsgerichts und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt mithin hieraus nicht.
4
2. Der mögliche Gehörsverstoß des Berufungsgerichts, das die Behauptung der Klägerin nicht berücksichtigt hat, für die Veranlagungszeiträume 1993 und 1994 sei eine belastende Steuerfestsetzung erst durch den Bescheid vom 27. Mai 1998 ergangen, ist nach diesem Ausgangspunkt für die Entscheidung nicht erheblich. Unbeschadet des späteren Verjährungsbeginns waren die Fristen der Primär- und Sekundärverjährung bei Einleitung der hemmenden Rechtsverfolgung im Dezember 2004 verstrichen.
5
3. Der Verwirkungseinwand der Klägerin gegen die Verjährungseinrede der Beklagten ist so substanzlos, dass ein gesondertes Eingehen des Berufungsgerichts hierauf in den Gründen seiner Entscheidung nicht erforderlich war. Seine Ausführungen im Zusammenhang mit § 203 BGB lassen hinreichend erkennen, warum die Klägerin der Verjährungseinrede auf diesem Wege nicht begegnen konnte. Das rechtliche Gehör der Klägerin ist in diesem Punkt nicht verletzt worden.
6
4. Die zur Auslegung von § 296 Abs. 2 ZPO aufgeworfene angebliche Grundsatzfrage, ob der neuerliche Beweisantrag der Klägerin wegen grober Nachlässigkeit zurückgewiesen werden durfte, nachdem sie sich zunächst geweigert hatte, den ihr auferlegten Auslagenvorschuss gemäß § 379 Satz 2 ZPO fristgerecht einzuzahlen, wenn der Umfang der Beweiserhebung nach relationstechnischer Prüfung fehlerhaft gewesen wäre, stellt sich nicht. Mit Recht weist die Beschwerdeerwiderung zudem darauf hin, dass die Grundsatzbedeutung dieser Rechtsfrage nicht ausgeführt ist und die Zulassungsrüge damit schon der gesetzlich notwendigen Begründung ermangelt.

7
Von weiterer Begründung der Entscheidung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.
Kayser Raebel Pape
Grupp Möhring

Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 28.04.2006 - 8 O 6255/05 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 09.05.2008 - 2 U 1205/06 -

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(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebrac

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Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

16
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Begriff "Verhandlungen" im Sinne von § 203 Satz 1 BGB weit auszulegen. Der Gläubiger muss dafür lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches oder dessen Umfang ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird oder dass Erfolgsaussicht besteht (vgl. BGH, Urteile vom 17. Februar 2004 - VI ZR 429/02, NJW 2004, 1654, vom 26. Oktober 2006 - VII ZR 194/05, NJW 2007, 587, Tz. 10 und vom 1. Februar 2007 - IX ZR 180/04, NJW-RR 2007, 1358, Tz. 32).

Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Bestellers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Unternehmer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit des Werkes übernommen hat.

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.

(2) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.

(3) Verspätete Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die der Beklagte verzichten kann, sind nur zuzulassen, wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 3 ist der Entschuldigungsgrund auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

Das Gericht kann die Ladung des Zeugen davon abhängig machen, dass der Beweisführer einen hinreichenden Vorschuss zur Deckung der Auslagen zahlt, die der Staatskasse durch die Vernehmung des Zeugen erwachsen. Wird der Vorschuss nicht innerhalb der bestimmten Frist gezahlt, so unterbleibt die Ladung, wenn die Zahlung nicht so zeitig nachgeholt wird, dass die Vernehmung durchgeführt werden kann, ohne dass dadurch nach der freien Überzeugung des Gerichts das Verfahren verzögert wird.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.